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Der Apparat der Weinessigfabritation be- steht nach der in Frankreich fast ausschließlich be- nutzten sog. Orle'ansmethode in einer dem Umfang des Betriebes angemessenen Zahl von Weinfässern, die, mit dem Spundloch nach oben gerichtet, auf Stollen gelagert sind. Zur Beförderung der Luft- cirlulation sind die Fässer oben mit Lochern ver- sehen, und zum Ablassen ist unten ein Hahn [* 2] ein- gesetzt. Beim Beginn der Fabrikation werden die Fässer zum etwa vierten Teil mit einer Mischung von Wein und heißem Essig gefüllt.
Ist der Wein gesäuert, so fügt man allmählich kleine Mengen frifchen Weins zu, bis das Faß [* 3] zur Hälfte gefüllt ist. Alsdann zapft man vor jedesmaligem Zusatz von Essiggut eine gleich große Menge fertigen Essig ab, der in einem Klärbehälter gesammelt wird. Hier ist der Essig vor weiterm Zutritt der Luft zu bewah- ren; auch dürfen keine Neste des Essigpilzcs mit in den Lagerbehälter gebracht werden, da dieser bei Ab- wesenheit von Alkohol seine oxydierende Wirkung auf die Essigsäure überträgt, wodurch diese teilweise in Kohlensäure und Wasser verwandelt wird und ein Schalwerden des Essigs eintritt.
Pasteur hat diese Orle'ansmethode insofern abgeändert, als er auf die in Essig umzuwandelnde Flüssigkeit den Efsig- pilz künstlich aussät. Der Branntweinessig kann auf gleiche Weife - hergestellt werden wie der Weinessig. Diese Art der Darstellung ist aber durch ein weit vorteilhafteres Verfahren, die von Schützenbach (1823) eingeführte Schnellessigfabrikation, verdrängt. Letztere beruht im Hauptprincip darauf, das in Essig über- zuführende Essiggut (verdünnten, mit fertigem Essig vermischten Branntwein) mit der atmosphärischen Luft bei der erforderlichen Temperatur in die innigste Berührung zu bringen und dadurch die Oxydation ____^^^^ des Alkohols zu ^ ^^~^W^ Essigsäure in der kürzesten Zeit und mit dem geringsten Verlust zu bewerk- stelligen.
Dazu sind besonders ein- gerichtete Gefäße lGradierfässer, E s s i g st ä n d e r, Essig bildn er) erforderlich, von denen man je nach der Stärke des darzustellenden Essigs zwei bis vier braucht, die zusammen wieder eine Gruppe aus- machen. Ein der- artiges Gefäß [* 4] ist in beistehender Fi- gur abgebildet; es ist aus starkem eichenem Daubenholz angefertigt, 2-4 m hoch und 1-1,3 in weit. 20-30 cm hoch über dem untern Boden sind in gleichen Abständeil im Umkreise des Fasses 6-10 Luftzuglöcher in von etwa 3 cm Durchmesser und etwas Fall nach innen angeordnet.
Etwa 33 cm über dem Boden befindet sich ein falfcher Boden d, der siebähnlich durchlöchert ist und auf den Rotbuchenholzspäne geschichtet wer- den. Die Späne werden, zu engen Spiralen zu- sammenge^^, ^ wie matt sie durch Hobeln von Vrockhculs' Konversations-Lcxiloi!.. 14. Aufl. VI. grünem Holz [* 5] und nachheriges Trocknen erhält, angewendet. Nachdem die Essigständer mit den trocknen Spänen beschickt worden sind, schreitet man zum Ansäuern derselben. Zu diesem Zwecke gießt man erwärmten Essigsprit über die im Stän- der befindlichen Späne.
Die angesäuerten Fässer bleiben 24 Stunden bedeckt stehen, damit der Essig das Holz möglichst durchdringt. 18-25 cm unter dem obern Rand befindet sich ein hölzerner, mit möglichst vielen feinen Löchern durchbohrter Sieb- boden a. Damit das Essiggut durch diese Löcher in dünnen Strahlen über die^päne sich ergießt, bringt man in die Löcher Bindfäden, die etwa 3 cm unten hervorragen und oben mit einem Knoten versehen sind, um zu verhindern, daß sie durch die Äohr- löcher gleiten; die Fäden saugen das Essiggut auf und lassen es vom untern Ende auf die Hobelspäne abtropfen.
In dem Siebboden befinden sich ferner fünf bis acht größere Bohrlöcher von 3-5 cm Weite mit durchgesteckten Glasröhren von 10 -15 cm Länge, die der durch die Zuglöcher von unten ein- dringenden, im Ständer ihres Sauerstoffs beraub- ten Luft den Austritt nach oben gestatten. Der Essig- ständer wird mit einem gut schließenden Deckel ä be- deckt, in dessen Mitte sich eine runde Öffnung 1 be- findet, durch die einerseits das Essiggut aufgegossen, andererseits durch geringeres oder weiteres Offnen der Luftaustritt geregelt wird.
Infolge der Sauer- stossabsorption entwickelt sich im Innern des Essig- ständers so viel Wärme, [* 6] daß die Luft darin in Strömung von unten nach oben erhalten wird. Nachdem die Efsigständer beschickt und eingesäuert sind, giebt man das vorbereitete Essiggut auf. Das aus dem ersten Essigbildner abfließende Essiggut kommt in das zweite und fließt von da, wenn der Alkoholgehalt der säuernden Flüssigkeit 3-4 Proz. nicht überstieg, als fertiger Essig ab. Die in einem Ständer nach unten gelangende Flüssigkeit sammelt sich in dem Raume u an und wird von da durch den Hahn in das untergestellte Gefäß abgelassen.
Die Zusammensetzung des Essigguts ist eine sehr ver- schiedene; eine häusig angewendete Mischung besteht aus 201 Branntwein von 50 Volumprozent Alkohol, 401 Essig und 1201 Wasser, der man als Nahrung für den Pilz [* 7] einen Auszug von Roggenmehl und Kleie zufetzt. Die Essigstube soll bis auf 20-24^ 0. erwärmt fein, in den Essigständern steigt die Wärme aber bis auf 36° und darüber, wodurch infolge der Verdunstung von Alkohol und Essigsäure ein Ver- lust von über 10 Proz^ stattfindet.
Mit Rücksicht auf diesen Verlust kann man annehmen, daß 1 Kl Branntwein von 50Volumprozent (^ 42 Gewichts- prozent) Alkohol 7,9 Kl Essig von 5 Proz. Essigsäure- gehalt liefert. Für den Versand ist es am vorteil- haftesten, nur den stärtsten Essig (Essigsprit) dar- zustellen und denselben am Orte des Verbrauchs mit Wasser zu verdünnen; auch ist zur Erzielung größe- rer Haltbarkeit und Reinheit das Pasteurisieren und Filtrieren, [* 8] wodurch die Essigälchen vernichtet und entfernt werden, zu empfehlen.
Die zweite Methode der Darstellung von Speise- essig durch Verdünnen reiner Essigsäure mit Wasser kann nur vorteilhaft sein, wenn die gereinigte Essig- säure zu billigerm Preise zu haben ist, als man sie nach der Methode der Schnellessigfabrikation aus Branntwein darstellen kann. Ist dies der Fall, so fügt man ihrem Gehalt entsprechend so viel Wasser hinzu, dis der Essig einen Gehalt von 5 Proz. Essig- säure zeigt. Zur Gehaltsermittelung des Essigs be- 24 ¶