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«Girard de Roussillon», «Huon de Bordeaux»; [* 2] aus der zweiten Gruppe, in der die Kämpfe der Barone untereinander während der Schwäche des Königtums im 10. Jahrh. behandelt sind, seien erwähnt «Raoul de Cambrai», «Auberi le Bourgoing» und vor allem «Die Lothringer» («Les Lorrains»),
ein Cyklus von fünf Liedern, in denen mit ungemeiner Kraft [* 3] die Fehde zwischen den Lothringern und den Bordelaisen geschildert wird. c. Gedichte, deren Inhalt aus verschiedenen, teils orient. teils byzant. Quellen stammt. Doch haben die Helden dieser Chansons de geste karoling. Namen erhalten. In diese Klasse gehören «Amis et Amiles», «Jourdain de Blaivies», «Beuvon d'Hanstone» (german. Ursprungs) u. a. Aus Reimchroniken, die über den ersten Kreuzzug berichteten, entstand ferner ein Cyklus von Heldenliedern, deren Mittelpunkt Gottfried von Bouillon ist, mit dessen Namen in diesem Cyklus zugleich die Schwanensage in Verbindung gebracht wird (vgl. Pigeonneau, «Le [* 4] cycle de la Croisade», St. Cloud 1877). Die älteste dieser Kreuzzugsdichtungen, die «Chanson d'Antioche», wurde um 1130 von Richart le Pelerin verfaßt und um 1200 von Graindor de Douay neu bearbeitet. In derselben Zeit entstanden: «La chanson de Jérusalem», «Le chevalier au cygne» und die «Enfances Godefroi».
Eigentümlich entwickelt sich aus der antiken Tierfabel das die Heldendichtung heiter parodierende franz. Tierepos. Die ältesten Versuche, einzelne Fabeln von Wolf, Fuchs [* 5] und Löwen [* 6] in epischem Zusammenhange zu behandeln, stammen aus flandr. Klöstern und sind (im 12. Jahrh.) in lat. Versen gedichtet. Um 1150 muß es schon einen franz. «Roman de Renart» gegeben haben, doch gehören die ältesten von den 32 Branchen des erhaltenen Tierepos in eine spätere Zeit (ungefähr 1200).
Vgl. E. Martin, Roman de Renart (3 Bde., Straßb. 1882-87);
Voretzsch, in der «Zeitschrift für roman. Philologie», Bd. 15, 16. - Über die epische Dichtung des franz. Mittelalters vgl. K. Nyrop, Den oldfranske Heltedigtning (Kopenh. 1883);
speciell über die nationale Epik G. Paris, [* 7] Histoire poétique de Charlemagne (Par. 1865);
L. Gautier, Les épopées françaises, Bd. 1, 3, 4 (2. Aufl., ebd. 1878-82), Bd. 2 (ebd. 1892);
P. Rajna, Le origini dell'epopea francese (Flor. 1884).
Außer dem Tierepos kennt die desselben Zeitraumes auch Fabelsammlungen oder Ysopets (um 1170 von Marie de France u. a.), die Äsopische und andere Fabeln orient. Herkunft in franz. Nachdichtung enthalten. (Vgl. Lyoner Yzopet, hg. von W. Foerster, Heilbr. 1882.) Die Novellistik vertreten die kürzern Verserzählungen «Contes», «Lais», «Fabliaux». Die Lais sind meist ritterliche Geschichten nach breton. Überlieferung erzählt, wie in der Sammlung der Marie de France, die Fabliaux (s. d.) sind mehr bürgerlich, Schwänke, Anekdoten von Bauern, Clercs, Bürgern u. s. w., Erzählungen, in denen die franz. Spottlust und der neckische Hang des Volks zum Ausdruck kommt, und die vielleicht schon lange von Mund zu Mund gewandert waren, ehe sie in Fassungen aus dem Ende des 12. und dem Anfang des 13. Jahrh. zur Niederschrift gelangten. Hierher gehören ferner die beiden indopers. Apologensammlungen Bidpai und Sendabad in dem franz. «Dolopathos» von dem Trouvère Herbert (hg. von Brunet und de Montaiglon, Par. 1856),
nach dem lat. Dolopathos des Joh. de Alta Silva (hg. von Österley, Straßb. 1873) gedichtet, und die ältere anonyme Dichtung «Li romans des sept sages» (hg. von G. Paris, Par. 1876) sowie die aus arab. Quellen hervorgegangene «Disciplina clericalis» des getauften span. Juden Petrus Alfonsi im «Chastoiement d'un père à son fils» (hg. im «Nouveau recueil de fabliaux» von Méon, Bd. 2, Par. 1824).
Außer diesen schon die Belehrung des Lesers ins Auge [* 8] fassenden Beispielsammlungen entstehen um das Ende des 12. und in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. mancherlei religiös-didaktische und satirisch-lehrhafte Dichtungen, wie das Tierbuch («Bestiaire divin») und «Le Besant Dieu» von Guillaume le Clerc aus der Normandie (hg. von E. Martin, Halle [* 9] 1869),
die geistlichen Erzählungen des Gautier de Coinci (1177-1236),
die orient.-christl. Legende von «Barlaam und Josaphat» (von Chardry),
der satir. Zeitspiegel («Bible», hg. von Wolfhart und San Marte, Halle 1881) des Guiot de Provins, und die ersten allegorisch-didaktischen Dichtungen: «Roman des ailes» (von Raoul de Houdenc),
«Le songe d'enfer» (von dems.) und das «Tournoiement d'Antecrist» (von Huon de Méry) u. a. Populäre Weisheit enthält in der Form eines «Débat» die weitverbreitete Spruchsammlung «Salomon et Marcoul». Lehrbücher für den Verkehr in der vornehmen Welt sind das «Chastiement des dames» des Robert von Blois und das «Doctrinal de courtoisie».
Die franz. Dichtung des Mittelalters ist vorwiegend episch. Auch haben die ältesten Denkmäler der volkstümlichen Lyrik vielfach epische Färbung. So die altertümlichen Romanzen («Chansons d'istoire», «Chansons de toile»),
von denen eine größere Anzahl aus dem 12. Jahrh. überliefert ist, kleine lyrisch-epische Lieder, die zum Teil im 13. Jahrh. durch Audefroi le Bastard eine kunstmäßigere Form erhielten. Ferner die Pastourellen, Liebesepisoden aus dem Hirtenleben; während rein lyrisch gehalten sind die Refrainlieder (Rotrouenges), die Tanzlieder (Rondels) und die Lais, Nachahmungen breton. Lieder von künstlichem Bau. (Vgl. Bartsch, Altfranz. Romanzen und Pastourellen, Lpz. 1870; Wackernagel, Altfranz. Lieder und Leiche, Bas. 1846.) Um 1150 entsteht eine den Provençalen nachgeahmte Hof- und Kunstlyrik; diese wird besonders unter den Auspizien der Königin Eleonore von England und ihrer Tochter Marie von Champagne gepflegt.
Das künstliche Liebeslied («Chanson d'amour»),
der «Salut d'amour», das «Jeu parti» und die übrigen provençalischen Gattungen wurden besonders im Nordosten Frankreichs heimisch. Das Kreuzlied, das auch in die höfische Sphäre gehoben wird, war den Franzosen schon früher bekannt. Die hervorragenden Lyriker sind höfische Trouvères und vornehme Herren, Chrétien von Troyes, Conon von Béthune (gest. 1224), Jehan Bodel, Richard von England (gest. 1199), Gasse Brulé, Blondel de Nesle, Gui de Coucy (gest. 1201), Thibaut IV. von der Champagne, König von Navarra (gest. 1243). -
Vgl. Mätzner, Altfranz.
Lieder (Berl. 1853); Raynaud, Bibliographie des chansonniers français (2 Bde., Par. 1884); Jeanroy, Les origines de la poésie lyrique en France (ebd. 1889).
Noch fallen in diese Periode die Anfänge der nordfranz. Dramatik. Das ernste Schauspiel entwickelte sich auch hier, wie überall, aus dem religiösen Kultus und wurde aus der bloß mimischen Darstellung einer Handlung zur dialogischen und ¶
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eigentlich dramatischen, nachdem die objektive und subjektive Richtung in der epischen und lyrischen Form jede für sich so durchgebildet waren, daß eine Verschmelzung beider in der dramatischen möglich war. So waren zunächst kleine liturgische Dramen entstanden, als Weihnachts- und Osterspiele in lat. Sprache [* 11] von Geistlichen zur Feier der Geburt und der Auferstehung des Erlösers gespielt, die allmählich franz. Sätze aufnahmen, ihren liturgischen Charakter abstreiften, vollständig zur Volkssprache übergingen und dann nicht mehr in, sondern seit Mitte des 12. Jahrh. vor der Kirche von Laien gespielt wurden.
Von einfachster Gestalt ist das franz.-lat. Spiel von den klugen und thörichten Jungfrauen aus dem Anfang des 12. Jahrh. (hg. von E. Böhmer in dessen «Roman. Studien», Bd. 4, Bonn [* 12] 1879); rein französisch ist bereits das dem 12. Jahrh. noch angehörende geistliche Schauspiel «Adam» (hg. von Graß, Halle 1891) und das aus dem 13. Jahrh. stammende Fragment «La résurrection du Sauveur»; von den Miracles (d. h. dramatisierten Heiligenlegenden) ist das «Jeu de Saint [* 13] Nicolas von Jehan Bodel aus Arras, [* 14] um 1200, das älteste, das in seinen eingestreuten komischen Episoden, die hier einen breiten Raum einnehmen, schon die Keime zum heitern weltlichen Schauspiel enthält. (Vgl. Petit de Julleville, Les mystères, 2 Bde., Par. 1886.)
Als ältestes geschichtliches Prosawerk, das in franz. Sprache geschrieben ist, verdient die «Conqueste de Constantinople» von Villehardouin hervorgehoben zu werden.
3) Von der Regierung Ludwigs IX. bis zur Thronbesteigung der Valois (ungefähr 1230-1330). Seit dem zweiten Viertel des 13. Jahrh. hat der ritterlich-abenteuerliche und volkstümlich-epische Geist in der sich ausgelebt. Das Bürgertum, unter dem Schutze eines starken Königtums neben dem Rittertum zu einer Macht geworden, erstreckt jetzt auch seinen Einfluß auf den in der Dichtung wirkenden Geist. Von der geistlichen Wissenschaft (Scholastik) und Poesie entlehnen bürgerliche Poeten die Allegorie und den Hang zum spitzfindigen Grübeln, der sich mit der dem dritten Stande eigentümlichen Neigung zur Satire gern verbindet.
Die Reflexionspoesie beherrscht den litterar. Markt: die Quellen der Inspiration für das nationale und ritterliche Heldentum sind verschüttet, das allegorisch-satir. und allegorisch-moralisierende Epos tritt auf den Plan. Das erfolgreichste litterar. Erzeugnis des franz. Mittelalters entsteht in dieser Epoche: der «Roman de la Rose», der bis tief ins 16. Jahrh. sein Ansehen als klassisches Werk behauptet hat. Dieses Gedicht, von Guillaume de Lorris um 1237 begonnen und von Jean de Meung, genannt Clopinel, um 1280 beendet, ist der ersten Anlage nach eine zarte allegorische Liebesgeschichte, die aber von dem zweiten Dichter zu einem von scharfer Satire und cynischen Wendungen erfüllten allgemeinen Zeitbilde ausgedehnt wird («Le roman de la Rose», hg. von Fr. Michel, 2 Bde., Par. 1864). Seit dem beispiellosen Erfolg des Rosenromans wurde die Vision eine beliebte poet.
Einkleidungsform und die Allegorie ein bevorzugtes Darstellungsmittel. Es entstand eine allegorische moralisierende Bearbeitung der Metamarphosen (vor 1305, von Chrétien Legouais, «Les métamorphoses d'Ovide moralisées»),
eine «Allégorie sur les membres du corps humain» u. a. In «Renart le nouvel» von Jacques Gelée (1288) wird das Tierepos allegorisch zu moralisierenden Zwecken behandelt, im «Roman de Fauvel», von François de Rues, eine polit.-satir. Schrift gegen die Tempelherren in das Gewand der Allegorie gehüllt. Den lehrhaften Zug, der durch die franz. Dichtung ging, bezeugen auch die verschiedenen gereimten Encyklopädien, die in diesem Jahrhundert entstanden, so die «Image du monde» (um 1245) des Gautier von Metz [* 15] und der «Trésor» des Florentiners Brunetto Latini (um 1270).
Die eigentliche epische Dichtung ist unfruchtbar geworden. Neuschöpfungen in der volkstümlichen Richtung entstehen zur Ausfüllung von Lücken in den einzelnen epischen Kreisen. Sonst beschäftigt man sich damit, alte Chansons de geste im Geschmacke der Zeit umzuarbeiten und auszuweiten (Remaniements). Diese Neubearbeitungen sind bestimmt, gelesen zu werden. Ein geschickter Nachahmer der alten Heldenlieder ist Adenès li Rois, der um 1270 «Berte aux grans piés», «Beuvon de Comarchis» u. a. schrieb; sein Schüler Girart d'Amiens kompilierte um 1300 einen «Charlemagne» (Jugendgeschichte Karls d. Gr.) in Alexandrinern.
Adenès verfaßte auch ein Epos in höfischem Stil: «Cléomadès», und Philippe de Remi die beiden Versromane «La manekine» (ein byzant. Stoff) und «Jehan de Dammartin» (1270-80). Einen «Roman de Mahomet» schrieb (1258) Alexandre du Pont zu Laon. Auch die Prosa kommt jetzt auf diesem Gebiete zur Geltung. Bereits zwischen 1250 und 1300 schrieb Baudouin Butors Romane aus dem Artuskreise in Prosa um, und die berühmtesten Heldenlieder, Roland, Fierabras u. s. w., wurden prosaisch gefaßt.
Dasselbe Schicksal traf alte Verslegenden (Brandan) und andere epische Dichtungen früherer Zeit. Neue Dichtungen in Prosa aus dieser Zeit sind die «Palamides» («Guiron li courtois») von Elie, die Kompilation der Geschichten des Artussagenkreises von Rusticien von Pisa [* 16] (um 1270),
die Novelle von König Flore und Belle Jehanne und der Roman von der Comtesse de Ponthieu. Bei dieser Bevorzugung der ungebundenen Rede werden die gereimten Chroniken seltener; zu erwähnen ist die «Chronique rimée» des Philippe Mousket (aus Tournai),
die Geschichte Frankreichs bis 1243 behandelnd, und aus späterer Zeit des Guillaume Guiart (von Orléans) [* 17] «Branche des royaux lignages» (die Jahre 1165-1306 umfassend). Dagegen waren die berühmten «Chroniques de Saint-Denis» seit dem 12. Jahrh. in Prosa geschrieben. Die Zeit von 1180 bis 1260 behandelt eine interessante Prosachronik von Reims. [* 18] Die höchste Stelle gebührt aber dem Memoirenwerke des Herrn von Joinville, der eine «Histoire de Saint Louis» schrieb (verfaßt 1305-9). Auch Marco Polo aus Venedig [* 19] schrieb seine Reiseerlebnisse während seiner Gefangenschaft in Genua [* 20] (1296-98) in franz. Sprache.
Der Minnesang verstummt an den Fürstenhöfen und findet jetzt seine Pflege durch bürgerliche Dichter in den Städten des nordöstl. Frankreichs. Hier entstehen die «Puys», poet. Gesellschaften, in denen ursprünglich Lieder zu Ehren der Jungfrau Maria in dichterischen Wettkämpfen vorgetragen wurden, später auch die weltliche Lyrik Eingang fand. Adam de la Halle (1235-88) aus Arras ist der hervorragendste Vertreter der bürgerlichen Minnedichtung. Neben ihm ist als Vertreter der Pariser Poesie Rustebeuf (gest. um 1280) zu nennen, dessen in der Form halb volkstümliche Gedichte einen scharfen polemisch-satir. Zug haben und in ¶