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Fifchart, Joh., genannt Mentzer, der «teutsche Rabelais», der genialste, sprachgewaltigste und stoffmächtigste deutsche Satiriker des 16. Jahrh., in dem sich noch einmal der ganze formlos ungebun- dene Reichtum der litterar. Epoche offenbart, bevor ! mit Opitz die Herrschaft der Regel beginnt. Geb. ! um 1515 in Straftburg (oder Mainz), [* 2] erzogen in ! Worms [* 3] von seinem Verwandten Kaspar Scheidt! (s. d.), lernte er auf Reisen in Italien, [* 4] den Nieder- ^ landen, England und Frankreich mit empfänglichem Geist die Welt kennen. 1571 wurde er litterar.
Bei- stand seines Schwagers, des Buchdruckers Bernb. Iobin in Straßburg, [* 5] promovierte 1574 in Basel [* 6] zun^Di-. .M-., führte ein mutloses Littcratenleben i in ^traßdurg, wo er die Sacbc des liberalen Cal- ! vim5mus Joh. Sturnrs gegen Luthertum und Papst- tum verfocht, wurde 1581 Advokat am^ Reichs- ! kamlncrgericht zu ^pcyer, übernahm 1583 eine Amt- > Mannschaft zu Forbacb und starb um 1590. i Fischbach war der größte Publizist des Jahrhunderts ! neben Luther, der erfolgreichste Bctämpfer der Ge- ^ genreformation. Er besitzt nicht Luthers Volks- ' tümlichkeit; dafür ist er ihm an Vielseitigkeit in den ! Stoffen, Stimmungen, Gattungen und Formen! seiner Schriftstellern weit überlegen.
Wir haben ^ etwa 50 Werke F.s, ."0-40 andere blieben unaus- ^ geführt oder sind verloren. Gern verbirgt er seinen ^ Namen hinter Anagrammen und Verdrehnngen (z. V. Im Fischen gilts Mischen, Huldrich Ellopos- tleros, Iesuwalt Pickhart u. s. w.). Er mutet der Sprache [* 7] in Wortspielen und stilistischen Kunststücken Unglaubliches zu. Seine stärke ist die Häufung. Durch Erfahrung und Belefenheit verfügt er über eine Keuntnis deutscher Sitten, Volkssckerze, Sprich- wörter, Spiele, Lieder u. s. w., die seine Schriften zur wichtigsten kulturhistor.
Schatzkammer :nachen; aber neben beißendem Witz, übermütig ausgeschüt- tetem Wissen, grotesken Phantastereien, gelingen ihm auch innige, feierliche und schlichte Töne, und eine gesunde Lebrhaftigkeit ist ihm eigen. Seine Neigung zu maßloser Sprachwillkür ist weit größer in seiner Prosa als in den harten, aber gedrunge- nen Versen, in denen er gelegentlich auch fremde Verbformen, sogar Hexameter nachmacht. Seme Erfindungs- und Gestaltungskraft ist gering; er benutzt unbedenklich fremde Vorbilder, aber durch wunderbaren Reichtum an Geist und Stoff über- trifft er sie weit. Er begann mit antitath.
Reim- pamphleten: «Nacht-Rab» (1570) gegen den katb. Konvertiten Rabe, «Der Barfüßer Secten- und Kuttcnstreit» (Erklärung eines Holzschnitts),
«Von S. Dominici und S. Francisci artlichem Leben» (1571) gegen den Franziskanermönch Nasus. Diese Pamphlete und seine zahlreichen kleinen kirchlich- polemischen Satiren überbot Fischbach in dem «Iesuiter- hütlcin» (1580, nach einem matten franz. Original), der grimmigsten Zeitdichtuug gegen den Orden [* 8] der «Icsuwidcr». Auch seine 1579 erschienene Bear- beitung des niederländ. «Bienenkorbes» von Phi- lipp Marnir richtet sich gegen das Papsttum. In Ge- dichten vom Untergang, der «Vadenfahrt», der fpan. Armada feierte er 11589) Gottes Beistand für den Protestantismus. Positiv bewährt Fischbach seine Frömmig- keit in dem «Gescmgbüchlcin» (Straßb. 1576; neu hg. Verl. 1849),
das schöne eigene Dichtungen F.s enthält,und in seinem «Katechismus» (Straßb. 1578: darin die «Anmahnung zu christl. Kinderzuckt»). Die weichen Seiten seiner Natur treten hervor in seiner Freude an der Musik s"Ein Artliches Lob der Lauten», 1572),
seiner Schätzung des Ehestands («Philosophisch Ehzuchtbüchlein», 1578, nach Plu- tarch) und seiner Sehnsucht nach dem Landleben («Fürtreffliches Lob des Landlustes», 1579, nach Horaz). Mit warmem Lokalpatriotismus berichtet er in dem «Glückhafften schiff» (Straßb. 1576, nach Gualthers «^i^o ^iZurin^») die Hirsebreifahrt Züricher Bürger, die auch polit. Bedeutung für die Freundschaft Straßburgs mit den prot. SchweiZer- städtcn gewann. Glühenden Deutschenstolz atmet seine «Ernstliche Ermahnung an die lieben Teut- schen» in den «Eikones» (1573), Bildergedichtcn, wie er sie nach Scheidts Muster und im buch- händlerischen Auftrag Iobins noch öfter verfertigt hat.
Einen Plan scheidts führte Fischbach aus, alH er das Volksbuch vom Eulenspiegel reimte (1571), wie er später auch das altdeutsche Gedicht vom Stauffcnberger erneuerte (1588). Am glücklichsten aber waren seine humoristisch-satir. Dichtungen ohne konfessionellen Inhalt: «Flöhhaz» (1573; in den «Neudrucken deutscher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahrh.», Nr. 5, Halle [* 9] 1878),
die ausgelassenste Gestaltung des komischen Tierepos;
«Aller Praktik Großmutter» (1572; «Neudrucke», Nr. 2, ebd. 1876), eine mit Venutzuug älterer Quellen gegen den Kalenderaberglaubcn gerichtete Satire;
das «Po- dagrammisch Trostbüchlein» (1577; Scheibles «Klo- ster», Bd. 10, Stuttg. 1848),
ein Spottlob des «Pfotengrams» nach humanistischen Vorbildern;
vor allem die «Affenteurliche und ungeheurliche Gefchichtfchrift» (fpäter «Geschichtklitterung») vom «Gargantoa» (1575 u.ö.; «Neudrucke», Nr. 65-71, Halle 1886^-91, und Scheibles «Kloster», Vd. 8, stuttg. 1847),
die tollste, verschnörkeltste, riesen- hafteste Auffchwellung des 1. Buchs von Rabelais " (^ai'F^uwH et I^utHFi-uei»; hier, zumal in der berühmten «Trunkenlitanei», feiert F.s üppigste Laune ihre Orgien. Eine Ausgabe seiner Dichtungen veranstaltete H. Kurz (3 Vde^, Lpz. 1866-68) und in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur» A. Hauffen (Stuttg. 1892 fg.), eine gute Auswahl Goedeke (Lpz. 1880).
Aus der umfänglichen Litte- ratur über Fischbach vgl. Wackernagel, I. Fischbach von Straß- burg (2. Ausg., Bas. 1874);
Wendeler, Fischart- studien des Freiherrn von Meusebach (Halle 1879); Er. Schmidt in der «Allgemeinen deutschen Bio- graphie», Vd. 7 (Lpz. 1878);
Besson, Nwäo 8ur I (Par. 1889);
Frantzen, Kritische Bemerkungen zu F.s Übersetzung von Rabelais' Gargantua («Alsa- üsche Studien», Heft 3, Straßb. 1892). Fischauge, Mineral, s. Adular. Fischaugenstein, s. Apophyllit. [* 10] Fischbach, Dorf im Kreis [* 11] Hirschberg [* 12] des preuß. Reg.-Bez. Liegnitz, [* 13] am Fuße des Falkensteins, hat (1890) 1075 E., Postagentur, Telegraph, [* 14] Schloß mit Altertümern und Park und wird als Sommerfrische besucht. Nahebei die Falkenberge oder Fisch- b ach er Berge (667 m), große Granitfclseu, von denen der nördliche, der Forstberg, durch eine Treppe [* 15] bestiegen werden kann, während der andere seit 1832 ein großes eisernes Kreuz [* 16] trägt, sowie die Felsen- gruppc Mariannenfels mit weiter Aussicht, das Mimgenthal und die Ruine Volzenschloß. Fi'schbach, Friedr., Musterzeichner, geb. zu Aachen, [* 17] besuchte das Gymnasium in Köln [* 18] und die Mustcrzeicheuschule in Berlin, [* 19] ging 1862 nach Nien, leitete daselbst bis 1865 ein Dekora- tionsgeschäft, zeichnete für die Mustersammlung des Österreichischen Museums und wurde 7870 Lebrer ¶