mehr
sich Vereine, um einen jeden bei sich Recht finden zu lassen und zu verhindern, daß solches bei den Femgerichte gesucht werde. Von mehrern Reichsständen wurden besondere kaiserl. Schutzbriefe gegen die Anmaßungen der Femgerichte verlangt. Die Kaiser selbst ließen es indes bei fruchtlosen Versuchen bewenden, Verbesserungen in der Verfassung der Femgerichte einzuführen, da diese kühn genug waren, sich auch den Kaisern zu widersetzen und sogar Kaiser Friedrich III. vorzuladen. In einzelnen Territorien wurde die mißbräuchliche Ladung vor die Femgerichte unter Strafe gestellt; höchstens dann erschien sie zulässig, wenn der Kläger von dem Landrichter und Landesfürsten rechtlos gelassen wurde.
Damit war für diesen ein
Sporn gegeben, mit allen
Kräften für eine gute Rechtspflege zu sorgen. Die
innere Einrichtung und das
Verfahren bei den Femgerichte
war in den Grundzügen das der altdeutschen Gerichte. Die Freigerichte waren
entweder öffentliche oder heimliche.
Jene, die bei «rechter Tageszeit und scheinender
Sonne»
[* 2] gehalten wurden, zu welchen alle
Dingpflichtigen Zutritt hatten, urteilten in bürgerlichen Streitigkeiten. Bei letztern (heimliches Gericht,
Stillgericht,
heimliche
Acht) durften nur
Wissende erscheinen.
Seit dem 14. Jahrh. wurden sie all
gemein und der
Ausschluß der Öffentlichkeit, die
Geheimhaltung streng eingeschärft. Zur
Kompetenz des Femgerichts gehörten alle
todeswürdigen
Verbrechen, sog. Femwrogen (Femrügen). Das
Verfahren beruhte auf den
Grundsätzen des Anklageprozesses. Ein Freischöffe mußte die
Anklage erheben. Nichtwissende wurden binnen sechs Wochen und
drei
Tagen,
Wissende binnen einer dreifachen Frist vorgeladen. Die Ladung besorgte ein Wissender, der sie unter symbolischen
Zeichen an der
Thür des Vorgeladenen befestigte (event. an einem Kreuzwege, am Stadtthore).
Der Angeklagte konnte sich vor dem Femgericht durch einen Eid reinigen, der Ankläger aber diesem einen Eid mit Eideshelfern entgegenstellen. Leistete hierauf der Angeklagte den Eid mit sechs Eideshelfern, so konnte der Ankläger denselben durch einen Eid mit 14 Eideshelfern entkräften. Erst auf den Eid des Angeklagten mit 20 Eideshelfern mußte notwendig die Freisprechung erfolgen. Der Überwiesene sowie der der Ladung nicht folgende Angeklagte wurden verfemt, d. h. die Oberacht ausgesprochen.
Die Vollstreckung erfolgte durch den Strang. Alle Freischöffen waren verpflichtet, den mit der Vollstreckung betrauten Genossen beizustehen. Zum Zeichen, daß an dem Getöteten ein Urteil der Feme vollzogen worden sei, wurde ein Dolch [* 3] mit den Buchstaben S. S. G. G. (d. h. Strick, Stein, Gras, Grein, die geheime Losung der Freischöffen) neben seinen Leichnam gelegt. Das ordentliche Verfahren fand nur auf «Roter Erde» statt. Dagegen konnte auch außerhalb Westfalens bei Ergreifung eines Verbrechers auf handhafter That ein Notgericht am Ort der That gehalten werden, zu welchem nur drei Freischöffen, also kein Freigraf, zugezogen werden mußten.
Nach der Fällung des
Urteils wurde dasselbe alsbald vollzogen. Gerade dieses summarische
Verfahren führte zu argen Ausschreitungen,
indem es häufig zur Befriedigung persönlicher
Rache mißbraucht wurde und so die Femgerichte, die einst so heilsam der all
gemeinen
Rechtlosigkeit entgegengewirkt hatten, zum Gegenstände all
gemeinen Schreckens machten. So bereitete
die oben erwähnte gesetzliche Reaktion in den einzelnen Territorien, ganz besonders aber die Verkündigung des
Ewigen Landfriedens,
d ie Einsetzung des
Reichskammergerichts (1495) und die Verbesserungen im landesherrlichen Gerichtswesen den Femgerichte ein
Ende.
Sie verloren die Grundlage ihrer Ausnahmestellung und wurden selbst seit dem 16. Jahrh. zu landesherrlichen Gerichten herabgedrückt, als welche sie in Westfalen [* 4] bis ins 19. Jahrh. (auf Polizeiübertretungen beschränkt) ein schattenhaftes Dasein fortführten. –
Vgl. Wigand, Das Femgericht Westfalens (2. Aufl., Halle [* 5] 1893);
Wächter, Beiträge zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts (Tüb. 1845);
Brode, Freigrafschaft und Vehme (Dissertation, Halle 1880);
Lindner, Die Veme (Münst. und Paderb. 1888);
Thudichum, Femgericht und Inquisition (Gießen [* 6] 1889);
gegen letztere Schrift: Lindner, Der angebliche Ursprung der Vemegerichte aus der Inquisition (Paderb. 1890).