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eine praktische Erprobung noch nicht erfahren, wes- halb über verschiedene Punkte die Ansichten noch sehr auseinandergehen. Im allgemeinen wird man bei dem neuern förmlichen Angriff versuchen: durch die Wirkung schwerer Geschütze [* 2] die Streitkräfte und Streitmittel des Gegners planmäßig nieder- zukämpfen, den Gegner aus dem Gelände vor feinen Werken auf diese zurückzutreiben und das eroberte Gelände durch verteidigungsfähige Deckungen zu sichern, um schließlich nach Zerstörung der Sturm- freiheit und der Flankierungsanlagen stürmend in die Werke einzudringen.
Der förmliche Angriff gliedert sich gewöhnlich in den Fern- und Nah- an griff. Der erstere soll das Festsetzen der In- fanterie in dem zur Durchführung des Angriffs un- entbehrlichen Gelände unterstützen und die Kampf- mittel des Gegners (Geschütze und ihre Deckungen, Hohlräume, Wälle, Sturmfreihcit der Gräben) ver- nichten, um den Nahangrisf, d. h. das Durch- ich'cnien des unmittelbar vor den Werken im wirk- samen Gewehrfeuer derselben liegenden Teils des Angriffsfeldes und dann den Sturm zu ermöglichen.
Hat die Festung [* 3] geringe Ausdehnung [* 4] und wenig .hohlräume, fo kann schon der Fernangriff als Bombardement die Übergabe des Platzes nach sich ziehen. Gegen kleinere Festungen mit mangel- haften Verteidigungsanlagen oder fchwachen Be- satzungen, oder gegen einzelne abgesondert gelegene Werke, die keine äußern Reserven haben, kann der abgekürzte An griff angewendet werden, indem man von vornherein möglichst nahe an die Werke herangeht, den Verteidiger durch überwältigendes Feuer aus dem Vorgelände und vom offenen Wall vertreibt und den Sturm aus größerer Entfernung über das freie Feld hinweg unternimmt, ohne vor- her die Sturmfreiheit (Flankierungsanlagen) ver- nichtet zu haben. - Obwohl die von den preußisch- deutfchen Truppen in den neuesten Kriegen aus- geführten Belagerungen der Form nach noch in Vaubanscher Manier geführt wurden, machten sich dabei durch die Verwendung der gezogenen Geschütze doch verschiedene Momente geltend, die der oben besprochenen neuen Manier entsprechen. So ist Düppel(1864) gewissermaßen ein Beispiel des ab- gekürzten Angriffs, und die Belagerungen von Toul, [* 5] Diedenhofen [* 6] und Neubreisach (1870) solche eines erfolgreichen Bombardements.
Das Bom- bardement ^traßburgs dagegen führte nicht zum Ziel, es muhte zur vollständigen Durchführung des förmlichen Angriffs nach Vaubanscher Manier ge- schritten werden. Litteratur. Vauban, Iraite äs I'atta^us 6t äs Ia ä6l6N86 ä68 Mc68 (2 Bde., Haag [* 7] 1737; Leid. 1740; deutsch, 2 Bde., Verl. 1744; Übersetzung von Clair, ebd. 1770);
ders., Ii-aits äe Ia äöksnLs ä68 5,1^068 (Par. 1769);
de B. (Vousmard), I^83in 36U6- ral äe lortiüclUion, ä'HtwquL 6t, äs äslöNLe (163 M068 (4 Bde. mit Atlas, [* 8] Berl. 1798-1803 u. ö.; deutsch von Kosmann, 2 Bde., Hof [* 9] 1805);
ders., ^Isinoi'ial äs (^orinontaiZns pour I'ütta^us äs8 Mcs8 sto. (Berl. 1803);
Carnot, Anweisung zur Verteidigung der Festungen^ (nach der 3. Aufl. des Französischen übers, von Vre^endorf, Stuttg. 1820); Aster, Die Lehre [* 10] vom Festungsrayon. Niederer Teil (Dresd. 1835); von Nüstow, Die Lehre von neuern Festungsrayon (2 Bde.,,Lpz. 1860);
Brialmont, ^tuäs8 3ui- 1k äslsi^s äs8 ^tats st 8ur 1a loi'tiücation (3 Bde.,und Atlas, Vrüss. 1864)' ders., I^a äslsii86 äs8 ^t^t8 st 1s8 campz reti-kucds3 sPar.1877);
von Prittwitz und Gassron, Lehrbuch der Veseftigungskunst und des Festungsrayon (Berl. 1865);
Blumhardt,D'erF. (Darmst. 1866);
Schmolzt, Die artilleristische Verteidigung der Festungen (Berl. 1873);
Popp, Vorlesungen über Festungsrayon (Münch. 1874); Mollik, Angriff und Verteidigung fester Plätze (2 Bde., Wien [* 11] 1876 - 77);
von Vonin, Festungen und Taktik des Festungsrayon in der Gegenwart (Berl. 1878); ders., Die Lehre vom Festungsrayon (ebd. 1881);
H. Müller, Ge- schichte des Festungsrayon seit allgemeiner Einführung der Feuer- waffen (2.Auss., ebd. 1892);
Wolf, Der Festungsrayon in seinen Grundzügen (Köln [* 12] 1879-80);
Iähns, Geschichte des Kriegswesens (mit Atlas, Lpz. 1880);
(Anonym) Studie über den Festungsrayon (2 Tle., Berl. 1880-81);
von Sauer, Beiträge zur Taktik des Festungsrayon (ebd. 1882);
von Brunner, Leitfaden für den Unterricht im F. (5. Aufl., Wien 1884);
Krebs, [* 13] Kriegsgeschichtliche Beispiele der Fcldbefestigung und des Festungsrayon (2. Aufl., Verl. 1892); von Leithner u. a., Die beständige Befestigung und der Festungsrayon (2 Bde., Wien 1894). Festungslazarett. Bei einer Mobilmachung oder bei Ausrüstung einer Festung erhalten alle in derselben und in den Forts vorhandenen oder neu einzurichtenden Lazarette der Militärverwaltung den Namen Festungsrayon Leiter derselben ist der Garnisonarzt, der für ibre Ausstattung mit geschultem Personal und mit Material zu sorgen hat. Letzteres wird dem Festung slazarettdepot entnommen, das den Bedarf für 200 Kranke auf 3 Monate enthält. Das Festungsrayon dient grundfätzlich ausschließlich zur Pflege der Verwundeten und Kranken aus der Festung, nur ausnahmsweise für folche vom Kriegsschauplatz.
Festungsmanöver, alle diejenigen Übungen, durch welche die Truppen, insbesondere dieFestungs- garnisoncn und technischen Truppen, mit den ihnen bei Verteidigung und Belagerung von Festungen zufallenden Obliegenheiten bekannt gemacht werden. Sie bestehen hauptsächlich in Armierungs- und Ve- lagerungsarbeitcn, dem kriegsmäßigen Festungs- wachdienst und den sonstigen taktischen Maßnah- men, die im Fcstungskriege vorkommen können. Im deutschenHecr unterscheidet manFestungs dien st- übungen (allgemeiner Natur), Armierungs- übungen (besonders für Fußartillerie) und Be- lag erungs Übungen (für Fußartillerie und Pio- niere unter Heranziehung anderer Waffen). [* 14]
Festungsrayon (fpr. -räiöng), Bezeichnung für eine gewisse Abgrenzung der Umgebung von Festungswerken, innerhalb welcher Beschränkungen des Grundeigentums aus militär. Gründen gesetzlich sind. Die Rücksicht auf die möglichst günstige Wir- kung der eigenen Feuerwaffen und die Ausschließung aller Gegenstände, die innerhalb der wirksamen Schußweite jener dem Gegner Deckung gewähren könnten, zwingt den Verteidiger, bei der Armierung von Festungen auf einem gewissen Abstände von den Werken das Vorgelände freizulegen, weiter hinaus bis zu einer gewissen Grenze die Haupt- marschrichtuugen des Gegners unterFcuer zu haben.
Damit im Kriegsfall die Wegräumung der durch Bebauung und andere Veränderungen der Erdober- fläche entstandenen Dcckungsmittel des Gegners möglichst rasch und ohne zu große Härten für die Bewohner geschehen kann, erlassen die Staaten Ge- setze für den Festungsrayon, welche die Bebauung und Benutzung der Grundstücke in dem Festungsrayon regeln. Nach dem im Deutschen Reich geltenden Gesetz vom21. Dez. 1871, betreffend dieVefchränkungendes Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, ! ist die näcbste Umgebung der Festung wie der ¶