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der Kutzo-Wlachen (Zinzaren) im Pindusgebirge, in Thessalien, Epirus und im nördl. Griechenland; das Rhäto-Romanische oder Ladinische in einem Teil von Graubünden im Engadin, im südl. Tirol, in der ital. Provinz Udine (Friaul) und der österr. Grafschaft Görz und Gradisca. 2) Der germanische Stamm (s. Germanen) nimmt Deutschland, Skandinavien und Britannien ein. Am unvermischtesten haben sich die Skandinavier gehalten, während die Engländer sich mit der kelt. Urbevölkerung Britanniens, die Deutschen mit den im Rhein- und Donaugebiet einheimischen Keltoromanen und den Slawen östlich der Saale und Elbe gemischt haben. Romanisiert worden sind die got. Völker, die im 5. Jahrh. das westl. Mittelmeer beherrschten. Die Skandinavier, welche in Schweden, Gotländer, Norweger, Isländer, Dänen und Jüten zerfallen, haben sich in den letzten zwei Jahrtausenden allmählich über das nördl. Skandinavien verbreitet, hier finn.-lappische Stämme teils vertreibend, teils germanisierend. Island ist von Norwegen aus 874 besiedelt worden. Die Angelsachsen (s. d.) haben von Schleswig-Holstein und Jütland aus im 5. und 6. Jahrh. England erobert. Die Friesen (s. d.) und Deutschen (s. Deutsches Volk und Deutsche Sprache) haben den Kelten West- und Süddeutschland und seit dem 12. und 13. Jahrh. den Slawen Nordostdeutschland abgewonnen, über die sprachliche Gliederung s. Deutsche Mundarten. 3) Die slawisch-baltischen Völker zerfallen in zwei Gruppen: a. Baltische Stämme: zu ihnen gehören die ausgestorbenen Preußen (Altpreußen, s. Litauische Sprache) im heutigen Ost- und Westpreußen: die Litauer in Ostpreußen und dem angrenzenden westl. Rußland; die Letten in Kurland und Livland. - b. Die slawischen Völker zerfallen in Westslawen(Czechen mit Mährern und Slowaken; Polen, zu denen im weitern Sinne auch die Kassuben und in Norddeutschland ehemals zwischen Elbe und Oder ansässigen sog. Polaben (s. d.) zu rechnen sind); Sorben (Wenden der Ober- und Niederlausitz); Russen (Groß- und Kleinrussen); Südslawen (Bulgaren, Serben und Kroaten, Slowenen). 4) Die Kelten (s. d.) erscheinen in der ältesten histor. Zeit E.s über die Alpen und ganz Gallien verbreitet, von wo sich ihr Bereich über die brit. Inseln, das heutige Süddeutschland und über die Pyrenäen bis in das mittlere und westl. Spanien ausbreitete, während sich später Abzweigungen nach Italien, Thrakien und Kleinasien (Galater) finden. Volt und Sprache sind noch in drei Gegenden vorhanden: in Wales (das Walisische oder Wälsche oder eigentliche Kymrische), in der Bretagne (das Bas-Breton oder das Armorikanische), in Irland und Kochschottland (das Irische in Irland, in Hochschottland das Gälische oder Ersische, und das Manx auf der Insel Man). 5) Die Griechen oder Hellenen bewohnen fast den ganzen griech. Staat nebst Kreta, Teilen von Epirus, einen Teil Macedoniens und des südöstl. Thraziens. 6) Die Albanesen (Arnauten) oder Schkipetaren, die direkten Nachkommen der alten Illyrier, wohnen in Albanien, Griechenland, Italien und Osterreich (s. Albanesen sowie Albanesische Sprache und Litteratur). 7) Die Basken, welche sich selbst Euscaldunac nennen, sind der einzige Rest der Ureinwohner E.s, der seine alte Sprache noch bewahrt hat. Sie sind die Nachkommen des iber. Volksstammes, der einst über die ganze Pyrenäen-Halbinsel und über den Südwesten Frankreichs bis über die Garonne hinaus verbreitet gewesen ist. (S. Basken und Baskische Sprache.) L. Völker der mongolischen Rasse. 8) Die ugro-finnischen Völker. Sie sind in alter Zeit durch Einwanderer von Osten nach Norden gedrängt worden (s. Finnen). 9) Die türkischen Völker. Sie stammen aus den Steppen Hochasiens und sind seit den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung zu verschiedenen Zeiten in das östliche Europa eingewandert. Zu ihnen gehören a. die Osmanen oder ottomanischen Türken, durch Vermischung mit Griechen und Slawen sowie mit cirtassischen Sklavinnen veredelt und dem europ. Typus sehr angenähert; d. die Tataren der Krim, ein Gemisch aus Kumanen, Osmanen und Nogaiern; c. die Wolga-Tataren in den russ. Gouvernements: Astrachan, Saratow, Samara, Pensa, Simbirsk, Kasan, Orenburg, Ufa, Wjatka, Nishnij-Nowgorod und vereinzelt in Perm und einigen mittlern Gouvernements (Kassimowsche Tataren); d. die Baschkiren; europa die Tschuwaschen: dieselben sind nur sprachlich zu den Türken zu rechnen, sie sind wahrscheinlich ursprünglich Ugrier (Bulgaren?), hauptsächlich in den russ. Gouvernements Ufa und Orenburg. Eine annähernd genaue Schätzung nimmt für Europa an auf Grund der Zahlen von 1880: 94355000 Slawen, von denen 65270000 Russen und Ruthenen, 11580000 Polen, 7220000 Czechen, Mähren und Slowaken, 130000 Wenden, 6030000 Serben und Kroaten, 2865000 Bulgaren und 1260000 Slowenen: 98948000 Romanen und zwar 40280000 Franzosen mit den Wallonen, 29570000 Italiener, 20810000 Spanier und Portugiesen, 8240000 Rumänen, 48000 Rhätoromanen (Ladiner); endlich 105130000 Germanen, von denen 63205000 Deutsche mit den Holländern und Vlämen, 32980000 Engländer, 8945000 Skandinavier. Es bleiben noch die überall zerstreuten Juden zu erwähnen, in größerer Menge lebend in Rußland, Polen, dem nordöstl. Deutschland, Galizien, Ungarn und Rumänien; die aus Asien seit dem 12. Jahrh. (nach der Zerstörung der Stadt Ani) zahlreich eingewanderten Armenier, welche in Galizien und Siebenbürgen größere Kolonien bilden und dann in allen bedeutendern Handelsstädten des östlichen E.s als Kaufleute, Wechsler u. s. w. angesiedelt sind; die Zigeuner, aus Ostindien stammend, und die im Nordosten E.s auf den Tundren nomadisierenden Samojeden, die eigentlich nach Asiengehören. (Hierzu: Ethnographische Karte von Europa.) Religion. Der ethnogr. Dreiteilung schließt sich auch eine kirchliche an, indem dem romanischen Europa das römisch-katholische, dem germanischen das protestantische und dem slawischen das griechisch-katholische entspricht; aber eine etwas genauere Betrachtung stört diesen Zusammenfall mehrfach und giebt für die Westgrenze der Verbreitung der griech.-kath. Kirche eine ungefähre Linie an: vom Golf von Cattaro zu der mittlern Save, dem mittlern Dnjestr, der untern Düna, dem Peipussee, Saïmasee bis zum Weißen Meer. Östlich von dieser Linie herrscht die griech.-kath. Kirche mit Ausnahme des eingedrängten Mohammedanismus im Süden vor; westlich von ihr kann man als Scheide zwischen
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Protestantismus und Katholicismus eine Linie verfolgen von der untern Düna zum untern Niemen, obern Pregel, zur Netzemündung, obern Oder-Elbpforte zwischen Sachsen und Böhmen, zum obern Main, untern Rhein, nach der Scheldemündung, dem Pas-de-Calais, St. Georgskanal und zur Westküste von Island. Ausschließlich protestantisch ist nur Skandinavien und die german. Tiefebene, ausschließlich römisch-katholisch der Südwesten E.s. Neben diesen drei Hauptformen der christl. Religion (zu denen sich 90,1 Proz. bekennen) besteht zwar noch das Gemisch christl. Sektierer, der Mohammedanismus, das jüd. Glaubensbekenntnis und im äußersten Norden noch Heidentum; wie sehr aber die nichtchristl. Elemente zurücktreten, erhellt aus folgenden Zahlen: Von 327 Mill. Europäern im J. 1880 waren Römisch-Katholische etwa 150 Mill. (47,3 Proz.); Bekenner christl.-orient. Religionen 81510000 (24,71 Proz.), und zwar Griechisch-Katholische 80307000 (24,36 Proz.), griech.-orient. Sektierer 1019000 (0,31 Proz.), armenische Gregorianer 124000 (0,04 Proz.); Protestanten 79,33 Mill. (24,05 Proz.), und zwar Evangelische (Lutheraner, Reformierte, Unierte) 54,24 Mill. (10,44 Proz.), Anglikanische 18,88 Mill. (5,72 Proz.), Methodisten 3,51 Mill. (1,07 Proz.), andere prot. Konfessionen 2,7 Mill. (0,82 Proz.); Unitarier (Socinianer) 120000 (0,04 Proz.); Juden 5984000 (1,81 Proz.), und zwar 3 Mill. in Rußland, 1005394 in Österreich, 303790 in Deutschland; Mohammedaner 6445000 (1,95 Proz.); Heiden und ohne Konfession 447000 (0,1 Proz.). Mithin sind die Nichtchristen nur 3,86 Proz. der Gesamtbevölkerung E.s. Staatliche Verhältnisse. Systematisch gruppiert verteilen sich die europ. Staaten folgendermaßen: 4 Kaiserreiche: Deutsches Reich (mit 4 Königreichen, 6 Großherzogtümern, 5 Herzogtümern, 7 Fürstentümern, 3 Freien Städten und 1 Reichsland), Österreich-Ungarn, Rußland, Türkei; 11 Königreiche: Großbritannien und Irland, Niederlande, Belgien, Schweden und Norwegen, Dänemark, Spanien, Portugal, Italien, Griechenland, Rumänien, Serbien; das Großherzogtum Luxemburg; 4 Fürstentümer: Liechtenstein, Monaco, Bulgarien, Montenegro; 4 Republiken: Frankreich, die Schweiz, Andorra, San Marino. Als Großmächte werden betrachtet das Deutsche Reich, Rußland, Großbritannien, Österreich-Ungarn, Frankreich und Italien. (Hierzu: Politische Übersichtskarte von Europa.) Auswärtige Besitzungen europ. Staaten s. Kolonien (mit Übersichtskarte der Kolonien europäischer Staaten), über Heeresverhältnisse s. Heerwesen Europas (mit Karte: Militärdislokation in Centraleuropa). Geschichte. Nachdem Europa seine Bevölkerung von Osten her erhalten hatte, ward seine Geschichte auf glänzende Weise eröffnet durch den Stamm der Hellenen, die Gründer der Macht und der Civilisation Griechenlands. Im Wetteifer mit den Phöniziern suchten sich die Griechen im ganzen Bereiche des Mittelmeers auszubreiten; aber dem Höhepunkte ihrer Blüte um 400 v. Chr. folgte bald die Zertrümmerung ihrer Freiheit durch Alexanders d. Gr. Begründung des großen macedon. Reichs (330 v. Chr.). Während Alexander das südl. Osteuropa mit den Geschicken seiner Herrschaft in Asien verstockt, waren die Römer in Italien mit Ausdehnung und Befestigung ihrer kriegerischen Macht beschäftigt und durch die Entwaffnung Karthagos zur Oberherrschaft in Südeuropa gelangt. Sie erweiterten durch ihre Legionen den Horizont europ. Geschichte über das Becken des Mittelmeers und dehnten das Reich unter Augustus um 30 v. Chr. aus vom Atlantischen Meer bis zum Euphrat und vom Rhein und der Donau bis zu den Wüsten Afrikas. (S. die Karte: Das Römische Reich in seiner größten Ausdehnung, beim Artikel Rom und Römisches Reich.) Während unter der Herrschaft der röm. Imperatoren mehrere barbarische Provinzen des Reichs, wie Gallien, der Civilisation gewonnen wurden und auch die christl. Religion in allen Teilen zahlreiche Anhänger, seit Konstantin d. Gr. staatliche Anerkennung und Macht gewann, zeigte sich doch, daß der röm. Staat und die röm. Gesellschaft dem Untergang verfallen waren. Der Druck des Despotismus hatte die Kraft des Volks erschöpft und zerstört. Zur Bildung neuer Ordnungen in Staat und Gesellschaft bedürfte es der noch ungebrochenen Kraft frischer Stämme, und diese fand sich in den germanischen. Der Einfall der Hunnen von Asien aus um 375 n. Chr. gab der sog. Völkerwanderung (s. d.) einen neuen Anstoß, der röm. Staat konnte dem Andränge der mächtigen Völkerstämme nicht widerstehen, und das Weströmische Reich ward 470 gestürzt, während das morgenländische mit der neuen Residenz Konstantinopel noch 1000 Jahre lang ein kümmerliches Leben fristete. Auf den Trümmern des Weströmischen Reichs breiteten sich german. Herrschaften aus und gelangten im 6. Jahrh. zu ihrer größten Ausdehnung. Am hervorragendsten war das Reich der Ostgoten in Italien und nordöstlich bis zur Donau, an deren linkem Ufer damals die Langobarden und die Gepiden Sitze gewannen, dann das Reich der Westgoten über fast ganz Spanien und Südwestfrankreich; neben ihnen standen das suevische Reich in Nordwestspanien, die Reiche der Franken und Burgunder, jenseit des Mittelmeers in Nordafrika das Reich der Vandalen. (S. Historische Karten von Europa I, 1.) Während sich im Westen E.s die Völkerbewegungen allmählich beruhigten und hier und da eine Festsetzung begann, deren Grundzüge noch durch das heutige Staatenbild hindurchschimmern, dauerte das Drängen und Wogen mächtiger Völkerstämme im Osten fort. Die Hunnen zogen sich zwar nach Attilas Tode wieder in die pontisch-kaspischen Steppen zurück, aber türk. Völkerstämme drängten über den Ural bis zum Don und schoben die Avaren immer weiter westlich; die Bulgaren besetzten die Nordostgrenzen des OströmischenReichs, die Slawen erfüllten die Hämushalbinsel und schritten zugleich bis in die Mitte Deutschlands vor. Um dieselbe Zeit verloren die West- und Ostgoten ihre selbständige Stellung; in Spanien zog ein neues, für die Civilisation einflußreiches Element mit den Arabern und der Gründung des Chalifats Cordoba ein. Die nächste Periode der europ. Staatenentwicklung fällt in das Zeitalter Karls d. Gr. Er vereinte fast alle Romanen und Germanen in seinem Frankenreiche, aus dem die unter seinen Enkeln entstehenden Einzelstaaten die gemeinschaftlichen Grundzüge der Kultur und Verfassung mitnahmen. (S. Historische Karten von Deutschland I, 1, Bd. 5, S. 170.) Dann wurden die Normannen im Norden mächtiger und versuchten sich in abenteuerlichen Eroberungszügen bis zum Süden E.s, und aus der sog. Heptarchie der Angelsachsen ward allmählich