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Mustelschmerzen u. s. w. sich einstellten, unzweifelhaft Fälle der bekannten Trichinenkrankheit
dar. Unter den Tierkrankheiten, welche dem Fleisch giftige Eigenschaften verleihen können, steht der Milzbrand obenan. Wenn
auch oft genug das Fleisch milzbrandiger Tiere ohne jedwede Gesundheitsstörung verzehrt wird, so sind doch andererseits zahlreiche
Fälle beobachtet worden, in denen nach dem Genuß solchen Fleisches schwere, rasch tödlich verlaufende
Allgemeinerkrankungen auftraten.
Von den sonstigen Tierkrankheiten geben namentlich die Septichämie und Pyämie, insbesondere die putriden Gebärmutterentzündungen
der Kühe sowie die eiterigen und jauchigen Nabelprozesse der Kälber die häufigsten Ursachen von Massenerkrankungen nach
Fleischgenuß ab. Eine weitere Abteilung der Fleischvergiftung bilden Vergiftungen mit dem Fleisch von Tieren,
welche eine gewisse Immunität gegen starke Pflanzengifte besitzen, so daß sie zwar ungestraft Mengen der betreffenden Giftpflanzen
genießen können, unter Umständen aber durch Aufspeicherung der Giftstoffe in ihren Muskeln giftige Eigenschaften annehmen.
So besitzen Hasen und Kaninchen eine auffallende Immunität gegen das Gift der Tollkirschen und haben dadurch
in Gegenden, wo Tollkirschen in den Waldungen häufig vorkommen, wiederholt zu Atropinvergiftungen geführt; ebenso hat in
Australien das Fleisch von Hammeln, die von einer drastischen Cucurbitacee gefressen hatten, öfters schwere Vergiftungen veranlaßt.
Im Gegensatz zu den eben angeführten Fällen, in denen das Fleisch infolge eines pathol. Krankheitsproduktes oder infolge
eines von außen eingedrungenen Giftstoffes giftige Eigenschaften annimmt, bezeichnet man als Fleischvergiftung
im engern Sinne jene Massenerkrankungen, bei denen das genossene Fleisch zwar von gesunden Tieren abstammt, aber infolge einer
eigentümlichen, wahrscheinlich unter dem Einfluß von Bakterien erfolgenden Zersetzung ein dem Käse- und Wurstgift analoges
Gift entwickelt hatte. Am leichtesten kommt es zu einer derartigen Zersetzung des Fleisches, wenn das letztere
bei warmer Witterung schichtenweise aufeinander gepackt oder in feuchten und schlecht ventilierten Räumen aufbewahrt wird.
Am bekanntesten sind in dieser Beziehung die beiden großen Epidemien von Andelfingen (1839) und Kloten in der Schweiz (1878),
wobei jedesmal gelegentlich eines Sängerfestes gegen 500 Personen nach dem Genuß von mangelhaft aufbewahrtem
Kalbfleisch schwer erkrankten.
Man pflegt die einschlägigen Erkrankungen, da sie große Ähnlichkeit mit dem Abdominaltyphus darbieten, meist auch als Fleischtyphus
oder typhöse Form der Fleischvergiftung zu bezeichnen. Nach der Ansicht mancher Forscher ist übrigens die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, daß in den betreffenden Aufbewahrungsräumen durch Zufall eine Infektion des Fleisches
mit Typhusgift stattfand und daß nun das letztere bei dem vorzüglichen Nährboden, welchen zersetztes Fleisch für Mikroorganismen
aller Art abgiebt, eine sehr schnelle Entwicklung und Vermehrung erfuhr.
Die Symptome der Fleischvergiftung gestalten sich je nach der vorliegenden Ursache derselben verschieden; sie treten entweder
unmittelbar oder erst einige Tage nach dem Genuß des betreffenden Fleisches ein. Bei der mykotischen Form der Fleischvergiftung
sind die gewöhnlichen Symptome
Übelkeit, Würgen, Erbrechen von Speisen, sauern Massen und Galle, heftige Leibschmerzen und starker,
manchmal unstillbarer Durchfall, Fieber, brennender Durst, Kopfweh, Schwindel, Schlaflosigkeit und große Schwäche; mitunter
werden auch Gliederreißen, Schlingbeschwerden, Kratzen im Halse und Stimmlosigkeit sowie Hautödem mit Furunkelbildung
beobachtet.
In den leichtern Fällen verschwinden die genannten Symptome nach einigen Tagen, doch bleibt gewöhnlich noch längere Zeit
das Gefühl von Schwäche und Hinfälligkeit. In den schwerern Fällen gesellen sich Betäubung, Erweiterung der Pupille, Lichtscheu
und Sehschwache, Delirien, Zuckungen, Kiefer-, Schlund- und Wadenkrämpfe hinzu, und unter Zunahme dieser
Beschwerden erfolgt nicht selten der Tod. Bei der typhösen Form der Fleischvergiftung besteht eine so bedeutende Ähnlichkeit
der Krankheitserscheinungen mit denen des Abdominaltyphus, daß diese beiden Krankheiten von einzelnen Forschern, wenn auch
irrtümlich, geradezu miteinander identifiziert worden sind.
Hinsichtlich der Behandlung der Fleischvergiftung ist in frischen Fällen für möglichst frühzeitige
Entfernung des Magen- und Darminhalts durch Brech- und Abführmittel sowie durch Ausspülung des Magens zu sorgen; daneben sind
Wein, excitierende und antiseptische Mittel nicht zu entbehren. Daß die Fleischvergiftungen nur durch eine sorgfältige obligatorische
Fleischbeschau verhütet werden können, braucht nicht erst besonders betont zu werden. -
Vgl. Siedamgrotzky,
Über Fleischvergiftungen (in den «Vorträgen für Tierärzte», Jena 1880);
Schmidt-Mülheim, Handbuch der Fleischkunde (Lpz.
1884).
Die hohe Entwicklung der Industrie hat in vielen Ländern und Gegenden der Landwirtschaft
so viel Boden und Arbeitskräfte entzogen, daß sie nicht mehr im stande ist, allein die Bedürfnisse an Fleisch zu befriedigen.
Diese Länder und Gegenden sind ebenso wie alle Großstädte auf viehreiche Nachbargegenden und Länder angewiesen. So wird
z. B. England zum größten Teile mit auswärtigem, amerik. und austral. Fleische versorgt; Frankreich,
welches sich durch seinen starken Hammelkonsum auszeichnet, bezieht jährlich eine Menge von Hammeln aus Deutschland, Australien
und neuerdings aus Rußland.
Auch Deutschland ist nicht im stande, den jährlichen Bedarf an Fleisch selbst zu decken. Viehreiche Länder sind Rußland,
Österreich-Ungarn, Serbien, Italien, die Schweiz, Schweden und Norwegen, Dänemark, Amerika und Australien. In
Deutschland zeichnen sich durch größern Viehreichtum aus Ost- und Westpreußen, Schleswig-Holstein, Ostfriesland, Mecklenburg,
Bayern, Baden und Württemberg; arm an Vieh dagegen sind die Industriebezirke in Schlesien, Sachsen und Rheinland.
Der Fleischreichtum einzelner Distrikte und Länder kann auf doppelte Weise nach weiten Entfernungen hin nutzbar gemacht werden:
1) durch den Versand lebenden Viehs; 2) durch Verschickung des an Ort und Stelle |
ausgeschlachteten Fleisches.
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Beide Verfahren haben ihre Licht- und Schatten- seiten. Der Hauptvorzug des Imports lebenden Schlachtviehs liegt darin, daß
der Gesundheits- zustand der Schlachttiere vor und nach dem Schlach- ten durch Sachverständige festgestellt und krank be-
fundene Tiere vom Konsum ausgeschlossen werden können. An ausgeschlachtetem Fleische ist dagegen der gewandteste Sachverständige
nicht mehr im stände, die Herkunft von kranken Tieren in allen Fällen zu erkennen.
Wenn daher am Orte der Schlachtung eine mangelhafte oder, wie es in Ame- rika bis vor kurzem durchweg der Fall war, gar keine
Fleifchbeschau (s. d.) ausgeübt wird, so kann nicht verhindert werden, daß
auch Fleisch von kran- ken Tieren, darunter selbst solches mit gesundheits- schädlichen Eigenschaften,
eingeführt wird. Die Nachteile der Einfuhr lebender Schlachttiere be- stehen in der Gefahr der Seucheneinschleppung
und Verschleppung, ferner in den hohen Transportkosten lebender Tiere.
Beide Momente sind von größter Bedeutung; das erstere ist eine eminente Gefahr für die Landwirtschaft, das
zweite volkswirtschaft- lich sehr nachteilig, weil die Leistungsfähigkeit eines Volks wesentlich davon abhängig ist, ob
das- selbe sich hinlänglich mit Fleisch ernähren kann. In England sucht man aus solchem Grunde die Einfuhr von Fleifch möglichst
zu erleichtern und stellt die finanzielle Seite des Fleifchverkehrs so sehr über die hygieinische, daß
bis jetzt von einer strengen Überwachung des Fleifchverkehrs Abstand genom- men wurde. Den Unterschied zwischen dem Trans-
port lebender Rinder und demjenigen ausgeschlach- teten Fleisches (in Eiswaggons)"zeigt Hausburg («Vieh-
und Fleischhandel», Berl. 1879) an mchrern Beispielen. So beträgt die Ersparnis beim Versand des ausgeschlachteten Fleisches
von 30 Ochfen von Königsberg bis Hamburg 671^ M., für das Fleisch von 5671 Schafen von Berlin bis Paris 20810 Frs.
Als ein sehr zweckmüßiges Auskunftsmittel, wenig- stens für die Fleifchversorgung aus den Nachbar- ländern, wurde die
Errichtung sog. Grenzschlacht - Häuser empfohlen. Diefelben, hart an der Grenze errichtet,
sollten die lebenden Transporte aufnehmen und das unter einheimischer Kontrolle geschlachtete Vieh nach
dem Binnenlande versenden. Derartige Schlachthäuser bestehen an der deutschen Ostgrenze (namentlich in Oberschlesien), in
Belgien, Frankreich, England.
Sie erweisen sich auch deshalb lohnend, weil in der Regel der Eingangszoll für ein lebendes Echlachtticr viel niedriger
ist, als für die Menge des von demselben Tiere gewonnenen Fleisches. Vor- bedingung bleibt freilich die
Möglichkeit eines fehr raschen Transports nach den größern Verbrauchs- plätzen zu billigsten Preisen. Nach dieser Richtung
verfahren unter andern die deutschen Eisenbahnen sehr zuvorkommend, da frisches Fleisch zu billigen Sätzen mit den Personen-sogar
mit den Schnellzügen befördert wird.
Große Schlächtereien verfrachten das Fleifch in besonders gebauten und entsprechend ein- gerichteten
Wagen, in denen ganze ausgeweidete und enthäutete Rinder, Schase, Kälber aufgehängt trans- portiert und selbst in der
warmen Jahreszeit durch entsprechend beigepacktes Eis auf weite Entfernun- gen hin befördert werden. In ganz ähnlicher Weife
ist der Transport geschlachteter Tiere aus Austra- lien, Südamerika und Südafrika nach Europa mit- tels
der Schiffahrt durchgeführt worden.
Bei so langem Transport, der selbst für Dampffchiffe 2-
4 Wochen beanfprucht, unterliegt solches Fleisch aber doch einer
allmählichen, bald mehr bald minder bemerkbaren Zersetzung, die noch am wenigsten auf- zutreten fcheint, wenn das Fleisch
durch Eisver- packung oder Umgebung von Eis bis zum Gefrieren gebracht worden ist. Außer durch Wärmeentziehung
kann der Zer- setzung des Fleisches durch Räucherung und durch Einsalzen oder Einpökeln vorgebeugt werden.
Ge- pökeltes Rind- und Schweinefleisch hält sich sehr lange und findet auch viele Liebhaber, aber doch nur, nachdem
es nicht zu lange Zeit dem Pökelfafse ent- nommen worden ist. Ist das letztere der Fall, so ist die
Haltbarkeit gleichfalls beschränkt, und eine Versendung auf sehr weite Strecken würde nur mit der Pökelflüssigkeit rätlich
sein, wodurch jedoch der Transport sehr verteuert würde. Das bekannte (^0i'ii6ä dost' von Nord- und Südamerika wird meist
einer schwachen Einpökelung unterzogen, seine Halt- barkeit erlangt es jedoch erst durch den in der
Regel darauf folgenden Prozeß einer wenn auch nur mäßi- gen Anräucherung. Gut geräucherte Fleischwaren, z.V.Schinken,
geräuchertes Rindfleisch, geräucherte Wurst (Hammel- und Kalbfleisch eignen sich dazu weniger), vertragen unangeschnittcn
weite Trans- porte und in der That gehen z. B. Westfälische und Prager Schinken, Gothaer und Vraunschweiger
Wurstwaren in weite Ferne, ebenso Hamburger und Ostfriesisches Rauchfleisch, letzteres unter dem Namen Nagelholz.
Diese künstlich zubereiteten, wenn auch sehr schätzenswerten Fleischsorten gelten so- wohl im Volksmunde wie im Handel nicht
als Fleisch (im engern Sinne), sondern als Fleischwaren (s. d.), was sie auch wirklich sind. Dasselbe
gilt in noch höhcrm Grade von dem Fleischextrakt und dem Fleischmehl, d. h. von den Extrakten der ver- meintlich kräftigsten
Nährstoffe des Fleisches, die als recht wirksame Zusätze, sogar als Surrogate gelten können, das frische Fleisch jedoch
dauernd nicht zu ersetzen vermögen.
Die Summen, welche im innern Verkehr in den Fleischläden und auf den Wochenmärkten durch den gefamten
Fleischhandel, welchem auch der Viehhandel zuzu- rechnen ist, umgefetzt werden, sind vielleicht 20- 30mal so hoch
als die des auswärtigen Handels. Wie bedeutend trotzdem die letztern sind, erhellt daraus, daß 1893 die deutsche Einfuhr
von frischem Fleisch 16610 t im Werte von 11,9 Mill. M., die Aussuhr 3703 t im Werte von 4,3 Mill. M.
be- trug. Außerdem wurden, wenn auch nicht ausschließ- lich als Schlachtvieh, sondern teilweise zu Zucht- zwecken, 211916
Stück Rindvieh (Wert 62,0 Mill. M.), 800852 Schweine (91,3 Mill. M.) eingeführt, 422365 Schafe (10,6 Mill. M.) ausgeführt.
Über den Fleischverbrauch pro Kopf sind mancherlei Angaben vorhanden. Dieselben sind indessen mit Vorsicht aufzunehmen, da
derartige Berechnungen sehr schwierig sind und, weil zum Teil auf einem nicht sicher ermittelten Durchschnitts- gewicht der
geschlachteten Tiere beruhend, nur an- nähernd richtig sein können. Geschätzt wird der Fleischverbrauch 1888 pro Kopf für
Großbritannien auf jährlich etwa 62, für Frankreich auf 42, Deutsch- land 29 KZ, dagegen für London auf 98 KZ, Paris 87, Berlin 77 KZ.
Während aber 1880 in Paris 84 KZ Fleifch pro Kopf verzehrt wurden, betrug der Verbrauch in Lyon nur 73, Marseille 69, Toulouse
58, Lille 53 KZ, um jedenfalls auf dem platten Lande ungleich mehr zu fallen, so daß sich schon aus dieser
abnehmenden Zahlenreihe die großen