Krankheiten, deren Zustandekommen durch die körperliche und geistige
Entwicklung und ihre verschiedenen
Perioden (s.
Lebensalter) begünstigt wird. Manche der hierhergehörenden
Krankheiten sind
nur der betreffenden
Entwicklungsperiode eigentümlich, wie z. B. die
Kopfblutgeschwulst und die Nabelkrankheiten der Neugeborenen,
die Rhachitis oder
Englische Krankheit;
[* 3] andere kommen zwar auch in den spätern
Lebensaltern vor, nehmen
aber während des Entwicklungsstadiums einen eigentümlichen und abweichenden Verlauf an. So sind während des
Kindesalters
die
Knochen
[* 4] infolge ihres intensiven Wachstums viel blutreicher, weicher und weniger widerstandsfähig und werden deshalb
häufig von entzündlichen und tuberkulösen
Affektionen befallen.
Während des Schulalters können unzweckmäßige Schulverhältnisse auf die körperliche und geistige
Entwicklung in der
mannigfachsten
Weise schädigend und hemmend einwirken (s.
Schulhygieine). Im
Jünglings- und Jungfrauenalter giebt der Eintritt
der geschlechtlichen
Entwicklung bei verkehrter Erziehung vielfach
Anlaß zu Erkrankungen: beim weiblichen Geschlecht zu
Bleichsucht
und Menstruationsstörungen, bei beiden Geschlechtern zu extravaganter Stimmung, zu Schwärmerei, selbst zu wirklicher
Geistesstörung
in der Form derMelancholie, des erotischen und religiösen
Wahnsinns. Aus diesem
Grunde ist während der
Entwicklungsperioden eine sorgfältige Überwachung der körperlichen und psychischen Funktionen sowie die Fernhaltung
aller schädigenden Einflüsse ganz unerläßlich. (S. Säugling,
Kind,
Jüngling und
Jungfrau.)
die Entziehung der
Mutter- oder Ammenbrust und die hierdurch bedingte Gewöhnung des
Säuglings an eine andere Nahrungsweise; sie sollte als wichtiger
Eingriff in den Organismus nur vorgenommen werden, wenn
sich das
Kind vollkommen wohl befindet, am besten, wenn die zwei untern und die vier obern Schneidezähne durchgebrochen sind,
was etwa im zehnten oder elften Lebensmonat der Fall ist. Man verfährt am zweckmäßigsten dabei so,
daß man zur Zeit der beginnenden Entwöhnung die
Brust dem
Kinde während der Nacht gar nicht und während des
Tags einmal weniger als
gewöhnlich giebt und dafür mittags ein Süppchen von
Gries mit entfetteter, schwach gesalzener Fleischbrühe, oder einen
Zwieback (in Wasser gut ausgekocht und mit
Milch und ein wenig Zucker
[* 5] oder mit schwacher Fleischbrühe
versetzt) darreicht.
In der zweiten Woche der Entwöhnung giebt man diese
Mahlzeiten häufiger, die
Brust seltener, schließlich nur noch zwei- bis dreimal
des
Tags, bietet dem
Kinde auch Kuhmilch an und reicht endlich die
Brust nur noch einmal amTage, worauf
man sie sehr bald ganz entziehen kann. Diese Art zu entwöhnen ist der plötzlichen Entziehung der
Muttermilch, wobei die
Kinder leicht infolge anhaltenden Schreiens in ihrer
Ernährung sehr herunterkommen, vorzuziehen, auch der
Mutter selbst weit
zuträglicher. Bei allen Unregelmäßigkeiten
und Verdauungsstörungen während des Entwöhnens verabsäume man nicht, den
Rat eines erfahrenen
Arztes einzuholen, da eine unpassende
Ernährung des
Kindes während und nach dieser
Zeit leicht den
Grund zu
Blutarmut,
Englischer Krankheit,
Skrofulose und anderm Siechtum legen kann.
in der Kunst
die erste zeichnerische oder bildnerische
Darstellung eines
Gedankens. In ihm stellt sich also
unmittelbar das vom Künstler geistig Erschaute im vorläufigen
Bilde dar, während die
Skizze nur eine
flüchtige vorbereitende
Darstellung des geistig noch nicht fertigen
Gedankens oder eines erschauten Gegenstandes ist. In der
Baukunst
[* 6] nennt man Entwurf die in allen
Teilen wohl durchdachte und dem spätern
Bau zu
Grunde zu legende
Darstellung eines
Gebäudes
in verjüngtem Maßstabe.
Der Entwurf wird auf
Grund der dem
Bauherrn vorgelegten und mit ihm durchberatenen
Skizzen in streng fachmäßiger
Weise im Grundriß
für alle
Stockwerke,
Ansichten und Schnitte derart durchgearbeitet, daß nach ihm alsbald die Werkzeichnungen und Kostenanschläge
gemacht werden können. Die gesamte
Anlage, das Verhältnis der einzelnen Räume zueinander, die Gestaltung
der Façaden, der
Höfe, Nebenanlagen
(Aborte, Küchen, Wasseranlagen) beruhen also auf der richtigen, umsichtigen und kunstvollen
Durchbildung des Entwurf. Die Kosten eines solchen Entwurf für die
Bauherren werden nach einer vom
Verband Deutscher
[* 7]
Architekten und Ingenieurvereine
aufgestellten und jetzt fast allgemein anerkannten Norm berechnet.
Auch in litterarischer Hinsicht spricht man von einem Entwurf. Man meint damit einerseits
die erste schriftliche
Skizze einer wissenschaftlichen oder belletristischen
Arbeit, in der nur die
Disposition des Ganzen und der wesentliche
Inhalt
aller einzelnen
Teile kurz angegeben ist. So enthält der Entwurf eines
Dramas in der Hauptsache nur das Scenarium, d. h. die
Einteilung
inAkte und Scenen mit Angabe der in den einzelnen Scenen auftretenden
Personen und Andeutung des
Inhalts
ihrer Gespräche, ohne daß die einzelnen Reden schon wörtlich ausgeführt wären. Andererseits versteht man unter Entwurf auch
solche
Arbeiten, die zwar in allen ihren
Teilen schon ausgeführt, insofern aber noch nicht als fertig anzusehen sind,
als bis zu ihrer endgültigen Gestaltung nach Befinden noch wesentliche Änderungen vorbehalten sind. In diesem
Sinne spricht
man besonders von dem Entwurf eines Gesetzes oder Gesetzbuches. So bezeichnet man z. B.
als
Deutschen den Entwurf eines
Bürgerlichen Gesetzbuches für das
Deutsche Reich.
[* 8]
(Inflammatio,Phlogosis), einer der häufigsten und wichtigsten krankhaften Prozesse
des menschlichen und tierischen Körpers, spielt bei der Entstehung und
Heilung der meisten innern und chirurg.
Krankheiten
eine hervorragende Rolle, weshalb die
Lehre
[* 9] von der Entzündung eins der wichtigsten
Kapitel der gesamten Pathologie darstellt und von
alters her das Interesse der
Ärzte und
Chirurgen in ganz besonderm
Grade erregt hat. Man versteht unter
Entzündung im allgemeinen denjenigen krankhaften Zustand eines Körperteils oder Organs, bei welchem dessen
Haargefäße erweitert
und mit stockenden
Blutkörperchen
[* 10] überfüllt sind und infolgedessen gerinnbare, faserstoffhaltige (sog. plastische)
Bestandteile ausschwitzen, welche, in die Gewebe
[* 11] gelagert, daselbst mannigfachen weitern
¶
mehr
Veränderungen unterliegen können. Das Entzündetsein eines Organs giebt sich vor allem durch gesteigerte Wärme,
[* 13] Rötung,
Schwellung und Schmerzen in demselben zu erkennen, wozu sich sehr bald auch mehr oder minder auffallende Störungen in den
Verrichtungen des entzündeten Organs, unter Umständen auch Fieber und eine allgemeine Zurückhaltung der Absonderungen (Durst,
Trockenheit der Haut,
[* 14] sparsamer dunkler Harnu. dgl.) hinzugesellen. Jede Entzündung geht aus einer Kongestion, d. h.
aus der Überfüllung von gewissen Haargefäßen hervor und besteht ihrem Wesen nach aus einer örtlichen Ernährungsstörung
der Gewebe mit dem Charakter des beschleunigten und gesteigerten Stoffwechsels, durch welche die verschiedenartigen, von außen
auf den Körper einwirkenden Schädlichkeiten möglichst eliminiert und unschädlich gemacht werden.
Wenn man sich einen Splitter tief in das Fleisch einsticht, so entsteht sehr bald, wenn derselbe nicht herausgezogen wird,
in seinem Umkreise eine entzündliche Anschoppung und Ausschwitzung, welche entweder den Splitter mit einer aus neugebildetem
Bindegewebe bestehenden Kapsel umgiebt und so unschädlich macht, oder die benachbarten Gewebe eiterig
erweicht und so dem Splitter mitsamt dem entstandenen Eiter einen Ausweg nach außen bahnt. Auf die gleiche oder ähnliche
Weise werden die meisten krankhaften Veränderungen innerhalb unsers Körpers durch entzündliche Prozesse vollständig oder
doch teilweise wieder aufgehoben und ausgeglichen.
Die feinern Vorgänge bei der Entzündung bestehen nach den Untersuchungen von Cohnheim darin,
daß nach der Einwirkung einer das betreffende Organ berührenden Schädlichkeit, des sog. Entzündungsreizes, zuerst eine
Erweiterung der Arterien, später auch der Venen eintritt, wodurch die Geschwindigkeit des Blutstroms bald beträchtlich herabgesetzt
wird, und daß, begünstigt durch diese Blutstockung, zahllose farblose Blutkörperchen durch die unversehrten
Gefäßwände nach außen in die umliegenden Gewebe auswandern und hier als sog. Eiterkörperchen
das weitere Schicksal der Entzündung bestimmen; verschwinden sie nach einiger Zeit wieder, indem sie aus den Hohlräumen
des Bindegewebes in die Lymphgefäße und so wieder in die Blutmasse zurückgelangen, so wird die Entzündung wieder rückgängig
(zerteilt), während sie bei andauernder Anhäufung in dem umgebenden Gewebe den Übergang der Entzündung in Eiterung bedingen. (S.
Eiter.) Dieser neuern Ansicht über den eigentlichen Entzündungsvorgang (der Einwanderungstheorie) steht eine andere ältere
(die Proliferationstheorie) gegenüber, nach welcher die Eiterkörperchen nicht ausgewanderte farblose Blutkörperchen, sondern
in den Geweben selbst entstanden seien, indem in den epithelialen Geweben die Epithel- oder Drüsenzellen,
in bindegewebigen Organen die Bindegewebszellen unter dem Einfluß des Entzündungsreizes eine lebhafte Wucherung und wiederholte
Teilung erfahren und sich so direkt in Eiterkörperchen verwandeln. Neuere Untersuchungen haben bewiesen, daß in der
That, entsprechend der ältern Anschauung, die Gewebszellen sich ebenfalls durch Teilung an dem Entzündungsprozeß
lebhaft beteiligen und daß auch aus ihnen Eiterkörperchen entstehen. Ferner spielen die Nerven,
[* 15] durch die die Blut- und Lymphgefäße
erweitert und verengt werden, bei der Entzündung eine große Rolle.
Jedes Lebensalter, Geschlecht, Temperament und jedes Klima
[* 16] ist den Entzündung ausgesetzt; besonders begünstigt werden sie
aber von
dem Kindes-, Jugend- und Mannesalter, den kalten Klimaten und Jahreszeiten.
[* 17] Ebenso ist jedes Organ der Entzündung zugänglich,
ausgenommen diejenigen Organe, welche weder Blutgefäße noch Nerven besitzen, wie die Oberhaut, die Haare
[* 18] und Nägel
[* 19] und zum
Teil die Knorpel;
[* 20] besonders häufig werden diejenigen Organe von G. befallen, welche der Einwirkung schädlicher
Einflüsse am meisten ausgesetzt sind, wie die Augen, die Luftröhre und die Lungen.
Wiederholte Entzündung mancher Organe erhöht die Disposition für die gleiche Erkrankung desselben Organs; wer wiederholt von Luftröhrenkatarrhen
befallen wurde, erkrankt bei der geringsten Veranlassung wieder an Luftröhrenkatarrh. Bisweilen entzünden sich einzelne
Teile der Organe leichter als andere, ohne daß die Ursachen hierfür bekannt sind; so betreffen erfahrungsgemäß
Lungenentzündungen häufiger die untern Lappen als die obern. Die nächsten oder Gelegenheitsursachen der Entzündung, die
sog. Entzündungsreize, müssen einen gewissen, je nach der Individualität verschiedenen Grad besitzen;
als solche wirken
mechan. Verletzungen der Organe (Schnitt, Stich, Stoß, Reibung,
[* 21] Quetschung), fremde Körper (Staub, Splitter,
Flintenkugeln, wandernde Parasiten) in oder an denselben, allzuheftige Anstrengung, hohe Hitze- und Kältegrade sowie schneller
Wechsel der Temperatur;
ferner chem. Einwirkungen, wie die der Säuren, Alkalien, scharfer Stoffe und mancher ätherischen Öle;
[* 22]
endlich können den Organen direkt oder vom Blut und von der Lymphe aus gewisse, nach Art eines Giftes wirkende
Ansteckungsstoffe zugeführt werden, welche entweder in demselben Organismus oder in andern Organismen entstanden sind und
als heftige Entzündungsreize wirken können;
Die Tendenz einer jeden Entzündung ist die Aussonderung eines gerinnbaren Krankheitsprodukts, welches in vielen Fällen fähig ist,
neue Gewebe zu bilden (sog. plastische Lymphe). Diese Ausschwitzung oder Exsudation ist der wichtigste Vorgang bei der Entzündung und
fehlt nie, wenn das Exsudat häufig auch nur mikroskopisch wahrnehmbar ist. Sie ist nicht selten die erste und bei Entzündung innerer
Organe die einzig nachweisbare Veränderung des Entzündungsprozesses und kommt in gleicher Weise an gefäßhaltigen und an
gefäßlosen, in festen und weichen Teilen, in Häuten und im Innern der Organe vor.
Das Exsudat findet sich entweder auf den freien Oberflächen und in den natürlichen Höhlen des Körpers oder zwischen den
Geweben und Gewebsteilen; seine Menge ist je nach der Intensität der Entzündung, nach seinem Sitze und nach der
Art der betreffenden Gewebe sehr verschieden, von kaum wahrnehmbaren Mengen bis zu vielen Litern wechselnd;
am wichtigsten sind die freien Exsudate seröser Häute und gewisser Schleimhäute. Hinsichtlich ihrer Beschaffenheit zerfallen
die entzündlichen Exsudate in seröse, schleimige, faserstoffige, hämorrhagische, kruppöse und diphtheritische (s.
Ausschwitzung), und diese Unterschiede in der Art und Beschaffenheit der ausgeschwitzten Substanz sind für den weitern Verlauf
und Ausgang der Entzündung von nicht geringer Bedeutung. Durch die Ausschwitzung plastischer
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