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Behält der Lauf eines Flusses keine entschiedene Richtung bei, sondern windet sich hin und her, wie es besonders bei geringem Gefälle geschieht, so bildet er Krümmungen oder Schlangenwindungen (Serpentinen, Mäandrinen). Bei der Regulierung der Flüsse schneidet man die Windungen durch Dämme ab; die abgetrennten Teile werden dann zu sog. Altwassern (am Mississippi Bayoux genannt). Teilt der Fluß sich in zwei oder mehrere Betten, so entstehen Strom- oder Flußspaltungen.
Die getrennten Teile heißen Flußarme; vereinigen sie sich wieder, so schließen sie Flußinseln (Werder, Auen, Kämpen) ein. Das durch die Ablagerungen eines Flusses gebildete Mündungsland heißt Delta [* 2] (s. d.). Nicht selten ist die Flußmündung meerbusenartig erweitert und bildet dann ein Ästuarium [* 3] (s. d.), früher «negatives Delta» genannt, wenn innerhalb derselben die Gezeiten sich geltend machen, wie z. B. in der Elbe, Weser, Themse, im San Lorenz, Gabun u. s. w., oder einen Süßwasser- oder Mündungsgolf.
Liegen einem solchen entweder eine Landzunge (Nehrung) oder größere Inseln vor, so daß er fast ganz vom Meere geschieden, ist, so bildet er dahinter ein Haff (s. d.); liegen aber nur Eilande vor, die ihn vom Meere wenig absondern, so heißt er Liman. Die kürzeste Linie zwischen der Quelle [* 4] und der Mündung heißt der direkte Abstand oder die direkte Länge des Flusses und die Richtung dieser Linie die Haupt- oder Normalrichtung. Dagegen nennt man Stromentwicklung die ganze Länge eines Flußlaufs mit allen seinen Krümmungen.
Nach den durch die Höhe und die übrige Beschaffenheit des Bettes bedingten Eigentümlichkeiten seiner Entwicklung teilt man den ganzen Lauf eines vollständig entwickelten Stroms in drei Teile oder Hauptstufen: Den Oberlauf im obern Stufenlande, wo die Erosion [* 5] allein thätig ist, den Mittellauf, bei welchem die Erosion aufhört, Ablagerung aber auch nicht stattfindet, weil die Sinkstoffe immer noch fortgeschafft werden, und den Unterlauf im Tieflande, wo nur Ablagerung statthat. Nicht alle Flüsse zeigen diese drei Teile. Manchen, z. B. den Niederungsflüssen, fehlt der Oberlauf, andern, wie den Wildbächen, der Mittellauf; Unter- und Mittellauf mangelt den sich aus Küstengebirgen ins Meer stürzenden Flüsse (Schweden [* 6] und Norwegen). Bei manchen Flüsse wiederholen sich die drei Teile, wie beim Rhein, der Donau und den meisten afrik. Strömen.
Tafel: Diluvialthäler der Norddeutschen Tiefebene.
Fluß- oder Stromsystem nennt man einen Hauptfluß mit seinen sämtlichen Quellen, Bächen, Neben-, Zu-, Bei- und Seitenflüssen; die Zeichnung eines solchen hydrogr. Ganzen heißt ein Flußnetz, das natürlich die verschiedensten Formen haben kann. Am regelmäßigsten ist es, wenn ein Hauptstrang von beiden Seiten Zuflüsse in gleicher Stärke [* 7] und Zahl erhält (Po, Amazonenstrom); [* 8] häufig ist die eine Seite stärker entwickelt als die andere (Theiß, Rhône).
Sehr häufig findet sich das System, wo ein Hauptstrang durch zwei oder mehrere gleichwertige Flüsse gebildet wird (Parana-Paraguay, Loire-Allier, Dwina, Dnjepr, Seine, Indus). Die Länderstrecken zusammengenommen, welche ihre Gewässer einem und demselben Hauptfluß zusenden, bilden das Fluß- oder Stromgebiet, auch das Becken oder Bassin genannt. Die Gebiete mehrerer Flüsse, welche demselben Meere zufließen, bilden zusammen ein Meergebiet. Die Grenze zweier Flußgebiete heißt Wasserscheide, die Grenze zweier Meergebiete aber Hauptwasserscheide. Europa [* 9] hat eine Hauptwasserscheide, die vom nördl. Ural quer bis zum südl. Portugal [* 10] zieht. In Asien [* 11] stehen zwei Hauptwasserscheiden aufeinander senkrecht. Zwei hat auch Afrika. [* 12] Am verwickeltsten sind sie in Amerika. [* 13] Diese Scheiden oder Ränder der Flußbecken liegen stets relativ höher, aber keineswegs immer auf den absolut ¶
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höchsten Stellen zwischen zwei Gebieten. Oft streichen sie ganz nahe und parallel den höhern Gebirgszügen, oft ganz entfernt von ihnen und in ganz anderer Richtung; oft ziehen sie durch Ebenen als niedrige Wasserscheiderücken, kaum merkbare Bodenanschwellungen (Thalwasserscheiden). Nicht selten liegen die Quellen mehrerer Flußgebiete auf Höhen sehr nahe beisammen, z. B. auf dem Fichtelgebirge die Quellen des Mains, der Naab, der Eger [* 15] und der Saale, von denen der erste zum Rhein-, die andere zum Donau-, die beiden letzten zum Elbegebiet gehören.
Mitunter aber entfließen auch Flüsse einem und demselben Sumpfe in entgegengesetzten Richtungen, zu verschiedenen Gebieten gehörig. In Ebenen sind die Wasserscheiden häufig so flach, daß man Kähne und Waren leicht von einem Fluß in den andern schaffen kann, daher man diese Stellen, die sich namentlich zur Anlage von Kanälen eignen, auch Trageplätze (portages) nennt. Niedere Scheiden werden, besonders in Tropenländern, zur Regenzeit ganz überschwemmt, so daß die Wasserscheidung zeitweilig gänzlich aufgehoben ist. Es giebt aber auch konstante Verwirrungen zweier Flußgebiete, indem innerhalb einer Plattebene zwei Flüsse nahe beieinander fließen und bei Spaltungen derselben ein Arm des einen in das Gebiet des andern übergeht.
Solche natürliche Flußverbindungen, auch Gabelteilungen, Bifurkationen oder Bifluenzen genannt, finden sich in Europa bei dem Arno, welcher durch die Chiana mit dem Tiber, bei der Haase, einem Nebenfluh der Ems, [* 16] welcher im Osnabrückischen durch die Else mit der Werre und so mit der Weser verbunden ist; zwischen Immendingen und Möhringen in Baden [* 17] versinkt ein Teil des Donauwassers und fließt in 11 km Entfernung dem Rheingebiet zu; am großartigsten aber in Südamerika, [* 18] wo ein Arm des Orinoco (s. d.), der Casiquiare, in den Rio [* 19] Negro, einen Nebenfluß des Amazonenstroms, fließt, und bei den großen Strömen Hinterindiens.
Veränderungen von Flußläufen sind nicht selten. Sie erfolgen meistens im Unterlauf. Berühmt sind die Stromverlegungen des Hoang-Ho (s. d.) und Amu (s. d.); auch die westl. Zipfel des Bodensees bei Radolfzell und Ludwigshafen [* 20] sind nichts anderes als ehemalige Rheinausflüsse. Am häufigsten verschmelzen zwei ursprünglich getrennte Flußsysteme durch Erweiterung des Deltas. So wurden Euphrat mit Tigris, Aras mit Kur, Donau mit Pruth, Rhône mit Durance vereinigt.
Oft tritt aber auch der umgekehrte Fall ein, daß ehemalige Nebenflüsse selbständig werden; ein Beispiel ist die Etsch, die ehedem in den Po mündete, aber durch Ausdehnung [* 21] des Po-Deltas von diesem getrennt wurde. Großartige Veränderungen erlitten die Flüsse der Norddeutschen Tiefebene seit der Diluvialzeit. Die [* 14] Figur auf S. 936 zeigt in seiner Punktierung den Verlauf der Diluvialthäler. Weichsel, Oder und Elbe vereinigten sich bei der heutigen Havelmündung zu einem großen Strom, der dem jetzigen Unterelbthal folgend in die Nordsee mündete. Weder der gegenwärtige Unterlauf der Weichsel, noch der der Oder existierten damals. Ein berühmtes Beispiel von Stromveränderunq, die in geschichtlicher Zeit vor sich ging, bietet der Isonzo [* 22] (s. d.).
Die Ursachen dieser Laufveränderungen sind besonders die geolog. Zusammensetzung der Unterlage, veränderte Geschwindigkeit, andere Niederschlagsmengen u. s. w., nicht aber, wie Baer irrtümlich meinte, die Erdrotation.
Die Bedeutung der Flüsse beruht einmal auf ihrer Wasserführung, dann auf den Rinnen, in denen sie fließen. Sie wirken Hand [* 23] in Hand mit der Küstengliederung auf die Aufschließung der Länder hin, sind Völkervermittler und schließlich Völkervereiniger, aber auch wichtige Grenzmittel, entweder vertragsmäßig anerkannte oder thatsächlich auf träge Völker stauend wirkende. Durch ihren Fischreichtum und die fruchtbaren Anschwemmungen sind sie ihren Anwohnern direkt nahrungspendend. Man nennt sie daher mit Recht «Lebensadern».
Stromlänge und Stromgebiet der größten Flüsse zeigt folgende Tabelle:
Flüsse | Stromlänge | Stromgebiet |
km | qkm | |
Europa: | ||
Wolga | 3570 | 1459000 |
Donau | 2860 | 817000 |
Dnjepr | 2150 | 527000 |
Don | 1860 | 430250 |
Dwina | 1782 | 365381 |
Petschora | 1580 | 329500 |
Ural | 1500 | 249500 |
Rhein mit Maas | 1225 | 197000 |
Weichsel | 1050 | 193000 |
Elbe | 1165 | 143327 |
Loire | 1002 | 121000 |
Oder | 905 | 112000 |
Rhône | 810 | 98900 |
Niemen | 907 | 90548 |
Düna | 840 | 85400 |
Garonne | 600 | 84800 |
Ebro | 757 | 83530 |
Tajo | 910 | 82600 |
Duero | 786 | 78933 |
Seine | 705 | 77800 |
Dnjestr | 1372 | 76862 |
Po | 670 | 74900 |
Guadiana | 820 | 65500 |
Weser mit Werra | 711 | 48000 |
Asien: | ||
Ob | 5210 | 2980650 |
Jenissei-Selenga | 5210 | 2530357 |
Lena | 4599 | 2354203 |
Amur | 4480 | 2038000 |
Jang-tse-kiang | 5200 | 1872000 |
Ganges-Brahmaputra | 3000 | 1294000 |
Hoang-Ho | 4100 | 1000000 |
Indus | 3180 | 960000 |
Euphrat | 2775 | 673000 |
Syr-darja | 2860 | 453350 |
Amu-darja | 2200 | 440000 |
Afrika: | ||
Kongo | 4200 | 3206050 |
Nil | 5940 | 2810300 |
Niger | 4160 | 2650200 |
Sambesi | 2660 | 1430000 |
Oranje | 1860 | 1083050 |
Schari | ? | 915000 |
Kubango | ? | 785000 |
Limpopo | 1600 | 560000 |
Senegal | 1430 | 440500 |
Rowuma | 1100 | 334000 |
Ogowe | 850 | 304100 |
Kuansa | 630 | 303000 |
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