[* 2]an derOder,Hauptstadt des Reg.-Bez.
Frankfurt (s. d.) und
Stadtkreis, liegt an den Linien Frankfurt an der Oder-Cüstrin (32,4
km),
Frankfurt an der Oder-Bentschen-Posen (173,1 km),
Frankfurt an der Oder-Angermünde (96,7 km),
Frankfurt an der Oder-Cottbus-Großenhain (152,3 km) und
Berlin-Kohlfurt-Breslau der
Preuß. Staatsbahnen
[* 4] und zerfällt in die
Altstadt, die Gubener und
Lebuser Vorstadt und das Beresinchen auf dem linken und
die Dammvorstadt auf dem rechten Ufer der Oder, über die eine neue steinerne
Brücke
[* 5] (13 m breit, 261 m lang) führt. Von
dem Weichbild der Stadt (5788 ha), welches sich weit über die ehemaligen Befestigungen ausgedehnt hat,
sind 250 ha mit Häusern bebaut, 309 ha sind Wege,
Straßen und Eisenbahnen, 4953 gärtnerisch und landwirtschaftlich benutzt
und 275 ha Wasserfläche. Längs der Westseite der
Altstadt ziehen sich die durch Lenée aus dem ehemaligen Wallgraben geschaffenen
gärtnerischen
Anlagen mit mehrern Denkmälern hin.
Bevölkerung. Die Stadt hat (1890) 55738 (27589 männl., 28149 weibl.) E., darunter 51091
Evangelische, 3518 Katholiken, 354 andere
Christen und 775 Israeliten. In Garnison liegen das Leibgrenadierregiment König
Friedrich Wilhelm Ⅲ. Nr. 8, das Grenadierregiment
Prinz
Karl vonPreußen
[* 6] Nr. 12, die 1. und 2. Eskadron des Ulanenregiments
KaiserAlexander Ⅱ. von
Rußland
Nr. 3 und die 1. bis 3.
Abteilung des Feldartillerieregiments
General-Feldzeugmeister Nr. 18.
Von den
Kirchen (4 evang., 1 reform., 1 altluth., 1 kath., 1 der
apostolischen Gemeinde) sind zu erwähnen: die Marien- oder Oberkirche, ein Backsteinhallenbau (13. Jahrh.)
mit Altarholzschnitzwerk (1419), alten
Glasgemälden, siebenarmigem Leuchter (4 m hoch), Reliefs (14. Jahrh.) und
Taufstein
mit Bronzereliefs (1376), die Anfang des 13. Jahrh. im Übergangsstil erbaute reform.
Kirche, kürzlich restauriert und mit 2 neuen
Türmen versehen, die von den Minoriten eines Franziskanerklosters
erbaute Unterkirche (1525)
und die Gertraudkirche (1875‒79) mit Gemälde von
Anton von Werner. Ferner hat Frankfurt eine
Synagoge,
ein stattliches Rathaus (1607‒10), Stadttheater (1842 von Schinkel erbaut) und einen großen Schlachthof.
Behörden. Frankfurt ist Sitz der königl. Bezirksregierung, der Generalkommission
für die
ProvinzenBrandenburg
[* 9] und
Pommern,
[* 10] eines Landgerichts (Kammergericht
Berlin)
[* 11] mit 11
Amtsgerichten
(Beeskow,
Drossen, Frankfurt, Fürstenwalde,
[* 12] Müncheberg, Reppen, Seelow,
Sonnenburg,
Storkow,
Wendisch-Buchholz, Zielenzig), eines Amtsgerichts, einer Oberpostdirektion
für den Reg.-Bez. Frankfurt mit 4518,18 km oberirdischen Telegraphenlinien (17959,25 km
Leitungen, einschließlich 1090,43 km Stadtfernsprechanlagen) und 380 Verkehrsanstalten, der Neumärkischen Ritterschaftsdirektion,
eines
Zoll- und Hauptsteueramtes, Bergrevieramtes, einer Reichsbankstelle, Handelskammer für die Stadt Frankfurt und
die zu derselben gehörigen Kämmereidörfer, sowie der Kommandos der 5. Division, 9. und 10. Infanterie- und 5. Kavalleriebrigade,
einer Filiale des
Artilleriedepots in Cüstrin,
[* 13] eines Proviantamtes und eines Garnisonlazaretts.
Unterrichtswesen. Die vom Kurfürsten Joachim Ⅰ. als Viadrina gestiftete
Universität wurde 1811 nach
Breslau
[* 14] verlegt. Unterrichtsanstalten sind: Das Friedrichsgymnasium, 1694 gegründet, 1813 reorganisiert und 1874 vom
Staate übernommen, mit bedeutender
Bibliothek, das städtische Realgymnasium (Oberrealschule), aus dem frühern Lyceum hervorgegangen, 1813 gegründet, 1861 als
Realschule erster Ordnung anerkannt, die Knabenbürgerschule, Victoria-, Elisabeth- und
Augusta- (höhere
Mädchen-) Schule, letztere mit Lehrerinnenseminar, eine private höhere Mädchenschule, Knaben-und Mädchenmittelschulen, 9 evang., 1 kath.
Gemeindeschule, 1 Garnisonschule.
Von Wohlthätigkeitsanstalten bestehen ein städtisches
Krankenhaus,
[* 15] ein Diakonissen-Mutterhaus, ein Kinderkrankenhaus, zwei
Waisenhäuser und drei Hospitäler.
Die Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von
Maschinen und
Kesseln, Eisenguß,
Feilen, Gewehren,
Patronen,
Musikinstrumenten,
Steingut, Kachelöfen,
[* 16] Töpferglasuren, Grabdenkmälern, Orgeln,
Blech- und Holzinstrumenten, Knopf- und
Metallwaren, Stärkezucker und Zuckercouleur,
Dachpappe, Schokolade und Zuckerwaren, Mostrich, Seife,
Kerzen, Papier,
Tüten,
Leder, Knöpfen, Cigarren,
Bier,
Vaseline, Ceresine, Schäften,
Bürsten,
Korken, Möbeln und Handschuhen. Die Hauptwerkstätte
der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn beschäftigt über 800
Arbeiter. Bedeutend sind die Weinkellereien. Der früher
bedeutendeHandel, gefördert durch die zu Reminiscere, Margaretha und Martini stattfindenden
Messen, hat
durch den Rückgang derselben und die Nähe
Berlins Einbuße erlitten.
Frankfurt hat ein Postamt erster
Klasse mit zwei Zweigstellen, drei Stadtpostämter, ein
Telegraphenamt erster
Klasse und drei Stadtpostanstalten.
– Frankfurt ist Geburtsort der Dichter Heinr. von
Kleist undFranz von Gaudy sowie des Direktors der
Berliner
[* 17] Kunstakademie
A. von Werner.
Geschichte. Infolge ihrer
Lage an dem Punkte, wo die Oder sich am meisten der
Spree nähert, (der [alte]
Friedrich-Wilhelms-Kanal
mündet nur etwa
[* 1]
^[Abb. Wappen
[* 18] von Frankfurt an der Oder]
¶
mehr
8 km oberhalb von Frankfurt in die Oder), war die sehr alte Ansiedelung schon seit der Urzeit ein wichtiger Oderübergang, der den
Verkehr nach Polen vermittelte. 1253 erhielt die fränk. Niederlassung durch die Markgrafen Johann Ⅰ. und Otto Ⅲ. Berlinisches
Stadtrecht. Durch das Niederlags- oder Stapelrecht für alle die Oder befahrenden Schiffe
[* 20] sowie durch ihre
von jeher bedeutenden Messen blühte die Stadt bald empor. Nach Aussterben der anhaltinischen Markgrafen (1320) sprach KaiserLudwig der Bayer die Mark als erledigtes Reichslehen seinem SohneLudwig dem Ältern zu. Papst Johann ⅩⅩⅡ. war ein Feind des
Kaisers, und bei den Wirren der Zeit suchte der BischofStephan Ⅱ. von Lebus seine Macht auch über die
Stadt Frankfurt auszudehnen.
Diese hielt treu zum Kaiser; 1326 wurden die von den Bischöflichen herbeigerufenen Polen zunächst von den Bürgern, später
auch vom Kaiser selbst zurückgewiesen, und zur Vergeltung überfielen die Bürger von Frankfurt den Bischof in seiner
Residenz Göritz (s. d.). Da wurde der Bischof versöhnlicher gestimmt und hob 1334 den Bann, unter dem die Stadt lange geschmachtet,
auf. Ebenso treu erwies sich Frankfurt dem bayr. Hause gegen den Falschen Waldemar, nahm Ludwig in ihren Mauernauf und widerstand den
Truppen Waldemars sowie auch einem belagernden HeereKaiserKarls Ⅳ. 1348. In den J. 1431 und 1432 hatte
Frankfurt durch zweimalige Belagerung der Hussiten zu leiden, aber die durch den Kurfürsten veranlaßte Stärkung der Befestigungen
zwang sie abzuziehen.
Der HerzogHans von Sagan,
[* 21] durch Matthias Corvinus von Ungarn
[* 22] unterstützt, befehdete den Kurfürsten AlbrechtAchilles und berannte 1477 die
Stadt, schlug den Kurprinzen Johann bei einem Ausfalle zurück, verbrannte die Oderbrücke und ließ 350 gefangene
Bürger erst gegen großes Lösegeld frei. Erst 1478 gelang es dem Kurfürsten, den HerzogHans zwischen Crossen
[* 23] und Freystadt
zu schlagen; dieser wurde schließlich auch von seinem Gönner Matthias verlassen, lebte dann als Privatmann
in kümmerlichsten Verhältnissen in Frankfurt und starb 1504 in Wohlau i. Schl. –
Die Universität war eine Zeit lang Gegnerin der Reformation, und Tetzel hat 1518 hier disputiert, aber die neue Lehre
[* 24] brach
sich in der Stadt schnell Bahn,und wurde der letzte kath. Gottesdienst in Frankfurt gehalten.
Am wurde Frankfurt von Gustav Adolf erobert und geplündert. Einer Zeit der Kräftigung und Ruhe (seit 1686 förderte
auch eine beträchtliche franz. Kolonie Gewerbs- und Kunstsinn) folgten im Siebenjährigen Kriege neue Drangsale, besonders 1759 durch
die Schlacht beim nahen Kunersdorf (s. d.). Auch die Freiheitskriege brachten viel Not und Unheil durch unaufhörliche
Durchmärsche und Bedrückungen, unter andern wurde von den Franzosen die Oderbrücke verbrannt.
Vgl. Hausen, Geschichte der Universität und Stadt Frankfurt (Frankf. a. O. 1806);
Sachse, Geschichte der Stadt Frankfurt (ebd. 1830);
Spieker,
Geschichte der Stadt Frankfurt (ebd. 1853);
Philippi, Geschichte der Stadt Frankfurt (ebd. 1865);
vgl. auch das große
Blatt
[* 25] der «Brandenburgischen Städteansichten», gezeichnet von Zschille; Friedländer, Matrikel der Universität Frankfurt (3 Bde.,
Lpz. 1888‒90).