und ein vollendeter Weltmann. Ein überlegener Verstand, den er gern in Sarkasmen zeigte, leitete ihn; von Leidenschaften
kannte er nur die
Eitelkeit. Man hat ihn treffend mit
Voltaire verglichen. Kaum gab es ein Gebiet der damaligen Wissenschaft,
auf dem er nicht thätig war. Seine «Adagiorum chiliades» (Vened. 1508 u. ö.)
sind eine Sprichwörtersammlung mit schönen Erläuterungen. Erasmus verfaßte treffliche pädagogische
Schriften. Mit gesundem Gefühl bekämpfte Erasmus die Alleinherrschaft des ciceronianischen
Stils in der Satire «Ciceronianus»
(1528). Die Zahl seiner
Ausgaben klassischer und patristischer Schriftsteller (z. B.
Cicero,
Seneca,
Aristoteles, Hieronymus,
Augustinus) ist unabsehbar.
Sein
Herz hing an der griech. Litteratur, während ihm das
Hebräische fern lag. Lucian war sein Liebling.
Die noch heute gültige
Aussprache des klassischen
Griechischen geht auf Erasmus zurück
(«De recta latini graecique sermonis pronunciatione
dialogus», 1528). Seine dem Papst gewidmete und mit einer lat.
Übersetzung versehene
Ausgabe des
NeuenTestaments
(Bas. 1516),
der bald eine wertvolle
Paraphrase folgte, trug ihm lebhafte Anfeindungen von der
Kirche ein, weil sie
an der
Vulgata Kritik übte, wurde dagegen von
Luther seiner Bibelübersetzung zu
Grunde gelegt.
Auch in andern
Schriften äußerte Erasmus reformatorische
Gedanken, so in dem ausgezeichneten Erbauungsbuch
«Enchiridion militis
christiani», in den vielbenutzten «Familiaria colloquia» (1524),
Meisterstücken der lat. Umgangssprache, und in der eleganten, geistreichen
Satire auf alle
Stände «Encomium moriae» («Lob
der Narrheit», Par. 1509). Sie gehörte, durch Holbeins Federzeichnungen geschmückt, zu
den gelesensten
Büchern des Jahrhunderts. Trotz mancher Übereinstimmung stieß den geistigen
Aristokraten Erasmus das Auftreten
des Volksmannes
Luther ebenso ab, wie die Leidenschaft
Ulrichs von Hutten, mit dem er in eine wenig ehrenvolle
Fehde geriet. Gegen
Luther richtete Erasmus u. a. seine «Diatribe
de libero arbitrio» (1526). Trotzdem hat ihn auch die kath. Partei nicht als einen der
Ihrigen angesehen, sondern seine
Schriften auf den Index gesetzt. Die vollständigste und beste
Ausgabe seiner Werke besorgte
Leclerc (10 Bde.,
Leid. 1703-6). -
Vgl. Stichart, Erasmus (Lpz. 1870);
Drummond, Erasme (2 Bde., Lond.
1873);
F. C. Hoffmann, Essai d’une liste d’ouvrages et dissertations concernant la vie et les écrits d’Erasme (Brüss.
1866);
griech. Gelehrter der
Alexandrinischen Schule, der sich selbst den
Beinamen des
Philologen gab, nicht
im jetzigen
Sinne, sondern in dem des Freundes der Wissenschaft überhaupt, geb. 275
v. Chr. zu
Kyrene in
Afrika,
[* 8] wurde um 235 von
Ptolemäus Euergetes aus
Athen
[* 9] nach
Alexandria, wo er früher, namentlich unter Kallimachus studiert hatte,
zurückgerufen und war dort viele Jahre Vorsteher der großen
Bibliothek. Er starb 194
v. Chr., wie es heißt den freiwilligen
Hungertod aus
Gram über seine
Erblindung. Eratosthenes war ein feinsinniger Dichter und ausgezeichneter
Grammatiker, wobei übrigens
seine Thätigkeit mehr den realen Disciplinen als der sprachlichen Seite zugewandt war, zugleich aber
auch einer der größten Forscher im Gebiete der sog. exakten Wissenschaften. Er erfand namentlich
eine Lösung des Problems der Verdoppelung des Würfels (vgl. den
Brief des Eratosthenes hierüber, übersetzt von Dreßler, Wiesb.
1828) und eine Methode, die Primzahlen zu finden (das sog.
Sieb des Eratosthenes, grch. koskinon, lat. cribrum
Eratosthenis genannt, nach dem
Titel der
Schrift des Eratosthenes darüber).
Auch bestimmte er um 220
v. Chr. an großen Armillen, die unter dem Portikus des Akademiegebäudes in
Alexandria aufgestellt
waren, die
Schiefe
[* 10] der
Ekliptik mit ziemlicher Genauigkeit.
Große Berühmtheit erlangte aber besonders seine
Gradmessung,
[* 11]
die erste
wirkliche Erdmessung. Er bestimmte zu diesem Zwecke die
Zenithdistanz der
Sonne
[* 12] zur Zeit des Sonnensolstitiums
im
Mittag zu einem Fünfzigstel des Kreises, während sie in
SyeneNull war; die Entfernung zwischen beiden Orten nahm er zu 5000 Stadien
an und fand daher für den Erdumfang 250000 Stadien.
Ferner hat Eratosthenes in drei
Büchern «Geographika» das erste wissenschaftliche
System der Geographie aufgestellt, das nach dem
Verluste aller Werke des Eratosthenes besonders durch die Anführungen bei
Strabo verhältnismäßig
gut bekannt ist.
Vgl. Wilberg, Die Konstruktion der allgemeinen Karten des Eratosthenes
(Essen
[* 13] 1834);
ders., Das
Netz der allgemeinen
Karten des Eratosthenes und
Ptolemäus (ebd. 1835);
Schäfer, Die astron.
Geographie der Griechen bis auf Eratosthenes (Flensb.
1873);
Berger, Die geogr. Fragmente des Eratosthenes (Lpz.
1880). -
Wie Eratosthenes durch jenes Werk der Schöpfer der wissenschaftlichen Geographie ward, so ist er durch seine «Chronographiai»
der Begründer der wissenschaftlichen
Chronologie geworden. Von seinem Werke über die
Sternbilder sind die erhaltenen, namentlich
von Schaubach (Gött. 1795) und Robert (Berl.
1878) herausgegebenen «Catasterismi» ein
Auszug.
Vgl. Maaß, Analecta Eratosthenica (in den
«Philolog. Untersuchungen», Heft
6, Berl. 1883).
In einem vierten großen Werke behandelte Eratosthenes die alte griech. Komödie. Von
diesem Werke sind nur Bruchstücke erhalten. Von den
Dichtungen des Eratosthenes enthielt ein Epos «Hermes»
[* 14] (Merkur)
[* 15] die
¶
mehr
Kindheitsgeschichte dieses Gottes und reihte daran eine demselben in den Mund gelegte Beschreibung der Sphärenharmonie und
des Himmelsgewölbes, ein anderes enthielt in elegischem Versmaße die Sage von Erigone, der Tochter des Ikarius. Die Bruchstücke
dieser beiden und einer dritten Dichtung hat Hiller («Eratosthenis carminum reliquiae», Lpz.
1872) zuletzt herausgegeben. Eine Sammlung der Fragmente aller Schriften veröffentlichte Bernhardy u. d. T.
«Eratosthenica» (Berl. 1822).