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Landenge zwischen dem Ladogasee und dem Finnischen Meerbusen und breiteten sich allmählich dem Ufer entlang, die frühern (vielleicht gotischen) Einwohner vertreibend, über ganz Finland aus. Die Finnen zerfielen in mehrere Stämme: im Westen ließen sich die eigentlichen Finnen oder Suomalaiset nieder, in der Mitte des Landes die Tawasten, im Osten die Karelier und am nördlichsten die Kvänen an den beiden Ufern des Bottnischen Meerbusens. Am südl. Ufer des Finnischen Meerbusens saßen die finn. Stämme der Esthen, Liven und Kuren.
Ein karelischer Zweig scheint sich schon früh am Weißen Meere niedergesetzt und das Bjarmische Reich, welches durch seinen Reichtum die skandinav. Wikinge heranlockte, gestiftet zu haben. Die staatlichen Einrichtungen der Finnen waren noch sehr primitiv. Ihre religiösen Anschauungen sind in den epischen Gesängen der Kalewala (s. d.) enthalten. Daß die Handelsverbindungen der Finnen in den ersten Jahrhunderten meist nach Osten gingen, beweisen die archäol. Funde; bald lernten sie aber am Gestade der Ostsee Seefahrt und Seehandel und wurden auch ihren schwed. Nachbarn beschwerlich durch Seeräuberei.
Schon die schwed. Könige Erich Emundsson (um 875) und Erich der Siegreiche (um 975) sollen Eroberungszüge nach Finland unternommen haben. 1157 eroberte König Erich der Heilige (s. d.) den südwestl. Teil F.s und baute das Schloß Åbo zum Schutze des eroberten Gebietes. Dieser Kreuzzug war ebenso wenig wie die Bekehrungsversuche der Bischöfe von Upsala [* 2] und von Åbo von Belang. Die Tawasten machten 1237 einen großen Aufstand, und der nowgorodische Fürst Alexander besiegte 1240 an der Newa das schwed. Kreuzheer. Erst durch den Zug des schwed. Reichsverwesers Birger Jarl 1249, der Tawastland eroberte und das Schloß Tawastehus erbaute, wurde die schwed. Herrschaft befestigt. Der Reichsverweser Torkel Knutsson eroberte dann einen Teil Kareliens und erbaute Wiborg [* 3] (1293).
Die Schweden [* 4] behandelten Finland mit Milde und führten dort dieselben freien und volkstümlichen Institutionen, die in Schweden herrschten, ein. 1284 erhielt Finland den Titel eines Herzogtums. Bei der Königswahl Hakon Magnussons gab man den Finnen das Recht, an der Wahl der Könige teilzunehmen. Ein einheimischer Adel entstand, und die Finnen selbst bekleideten die kirchlichen Ämter. Die Verwaltung des Landes war in den Händen der Statthalter von Åbo, Tawastehus und Wiborg.
Zeitweilig hatte auch ein Herzog oder Oberstatthalter die höchste Gewalt im ganzen Lande. Neben diesen war der mächtigste Mann in Finland im Mittelalter der Bischof in Åbo; er war der Fürsprecher F.s bei dem Könige und im Reichsrate. Der bedeutendste unter diesen Bischöfen war Magnus Olai Tawast (1412-50, gest. 1452), zu dessen Zeit die kath. Kirche in Finland ihre ganze Macht und Pracht entfaltete; das reiche Birgittinerkloster zu Nådendal wurde gegründet, neue Kirchen und Kirchspiele eingerichtet u. s. w. Doch kam in den spärlich bevölkerten innern Teilen des Landes das Christentum damals noch nicht zur völligen Herrschaft.
Die dän. Herrschaft in der Unionszeit (1397-1523) war in Finland weniger verhaßt als in Schweden; doch war die Zeit voll Unruhen und Kriege. Als Erich XIII. von Pommern [* 5] 1439 verjagt wurde, brachen auch in Finland Bauernunruhen aus. Der (in Finland geborene) König von Schweden, Karl Knutsson (1448-70), wurde zweimal von den Unionsfreunden abgesetzt. 1473-97 dauerte dann der Krieg mit Iwan III., der die ganze russ. Macht in seiner Hand [* 6] vereinigte. Das Land wurde fürchterlich verheert; aus Schweden kamen nur kleinere Hilfssendungen, sodaß Finland auf seine eigenen Kräfte angewiesen war. Der Friede zu Nowgorod beließ Finland in den alten Grenzen. [* 7] In den letzten Jahren der Unionszeit wurde es durch die dän. Verheerungszüge zur See schwer heimgesucht, Åbo 1509 erobert und geplündert.
Die Reformation wurde in Finland unter Gustav Wasas Regierung (1523-60) durch Petrus Särkilaks und Michael Agricola (gest. 1557 als Bischof in Åbo) eingeführt. Durch die unermüdliche Thätigkeit Gustav Wasas wurde die Verwaltung des Landes verbessert, die Handelsübermacht des Hansabundes gebrochen, die noch unbebauten Strecken des innern Landes kolonisiert. Ein Einfall der Russen (1555-57) wurde zurückgewiesen. 1556 ernannte Gustav seinen jüngern Sohn Johann zum Herzog von Finland; als dieser 1568 König von Schweden geworden, brachte seine Hinneigung zum Katholicismus Verwirrung ins Land. Besonders aber hatte Finland während des langwierigen russ. Krieges (1572-92) zu leiden.
Der Krieg wurde nicht ohne Erfolg geführt; Pontus de la Gardie eroberte Kexholm und Ingermanland, und Johann gab, erfreut über diese Siege, 1581 Finland den Titel eines Großfürstentums. Der Krieg wurde erst 1592 durch einen Waffenstillstand, 1595 durch den Frieden zu Täysinä (nahe Narva) beendigt. Die Wirren in den letzten Jahren des 16. Jahrh., als der kath. Sigismund in Polen und sein prot. Oheim Herzog Karl um die schwed. Krone kämpften, fanden ihren Widerhall auch in Finland, wo die Partei Sigismunds ihre vornehmste Stütze in dem Generalgouverneur über Finland und Reichsadmiral Claës Fleming hatte. Ein gegen ihn von den finn. Bauern gemachter Aufstand, der sog. Keulenkrieg 1596-97, wurde gewaltsam unterdrückt, aber nach dem Tode Flemings fiel der Sieg dem Herzog (Karl IX., 1604-11) zu.
Unter dessen Sohn Gustav Adolf kämpften Schweden und Finnen auf Deutschlands [* 8] Schlachtfeldern ruhmvoll für die evang. Lehre. [* 9] Noch näher berührte Finland der Krieg mit Rußland (1609-17); die finn. Truppen unter Jakob de la Gardie und Ewert Horn erstürmten Nowgorod und zogen in Moskau [* 10] ein. Im Frieden zu Stolbowa mußte Rußland Ingermanland und das Gebiet von Kexholm an Schweden abtreten. In nationaler Hinsicht war die durch den Westfälischen Frieden gewonnene Großmachtsstellung Schwedens für Finland nicht vorteilhaft: die gebildeten Stände wurden mehr und mehr schwedisch, die finn. Sprache [* 11] nur als Volkssprache benutzt. Doch machte Finland auch in dieser Zeit Fortschritte, besonders als der Graf Per Brahe zweimal zum Generalgouverneur in Finland (1637-40, 1648-54) ernannt wurde. Der materielle Wohlstand wurde gefördert und die geistige Bildung durch die Gründung der Universität in Åbo (1640) merklich erhöht.
Im Nordischen Krieg (1700-21) wurde Wiborg (1710) von den Russen erobert, 1713 die Hauptstadt Åbo genommen, die wenigen finn. Truppen bei dem Dorfe Napue 1714 in blutiger Schlacht vernichtet. Sieben Jahre dauerte die harte russ. Herrschaft; erst 1721 im Frieden zu Nystad wurde der größte Teil F.s dem Reiche Schweden zurückerstattet, während Wiborg den Russen zufiel. 1741 brach ein neuer Krieg mit Rußland aus, der unglücklich für Schweden verlief; im Frieden zu Åbo 1743 kam wieder ein ¶
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Teil von an Rußland. Als Gustav III. (1771-92) einen neuen Krieg (1788-90) gegen Rußland angefangen hatte, gab sich die Mißstimmung gegen den König bei der Armee in Finland durch den sog. Anjalabund (s. d.) kund, der aber unterdrückt wurde. Ebenso wurde der Angriff Rußlands abgeschlagen; der Friede in Werelä 1790 bestätigte die alten Grenzen. Der vierte Krieg brach 1808 aus, und endigte mit dem blutigen Sieg der Russen unter Kamenski bei Orawais. Am bestätigte Alexander I. von Rußland als Großfürst von Finland in Borgå die Konstitution des Landes, worauf der Huldigungseid von den Ständen abgelegt wurde. Im Frieden zu Frederikshamn, erkannte Schweden die Vereinigung F.s mit Rußland an. Für die höchste Verwaltung wurde mit Mitwirkung der Stände ein Regierungs-Konseil (nach 1816 kaiserl. Senat für Finland genannt) in Åbo gestiftet.
Die höchste administrative Gewalt wurde dem Generalgouverneur übertragen; er hat darüber zu wachen, daß überall die Gesetze respektiert werden. 1811 wurde der früher eroberte Teil (Gouvernement Wiborg) mit dem übrigen Finland wieder vereinigt. 1819 wurde Helsingfors statt Åbo Hauptstadt, und nach einem Åbo verheerenden Brande 1827 auch die Universität nach Helsingfors verlegt, das somit der geistige Mittelpunkt F.s wurde. Unter der Regierung des Kaisers Nikolaus (1825-55) wurden die Stände, deren Einberufung nach der alten Konstitution 1789 von dem Willen des Herrschers abhing, nicht zum Landtag berufen. 1850 wurde ein Verbot erlassen, in der finn. Sprache andere als religiöse und wirtschaftliche Bücher zu drucken, aber die Aufrechterhaltung des Verbots erwies sich bald als unmöglich. Während des Krimkrieges wurden auch F.s Küsten von den Engländern verheert, die Schiffswerften in den Städten am Bottnischen Meerbusen verbrannt, die Festung [* 13] Bomarsund auf den Ålands-Inseln erobert und Sweaborg bombardiert.
In den vierziger Jahren entstand durch den Philosophen und Staatsmann J. W. Snellman die finn. Nationalitätspartei, die als Forderung Anwendung der finn. Sprache in der Schule und bei der Administration, statt der schwedischen, aufstellte. Obwohl gegen Snellman und «die Fennomanen» bald eine schwed. Partei «die Svekomanen» sich bildete, haben doch die erstern manchen Sieg davongetragen und u. a. die Verordnung zu stande gebracht, daß die Behörden eines Ortes die Sprache der Bevölkerung [* 14] gebrauchen sollen, auch sonst für die Erweiterung der konstitutionellen Freiheit gearbeitet.
Vom Landtage wurde dann 1867 eine neue Landtagsordnung angenommen und vom Kaiser bestätigt; dieselbe bestimmt, daß die Stände wenigstens jedes fünfte Jahr zum Landtag berufen werden. In letzter Zeit treten sie gewohnheitsmäßig jedes dritte Jahr zusammen. Unter der Regierung Alexanders II. machte Finland sowohl in materieller als in geistiger Hinsicht bedeutende Fortschritte. Eisenbahnen wurden gebaut, eine Münzreform durchgeführt, der Volksunterricht verbessert, höhere finn. Knaben- und Töchterschulen gegründet u. s. w. 1878 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.
Kaiser Alexander III. (seit 1881) schien das Werk seines Vaters in Finland fortsetzen zu wollen; das Motionsrecht wurde 1886 den Ständen zugestanden. Aber bald eröffnete in Rußland die slawophile Presse [* 15] einen Kreuzzug gegen die freiheitliche und nationale Entwicklung F.s. 1889 wurden in Petersburg [* 16] drei Kommissionen niedergesetzt, um das finn. Post-, Münz- und Zollwesen in größere Übereinstimmung mit dem russischen zu bringen, und durch ein Manifest (Juni 1890) wurde dem russ. Minister des Innern ein Aufsichtsrecht über das finn. Postwesen zuerkannt. Im Dezember desselben Jahres wurde das schon vom Kaiser bestätigte und publizierte neue Kriminalgesetz bis auf weiteres suspendiert.
Die im Jan. 1891 zusammengetretenen Stände gaben der im Lande herrschenden Unruhe Ausdruck und erhoben Einsprache gegen das Postmanifest, das nicht mit der innern Autonomie F.s im Einklang stehe, wie gegen die Suspendierung des Strafgesetzes. Einige Monate später wurde das für die Angelegenheiten F.s in Petersburg befindliche Komitee aufgehoben und eine neue Preßverordnung, welche dem Generalgouverneur unbeschränkte Befugnis in Preßangelegenheiten verlieh, herausgegeben; Okt. 1891 die Geschäftsordnung der höhern Behörden in russifizierendem Sinne neu geordnet; Sept. 1892 ein neues, in mehrern Punkten von dem frühern abweichendes Reglement für den Senat, ohne Mitwirkung der Stände, erlassen. Diese Maßregeln der letzten Jahre in Finland konnten nicht dazu beitragen, die im Lande herrschende Beunruhigung zu beseitigen.
Litteratur. Retzius, Finland Schilderungen aus seiner Natur, seiner alten Kultur und seinem heutigen Volksleben (übersetzt von Appel, Berl. 1885);
Topelius, Aus Finland (aus dem Schwedischen übersetzt von Longé, 2 Bde., Gotha [* 17] 1888);
Ignatius, Suomen Maantiede kansalaisille (Helsingf. 1890);
ders., Statistisk Handbok för Finland (ebd. 1890);
L. Mechelin, Das Staatsrecht des Großfürstentums Finland (im 4. Bd. vom «Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart», hg. von Marquardsen, Freib. i. Br. 1889);
Statistisk Årsbok för Finland 1892; Industristatistik 1890, Bidrag till F.s officiella statistik; Porthan, Chronicon episcoporum Finlandensium (Åbo 1784-1800);
Rühs, Finland und seine Bewohner (Lpz. 1809);
Kajaani, Suomen historia (Helsingf. 1846);
Rein, Föreläsningar öfver F.s historia (ebd. 1870-71);
Yrjö Koskinen, Finn.
Geschichte (Lpz. 1874; aus dem Finnischen übersetzt);
Schybergson, F.s historia (Helsingf. 1887-89);
Danielson, Die Nordische Frage in den J. 1746-51 (ebd. 1888);
ders., F.s Vereinigung mit dem Russischen Reiche (ebd. 1891).