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Mitregenten salben ließ, sodaß das Wahlrecht der Großen ganz eingeschränkt und in friedlicher Weise ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Monarchie gethan wurde. Endlich aber trug es zur Befestigung des Königtums bei, daß die Kirche nie so mächtig war wie in Deutschland; [* 2] die meisten Bischöfe waren entweder vom König oder von einem der Barone abhängig und besaßen keine sehr großen Territorien. Der Investiturstreit erschütterte das Land nicht allzusehr; das Verhältnis des Klerus zum Königtum war hier freundschaftlicher, wo beide durch gemeinsame Interessen den Feudalherren gegenüber aufeinander angewiesen waren. Dasselbe gilt von den jetzt erblühenden städtischen Kommunen, die bald an dem König eine Stütze gegen den Druck ihrer Herren, Bischöfe und Grafen fanden.
Ludwig VI. (1108-37), der Dicke, zeigte für die Würde seiner Stellung mehr Verständnis als seine Vorgänger, besonders als der staatskluge Abt Suger von St. Denis sein Berater wurde. Er war der Schützer der Kirchen und der Niedern gegen die Übergriffe der Burgherren und begründete die Freiheit der Städte durch zahlreiche Privilegien. Heinrich I. von England, als Graf von der Normandie im Streite mit Ludwig VI., rief 1124 gegen ihn seinen Schwiegersohn, den Kaiser Heinrich V., zu Hilfe.
Als dieser Reims [* 3] überfallen wollte, trat ihm Ludwig an der Spitze eines starken Heers entgegen, sodaß die Deutschen umkehren mußten. Ludwig VII. (1137-80), der Junge, hatte Eleonore, die Erbin des südfranz. Aquitanien, geheiratet, sich aber ihrer Untreue wegen von ihr scheiden lassen; sie vermählte sich nun mit Heinrich II. von England, der so ihr reiches Erbe Guienne und Poitou erhielt. Zugleich hatte dieser aber von seinem Vater Gottfried die Grafschaft Anjou geerbt, sodaß er nun, mit der Normandie zusammen, den größten Teil des heutigen Frankreich besaß, während dem franz. Könige nur der fünfte Teil davon als Kronland gehörte. (S. Historische Karten von Frankreich 1.) Von nun an beginnen die Kämpfe zwischen ihm und dem übermächtigen Vasallen, und in der Gefahr vor den Bedrängern der Nation steht bald das franz. Königtum und Volk einmütig zusammen. Ludwig unternahm 1147 einen Kreuzzug, der jedoch mit einem Mißerfolge endete. (S. Kreuzzüge.) Während seiner Abwesenheit regierte Suger als Reichsverweser das Land. 1149 kehrte Ludwig VII. zurück; 1151 starb Suger, und nun hatte der König in seinen immer wieder erneuerten Fehden mit England wenig Erfolge aufzuweisen. Er starb 1180.
Mittlerweile aber war die Ausbildung des franz. Nationalcharakters in bedeutsamer Weise weiter geschritten. Das 12. Jahrh. zeigt einen erstaunlichen Aufschwung des Franzosentums, der es in geistiger und polit. Hinsicht vielfach an die Spitze des übrigen Europa [* 4] stellte. Es waren vor allem die Kreuzzüge, die hierbei von den wichtigsten Folgen waren. Von Anfang an hatte die Idee der Befreiung des Heiligen Grabes in Frankreich am stärksten gewirkt; das franz. Rittertum hatte an den Kämpfen gegen den Islam den größten Anteil gehabt und sich dabei zum Muster des europ. Rittertums herausgebildet. Es trug die kaum erblühte roman. Kultur überall hin, wo es kämpfte, und erwies sich, besonders in seinen normann. Elementen, als zur Staatenbildung ungemein begabt. So hat in England, Spanien, [* 5] Süditalien [* 6] (s. Sicilien, Königreich), Palästina [* 7] (s. Jerusalem [* 8] und Edessa) und später in Griechenland [* 9] (s. Byzantinisches Reich, Bd. 3, S. 814) der franz. Adel eine Reihe von Staaten gegründet und mit seinem Recht und seinen Sitten befruchtet. Die Bekanntschaft mit neuen Ländern und ihre Kolonisation wirkte dann wieder höchst anregend auf das Mutterland. Die neuen Handelswege begünstigten einen regen Austausch der Erzeugnisse F.s und des Orients. Die Städte blühten auf, das Bürgertum wurde wohlhabender und dadurch auch selbstbewußter und schloß sich noch fester an das Königtum an, das ihm Privilegien gewährte und seinen Widerstand gegen die Stadtherren unterstützte. - Das kirchliche Leben nahm ebenfalls neue Formen an, die entarteten Orden [* 10] wurden reformiert, und auch hier stand an der Spitze von Europa; vom Kloster Cluny gingen im 11., von dem gewaltigen Bernhard von Clairvaux im 12. Jahrh. die bedeutendsten religiösen Bewegungen aus; die Prämonstratenser und Cistercienser wirkten weithin fördernd auf die Kultur der Länder.
Schon vertrat an der Universität Paris [* 11] Abälard eine freiere geistige Richtung, schon regte sich in Südfrankreich eine ketzerische Opposition gegen das Papsttum. Endlich kam auch in der Kunst diese geistige Blüte [* 12] zum Ausdruck: in der bildenden Kunst waren es die roman. und got. Bauten, in der Poesie besonders die an die alten Sagenkreise von Artus und dem Gral anknüpfenden Epen, die, auf franz. Boden entstanden, den andern Nationen ein bewundertes Vorbild wurden.
Unter der Regierung Philipps II. August (1180-1223), eines kühl berechnenden und höchst energischen Herrschers, erhielt Frankreich auch die seiner aufblühenden Kultur entsprechende staatliche Bedeutung. Freilich kam ihm hierbei die Zersplitterung Deutschlands [* 13] und Englands zu statten. Noch zu Lebzeiten Heinrichs II. von England reizte Philipp August dessen Söhne gegen den Vater; als dieser 1189 starb, unternahm er zwar mit seinem Nachfolger Richard Löwenherz einen Kreuzzug, kehrte aber schon 1191 von Atkon zurück, griff die Normandie an und zwang Richard, 1196 Vexin und Gisors (östlich der untern Seine) abzutreten.
Weit mehr noch erreichte er aber, als der Nachfolger Richards, Johann ohne Land, den rechtmäßigen Erben der Normandie, seinen Neffen Arthur, auf die Seite schaffte; Philipp erklärte ihn seiner franz. Lehen für verlustig und zwang ihn, 1206 im Stillstand von Thouars Anjou, Maine, Touraine, Bretagne und die Normandie abzutreten; nur Poitou und Guyenne behielt Johann. Außer der Bretagne vereinigte Philipp alle jene Gebiete mit dem Kronland; desgleichen Amiens, [* 14] Valois und Vermandois, die er schon 1183 dem Grafen von Flandern abgenommen hatte. Zu Papst Innocenz III., der ihm wegen der Verstoßung seiner Gemahlin Ingeborg (1193) zürnte und später Frankreich mit dem Interdikt belegte, gewann er schließlich doch ein gutes Verhältnis, sodaß dieser ihm zeitweilig (1212) sogar die engl. Krone zusprach.
In dem Kampfe zwischen dem jungen Staufer Friedrich II. und dem Kaiser Otto IV. stellte er sich auf die Seite Friedrichs, da Otto von England unterstützt wurde. Bei Bouvines (s. d.) fiel 1214 die Entscheidung; Philipp siegte über Otto und besiegelte damit F.s Hegemonie in Europa. 1216 boten die engl. Barone seinem Sohne, dem spätern König Ludwig VIII., sogar die engl. Krone an, dieser setzte auch über den Kanal, [* 15] mußte aber 1217 zurückkehren, als das engl. Nationalgefühl nach dem Tode des verachteten Johann wieder erwachte. Hatte Philipp ¶
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somit sein Gebiet verdoppelt, so konnte er auch im Innern die größten Erfolge in der Stärkung seiner Monarchie aufweisen. Was seine Vorgänger zur Niederhaltung der großen Vasallen gethan hatten, setzte er in nachhaltiger Weise fort. Jene wurden allmählich aus dem Rate des Königs entfernt, in den nun einfache Ritter, Geistliche und Rechtsgelehrte eintraten, die zuverlässige Werkzeuge [* 17] des dem Absolutismus zustrebenden Königtums wurden. Ebenso erweiterte sich auch die Kompetenz des königl. Hofgerichts immer mehr; schon durfte man von den Gerichten des Klerus und der Barone an jenes appellieren. Die Erblichkeit der großen Kronämter wurde beseitigt und die unabhängigen Vasallen aus ihnen entfernt. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fand bei Philipp rege Förderung. Er erkannte schon die Bedeutung von Paris, das er ummauern ließ, schützte die fremden Kaufleute, Handel und Gewerbe und begabte auch die kleinsten Kommunen mit Freiheitsbriefen. - Unter seinem Nachfolger Ludwig VIII. (1223-26) sollte nun Frankreich auch den wichtigen Schritt gegen den Süden thun, den Philipp schon vorbereitet hatte. In Languedoc tobte seit fünfzehn Jahren ein blutiger Krieg, den das Papsttum gegen die ketzerischen Albigenser (s. d.) und ihren vermeintlichen Beschützer, den mächtigen Grafen von Toulouse, [* 18] führte. Als dieser aber den Grafen von Montfort, denen der Papst Toulouse gegeben hatte, erfolgreich widerstand, kam Ludwig VIII. 1226 der Kirche zu Hilfe; doch starb er schon kurz nach dem glücklichen Beginn seines Zuges. Auch gegen England hatte er den Kampf wieder begonnen und Poitou erobert. Die Monarchie schädigte er jedoch dadurch, daß er sein Gebiet unter seine vier Söhne teilte.
Der Thronerbe Ludwig IX., der Heilige (1226-70), wurde während seiner Minderjährigkeit von seiner Mutter Blanca geleitet, und ihrer Energie hatte Frankreich es zu danken, daß die letzten Angriffe, die die großen Vasallen im Bunde mit Heinrich III. von England gegen die Krone unternahmen, abgeschlagen wurden. Nun beginnt für das Land eine Periode innern Friedens und kräftigen Aufblühens. Durch vorteilhafte Verträge vergrößerte Ludwig sein und seiner Brüder Gebiet;
1229 trat Raimund von Toulouse einen Teil seines Besitzes ab;
der Rest kam nach seinem Tode 1249 an Alfons von Poitou, den Bruder Ludwigs, den Gemahl der Erbtochter Raimunds. 1246 kam die Provence durch Heirat an Karl I. von Anjou, den jüngsten Bruder Ludwigs. 1258 trat Aragon sein Land nördlich der Pyrenäen zum Teil an Frankreich ab;
1259 wurde zwar das Gebiet jenseit der Charente und Garonne freiwillig an Heinrich III. von England zurückerstattet, dafür aber erkannte er Ludwig als rechtmäßigen Besitzer der früher engl. Provinzen im Norden [* 19] an und nahm sie von ihm zum Lehn.
Durch Kauf wurden Macon, Blois und Chartres erworben. Eine kluge Politik der Kirche gegenüber, die Ludwig zwar ehrte, aber in ihren hierarchischen Übergriffen nicht unterstützte, erhöhte das Ansehen F.s, das jetzt, wo in Deutschland das Kaisertum unterging, die erste Macht Europas wurde. Allerdings ist die Echtheit der Pragmatischen Sanktion (1269), in der Ludwig die Selbständigkeit der Gallikanischen Kirche (s. d.) begründet hätte, neuerdings angezweifelt; aber der Inhalt entspricht doch zum Teil den Maßregeln, mit denen er, im Einverständnis mit seinem Adel, den drückenden Steuern der päpstl.
Legaten entgegentrat. Sehr wichtig sind Ludwigs rechtliche Einrichtungen. Er hat das Parlament an seinem Hofe organisiert, ein Gericht, das die letzte Entscheidung über die Prozesse in den Provinzen hatte. An die Stelle des Gottesurteils trat der Zeugenbeweis, das röm. Recht verdrängte das Landrecht, und die gelehrten Juristen (Legisten, s. d.) kamen zu großer Bedeutung. Die Verwaltung wurde in die Hände königl. Beamter (Baillis, Seneschalls, Prévôts) gelegt; sie hatten die Polizei und die Einziehung der Steuern unter sich.
Ludwig starb 1270 auf einem Kreuzzuge, den er gegen Tunis [* 20] unternommen hatte. Sein Sohn Philipp III., der Kühne (1270-85), kehrte von dort nach einigen Erfolgen zurück. Er ließ sich zum Teil von seinem Oheim Karl I. von Anjou, dem König von Sicilien, zum Teil von seinem Günstling Peter de la Brosse leiten. Unternehmungen gegen Castilien (1276) und Aragon (1285) verliefen nicht glücklich; doch wurde ein bedeutender Gebietszuwachs dadurch erlangt, daß nach dem Tode des kinderlosen Alfons von Poitou der größere Teil des Südwestens von an die Krone kam (Auvergne, Poitou, Toulouse). Im Innern führte Philipp die Verwaltung im Sinne seiner Vorfahren weiter.
Den Höhepunkt erreichte aber diese ganze franz. Entwicklung des 13. Jahrh. unter Philipp IV., dem Schönen (1285-1314). Gestützt auf eine starke Macht, auf ein ergebenes Beamtentum, auf kluge und energisch für den Absolutismus wirkende Legisten, konnte er den Kampf mit dem Papsttum aufnehmen. Die wichtige Frage der Besteuerung des franz. Klerus gab den Anlaß zu dem folgenschweren Streite zwischen dem Papste Bonifacius VIII. und Philipp IV. Der Streit endete 1303 mit dem gewaltthätigen Überfall Bonifacius' VIII. in Anagni; seine Folgen zeigten sich in zwei bedeutsamen Ereignissen: der Übersiedelung des Papsttunis nach Avignon (1305), wo es im Machtbereich des franz. Königs festgehalten wurde, und der Aufhebung des Tempelherrenordens (1312), der als ein Staat im Staate dem Könige gefährlich erschien und überdies durch seine Reichtümer seine Begehrlichkeit reizte.
Denn durch unglückliche kriegerische Unternehmungen (Niederlage gegen die Flandrischen Städte bei Courtrai 1302) und gesteigerte Ausgaben der Regierung war Philipp in Geldverlegenheit geraten, die er vergeblich durch drückende fiskalische Maßnahmen und Münzoperationen zu beseitigen versuchte. Damit hing, mehr als mit seiner Kirchenpolitik, die bedeutsame Berufung der Generalstaaten (États généraux, s. d.) zusammen (1303), wo neben Adel und Klerus auch der Dritte Stand, das aufblühende Bürgertum, vertreten war, das somit nun anfing, kräftigen Anteil am Staatsleben zu nehmen; die Feudalität wurde immer mehr aus den maßgebenden Stellungen verdrängt.
Nach außen hat Philipp keine großen Erfolge gehabt, so in dem dauernden Kriege mit England. Nur das zum Deutschen Reiche gehörende Lyon [* 21] nahm er 1312 fort und erwarb durch Heirat Navarra, Champagne und Brie. Seine Bedeutung beruht in den durchaus modernen Tendenzen seiner Regierung, durch die er die mittelalterliche Entwicklung des Lehnsstaates durchbrach und die modernen Formen des Absolutismus anbahnte. Der älteste Sohn Philipps, Ludwig X. (1314-16), begünstigte dagegen eine feudale Reaktion, die sich gegen die Räte des Vaters richtete. Ihm folgte, da er keinen Sohn hatte, sein Bruder Philipp V. (1316-22), und diesem aus demselben Grunde sein Bruder Karl IV. (1322-28); beide waren nicht ¶