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die Feudalen, die königl. Prinzen an der Spitze, die Auswanderung begannen. In der Nacht des 4. Aug. hob die Nationalversammlung alle Feudalrechte und persönlichen Lasten auf und ließ darauf die Erklärung der Menschenrechte folgen. Die widerstrebende Haltung des Königs gegen diese Artikel, mehr jedoch die vom Herzog Ludwig Philipp von Orléans [* 2] beförderten Aufhetzungen und die Furcht der Massen vor der Hungersnot führten zu einem neuen Ausbruche in Paris [* 3] und 5. Okt. zu dem Zuge großer Volkshaufen nach Versailles, [* 4] durch die der König und die königl. Familie gezwungen wurden, sich 6. Okt. nach Paris zu begeben, wohin auch die Nationalversammlung bald ihren Sitz verlegte.
Diese begann nun im November eine neue Organisation des Landes. Die alten Provinzen wurden durch 83 Departements ersetzt, die in Distrikte und Kantone zerfielen; die Wahl der Verwaltungsräte vollzogen alle aktiven, den Wert dreier Arbeitstage steuernden Bürger. Dieselben wählten auch die Wähler und diese die Deputierten zur Nationalversammlung. Jedes Departement erhielt einen Civil- und einen Kriminalgerichtshof, jeder Kanton [* 5] ein Friedensgericht. Um dem Klerus den Einfluß abzuschneiden und der Finanznot abzuhelfen, konfiszierte die Versammlung 2. Nov. das sämtliche Kirchengut, was bald darauf zur Schaffung der Assignaten (s. d.) führte. Eine neue Verfassung des Klerus, die Aufhebung der geistlichen und weltlichen Orden, [* 6] Korporationen und Titel vollendeten die Auflösung des alten Staates.
Unter diesen Wirren beschworen am Jahrestage der Erstürmung der Bastille, der König, die Staatsgewalten und die Deputierten die neuen Verfassungsgesetze. Zwei Drittel des Klerus verweigerten jedoch den Bürgereid; die polit. Klubs, besonders die Jakobiner, erhitzten die Köpfe und regten die Massen auf; die Nationalversammlung selbst war in Konstitutionelle, Republikaner und Anhänger des Hofs gespalten. Am starb Mirabeau, der einzige Charakter, der den Thron [* 7] gegen Männer wie Robespierre, Marat, Danton vielleicht hätte aufrecht erhalten können.
Zugleich nahm die Auswanderung des Adels überhand. (S. Emigranten.) Der Prinz von Condé bildete zu Worms, [* 8] der Graf Artois zu Koblenz [* 9] ein Emigrantenkorps. Als auch Ludwig XVI. in der Nacht vom 20. Juni mit seiner Familie einen Fluchtversuch machte, wurde er 22. zu Varennes verhaftet und nach Paris zurückgeführt. Die Nationalversammlung hatte unterdessen nicht versäumt, auch die ausübende Gewalt an sich zu nehmen; sie suspendierte den König vorläufig und setzte eine Untersuchungskommission ein. Die republikanische Partei, darunter Robespierre, Pétion, Desmoulins und Danton, arbeitete nun an der Absetzung des Königs, der schon vollkommen willenlos das Werk der Konstituante, die neue Verfassung, beschwor.
Inzwischen regte sich das Ausland zu Gunsten des franz. Königtums. Friedrich Wilhelm II. von Preußen [* 10] unterschrieb zu Pillnitz mit Kaiser Leopold II. eine Deklaration, die zwar noch keine Kriegserklärung war, aber doch weitere königsfeindliche Fortschritte der Revolution bedrohte.
Die Wahlen zur Gesetzgebenden Versammlung, die alle Mitglieder der 30. Sept. aufgelösten Nationalversammlung ausschlossen, brachten vorwiegend Demokraten ans Ruder. Die Versammlung begann ihre Sitzungen. Die Führung hatten die Girondisten, die damals noch eng mit den Radikalen, wie Danton, Robespierre und selbst Marat, verbündet und mit ihnen im Jakobinerklub vereinigt waren. Sie rissen sofort die Versammlung zu scharfen Dekreten gegen die eidverweigernden Priester und die Emigranten hin, denen der König sein Veto entgegensetzte. Die Antwort der dadurch gereizten Gironde war das Dekret vom 29. Nov., wonach Ludwig die rhein. Kurfürsten zur Entlassung der Emigrantenarmee auffordern mußte. Im Dezember stellte man 160000 Mann unter die Waffen [* 11] und anscheinend auf Antrag des Königs, der seit dem von einem girondistischen Ministerium unter Roland willenlos gelenkt wurde, ward 20. April der Krieg gegen Österreich [* 12] einstimmig beschlossen.
Bei der Nachricht von der ersten Niederlage der Franzosen wurde die Aufregung der Massen ungeheuer. Die Nationalversammlung erklärte sich in Permanenz und verfügte die Zusammenziehung eines Lagers von 20000 Mann Föderierter in der Nähe von Paris. Als der König, seine Hoffnung, auf die Pariser Nationalgarde setzend, 8. Juni diesem Vorschlage die Zustimmung versagte und am 13. das Ministerium Roland entließ, setzten die Girondisten alle Hebel [* 13] an, um ihn zu stürzen.
Auf ihren Betrieb erschienen 20. Juni die bewaffneten Haufen der Vorstädte vor der Versammlung und verlangten die Abschaffung des königl. Veto. Gegen Mittag drangen die Massen in das Schloß und verlangten die Vollziehung der Dekrete. Ludwig widerstand. Darauf erklärte die Kammer 5. Juli das Vaterland in Gefahr, man rief Freikorps zusammen und bewaffnete das Volk mit Piken. Inzwischen waren die Preußen nach einem Manifest des Herzogs von Braunschweig [* 14] in die Champagne eingerückt. (S. Französische Revolutionskriege.) Während die Jakobiner die Vorstädte in Aufruhr setzten und den Marseiller Pöbel an sich zogen, verhandelte 9. Aug. die Versammlung die Absetzung des Königs. Am 10. Aug. setzten die Pariser Sektionen einen revolutionären Bürgerrat ein und griffen die im Innern von den Schweizern verteidigten Tuilerien an. Die Nationalgarden weigerten sich, auf das Volk zu schießen, und so sah sich der König genötigt, mit seiner Familie in die Nationalversammlung zu flüchten.
Die girondistischen Minister wurden wieder eingesetzt, den Beschlüssen der Versammlung Gesetzeskraft zugesprochen und die Zusammenberufung eines Nationalkonvents angeordnet. Den König führte man 13. Aug. als Gefangenen mit seiner Familie in den Temple. Der konstitutionelle Thron, die Verfassung von 1791 und der Einfluß aller Anhänger des Königtums waren nun vernichtet. Die Pariser Gemeinde, an deren Spitze die radikalsten Jakobiner standen, nötigte die Versammlung zur Einsetzung einer Gerichtskommission, die über die Verschworenen des 10. Aug., wie man die Anhänger des Königs nannte, Untersuchung führen sollte; alle unbeeideten Priester wurden eingekerkert. Um die Royalisten in Schrecken zu setzen und die Gemäßigten vor den Neuwahlen einzuschüchtern, setzte der Justizminister Danton die Errichtung eines Verteidigungsrats durch und gab 2. Sept. das Signal zu den Gefängnismorden. Einige Tage wütete der Pöbel gegen die als verdächtig eingekerkerten Aristokraten. Die Nationalversammlung löste sich auf, und der Nationalkonvent (Convention nationale) trat sofort an ihre Stelle. ¶
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Als der Nationalkonvent seine Sitzungen begann, war die radikale jakobinische Partei, der Berg, der Gironde keineswegs an Zahl, wohl aber an Thatkraft und Rücksichtslosigkeit überlegen. Auf Collot d'Herbois' Antrag wurde Frankreich 25. Sept. zur Republik erklärt. Und auch nach außen hatte die Revolution den Sieg errungen. Die Preußen zogen sich zurück, Belgien [* 16] wurde erobert, Custine nahm Trier, [* 17] Speier [* 18] und Mainz, [* 19] Montesquiou überzog Savoyen. Aber der Zwiespalt zwischen dem Berg und der Gironde trat immer unverhüllter hervor, und der mit dem 5. Dez. beginnende Prozeß des Königs gestaltete sich sogleich zum Kampfe der beiden Parteien um die Herrschaft im Konvent.
Die Gironde wollte den des Hochverrats beschuldigten König nur richten und dann die Berufung an das Volk zulassen, die Deputierten vom Berg aber schüchterten die Girondisten derart ein, daß schließlich auch sie für den Tod Ludwigs XVI. stimmten. Am wurde das Todesurteil ausgesprochen und am 21. vollzogen. In allen Teilen des Landes wütete der Aufruhr; die royalistische Vendée (s. d. und Chouans) bedrohte die Hauptstadt; England, Holland, Spanien, [* 20] Neapel [* 21] und das Deutsche Reich [* 22] kämpften gegen die Revolution, deren Terrorismus aber mit den äußern Gefahren nur wuchs. Am 10. März wurde das Revolutionstribunal (s. d.) zur Bestrafung aller polit.
Vergehen errichtet, und um dem Gouvernement révolutionnaire mehr Kraft [* 23] zu geben, trat 6. April der Wohlfahrtsausschuß (s. d.) ins Leben, der den Vereinigungspunkt der revolutionären Häupter und eine oberste Regierungsbehörde für innere und äußere Politik zu bilden hatte. Alsbald begann mit Hilfe der Massen ein neuer Kampf gegen die gemäßigteren Republikaner, von denen man Untersuchung der Septembermorde und Ähnliches befürchtete. Die Unverletzlichkeit der Deputierten ward aufgehoben, und dies war die Einleitung zum Verfahren gegen die Girondisten.
Die Bedrohten beantragten eine Untersuchungskommission, die Hébert verhaftete und den Rat auflöste. Dieser Schritt gab das Zeichen zum Aufstande. Die Banden der Vorstädte erschienen 31. Mai bewaffnet vor dem Konvent, um die Proskription von 34 Girondisten zu fordern. Am 2. Juni wurde der Streich durchgesetzt und die Ächtung der Girondisten als Vaterlandsverräter erlangt. Die meisten derselben waren indes entkommen; die, deren man habhaft werden konnte, wurden hingerichtet, ihre Fürsprecher vertrieben.
Jetzt flammte in den Provinzen der Aufstand für Königtum und Kirche auf. General Wimpffen zog in der Bretagne ein nicht unbedeutendes Korps zusammen, das er gegen die republikanischen Truppen führte und mit dem er Paris zu nehmen gedachte. Marseille, [* 24] Bordeaux [* 25] und andere Städte des Südens nahmen die Partei der Girondisten; Lyon [* 26] wurde durch die Royalisten zur Lossagung von der revolutionären Regierung bewogen. Als Antwort beschwor der Konvent auf dem Marsfelde eine radikale Verfassung, die jedoch sogleich bis zum Ende des Krieges suspendiert wurde; er befahl die Verhaftung aller Verdächtigen und die Massenerhebung des Volks.
Carnot wurde im August an die Spitze des Heerwesens gestellt; Hunderttausende wurden mobil gemacht und nach allen Punkten und Grenzen [* 27] des Reichs entsendet. Der Krieg im Innern wurde immer gräßlicher; in der Vendée begann ein wahres Morden. Die Greuel, welche die republikanischen Truppen in dem überwundenen Marseille und Bordeaux verübten, veranlaßten Toulon, [* 28] sich 29. Aug. an die Engländer zu übergeben, doch wurde es im Dezember genommen, nachdem schon vorher 9. Okt. Lyon gefallen war und ein schreckliches Gericht erfahren hatte. Am 5. Okt. wurde eine neue Zeitrechnung und ein neuer Kalender eingeführt.
Auch das Christentum wurde abgeschafft und dafür durch Hébert und seine Genossen von der Pariser Commune der Kultus der Vernunft eingeführt. Am 14. Okt. ward die Königin Marie Antoinette verurteilt, 16. enthauptet; ihr folgten 31. Okt. 21 Deputierte der Rechten, teils Girondisten, teils Anhänger des Herzogs von Orléans, und 6. Nov. der Herzog selbst auf das Blutgerüst. Der Wohlfahrtsausschuß hatte jetzt alle Gewalt an sich gerissen. Robespierre bewirkte die Verhaftung der 20 Hébertisten (s. d.), die darauf 24. März hingerichtet wurden. Da die Partei Dantons, die einen gemäßigten Weg einschlagen wollte, Robespierre ebenfalls im Wege stand, so wurden auch Danton und seine Freunde verhaftet, des Royalismus angeklagt und 5. April guillotiniert.
Robespierre, Saint-Just und Couthon bildeten nun ein Triumvirat des Schreckens. Alles war zu einer neuen Revolution bereit, die den Konvent stürzen und Robespierre die Diktatur verleihen sollte. Zunächst führte Robespierre den Kultus des höchsten Wesens ein. Dann mußte Couthon auf eine schnellere Justiz des Revolutionstribunals und auf ein Gesetz antragen, wonach die Ausschüsse das Recht erhielten, die Deputierten eigenmächtig vor das Tribunal zu stellen.
Mit Furcht und Schrecken gab endlich der Konvent nach, und Robespierre begann nun die Hinrichtungen in Masse (par fournées). Sein Schreckensregiment war indes von kurzer Dauer. Am 8. Thermidor (26. Juli) verlangte er von dem Konvent vergebens die Erneuerung der Ausschüsse. Am 9. Thermidor erhoben sich auf Talliens Aufforderung alle Mitglieder, schwuren die Republik zu retten und ließen Robespierre mit seinem Bruder, Saint-Just, Couthon und Lebas verhaften. Gleiches geschah mit Henriot, dem Anführer der Pariser Banden, der den Angriff auf den Konvent schon vorbereitet hatte. Am Abend gelang es indes den Jakobinern, die Gefangenen zu befreien. Nun ernannte der Konvent Barras zum Kommandanten der Nationalgarde, erklärte die Aufrührer außer dem Gesetz und trug mit Hilfe der Sektionen einen vollständigen Sieg über Henriot, der das Stadthaus zu verteidigen hatte, davon. Schon 28. Juli (10. Thermidor) bestieg Robespierre das Schafott; 76 andere Terroristen wurden teils hingerichtet, teils ausgestoßen.
Das Volk hatte durch das System des Terrorismus furchtbar gelitten; alle Klassen sehnten sich nach Ruhe. Es bildete sich unter Fréron eine Art Leibwache des Konvents aus den Söhnen der wohlhabenden Bürger, die sog. «Jeunesse dorée». Am 11. Nov. wurde endlich der Jakobinerklub geschlossen, und bald darauf erfolgte das Verbot aller Volksvereine. Die 73 Deputierten, die gegen den 31. Mai protestiert hatten, und alle andern Geächteten wurden zurückgerufen. Die Hungersnot und die fast völlige Entwertung der Assignaten gaben jedoch immer wieder Gelegenheit zu Aufständen. Am ordnete hierauf der Konvent die Entwaffnung der Vorstädte an, und die demokratische Partei, ihrer Führer und ihrer Klubs beraubt, verlor hiermit allen Einfluß. Man beriet und beschloß, nun eine neue, gemäßigtere republikanische ¶