meist in Distichen abgefaßt, ihren Gegenstand dichterisch erklärten oder auch neue
Gedanken anknüpften, so wurde das Epigramm bald
eine selbständige Dichtart, die in knappster Fassung die mannigfachsten
Gedanken abrundete, wobei eine geistvolle Pointe
wesentliches Erfordernis, aber die größte Verschiedenheit des
Inhalts möglich blieb. Die zahlreichen der griech. Dichter,
in denen höchste Zartheit mit keckstem Witz wechselt, wurden im byzant. Zeitalter zu umfangreichen
Anthologien
(s. d.) vereinigt, deren mehrere erhalten sind.
Bei denRömern war das Epigramm fast nur in satir.
Richtung ausgebildet, Hauptvertreter Martial (s. d.). Auch im buddhistischen
wie im brahmanischen
Indien und im mohammed.
Persien
[* 2] giebt es epigrammartige sinnige
Sprüche der Weisheit.
Bei den roman. Völkern war das Epigramm meist eine Waffe des Spotts, im Mittelalter
und im 16. Jahrh. besonders bei den lateinschreibenden
Humanisten (in
Deutschland
[* 3] z. B. bei Euricius Cordus); in der ital.
Litteratur aber ging es allmählich in die Form des Madrigals, zum
Teil auch desSonetts über. Am meisten
war es in
Frankreich beliebt, besonders seit Marot (s. d.). Weniger künstlerisch vollendet,
aber schärfer und wirksamer waren in
Frankreich zahllose mündlich und schriftlich verbreitete Epigramm, die seit Richelieus
Zeiten,
besonders kurz
vor der Revolution der sonst zum Stillschweigen verurteilten polit.
Opposition
Ausdruck gaben. In England ahmteJ. Owen (s. d.) im lateinischen
den Martial gut nach. Als die ältesten deutschen Epigramm kann man viele
Sprüche des 13. Jahrh. (Freidank u. a.), besonders aber
die Präambeln oder Priameln (s. d.) des 14. und 15. Jahrh.
ansehen, die trotz ihrer allgemeinen Haltung der satir. Zuspitzung selten entbehren; eine volkstümliche Epigrammart bilden
heute noch die Schnadahüpfl (s. d.) u. a. Das
kunstmäßige Epigramm in deutscher
Sprache,
[* 4] das sich an die Alten anschloß, begann erst im 17. Jahrh.; das Bedeutendste
leistete darin Logau mit seinen
Sinngedichten. In gleicher
Richtung folgten im 18. Jahrh. Wernicke und Kästner, im 19. Jahrh.
die
Brüder Schlegel, F. Haug, Platen, neuerdings Hebbel, Leuthold,
Schack,
Bodenstedt,
Bischer,
Bauernfeld,
L. Fulda.
[* 5]
Die zahlreichen Epigramm
Goethes undSchillers sind vielfach ruhige
Sprüche von allgemeiner Wahrheit; nur in den
Xenien (s. d.) trieben
sie die
Schärfe des epigrammatischen
Angriffs auf die
Spitze, und auch
Goethes«Venetianische Epigramm» atmen oft polemischen
Geist.
Die
Theorie des C. wurde mit Scharfsinn von Lessing 1759 in den «Anmerkungen
über das Epigramm» behandelt, in denen er vorzugsweise das witzig spottende der
Römer
[* 6] vor
Augen hatte, und von Herder in der
Abhandlung«Über das griechische, der eben durch die Berücksichtigung der griech.
Anthologie zu einer höhern
Ansicht gelangte. Sammlungen
von Epigramm veröffentlichten
Benedix (Lpz. 1861),
Booth (2. Aufl., Lond. 1865), Dodd (2. Aufl.,
ebd. 1875),
Adams (ebd. 1890).
(grch.) oder Inschriftenkunde, derjenige
Teil der Altertumswissenschaft, der das Verständnis der in Metall,
Stein oder andern dauerhaften
Stoffen eingegrabenen
Inschriften (grch. epigraphai; lat. inscriptiones)
vermittelt. In vielen Fällen, wo die sonstige Litteratur eines
Volks vollständig untergegangen, ist man sogar ausschließlich
auf die
Inschriften angewiesen, so z. B. bei den Assyrern, Phöniciern, Phrygern,
Lykern, ebenso
wie bei manchen Dialekten von Hellas und
Italien.
[* 7]
Von den semitischen
Inschriften sind besonders hervorzuheben: die für die Geschichte der
Schrift besonders
wichtige
Stele
[* 8] des Mesa, Königs von Moab (um 890
v. Chr.), der Sarkophag
[* 9] des Eschmunazar und die Siloahinschrift;
sonst überwiegen
die sakralen und Grabinschriften;
viele sind, obwohl formelhaft und bedeutungslos, dennoch wichtig durch den Ort, wo sie
gefunden wurden, nämlich an den verschiedensten Punkten des Mittelmeers,
[* 10] soweit der phöniz.
Handel reichte.
Eine Zusammenstellung aller semit.
Inschriften ist von der
Französischen Akademie begonnen durch das «Corpus inscriptionum
semiticarum» (Par. 1881 fg.).
Viel größer ist die Wichtigkeit der griechischen und römischen
Inschriften;
ursprünglich wurde allerdings gar nicht, und
dann wenig geschrieben;
die lateinischen sind noch bedeutend jünger, denn die älteste von allen, die linksläufige Duenosinschrift, gehört ungefähr
in die Zeit von 350
v. Chr. Für die spätere Zeit wird aber das epigraphische Material sehr umfangreich, und die Kenntnis
des
Altertums ist dadurch nicht nur auf eine breitere, sondern auch eine festere Grundlage gestellt.
Die
Masse der
Inschriften in
Rom
[* 11] während der Kaiserzeit war so groß, daß allein beim
Brande des
Kapitols unter Vespasian 3000 öffentliche
Urkunden vernichtet wurden. Fast noch wichtiger sind die
Inschriften für das Privatleben der Alten; von der
Geburt des
Menschen
bis zum
Tode giebt es kaum irgend einen
Abschnitt, irgend ein freudiges oder trauriges Ereignis, das sich
nicht in den
Inschriften widerspiegelt.
Die antiken
Historiker haben die
Masse des inschriftlichen Materials, die ihnen zu Gebote stand, nicht in der
Weise ausgenutzt,
die zu wünschen wäre; selbst
Thucydides erlaubt sich
Abweichungen vom Wortlaut, undTacitus zieht es vor,
statt der im Original erhaltenen Rede des
KaisersClaudius eine frei komponierte einzulegen.
Daß im Mittelalter das
Studium
der antiken Epigraphik nicht gepflegt wurde, ist nicht wunderbar, im Gegenteil ist es zu verwundern, daß selbst im 9. Jahrh.
die röm.
Inschriften berücksichtigt wurden: aus dieser Zeit stammt die berühmte, sehr sorgfältige
Sammlung des Anonymus Einsidelensis.
Erst in der Renaissancezeit fing man an, den
Inschriften wieder mehr
Aufmerksamkeit zuzuwenden, und Jahrhunderte hindurch war
Italien das
Land derInschriften und zugleich der Inschriftenkunde. Hier entstanden eine Reihe der wichtigsten Sammlungen. (Vgl.
De Rossi, Le
[* 12] prime raccolte d'antiche inscrizioni im «Giornale
Arcadio», 127, 128.)
Schon Cola di Rienzi, der letzte der
Tribunen, hatte eifrig kopiert und gesammelt, ebenso Poggio (1380-1459)
und
Cyriacus von
Ancona
[* 13] (1391, gest. vor 1457),
der von seinen weiten
Reisen in den
Orient auch griech.
Kopien mit heimbrachte.
In
Spanien
[* 14] fing man am Ende des 15. Jahrh., in
Frankreich Mitte des 16. Jahrh. an zu sammeln;
die erste
deutsche Sammlung:
«Inscriptiones sacrosanctae vetustatis», gaben P.
Apianus und B. Amantius
(Ingolstadt
[* 15] 1534) auf Kosten R.
Fuggers heraus. Von den
Holländern ist M. Smetius aus
Brügge zu nennen, dessen vorzügliche Sammlungen erst später durch
Lipsius
(Leid. 1588) herausgegeben wurden. In die zweite Hälfte des 16. Jahrh.
fallen auch die besonders für die
¶
mehr
lateinische Epigraphik verhängnisvollen großartigen Fälschungen des neapolit. Architekten Pirro Ligorio, die bis in das 19. Jahrh,
herab in den Inschriftensammlungen eine bedeutende Rolle spielen; am wenigsten noch in den von Janus
[* 17] Gruter herausgegebenen
«Inscriptiones antiquae totius arbis Romani» (Heidelb. 1602; neue vermehrte Ausg.
von J. G. Grävius, Amsterd. 1707). Die Anregung zu dieser großartigen
Sammlung war von J. Scaliger aufgegangen, der auch einen mustergültigen epigraphischen Index dazu anfertigte. Darauf folgte
die große Sammlung vonL. A. Muratori, «Novus thesaurus veterum inscriptionum» (4 Bde.,
Mail. 1739-42; mit Ergänzungen von Seb. Donati, 2 Bde.,
Lucca
[* 18] 1765).
An der Spitze der neuern Epigraphiker stehen Gaëtano Marini (1742-1815),
dessen epochemachendes Werk
«Gli atti dei fratelli Arvali» (Rom) 1795 erschien, und sein Schüler Bartolomeo Borghesi (1781-1860),
dessen zerstreute Aufsätze
in den «Œuvres épigraphique» (3 Bde.,
Par. 1864-69) gesammelt wurden. Da sich das epigraphische Material von Jahr zu Jahr mehrte, so wurde
das Bedürfnis nach einem neuen «Corpus inscriptionum»
schon längst lebhaft empfunden; besonders war es Olaus Kellermann, ein dän. Gelehrter, der sich mit diesem riesigen Plane
trug, aber durch den Tod (1837) an der Ausführung gehindert wurde; auch franz. Projekte hatten keinen Erfolg,
bis die Berliner
[* 19] Akademie die Sache in die Hand
[* 20] nahm und nach längerm Schwanken die Aufgabe dem bedeutendsten
der jetzt lebenden Epigraphiker, Th. Mommsen, übertrug, dessen «Inscriptiones regni Neapolitani latinae» bereits (Lpz. 1852)
erschienen waren. Dem ersten Bande des «Corpus inscriptionum latinarum» (Berl.
1863),
der die Inschriften republikanischer Zeit zusammenfaßte, gingen als Vorläufer die von Ritschl bearbeiteten «Priscae
latinitatis monumenta epigraphica» (Berl. 1862) voran; dann erschienen
die weitern Bände nach der geogr. Reihenfolge der röm. Provinzen geordnet, bearbeitet von Mommsen, Henzen, Hirschfeld, Hübner,
Zangemeister u. a. Die von Wilmanns gesammelten afrik. Inschriften im 8. Bande wurden 1881 von Mommsen herausgegeben. Das riesige
Werk ist (1894) bis zum 15. Bande vorgeschritten, während 1893 eine 2. Auflage der ältern Bände zu erscheinen
begonnen hat. Die nötigen Ergänzungen bietet die «Ephemeris epigraphica»
(Berl. seit 1872),
von der bis 1892 8 Bände erschienen sind. Eine Auswahl der wichtigsten lat. Inschriften als Hilfsmittel
besonders für akademische Vorlesungen bietet das Werk von G. Wilmanns «Exempla
insciptionum latinarum» (2 Bde., Berl.
1873). -
Vgl. auch Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, hg. von J. Müller, Bd. 1 (2. Aufl., Münch. 1892);
Cagnat,
Cours d'épigraphie latine (2. Aufl., Par. 1889);
Die in dem «Corpus» nicht berücksichtigten Inschriften der italischen Dialekte sind gesammelt von A. Fabretti, «Corpus
inscriptionum italicarum» (Tur. 1867; mit Glossar und drei Nachträgen, ebd. 1872-78),
ferner von Lepsius, «Inscriptiones Umbriace
et Oscae» (Lpz. 1841) und Zvetaieff, «Sylloge
inscriptionum oscarum» (Petersb. 1878). Ein «Corpus
inscriptionum etruscarum» von Pauli erscheint seit 1893 (Leipzig).
[* 21]
Die griechische Epigraphik, obwohl bis in das 19. Jahrh. neben der lateinischen meist stiefmütterlich
behan-
delt, erlangte dennoch neuerdings
früher als erstere auf Veranstaltung der BerlinerAkademie ein zusammenfassendes «Corpus
inscriptionum graecarum», begonnen von A. Böckh, dann fortgeführt von Ernst Curtius und A. Kirchhoff (4 Bde.,
Berl. 1825-77). Allein diese für die damalige Zeit hoch bedeutende Leistung genügt heute nicht
mehr, namentlich weil damals die Mittel fehlten, im Orient eigene Abschriften anfertigen zu lassen. Auch
das Material hat sich inzwischen stark vermehrt.
Das Böckhsche «Corpus» ist daher zum Teil ersetzt gleichfalls auf Veranlassung der BerlinerAkademie durch die «Inscriptiones
graecae antiquissimae», hg. von H. Röhl (Berl. 1882),
das «Corpus inscriptionum atticarum», hg. von
A. Kirchhoff, U. Köhler, W. Dittenberger (ebd. 1873 fg.),
und das «Corpus inscriptionum graecarum Graeciae septentrionalis» (ebd. 1892). Für den Rest ist man immer noch angewiesen
u.a. auf drei große Sammlungen: die in Athen
[* 22] seit 1837 mit längern Unterbrechungen unter der Redaktion
erst von Pittakis, dann der Archäologischen Gesellschaft erscheinende «Ephemeris
Archaeologike», A. Rangabe's «Antiquités helléniques» (2 Bde.,
Athen 1842-55) undPhil. Le Bas' «Voyage archéologique en Grèce et en Asie mineure» (Bd. 1-6, Par.
1847-77),
deren Bearbeitung von Waddington und Landon fortgesetzt, aber nie zu Ende geführt wurde. Dialektisch
wichtige Inschriften sind zusammengestellt von P. Cauer, «Delectus inscriptionum graecarum propter dialectum memorabilium»
(2. Aufl., Lpz. 1883); Collitz, «Dialektinschriften»
(Gott. 1885),
historisch-antiquarisch wichtige von Dittenberger, «Sylloge inscriptionum graecarum»
(2 Bde., Lpz. 1883). Zur Einführung
in das Studium ist außer Franz, «Elementa epigraphices graecae» (Berl.
1840),
auch C. T. Newton, «Die griech.
Inschriften» (übersetzt von J. Imelmann, Hannov. 1881),
und S. Reinach, «Traité d'epigraphie grecque» (Par. 1885),
zu empfehlen.
Für die Geschichte der griech. Schrift besonders der ältern Zeit ist die bedeutendste Leistung die von A. Kirchhoff, «Studien
zur Geschichte des griech. Alphabets» (4. Aufl., Gütersloh 1887).
Die christliche Epigraphik wird in Deutschland weniger gepflegt. Das griech. «Corpus»
hat zwar nicht die christlichen principiell ausgeschlossen, bietet aber doch im vierten Bande nur eine mangelhafte und willkürliche
Auswahl; auch das lateinische hat die christlichen Epigraphik nicht gänzlich ausgeschlossen. Hier aber laufen die
Fäden zusammen in Rom bei J. B. de Rossi, dem berühmten Herausgeber der «Inscriptiones christianae urbis
Romae VII saculo antiquiores» (2 Bde., Rom 1861-88). Landschaftlich geordnete Sammlungen lieferten Le Blant, «Inscriptions chrétiennes
de la Gaule» (Par. 1855-65),