mehr
Christenmord in Syrien (Juni bis Juli 1860) Veranlassung zu einer Expedition dahin. Nicht ohne Mühe erreichte Napoleon die Zustimmung Englands zu einem Protokoll, das die Großmächte zu Paris [* 2] 3. Aug. unterzeichneten (definitive Konvention 5. Sept.), kraft dessen eine franz. Brigade von 7000 Mann zu Schiffe [* 3] ging, die 16. Aug. in Beirut landete. Napoleon III. war offenbar bestrebt, diese Occupation von Syrien bis ins Ungewisse hinaus zu verlängern. Dagegen regte sich aber die Eifersucht Englands in so hohem Grade, daß die franz. Truppen im Juni 1861 wieder heimkehren mußten.
Den Ausbruch des großen Bürgerkrieges in den Vereinigten Staaten [* 4] von Amerika [* 5] benutzte Napoleon, um ungehindert auch auf dem amerik. Kontinent festen Fuß zu fassen. Die Republik Mexiko, [* 6] die sich seit Jahren in einem Zustande der Anarchie befand, hatte wiederholt die Interessen und Rechte franz. Unterthanen willkürlich verletzt und zuletzt durch ein Ausnahmegesetz vom alle vertragsmäßigen Zahlungen auf zwei Jahre eingestellt. Sofort ergriff Napoleon diesen Vorwand, und es gelang ihm, England und Spanien [* 7] zur Mitwirkung zu bewegen. Durch den Vertrag zu London [* 8] vereinigten sich die drei Mächte, die mexik. Küsten militärisch zu besetzen, bis die Republik ihren Verpflichtungen nachkommen werde. Napoleons Pläne gingen indes auf die Errichtung eines von Frankreich abhängigen monarchischen Staates in Mexiko aus und brachten ihn bald mit seinen Verbündeten in Konflikt, die sich von dem Unternehmen lossagten.
Am hielt der franz. General Forev seinen Einzug in die Hauptstadt Mexiko, und 10. Juli beschloß eine Notablenversammlung daselbst, die Kaiserkrone von Mexiko dem Erzherzog Maximilian anzutragen. Dieser nahm die dargebotene Krone an und schloß gleichzeitig den Vertrag von Miramar mit Napoleon III. ab, wodurch Frankreich eine Kriegsentschädigung von 270 Mill. Frs. zugesichert wurde und Napoleon sich verpflichtete, 25000 Mann in Mexiko so lange zu lassen, bis Maximilian aus Fremden und Einheimischen eine Armee zu organisieren vermöge. Die Occupationstruppen sollten vom an aus der mexik. Staatskasse unterhalten werden. So ward eine Art von Vasallenstaat in Mexiko begründet, dessen Existenz nur von der Fortdauer des franz. Schutzes abhängig war. (S. Mexiko, Geschichte.)
Dieses Unternehmen, das später kläglich scheitern sollte, hatte von Anfang an nur Abneigung im franz. Volke gefunden. Man sah seinen Zweck nicht ein, auch dann nicht, als Napoleon hinterher von amerik. Gleichgewicht [* 9] und Unterstützung der lat. Rasse sprach. Die immer steigenden Ausgaben erzeugten Verstimmung, die sich endlich auch in der Kammer zu äußern begann. Napoleon hatte sich, angesichts der ungünstiger gewordenen Lage nach außen, 1860 zu Zugeständnissen im Innern bewogen gefühlt. So gestand ein 24. Nov. erlassenes kaiserl. Dekret dem Senat und dem Gesetzgebenden Körper das Recht zu, auf die jährliche Thronrede durch eine Adresse zu antworten und bei der Adreßdebatte Aufklärung über die innere und äußere Politik zu fordern.
Minister ohne Portefeuille (sog. Sprechminister) sollten neben den Staatsräten die Regierungsvorlagen verteidigen. Das Recht der Abgeordneten, Amendements zu stellen, ward erweitert und der ausführliche Abdruck der Verhandlungen gestattet. Die parlamentarische Debatte nahm demzufolge in der Session von 1861 einen Aufschwung und fand im Gesetzgebenden Körper ihre Vertreter an der demokratischen Opposition der Fünf (Jules Favre, Darimon, Picard, Hénon, Ollivier).
Jetzt ward auch die finanzielle Seite der Regierungspolitik, welche die Staatsausgaben gewaltig gesteigert hatte, zum erstenmal einer ernstern Kritik unterzogen. Ein Senatskonsult vom 31. Dez. erweiterte die Kompetenz des Gesetzgebenden Körpers bei der Abstimmung über das Budget und stellte zugleich fest, daß die außerordentlichen und Supplementarkredite nicht mehr wie bisher bloß durch ein kaiserl. Dekret, sondern nur durch ein förmliches Gesetz bewilligt werden dürften.
Auch die Presse [* 10] erhielt eine kleine Erleichterung durch das Gesetz vom Unmittelbar nach dem Schluß der Session wurden die Neuwahlen zur dritten Legislaturperiode ausgeschrieben, wobei 36 Oppositionsmänner in die Kammer gelangten, darunter Thiers. Unmittelbar nach den Wahlen erhielt Persigny den Abschied; zugleich wurde das ganze Ministerium umgestaltet, die Minister ohne Portefeuille wurden abgeschafft und deren Funktionen dem Staatsministerium übertragen
Im Winter 1862-63 zog der Aufstand der Polen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und auch die alten franz. Sympathien wurden wieder laut, sodaß Napoleon Veranlassung zu einer diplomat. Einmischung nahm, die jedoch von Rußland zurückgewiesen wurde. Auch der Plan eines allgemeinen Kongresses zur Regelung der poln. Frage scheiterte, und Rußland hatte freie Hand, [* 11] Polen mit Härte zu unterjochen, was das Kaiserreich bei den liberalen Franzosen in Nachteil brachte. Zu derselben Zeit kam es zum Bruch zwischen Deutschland [* 12] und Dänemark. [* 13] Anfangs versuchte Napoleon III. zugleich mit England und Rußland zwischen König Christian IX. und den deutschen Mächten zu vermitteln. Aber die Aufforderung Englands, zu Gunsten Dänemarks eine kriegerische Demonstration am Rhein zu machen, lehnte er ab, da er den nationalen Wünschen Deutschlands [* 14] und Schleswig-Holsteins nicht mit den Waffen [* 15] entgegentreten könne.
Diese Vorgänge in der auswärtigen Politik fanden, neben den Übelständen im Innern, eingehende Kritik in der neuen Kammer, wo die geistig überlegene Opposition ihr Gewicht schon bei der Adreßdebatte von 1864 fühlbar machte und die Reden Thiers' in der Kammer und beim Publikum tiefen Eindruck hervorbrachten. Noch lebhafter war die Adreßdebatte von 1865; hier wurde selbst der Staatsstreich vom 2. Dez. auf das rücksichtsloseste zur Sprache [* 16] gebracht, was zu den leidenschaftlichsten Auftritten führte. Unterdes machte Napoleon III. eine Reise nach Algerien [* 17] (Mai bis Juni), wo er die langwierigen Konflikte zwischen der Militär- und Civilverwaltung persönlich beizulegen und die aufgeregte arab. Bevölkerung [* 18] durch Proklamationen u. s. w. zu beruhigen suchte. Während seiner Abwesenheit führte die Kaiserin Eugenie die Regentschaft.
Gerade in diese Zeit der wachsenden Opposition fiel auch das definitive Scheitern des mexik. Abenteuers. Die Vereinigten Staaten hatten ihren Bürgerkrieg beendet und forderten den bedingungslosen Rückzug der Franzosen, wozu sich Napoleon endlich verstand. Das war eine entschiedene Niederlage, der die Hinrichtung des Kaisers Maximilian ¶
mehr
nach dem Abzug der Franzosen ein besonderes Odium verlieh. Napoleon suchte den ungünstigen Eindruck durch einen leichten diplomat. Triumph zu verwischen, und von den Verwicklungen zwischen Preußen [* 20] und Österreich [* 21] in der schlesw.-holstein. Frage Vorteil zu ziehen. Er unterstützte Bismarcks Politik, ließ Mai 1866 durch seinen Gesandten Grafen Benedetti in Berlin [* 22] einen europ. Kongreß in Vorschlag bringen und deutete in einem Gespräch mit dem preuß. Gesandten in Paris auf die Rheinlinie als eine wünschenswerte Entschädigung für Frankreich hin.
Als man dies in Berlin ablehnte, änderte Napoleon sein Begehren, indem er die Wiederherstellung eines deutschen Rheinbundes kleiner Fürsten an der Grenze F.s vorschlug, wenn Preußen auf dem Kongreß Schleswig-Holstein [* 23] zugesprochen würde. Aber es sollte zu einem solchen Kongreß nicht kommen. Österreich faßte den Krieg fest ins Auge [* 24] und verhandelte mit Napoleon III. über einen Vertrag, der 12. Juni zu stande kam. Napoleon sollte danach von Österreich Venetien erhalten, um dies unter der Bedingung an Italien [* 25] zu überlassen, daß dort die weltliche Herrschaft des Papstes und die Unverletzlichkeit der ihm noch unterworfenen Gebiete anerkannt und in dem Kriege zwischen Preußen und Österreich Neutralität beobachtet werde. Auch Napoleon verpflichtete sich neutral zu bleiben und eine Schadloshaltung Österreichs auf Preußens [* 26] Kosten (Schlesien) [* 27] gutzuheißen, wofür Österreich Frankreich eine entscheidende Stimme bei jeder Neugestaltung der deutschen Verhältnisse (event. Kompensationen) zugestand.
Der rasche Verlauf des Deutschen Krieges von 1866 überraschte in Paris um so mehr, als man auf ein langwieriges und wechselvolles Ringen gerechnet hatte. Am 4. Juli, am Tage nach der Schlacht bei Königgrätz, [* 28] erfolgte die Abtretung Venetiens an Napoleon III.; aber die Hoffnung, von dem siegreichen und sich vergrößernden Preußen «Kompensationen» zu erlangen, schlug fehl. Wohl hatte Preußen die franz. Vermittlerrolle angenommen und daraufhin Frieden mit Österreich geschlossen.
Als jedoch hinterher der franz. Gesandte Benedetti 5. Aug. Bismarck einen Entschädigungsplan überreichte und für Frankreich die Grenze von 1814, Rheinbayern und Rheinhessen nebst Mainz [* 29] und die Aufhebung des preuß. Besatzungsrechts in Luxemburg [* 30] forderte, antwortete der preuß. Minister in bestimmter Form, wenn die Ablehnung dieser Ansprüche ein Kriegsfall wäre, so würde Preußen Krieg führen. Auf diesen Bescheid erklärte Napoleon angesichts der schlechten Armeeverhältnisse, der ganze Antrag sei ein Mißverständnis gewesen, in das er während seiner Krankheit durch Drouyn de l'Huys verwickelt worden sei.
Dieser trat 1. Sept. zurück und wurde durch den Gesandten in Konstantinopel, [* 31] Marquis de Moustier, ersetzt. Ende 1866 bethätigten sich zum letztenmal die Sympathien Napoleons III. für die Neugestaltung Italiens. [* 32] Der franz. General Leboeuf übernahm als kaiserl. Kommissar Venetien von dem österr. Militärkommando 19. Okt., um es sofort den eigenen Municipalbehörden zu überliefern und die Vereinigung mit dem Königreich Italien anzubahnen. Auch räumten die franz. Truppen bis Mitte Dezember Rom und [* 33] den Kirchenstaat.
Um aber doch noch eine «Kompensation» an der deutschen Grenze zu erwerben und dem populären Rufe «Revanche pour Sadowa» wenigstens in etwas gerecht zu werden, unterhandelte Napoleon mit König Wilhelm III. von Holland wegen Ankaufs des Großherzogtums Luxemburg. Kurz vor Unterzeichnung des Kaufvertrags zeigten jedoch die Erklärungen Bismarcks im Norddeutschen Reichstage, daß dort von einer Zulassung der beabsichtigten Abtretung nicht die Rede sein könnte. Sonach hielt Napoleon III. es geraten, auch jetzt wieder nachzugeben; eine franz. Cirkulardepesche erklärte, daß man auf die Erwerbung Luxemburgs verzichten wolle, wenn Preußen seinerseits das Besatzungsrecht daselbst aufgebe. Eine Londoner Konferenz vereinbarte den Vertrag vom der das Großherzogtum für immer neutralisierte.
Diese wiederholten Niederlagen der auswärtigen Politik wirkten auf die innern Verhältnisse zurück. Die Opposition nahm an Bedeutung und Umfang zu. Zunächst griff Napoleon III. zu Repressivmaßregeln: ein Senatskonsult vom untersagte jede Diskussion der Verfassung außer durch den Senat und beschränkte die Befugnis des Gesetzgebenden Körpers auf die Verbesserung von Regierungsvorlagen. Bald darauf aber verstand sich Napoleon III. zu einigen liberalen Konzessionen.
Ein kaiserl. Brief an Rouher vom schaffte zwar die Adreßdebatte ab, ließ aber ein Interpellationsrecht zu. Die seit 1852 beseitigte Rednertribüne im Gesetzgebenden Körper wurde wieder aufgerichtet und die baldige Vorlage neuer Gesetze über die Presse und das Vereinsrecht versprochen. Dieses Dekret zog eine teilweise Änderung des Ministeriums nach sich, in das Niel als Kriegsminister eintrat; doch Rouher (der sog. «Vicekaiser») blieb in Amt und Einfluß.
Die Reorganisation der Armee wurde mit aller Macht betrieben. Das dem Gesetzgebenden Körper vorgelegte Gesetz sollte durch neunjährige allgemeine Dienstpflicht (5 bei der Fahne) eine Feldarmee von 800000 Mann und zum Schutz der Festungen und Städte eine mobile Nationalgarde von 400000 Mann schaffen. Gleichzeitig betrieb Niel mit rastloser Energie die Umwandlung der Infanteriegewehre nach dem verbesserten System Chassepot. Der Sommer 1867 verlief im festlichen Glanze der zweiten Pariser Welt-Industrieausstellung. Im Herbst 1867 ließ die ital. Nationalpartei durch Garibaldi sich zu einem Angriff auf Rom fortreißen.
Daher ging 26. Okt. ein franz. Geschwader mit Landungstruppen unter General de Failly von Toulon [* 34] in See, und 30. Okt. rückten die ersten franz. Bataillone wieder in Rom ein. Am 3. Nov. kam es bei Mentana zu einem blutigen Gefecht zwischen den Freischaren Garibaldis und den päpstl. Truppen; letztere waren in Gefahr zu unterliegen, als die Franzosen ihnen zu Hilfe kamen und den Ausschlag gaben. Nachdem die päpstl. Autorität im Kirchenstaat wiederhergestellt war, kehrte ein Teil des franz. Expeditionskorps nach Frankreich zurück; doch blieben einige Truppen in Civitavecchia.
Unterdes war die kaiserl. Regierung bemüht, die Gesetzvorlage über die Armeereform durchzubringen. Am 14. Jan. ward das neue Wehrgesetz im Gesetzgebenden Körper mit 199 gegen 60 Stimmen angenommen und 1. Febr. vom Kaiser genehmigt. Auch eine Anleihe von 429 Mill. Frs., vorzugsweise zu militär. Zwecken, wurde bewilligt (28. Juli). Die neuen Gesetze über die Presse und das Versammlungsrecht kamen im Mai zu stande; sie schufen im Gegensatz zu dem bisherigen Willkürregiment wenigstens eine gesetzliche Grundlage. Die extremen Parteien benutzten die gewonnene Freiheit. ¶