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Beide Verfahren haben ihre Licht- und Schatten- seiten. Der Hauptvorzug des Imports lebenden Schlachtviehs liegt darin, daß der Gesundheits- zustand der Schlachttiere vor und nach dem Schlach- ten durch Sachverständige festgestellt und krank be- fundene Tiere vom Konsum ausgeschlossen werden können. An ausgeschlachtetem Fleische ist dagegen der gewandteste Sachverständige nicht mehr im stände, die Herkunft von kranken Tieren in allen Fällen zu erkennen.
Wenn daher am Orte der Schlachtung eine mangelhafte oder, wie es in Ame- rika bis vor kurzem durchweg der Fall war, gar keine Fleifchbeschau (s. d.) ausgeübt wird, so kann nicht verhindert werden, daß auch Fleisch von kran- ken Tieren, darunter selbst solches mit gesundheits- schädlichen Eigenschaften, eingeführt wird. Die Nachteile der Einfuhr lebender Schlachttiere be- stehen in der Gefahr der Seucheneinschleppung und Verschleppung, ferner in den hohen Transportkosten lebender Tiere.
Beide Momente sind von größter Bedeutung; das erstere ist eine eminente Gefahr für die Landwirtschaft, das zweite volkswirtschaft- lich sehr nachteilig, weil die Leistungsfähigkeit eines Volks wesentlich davon abhängig ist, ob das- selbe sich hinlänglich mit Fleisch ernähren kann. In England sucht man aus solchem Grunde die Einfuhr von Fleifch möglichst zu erleichtern und stellt die finanzielle Seite des Fleifchverkehrs so sehr über die hygieinische, daß bis jetzt von einer strengen Überwachung des Fleifchverkehrs Abstand genom- men wurde. Den Unterschied zwischen dem Trans- port lebender Rinder [* 2] und demjenigen ausgeschlach- teten Fleisches (in Eiswaggons)"zeigt Hausburg («Vieh- und Fleischhandel», Berl. 1879) an mchrern Beispielen. So beträgt die Ersparnis beim Versand des ausgeschlachteten Fleisches von 30 Ochfen von Königsberg [* 3] bis Hamburg [* 4] 671^ M., für das Fleisch von 5671 Schafen von Berlin [* 5] bis Paris [* 6] 20810 Frs.
Als ein sehr zweckmüßiges Auskunftsmittel, wenig- stens für die Fleifchversorgung aus den Nachbar- ländern, wurde die Errichtung sog. Grenzschlacht - Häuser empfohlen. Diefelben, hart an der Grenze errichtet, sollten die lebenden Transporte aufnehmen und das unter einheimischer Kontrolle geschlachtete Vieh nach dem Binnenlande versenden. Derartige Schlachthäuser bestehen an der deutschen Ostgrenze (namentlich in Oberschlesien), in Belgien, [* 7] Frankreich, England.
Sie erweisen sich auch deshalb lohnend, weil in der Regel der Eingangszoll für ein lebendes Echlachtticr viel niedriger ist, als für die Menge des von demselben Tiere gewonnenen Fleisches. Vor- bedingung bleibt freilich die Möglichkeit eines fehr raschen Transports nach den größern Verbrauchs- plätzen zu billigsten Preisen. Nach dieser Richtung verfahren unter andern die deutschen Eisenbahnen sehr zuvorkommend, da frisches Fleisch zu billigen Sätzen mit den Personen-sogar mit den Schnellzügen befördert wird.
Große Schlächtereien verfrachten das Fleifch in besonders gebauten und entsprechend ein- gerichteten Wagen, in denen ganze ausgeweidete und enthäutete Rinder, Schase, Kälber aufgehängt trans- portiert und selbst in der warmen Jahreszeit durch entsprechend beigepacktes Eis [* 8] auf weite Entfernun- gen hin befördert werden. In ganz ähnlicher Weife ist der Transport geschlachteter Tiere aus Austra- lien, Südamerika [* 9] und Südafrika [* 10] nach Europa [* 11] mit- tels der Schiffahrt durchgeführt worden.
Bei so langem Transport, der selbst für Dampffchiffe 2- 4 Wochen beanfprucht, unterliegt solches Fleisch aber doch einer allmählichen, bald mehr bald minder bemerkbaren Zersetzung, die noch am wenigsten auf- zutreten fcheint, wenn das Fleisch durch Eisver- packung oder Umgebung von Eis bis zum Gefrieren gebracht worden ist. Außer durch Wärmeentziehung kann der Zer- setzung des Fleisches durch Räucherung und durch Einsalzen oder Einpökeln vorgebeugt werden.
Ge- pökeltes Rind- und Schweinefleisch hält sich sehr lange und findet auch viele Liebhaber, aber doch nur, nachdem es nicht zu lange Zeit dem Pökelfafse ent- nommen worden ist. Ist das letztere der Fall, so ist die Haltbarkeit gleichfalls beschränkt, und eine Versendung auf sehr weite Strecken würde nur mit der Pökelflüssigkeit rätlich sein, wodurch jedoch der Transport sehr verteuert würde. Das bekannte (^0i'ii6ä dost' von Nord- und Südamerika wird meist einer schwachen Einpökelung unterzogen, seine Halt- barkeit erlangt es jedoch erst durch den in der Regel darauf folgenden Prozeß einer wenn auch nur mäßi- gen Anräucherung. Gut geräucherte Fleischwaren, z.V.Schinken, geräuchertes Rindfleisch, geräucherte Wurst (Hammel- und Kalbfleisch eignen sich dazu weniger), vertragen unangeschnittcn weite Trans- porte und in der That gehen z. B. Westfälische und Prager Schinken, Gothaer und Vraunschweiger Wurstwaren in weite Ferne, ebenso Hamburger und Ostfriesisches Rauchfleisch, letzteres unter dem Namen Nagelholz.
Diese künstlich zubereiteten, wenn auch sehr schätzenswerten Fleischsorten gelten so- wohl im Volksmunde wie im Handel nicht als Fleisch (im engern Sinne), sondern als Fleischwaren (s. d.), was sie auch wirklich sind. Dasselbe gilt in noch höhcrm Grade von dem Fleischextrakt und dem Fleischmehl, d. h. von den Extrakten der ver- meintlich kräftigsten Nährstoffe des Fleisches, die als recht wirksame Zusätze, sogar als Surrogate gelten können, das frische Fleisch jedoch dauernd nicht zu ersetzen vermögen.
Die Summen, welche im innern Verkehr in den Fleischläden und auf den Wochenmärkten durch den gefamten Fleischhandel, welchem auch der Viehhandel zuzu- rechnen ist, umgefetzt werden, sind vielleicht 20- 30mal so hoch als die des auswärtigen Handels. Wie bedeutend trotzdem die letztern sind, erhellt daraus, daß 1893 die deutsche Einfuhr von frischem Fleisch 16610 t im Werte von 11,9 Mill. M., die Aussuhr 3703 t im Werte von 4,3 Mill. M. be- trug. Außerdem wurden, wenn auch nicht ausschließ- lich als Schlachtvieh, sondern teilweise zu Zucht- zwecken, 211916 Stück Rindvieh (Wert 62,0 Mill. M.), 800852 Schweine [* 12] (91,3 Mill. M.) eingeführt, 422365 Schafe [* 13] (10,6 Mill. M.) ausgeführt.
Über den Fleischverbrauch pro Kopf sind mancherlei Angaben vorhanden. Dieselben sind indessen mit Vorsicht aufzunehmen, da derartige Berechnungen sehr schwierig sind und, weil zum Teil auf einem nicht sicher ermittelten Durchschnitts- gewicht der geschlachteten Tiere beruhend, nur an- nähernd richtig sein können. Geschätzt wird der Fleischverbrauch 1888 pro Kopf für Großbritannien [* 14] auf jährlich etwa 62, für Frankreich auf 42, Deutsch- land 29 KZ, dagegen für London [* 15] auf 98 KZ, Paris 87, Berlin 77 KZ. Während aber 1880 in Paris 84 KZ Fleifch pro Kopf verzehrt wurden, betrug der Verbrauch in Lyon [* 16] nur 73, Marseille [* 17] 69, Toulouse [* 18] 58, Lille [* 19] 53 KZ, um jedenfalls auf dem platten Lande ungleich mehr zu fallen, so daß sich schon aus dieser abnehmenden Zahlenreihe die großen ¶