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«Moniteur universel» (s. d.),
seitdem bis 1869 offizielles Regierungsblatt, und das «Journal des Débats», von Louis François Bertin (s. d.). Während der Restauration vermehrte sich die Zahl auf 150, darunter 8 politische, 1829 auf doppelt soviel, darunter 20 politische. Unter letztern waren die wichtigsten Parteiblätter der Royalisten: die «Gazette», die «Quotidienne», der «Drapeau blanc», die «Étoile»;
der Liberalen: der «Constitutionnel», der «Courrier français», das «Journal des Débats», der «National», der letztere von Thiers, Mignet und Armand Carrel gestiftet.
In der ersten Periode der Julimonarchie entwickelte sich die Tagespresse: 347 Journale erschienen zu Paris, [* 2] als die Septembergesetze 1835 eine strenge Aufsicht anordneten, jedoch keineswegs das Fortbestehen der Oppositionsblätter hinderten. Das «Journal des Débats» und der «Constitutionnel», später auch die «Presse», [* 3] schrieben für die Sache der Philippisten, das sog. Juste-Milieu. Von den verschiedenen Schattierungen der Legitimisten ward die mit radikalen und revolutionären Elementen versetzte durch die «Gazette de France», die absolutistische durch die «Quotidienne» und «France» vertreten.
Der «Courrier français» und der «Temps», später auch das «Siècle», waren die vornehmsten Journale der dynastischen Opposition, des freisinnigen Tiers-Parti. Den Radikalen gehörten «Nationale» und «Monde», später auch die «Réforme». Socialistische Grundsätze predigte die «Démocratie pacifique», das «Journal du Commerce» verfolgte bonapartistische Tendenzen. Unter den kleinern Blättern ragten der «Corsaire» und dert «Charivari» weit hervor. Die Zeitungen waren damals noch ein Luxusgegenstand und wandten sich nur an den legitimistischen Adel und den herrschenden Bürgerstand. Organe, die sich zu Vertretern der reinen Demokratie machten, scheiterten vielfach infolge des Mangels an Abonnenten. So «La Tribune des Départements», von Marrast; der radikale «Bon Sens», von Louis Blanc; der «Réformateur», von Raspail, und das «Journal du Temple», von Godefroy Cavaignac.
Eine wichtige Veränderung bewirkte Emile de Girardin, indem er 1836 bei Begründung der «Presse» den Preis von 80 Frs. auf 40 Frs. ermäßigte und somit der Schöpfer der sog. Vierzigfrankenpresse wurde. Die «Presse» erhielt durch ihr reiches Feuilleton große Verbreitung, und aus demselben Grunde stieg die Zahl der Abonnenten des «Siècle» auf eine nie dagewesene Höhe.
Titel und Inhalt der durch die Februarrevolution von 1848 hervorgerufenen Blätter erinnerten bisweilen an die erste Revolution: «L'Ami du Peuple en 1848», von Raspail;
«Le [* 4] Peuple constituant» von Lamennais;
«Le Représentant du Peuple», von Proudhon, das einflußreichste socialistische Blatt; [* 5]
«La Montagne», von George Sand;
«Le Petit-fils du père Duchêne», ein sehr verbreitetes Volksblatt;
«La Commune de Paris», von Sobrier, u. s. w.
Unter dem zweiten Kaiserreich, nach dem Dekret vom das die Presse dem Gutdünken der Staatsverwaltung anheimstellte, vervielfältigte sich die litterarische, wissenschaftliche, industrielle, finanzielle Journalistik; die polit. Polemik bewegte sich in engen Schranken, die weiter ausschreitenden Journale wurden verwarnt, suspendiert, aufgehoben. Neben dem «Journal officiel» (s. d.) bestanden noch mehrere ganz oder halb offiziöse Zeitungen: der «Constitutionnel», das «Pays», die «Patrie» u. a. Die «France», das «aufrichtig dynastische und katholische» Senatorenblatt, und die «Presse», streng imperialistisch gesinnt und stark ultramontan gefärbt, bildeten den Übergang zu den Journalen der kath. Partei. Die legitimistische Laienfraktion hatte ihren Wortführer an der «Gazette de France» und «Union»; dagegen waren «Univers», «Monde» und das «Journal des Villes et des Campagnes» Organe der Klerikerfraktion.
Das «Journal des Débats» schwankte zwar damals in seiner polit. Richtung, galt aber im allgemeinen immer noch, ebenso wie das junge «Journal de Paris», für ein orleanistisches Blatt. Die Sache der radikalen Demokratie verteidigten das «Siècle», das populärste und verbreitetste Blatt der damaligen Journalistik (es hatte 45000 Abonnenten),
die «Opinion nationale» sowie «Avenir national» und «Temps». Während der Commune im Frühjahr 1871 existierten 89 Journale, von denen die vorher bestehenden, um der brutalen Censur des Stadthauses auszuweichen, teils jeden Tag den Titel wechselten, teils außerhalb Paris gedruckt wurden, und die neu hinzugekommenen sofort verschwanden, als die Truppen von Versailles [* 6] einrückten.
Seit 1871 hat das Zeitungswesen einen mächtigen Aufschwung genommen. Nicht bloß jede Partei, jede Gruppe jeder Partei hat ein Journal, ja sogar die im parlamentarischen Leben, in der hohen Finanz- und Geschäftswelt wichtigsten Persönlichkeiten wollen Tonangeber und Wegweiser von ergebenen Zeitungen sein. Die Journale dieser letztern Art, wie die «Presse», die «Liberté», die «Estafette», der «Voltaire», wechselten mit ihren Eigentümern auch die polit. Richtung.
Bedeutende Zeitungen erscheinen aber jetzt wie früher nur in Paris. Vor allem sind zu nennen: der «Figaro», das «Journal des Débats», der «Temps», die «République française», das «XIXe Siècle», der orleanistische «Soleil» und der «Gaulois». Die größte Verbreitung (1160000 Exemplare) hat das billige «Petit Journal». (S. die Einzelartikel.) Neu erstanden sind seit 1871 zahlreiche Blätter. Von diesen vertreten folgende die republikanische Richtung: der deutschfeindliche, radikale «Événement», das Organ der Arbeiterpartei «L'Égalité», ferner seit 1878 «Le Voltaire», im Besitz von Laffitte (seit 1880),
«La Gazette du Village», von Joigneaux begründet (antideutsch und jeden Sonntag erscheinend),
La Paix", 1879 von J. [Jules Grévy?] Grévy begründet, die radikale «Justice», unter Leitung von Clémenceau und Camille Pelletan (seit 1880) und seit 1881 der unabhängige «L'Express», ferner «Paris», von Charles Laurent geleitet (ministeriell, opportunistisch) sowie «L'Écho de Paris» mit hervorragenden Mitarbeitern; «Gil Blas» ist vornehmlich Unterhaltungsblatt mit Skandalchronik. 1893 wurde «Germinal» begründet. Ausgesprochen radikal sind: «Le Radical», seit 1871, und «L'Intransigeant», unter Henri Rochefort (s. d.),
dem frühern Herausgeber der «Lanterne». Gegner der Republik sind außer «Gaulois» und «Figaro» die bonapartistischen Blätter: «L'Étendard» und «L'Autorité»),
beide unter Leitung von Paul de Cassagnac. Außerdem sind noch wichtig: «La France» (antideutsch),
«Le Drapeau», das Organ der Patriotenliga Déroulèdes, seit 1882, «L'Estafette», 1885 hervorgegangen aus der Verschmelzung von «Gagne-Petit», «Opinion» und «Estafette», bis 1893 unter der ¶
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Leitung von Jules Ferry, «L'Univers» (ultramontan),
«La Patrie», «Le Rappel», «Le Siècle» sowie «Le Soir» und «Le Courrier du Soir», letztere beide republikanisch, ferner der «Matin», seit 1884, mit Leitartikeln verschiedener Parteiführer, ein gutes Nachrichtenblatt, der unabhängige «Éclair», die antisemit. «Libre Parole», von Ed. Drumont herausgegeben, die boulangistischen «Cocarde» und «Presse», letztere unter Laguerres Leitung, und der als Finanzblatt bedeutende «Indépendant français». Socialistische Organe sind: «Le Mot d'Ordre», «La Voix du Peuple» und «La Bataille», unter Lissagaray.
Der im Kampfe gegen Boulanger hervorragende «Cri du Peuple» ist 1891 eingegangen. Neben dem «Petit Journal» bestehen der «Petit Moniteur», der «Petit National» die «Petite République», drei Anhängsel der gleichnamigen großen Journale und mit diesen übereinstimmend in polit. Richtung; die «Petite Presse», ohne bestimmte polit. Farbe; der «Petit Caporal», bonapartistisch, Organ der Volkssouveränität, weit weniger verbreitet als das republikanische «Petit Journal»; die «Lanterne» und der «Petit Parisien», ganz radikal.
Im ganzen bestanden (1891) 161 polit. Zeitungen, darunter 128 republikanische und 33 monarchistische. 87 erschienen täglich, 67 wöchentlich einmal. Die Herausgabe einer Zeitung ist an eine besondere Erlaubnis oder Kaution nicht gebunden, doch ist der Staatsanwaltschaft der Titel, die Art des Erscheinens sowie Name und Adresse des Chefredacteurs und des Druckers vorher schriftlich anzuzeigen. Jede Änderung ist binnen 5 Tagen zu melden.
Auch die Zeitschriften sind sehr zahlreich. Die vornehmste litterar.-polit. Revue ist die «Revue des Deux Mondes» (s. d.),
daneben sind die von Frau Adam (s. d.) begründete «Nouvelle Revue», die «Revue politique et littéraire» oder «Revue bleue» hervorzuheben. Der seit 1832 bestehende «Charivari» verdankt seinen Erfolg den lithographierten Karikaturen, besonders der wöchentlichen «Revue comique», ist aber durch das «Journal pour rire», «La Caricature» und besonders durch das «Journal amusant» (Grévin, Mars, [* 9] Stop, Léonnec) überflügelt worden. Die Zahl der illustrierten Zeitungen, die alle 8 oder 14 Tage erscheinen, hat sich bedeutend vermehrt; das «Magasin pittoresque», das «Musée des familles», die «Illustration» (s. d.),
der «Monde illustré» und die «Vie parisienne» sind die ältesten. Von neuern Schöpfungen sind zu nennen: «L'Univers illustré», «Paris illustré», «Le Figaro illustré», «Le Courrier français», «Le Journal illustré». Seit einigen Jahren veröffentlichen «Figaro», «Gil Blas», «Soleil», «Petit Journal», «Petit Parisien» illustrierte Beilagen. Von satir. Blättern sind zu erwähnen: «Le Chat noir», «Le Don Quichotte», «Le Grelot» und «Le Pilori». Außerdem bestehen (1891) 33 Journale für Verwaltungsfragen, 4 Luftschiffer-Zeitungen, 53 für Ackerbau, Gärtnerei, Weinbau und Fischzucht, 23, die nur Annoncen betreffend Verkauf, Vermietung und Stellenvermittelung enthalten, 32 für Architektur, 52 für Vereine, 17 für Versicherungen, 33 für schöne Künste, 174 für Finanzen, 84 für Fragen des Unterrichts und der Erziehung, 145 für Medizin und Chirurgie, 30 für Militär-, 12 für Marineangelegenheiten, 30 für Sport, Jagd, Fischfang u.s. w., 21 für Theaterfragen, 81 für Jurisprudenz und Rechte. Ferner giebt es 105 illustrierte Journale (vor allem Modezeitungen), 93 religiöse (67 katholische, 23 protestantische, 3 israelitische), 26 für Musik und Fachzeitschriften für fast alle Gewerbszweige, im ganzen 1398 Zeitungen und Zeitschriften.
Die Provinzialpresse ist fast durchweg unbedeutend und von Paris abhängig. Es erscheinen außerhalb der Hauptstadt in Frankreich und den Kolonien insgesamt 3180 Zeitungen und Zeitschriften, darunter 1479 politische, und zwar 1012 republikanische und 467 monarchistische. Nur 299 erscheinen täglich, 161, 260 und 744 wöchentlich drei-, zwei- und einmal. Im ganzen ist die Presse im Norden [* 10] mehr entwickelt als im Süden des Landes. In Algerien [* 11] (s. d., Bd. 1, S. 392 b) erscheinen (1891) 125 Blätter. Von Zeitungen der Kolonien sind zu nennen: «Le Courrier de Haïphong», «Le Courrier de Guadeloupe», «Le Néo-Calédonien», «Le Journal officiel de la Cochinchine française», «Les Colonies» (Martinique),
«Le Créole» (Réunion),
«Tunis Journal».
Vgl. Collection de matériaux pour l'histoire de la Révolution.
Bibliographie des journaux (anonym von Deschiens, Par. 1829);
E. Texier, Histoire des journaux (ebd. 1851);
E. Hatin, Histoire du journal en France (2. Aufl., ebd. 1853);
ders., Histoire politique et littéraire de la presse en France (8 Bde., ebd. 1859-61);
ders., Bibliographie historique et critique de la presse périodique française (ebd. 1866);
Verzeichnis der Journale im «Manuel» der Verlagsbuchhandlung Brunox [Daffis] (3. Aufl. 1879);
Annuaire de la presse française (15. Jahrg. 1894).
Litteratur zur Geographie und Statistik. Die wichtigsten Specialwerke sind hinter den einzelnen Absschnitten aufgeführt. Außerdem sind zu erwähnen: die offizielle «Statistique de la France» (seit 1835), die Veröffentlichungen (Bulletins) der einzelnen Ministerien;
Block, Dictionnaire de l'administration française, mit jährlichen Supplementen;
Cortambert, Géographie physique et politique de la France (Par. 1875; neue Ausg. 1891);
Vivien de Saint-Martin, Nouveau dictionnaire de géographie universelle (ebd. 1877 fg.);
Paul Joanne, Dictionnaire géographique de la France (ebd. 1890 fg.);
Ad. Joanne, Petit dictionnaire géographique de la France (2. Ausg. 1877);
Levasseur, La France et ses colonies (Par. 1878; neue Ausg., 3 Bde., 1890-93);
Boisjoslin, Les peuples de la France (ebd. 1879);
Wernick, Reisebilder aus Südfrankreich (Lpz. 1879; 2. Ausg. 1888);
Malte-Brun, La France illustrée (neue Ausg., 5 Bde., Par. 1879-84);
Reclus, France, Algérie, colonies (1880);
Hirschfeld, Gallische Studien (3 Hefte, Wien [* 12] 1884);
Marga, Géographie militaire (5 Bde., zum Teil in 4. Aufl., Par. 1885);
Hillebrand, Frankreich und die Franzosen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. (3. Aufl., Berl. 1886);
Richard, Guide du voyageur en France (5 Bde., Par. 1888);
R. Fernandez, La France actuelle (ebd. 1888);
Heller, Realencyklopädie des franz. Staats- und Gesellschaftslebens (Oppeln [* 13] 1888);
Loua, La France sociale et économique (Par. 1888);
de Foville, La France sociale et économique (ebd. 1889);
Gindre de Mancy, Nouveau dictionnaire complet des communes de la France (neue Ausg. 1890);
Hahn, [* 14] Frankreich (Prag [* 15] 1891);
Turquan, Manuel de statistique pratique (Par. 1891);
Annuaire de l'économie politique et de la statistique (ebd. 1891; 48. Jahrg.);
Baedeker, Le nord (Le centre und Le midi) de la France (3 Bde., 4. Aufl., Lpz. 1892 u. 1893);
Dubois, Géographie de la France et de ses colonies (Par. 1892);
Gasquet, ¶