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Beachtung; auch die Besoldungen der Lehrer wurden erheblich aufgebessert.
In den Lyceen und Kollegien wird in neun Jahreskursen klassischer und realistischer Unterricht erteilt. Sie unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von den deutschen Gymnasien. In Sexta und Quinta wird nämlich nur eine fremde Sprache [* 2] (Deutsch oder Englisch) gelehrt; das Lateinische beginnt erst in Quarta, das Griechische erst in Obertertia und in Oberprima ist für Lateinisch und Griechisch nur eine Stunde angesetzt. Die Lyceen, die in höherm Ansehen stehen, sind Staatsinstitute, während die Kollegien unter Beihilfe des Staates von den Gemeinden erhalten werden. 1891 gab es 107 Staatslyceen und 235 Kommunalkollegien mit 83714 Schülern (gegen 79231 Schüler 1876). 1891 gab es ferner 250 freie von Laien geleitete Mittelschulen mit 15855 Schülern, 352 gleichartige von Geistlichen geleitete Schulen mit 51287 Schülern und 139 sog. Kleine Seminare mit 23290 Schülern. Die Gesamtschülerzahl beträgt 174146 (89954 Interne und 84192 Externe).
Durch das Gesetz vom wurde von Staats wegen das enseignement secondaires des filles, der höhere Mädchenunterricht, eingerichtet. Die Erziehung des weiblichen Geschlechts war früher den geistlichen Kongregationen überlassen. Die meisten Mädchen erhielten daher ihre höhere Ausbildung in Klöstern. Diesem Zustande soll ein Ende gemacht werden, indem man den bereits gegründeten Sekundärschulen für Mädchen immer neue Anstalten hinzufügt. Recht erfreuliche Fortschritte sind auf diesem Gebiete bereits erzielt; während 1883 nur 2 Lyceen und 3 Kollegien für die höhere Ausbildung der Mädchen bestanden, dienen 1890: 24 Lyceen und 27 Kollegien diesem Zwecke. 1881 zählten diese Anstalten 204, 1886 bereits 4967 und 1890 sogar 7044 Besucherinnen.
Der Heranbildung von Lehrern und Lehrerinnen an Mittelschulen sind gewidmet: die École normale supérieure zu Paris [* 3] und die École normale d'enseignement pour les jeunes filles zu Sèvres. Nach dem Gesetz vom sollen in Zukunft alle öffentlichen Unterrichtsanstalten nur von weltlichen Lehrern und Lehrerinnen geleitet werden. Um den tüchtigsten Lehrkräften Gelegenheit zu bieten, sich zu Leitern von Normalschulen und Inspektoren der Primärschulen ausbilden zu können, wurde für Lehrer die École normale supérieure d'enseignement primaire zu St. Cloud und für Lehrerinnen die zu Fontenay-aux-Roses errichtet. Der Eintritt in eine dieser Anstalten wird von dem Ausfall einer Konkurrenzprüfung abhängig gemacht.
In neuester Zeit hat sich in Paris ein Verein gebildet, welcher vorschlägt, die höhere Schule in eine untere, für alle Schüler gemeinschaftliche Stufe und eine obere Stufe, welche sich in mehrere Linien gabeln soll, zu zerlegen. Die klassischen Abteilungen sollen in einer oder mehrern Linien der Oberstufe ihre Stellung finden.
Auf dem Gebiete des Volksschulwesens ist eine entschiedene Wendung zum Bessern bemerkbar. Während 1882: 5341211 Kinder in 75635 Schulen unterrichtet wurden, war im Schuljahre 1888/89 die Zahl der Kinder auf 5545400, die der Schulen auf 80713 gestiegen;
auch die Zahl der höhern Stadtschulen (École primaires supérieures) und der Fortbildungsanstalten für Erwachsene ist erheblich gewachsen;
in den erstern wurden 1890: 40600 Knaben und Mädchen von über 3000 Lehrern unterrichtet und die letztern wurden 1886/87 von 156590 Männern und 28022 Frauen besucht.
Endlich wurden 1888/90: 340685 Knaben und 342483 Mädchen in den Kleinkinderschulen (Écoles maternelles) unterrichtet. Die Zahl der mit Elementarschulen verbundenen Bibliotheken, deren Bücher für die Erwachsenen bestimmt sind, betrug 1863: 580, 1878: 20781 mit 2075540, 1888: 36327 mit 4150824 Bänden. Die Zahl derer, die weder lesen noch schreiben können, ist aber immer noch bedeutend. Von den 1889 ausgehobenen 310275 Rekruten konnten 26051 (8,4 Proz.) weder lesen noch schreiben und 6638 verstanden nur zu lesen. 1886 gab es unter den Rekruten noch 10,08, 1882: 13, 1877: 15, 1866: 24, 1855: 32, 1835: 45 Proz. Analphabeten. 1886 vermochten bei 283208 Eheschließungen 32969 Männer und 53014 Frauen nicht mit ihrem Namen zu unterschreiben (1885: 35927 und 57301 bei 283170 Eheschließungen). -
Vgl. Annuaire de l'instruction publique (Paris);
Revue internationale de l'enseignement publiée par la Société de l'enseignement, hg. von Dreyfus-Brisac (bis 1892 12 Jahrgänge);
Rambaud, Histoire de la civilisation contemporaine en France (Par. 1888);
Jost, Annuaire de l'enseignement primaire (1893).
Über das Theaterwesen s. Französisches Theater. [* 4]
Zeitungswesen. Der Ursprung des Journalismus wird auf den «Mercure français» (26 Bde., Par. 1605-45) zurückgeführt, eine Nachahmung des «English Mercury», keine eigentliche Zeitung, sondern eine histor. Kompilation. Der Arzt Th. Renaudot gründete April 1631 in Paris ein Wochenblatt mit dem Titel «Gazette», das seit 1762 wöchentlich zweimal erschien, um diese Zeit auch mit der Aufnahme von Annoncen, 1765 mit der Mitteilung von Börsennachrichten begann und seit 1792 in größerm Format täglich als «Gazette nationale de France» und «Gazette de France» herauskam.
Daneben entstand die «Gazette burlesque», eine Zeitung in Versen, welche später (als «La Muse historique», 3 Bde., Par. 1650-65) erschien und für die Chronique scandaleuse des damaligen Paris von hohem Interesse ist. Zu diesen beiden Blättern trat als drittes der «Mercure galant», ein polit.-litterar. Blatt, [* 5] das 1672 begonnen wurde, dann nach einer Unterbrechung seit 1670 wieder regelmäßig erschien, 1717 den Titel «Le [* 6] nouveau Mercure» und 1724 «Mercure de France» annahm, während der Revolution Bedeutung erhielt und bis 1820 dauerte.
Das «Journal de Paris» (1777-1827) war das erste franz. Tageblatt. Die Revolution von 1789 schuf die heutige Journalistik. 1790 bestanden in Paris schon 350 Journale, darunter der «Patriote français», von Brissot;
der «Publiciste parisien», von der sechsten Nummer an «Ami du Peuple» betitelt, von Marat;
der «Orateur du Peuple», von Fréron;
die «Révolutions de France et de Brabant», von Camille Desmoulins;
der «Vieux Cordelier», von demselben;
der «Défenseur de la Constitution», von Robespierre;
das «Bulletin des Amis de la Vérité», hg. von den Girondisten;
das «Journal de la Montagne», Organ des Jakobinerklubs;
der «Tribun du Peuple», von Babeuf;
der «Conservateur», von Garat, Daunou und Chénier. 1800 bestanden nur noch 13 Journale.
Das Kaiserreich war noch unduldsamer als das Konsulat, und nicht mehr als vier blieben übrig, darunter der ¶
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«Moniteur universel» (s. d.),
seitdem bis 1869 offizielles Regierungsblatt, und das «Journal des Débats», von Louis François Bertin (s. d.). Während der Restauration vermehrte sich die Zahl auf 150, darunter 8 politische, 1829 auf doppelt soviel, darunter 20 politische. Unter letztern waren die wichtigsten Parteiblätter der Royalisten: die «Gazette», die «Quotidienne», der «Drapeau blanc», die «Étoile»;
der Liberalen: der «Constitutionnel», der «Courrier français», das «Journal des Débats», der «National», der letztere von Thiers, Mignet und Armand Carrel gestiftet.
In der ersten Periode der Julimonarchie entwickelte sich die Tagespresse: 347 Journale erschienen zu Paris, als die Septembergesetze 1835 eine strenge Aufsicht anordneten, jedoch keineswegs das Fortbestehen der Oppositionsblätter hinderten. Das «Journal des Débats» und der «Constitutionnel», später auch die «Presse», [* 8] schrieben für die Sache der Philippisten, das sog. Juste-Milieu. Von den verschiedenen Schattierungen der Legitimisten ward die mit radikalen und revolutionären Elementen versetzte durch die «Gazette de France», die absolutistische durch die «Quotidienne» und «France» vertreten.
Der «Courrier français» und der «Temps», später auch das «Siècle», waren die vornehmsten Journale der dynastischen Opposition, des freisinnigen Tiers-Parti. Den Radikalen gehörten «Nationale» und «Monde», später auch die «Réforme». Socialistische Grundsätze predigte die «Démocratie pacifique», das «Journal du Commerce» verfolgte bonapartistische Tendenzen. Unter den kleinern Blättern ragten der «Corsaire» und dert «Charivari» weit hervor. Die Zeitungen waren damals noch ein Luxusgegenstand und wandten sich nur an den legitimistischen Adel und den herrschenden Bürgerstand. Organe, die sich zu Vertretern der reinen Demokratie machten, scheiterten vielfach infolge des Mangels an Abonnenten. So «La Tribune des Départements», von Marrast; der radikale «Bon Sens», von Louis Blanc; der «Réformateur», von Raspail, und das «Journal du Temple», von Godefroy Cavaignac.
Eine wichtige Veränderung bewirkte Emile de Girardin, indem er 1836 bei Begründung der «Presse» den Preis von 80 Frs. auf 40 Frs. ermäßigte und somit der Schöpfer der sog. Vierzigfrankenpresse wurde. Die «Presse» erhielt durch ihr reiches Feuilleton große Verbreitung, und aus demselben Grunde stieg die Zahl der Abonnenten des «Siècle» auf eine nie dagewesene Höhe.
Titel und Inhalt der durch die Februarrevolution von 1848 hervorgerufenen Blätter erinnerten bisweilen an die erste Revolution: «L'Ami du Peuple en 1848», von Raspail;
«Le Peuple constituant» von Lamennais;
«Le Représentant du Peuple», von Proudhon, das einflußreichste socialistische Blatt;
«La Montagne», von George Sand;
«Le Petit-fils du père Duchêne», ein sehr verbreitetes Volksblatt;
«La Commune de Paris», von Sobrier, u. s. w.
Unter dem zweiten Kaiserreich, nach dem Dekret vom das die Presse dem Gutdünken der Staatsverwaltung anheimstellte, vervielfältigte sich die litterarische, wissenschaftliche, industrielle, finanzielle Journalistik; die polit. Polemik bewegte sich in engen Schranken, die weiter ausschreitenden Journale wurden verwarnt, suspendiert, aufgehoben. Neben dem «Journal officiel» (s. d.) bestanden noch mehrere ganz oder halb offiziöse Zeitungen: der «Constitutionnel», das «Pays», die «Patrie» u. a. Die «France», das «aufrichtig dynastische und katholische» Senatorenblatt, und die «Presse», streng imperialistisch gesinnt und stark ultramontan gefärbt, bildeten den Übergang zu den Journalen der kath. Partei. Die legitimistische Laienfraktion hatte ihren Wortführer an der «Gazette de France» und «Union»; dagegen waren «Univers», «Monde» und das «Journal des Villes et des Campagnes» Organe der Klerikerfraktion.
Das «Journal des Débats» schwankte zwar damals in seiner polit. Richtung, galt aber im allgemeinen immer noch, ebenso wie das junge «Journal de Paris», für ein orleanistisches Blatt. Die Sache der radikalen Demokratie verteidigten das «Siècle», das populärste und verbreitetste Blatt der damaligen Journalistik (es hatte 45000 Abonnenten),
die «Opinion nationale» sowie «Avenir national» und «Temps». Während der Commune im Frühjahr 1871 existierten 89 Journale, von denen die vorher bestehenden, um der brutalen Censur des Stadthauses auszuweichen, teils jeden Tag den Titel wechselten, teils außerhalb Paris gedruckt wurden, und die neu hinzugekommenen sofort verschwanden, als die Truppen von Versailles [* 9] einrückten.
Seit 1871 hat das Zeitungswesen einen mächtigen Aufschwung genommen. Nicht bloß jede Partei, jede Gruppe jeder Partei hat ein Journal, ja sogar die im parlamentarischen Leben, in der hohen Finanz- und Geschäftswelt wichtigsten Persönlichkeiten wollen Tonangeber und Wegweiser von ergebenen Zeitungen sein. Die Journale dieser letztern Art, wie die «Presse», die «Liberté», die «Estafette», der «Voltaire», wechselten mit ihren Eigentümern auch die polit. Richtung.
Bedeutende Zeitungen erscheinen aber jetzt wie früher nur in Paris. Vor allem sind zu nennen: der «Figaro», das «Journal des Débats», der «Temps», die «République française», das «XIXe Siècle», der orleanistische «Soleil» und der «Gaulois». Die größte Verbreitung (1160000 Exemplare) hat das billige «Petit Journal». (S. die Einzelartikel.) Neu erstanden sind seit 1871 zahlreiche Blätter. Von diesen vertreten folgende die republikanische Richtung: der deutschfeindliche, radikale «Événement», das Organ der Arbeiterpartei «L'Égalité», ferner seit 1878 «Le Voltaire», im Besitz von Laffitte (seit 1880),
«La Gazette du Village», von Joigneaux begründet (antideutsch und jeden Sonntag erscheinend),
La Paix", 1879 von J. [Jules Grévy?] Grévy begründet, die radikale «Justice», unter Leitung von Clémenceau und Camille Pelletan (seit 1880) und seit 1881 der unabhängige «L'Express», ferner «Paris», von Charles Laurent geleitet (ministeriell, opportunistisch) sowie «L'Écho de Paris» mit hervorragenden Mitarbeitern; «Gil Blas» ist vornehmlich Unterhaltungsblatt mit Skandalchronik. 1893 wurde «Germinal» begründet. Ausgesprochen radikal sind: «Le Radical», seit 1871, und «L'Intransigeant», unter Henri Rochefort (s. d.),
dem frühern Herausgeber der «Lanterne». Gegner der Republik sind außer «Gaulois» und «Figaro» die bonapartistischen Blätter: «L'Étendard» und «L'Autorité»),
beide unter Leitung von Paul de Cassagnac. Außerdem sind noch wichtig: «La France» (antideutsch),
«Le Drapeau», das Organ der Patriotenliga Déroulèdes, seit 1882, «L'Estafette», 1885 hervorgegangen aus der Verschmelzung von «Gagne-Petit», «Opinion» und «Estafette», bis 1893 unter der ¶