Wenn die Kontrahenten bei
Abschluß eines Kaufgeschäfts, welches wenigstens auf einer von beiden Seiten ein Handelsgeschäft
ist, eine festbestimmte Erfüllung oder Erfüllungsfrist für die Lieferung der Ware verabredet haben, und es erhellt,
daß dies in der
Absicht geschehen sei, die Leistung zu einer andern Zeit, insbesondere die verspätete Leistung, solle
nicht als Erfüllung gelten, so muß derjenige, welcher trotz Verzugs des Gegenteils auf Erfüllung bestehen will, dies unverzüglich
nach
Ablauf
[* 2] der Zeit oder der Frist dem andern Kontrahenten anzeigen; unterläßt er dies, so kann er später nicht auf Erfüllung
bestehen, sondern nur entweder vom
Vertrage zurücktreten, als sei derselbe nicht geschlossen, oder sein
Interesse wegen Nichterfüllung fordern.
Handelt es sich um Waren, welche einen Markt- oder Börsenpreis haben, und der Verläufer will statt der Erfüllung für
Rechnung des säumigen Käufers verkaufen, so muß er den Verkauf unverzüglich nach
Ablauf der Zeit oder der Frist vornehmen.
Will umgekehrt der
Käufer statt der Erfüllung
Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern, so darf der
Käufer ohne weitere
Begründung die Differenz zwischen dem (niedrigern) Kaufpreise und dem (höhern) Markt- oder Börsenpreise
zur Zeit und am Orte der geschuldeten Lieferung fordern (sog. abstrakte Schadenberechnung):
er darf aber auch einen höhern Schaden fordern, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, daß ihm ein
solchcr erwachsen ist (sog. konkrete Schadenberechnung; Handelsgesetzbuch Art. 357).
Die Erfüllung kann endlich in unbestimmten
Ausdrücken bezeichnet sein wie «sobald als thunlich», «sobald
ich vermag» u.s.w. In diesem Fall ist die genauere Erfüllung vom
Richter nach den Umständen kraft seines Ermessens zu bestimmen
(Österr.Bürgerl. Gesetzb. §. 904;
Code civil Art. 1901; Sächs.
Bürgerl. Gesetzb. §. 712). Das
Preuß.
Mg. Landr. I, 5, §§. 236-38 hat noch weitere Regeln für diesen Fall aufgestellt.
1) Regierungsbezirk der preuß.
ProvinzSachsen,
[* 4] umfaßt
Teile des ehemaligen Erzbistums Erfurt und Kursachsens, das Fürstentum
Eichsfeld und die ReichsstadtMühlhausen,
[* 5] grenzt im N. an
Braunschweig,
[* 6] im
S. an die thüring. Fürstentümer,
mit den
FlüssenUnstrut, Wipper,
Helme,
[* 7] Leine und Werra, ist zum
Teil sehr fruchtbar, zum
Teil rauh und öde (oberes Eichsfeld),
zum
Teil sehr gebirgig und waldreich (Enklaven Schleusingen und Ziegenrück), hat
Acker- und
Gartenbau, Viehzucht,
[* 8] Salzbergwerk,
Eisengruben und Eisenindustrie und zerfällt in folgende 12
Kreise:
[* 9]
An
Flächeninhalt umfaßt der Regierungsbezirk 3529,94 qkm; er hat (1890) 433020 (207751 männl., 225269 weibl.)
Erfurt, darunter 2888 Militärpersonen, 23
Städte mit 473,70 qkm, 197320 (95853 männl., 101467 weibl.) Erfurt, 408 Landgemeinden
und 155 Gutsbezirke mit 3056,24 qkm, 235700 (111898 männl., 123802 weibl.) Erfurt, ferner 59545 bewohnte, 1051 unbewohnte
Häuser, 96356 Haushaltungen und 314 Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt. Dem Religionsbekenntnis nach waren 330631
Evangelische, 99469 Katholiken, 901 andere
Christen und 1992 Israeliten.
Der Regierungsbezirk zerfällt in 4 Reichstagswahlkreise: Nordhausen
[* 10] (1893 Abgeordneter Dr. Schneider, freisinnige
Volkspartei);
2) Landkreis, ohne die Stadt Erfurt, im Reg.-Bez. Erfurt, hat (1890) 28920 (14078
männl., 14842 weibl.) Erfurt, 40 Landgemeinden und 3 Gutsbezirke.
3) Hauptstadt des Reg.-Bez. Erfurt und
Stadtkreis (43,76 qkm), an der Gera,
[* 11] die die Stadt von
SW. nach
NO. in drei
Armen durchfließt,
liegt in 200 m Höhe in dem
Vorlande des
ThüringerWaldes, wird südlich von den
Höhen des
Steigerwaldes begrenzt und hatte
1880: 53254, 1885: 58386, 1890: 72360 (35993 männl., 36367 weibl.) Erfurt, darunter 61104
Evangelische, 10122 Katholiken, 388 andere
Christen und 746 Israeliten,
d. i. eine durchschnittliche jährliche Zunahme (1885-90) von 2797
Personen (4,23 Proz.);
4263
Wohnhäuser
[* 12] (93 unbewohnt) mit 15851 Haushaltungen und 54 Anstalten. In Garnison liegen das 2. bis 4.
Bataillon des Infanterieregiments
Nr. 71 und die 1., 2. und 4.
Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 19. Die Zahl der
Geburten betrug (1893) 2611, darunter 47 Totgeborene,
die der
Eheschließungen 547, der Todesfälle 1643.
Anlage,
Straßen,
Brücken,
[* 13] Plätze. Die Stadt, bis 1874 eine bedeutende Festung,
[* 14] von der die Citadelle
Petersberg und die
Kasematten der Cyriaksburg noch vollständig erhalten sind, zeigt im Innern trotz zahlreicher Neubauten noch immer
den Charakter einer altertümlichen Stadt; besonders am Fischmarkt,
Friedrich-Wilhelmsplatz, Wenigen Markt und in den engen
Straßen am ehemaligen Augustinerkloster finden sich zahlreiche interessante
¶
mehr
Bauten aus der Renaissancezeit. Von den zahlreichen Brücken ist nur die Krämerbrücke bemerkenswert, 1266 in Holz,
[* 16] später
in Stein erbaut; sie trägt zwei Reihen zwei- bis dreistöckiger Häuser mit Kramläden und an den Enden je eine jetzt weltlichen
Zwecken dienende Kirche, unter denen der Fahrweg hindurchführt. Mittelpunkt des Verkehrs ist der Anger,
eine schöne Straße mit Baumreihen, ferner die Johannes-, Bahnhofs-und Löberstraße;
schöne neue Straßen sind die Wilhelms-
und Steigerstraße sowie der Dalbergsweg. Am Nordende des Angers, gegenüber der Post, das Lutherdenkmal von F. Schaper, 1890 enthüllt;
auf dem Hirschgarten genannten schönen Platze ein Denkmal für 1866 und 1870/71.
Gebäude. Erfurt hat 9 evang. und 9 kath. Kirchen. Von den erstern sind bemerkenswert die got. Predigerkirche (1228) mit einem
schönen Schnitzaltar von Wohlgemuth (1460-70), Kunstwerken und Denkmälern;
die got. Barfüßerkirche, nach dem Einsturz 1838 auf
Staatskosten wiederhergestellt;
die Reglerkirche, ehemals dem um 1135 gegründeten Kloster der Regulierten Chorherren gehörig,
seit 1850 wiederhergestellt und in Benutzung, mit einem Altar
[* 17] von Wohlgemuth;
von den katholischen: der Dom St. Marien, auf
einer Anhöhe südwestlich am Friedrich-Wilhelmsplatz, mit breiter Freitreppe (die Graden), an Stelle eines 1153 gegründeten
Baues in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. errichtet, der Chor, 1349-72 im edelsten got. Stil vollendet,
ruht auf einem gewaltigen Unterbau (den sog. Kavaten, cavatae), das Langhaus wurde 1456-72 als spätgot. dreischiffige
Hallenkirche umgebaut;
am Nordportal eine reichgeschmückte Vorhalle (1358);
im Innern ein Relief von P. Vischer, Krönung
der heiligen Jungfrau, ein Ölbild (1499), den großen Christoph darstellend, darunter der Grabstein (13.
Jahrh.) eines Grafen von Gleichen mit seinen beiden Frauen, Kanzel und Orgelbühne nach Schinkels Entwurf, geschnitzte Chorstühle
(15. Jahrh.), ein metallener Leuchter (11. bis 12. Jahrh.), die
[* 15]
Figur
eines Betenden darstellend, Glasmalereien (14. Jahrh.) und schöner got. Kreuzgang.
Die Domtürme, im
Übergangsstil des 13. Jahrh., enthalten 10 Glocken, darunter die große Maria gloriosa, das Wahrzeichen der Stadt, 275 Ctr.
schwer. Der Dom wurde 1845 - 70 durchweg restauriert und durch ein großes Madonnenbild in Mosaik auf Goldgrund am östl. Giebel
geziert. Im NW., dicht neben dem Dom, gleichfalls auf der Höhe, steht die kath. Severikirche (14. Jahrh.)
mit drei spitzen Türmen, 1878 restauriert, mit Altarreliefs (14. Jahrh.), einer heil.
Michael- (1472) und einer Madonnastatue über dem Taufstein (15. Jahrh.). Die älteste Kirche ist die Schottenkirche, eine Pfeilerbasilila
(12. Jahrh.) mit got. Veränderungen.
Von den zahlreichen Klöstern besteht nur noch das Ursulinerkloster, jetzt Erziehungsanstalt für Mädchen.
Das Augustinerkloster, in welches Lutherals Mönch eintrat, dient jetzt teils als Waisenhaus, teils als Rettungshaus
zur Erziehung verwahrloster Kinder (Martinsstift); Erinnerungen an Luther wurden größtenteils durch Feuer (1872) zerstört.
Die Kirche, 1273 begonnen, mit Schiff
[* 18] (1432) ist in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederhergestellt und
war 1850 Sitz des Unionsparlaments.
Von weltlichen Gebäuden
sind zu nennen das Rathaus am Fischmarkt, an Stelle eines ältern Baues nach dem Entwurf von Baurat Tiede
1869-75 von Sommer erbaut, mit Wandgemälden aus der Erfurter Geschichte von Janssen-Düsseldorf im Festsaal, auf dem untern
Flur die Gleichensage in Wandgemälden von Kämpfer-Düsseldorf, auf dem obern Gemälde betreffend Luthers
Aufenthalt in Erfurt von demselben;
das Regierungsgebäude am Hirschgarten, früher Palast des Mainzer Statthalters,
zuletzt Karl von Dalbergs (s. d.) und 1808 Napoleons Wohnung, als er hier die
Fürsten um sich versammelte, und der 1894 eröffnete Centralbahnhof;
an die Universität (1392 gegründet, 1816 aufgelöst)
erinnert das GroßeKolleg in der Michaelisstraße, mit prächtigem spätgot.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Schneider, seit 1890, 11000 M.), Bürgermeister (Lange,
seit 1892, 7000 M.), 17 Magistratsmitgliedern (8 besoldet), 48 Stadtverordneten und hat Freiwillige Feuerwehr
(80 Mann) und Pflichtfeuerwehr (200 Mann) mit 18 Spritzen, 484 Hydranten und 38 Feuermeldern, ein bedeutendes städtisches Wasserwerk
(87065 m Rohrnetz), welches das Wasser der Apfelstädt vom Dorfe Wechmar (21 km) und vom Gerathal bei Möbisburg nach dem
Reservoir an der Cyriaksburg leitet. Die Ausdehnung
[* 19] der Kanäle beträgt 58738 m. Die 2 Gasanstalten gaben
(1893) 3,015 Mill. cbm Gas ab, davon 493700 cbm zur öffentlichen Beleuchtung
[* 20] (1255 Flammen) und 564200 cbm zu technischen
Zwecken (105 Gasmotoren). Auf dem städtischen Schlachthofe wurden (1893) geschlachtet: 8334 Rinder,
[* 21] 2226 Schweine,
[* 22] 10845 Kälber
und 14420 Hammel.
Finanzen. Am betrug das Vermögen der Stadt 13,5 Mill. M., die Schulden 6760000 M. Nach dem
Etat (1894/95) betrugen die Einnahmen 2456400 M., darunter 1010000 M. direkte, 106300 M. indirekte Abgaben; die Ausgaben 2456400
M. Für Unterrichtszwecke wurden aufgewendet 404960 M., für öffentliche Beleuchtung 62000 M., für Straßenreinigung
[* 23] 34100 M.,
für Armenwesen 134450 M., für Krankenanstalten 21600 M.