forlaufend
144
der Decke [* 2] herabwallende hellblaue Gardine dentete au, das; es Tag, eine dunklere, daß es Nacht sei. Ein Tisch mit einem Schreibzeug machte aus der Bühne ein Geschäftszimmer, mehrere Stühle an Stelle des Tisches bedeuteten eine Schentstube, ein vorgeschobenes Bett [* 3] ein ^chlafzimmcr. Mitten im Hintergrunde der Bühne befand sich eine Art Bal- kon oder Altan, wo diejenigen Zwischenhandlungen spielten, die als aus Mauern oder Türmen, in obern Zimmerräumen u. dgl. vor sich gehend gedacht werden sollten.
Eigentliche Coulissen wurden erst von Da- venant 1062 eingeführt. Die Frauenrollen wurden durch Knaben gegeben. Die Vorstellungen in den öffentlichen Theatern nahmen gewöhnlich um 3 Uhr [* 4] nachmittags ihren Anfang, der durch drei Trompeten- stöße angekündigt wurde. Der Vorhang wurde nicht aufgerollt, sondern nach beiden Seiten zurückge- schoben. Ein Schauspieler in schwarzem Mantel und mit einem Lorbecrlranz auf dem Haupte sprach den Prolog; Tänze füllten die Zwischenakte aus.
Nach Beendigung des Stücks führte der Clown die cou- vletartige Gigue (s. d.) auf. Den Beschluß jeder Vorftelluug machte ein allgemeines Gebet für die Königin. Bis zur Thronbesteigung Karls II. lag das Theaterwesen brach. 1636 war die Pest aus- gebrochen, ihr folgte der Bürgerkrieg. Unterm gebot das «Lange Parlament», daß für die Dauer diefer trübsalvollen Zeit alles Vüh- nenspiel im ganzen Königreiche aufhören solle, ein Befehl, der bei der Vorliebe des Volks für die Bühne unterm und noch versckärft werden mußte.
Nur eine Art musi- kalifchen Dramas war unter Cromwell gestattet; dennoch wußten Schauspieler wie Davenant die strengen Verordnungen durch die sog. Noral re- z)i'686nrmi zu umgehen. Eine der ersten Ne- gierungshandlungen Karls II. war die Aufstellung von Patenten für zwei Schaufpielcrgefellschaften, das eine für Davcnant, der zum erstenmal Schau- spielerinnen auf der cngl. Bühne zulieft, das andere für Henry Killigrew, und deren Erben. WeilKilligrew sich im königl. Theater [* 5] Trury-Lane ansiedelte, hießen feine Schauspieler «'I'lio Xin^'g Lorvautä», und da Davenant das unter dem Schutze des Herzogs von Z)ork stehende Theater in Lincolns-Inn-Ficlds be- zog, hieß seine Gesellschaft «'I'1i6 Duko'g complu^». (Drury-Lane hat seinen Namen, seinen Freibrief und den Ruf einer Nationalbi'ihne bis auf die Gegen- wart behauptet, Lincolns-Inn-Ficlds sein Patent und seinen Ruf an Covcnt-Garden abgegeben.) Unter den Frauen (die nach der Restauration der Stuarts zucvst auf den Bühnen erschienen) ge- hören einige zu Englands besten Künstlerinnen, so die Vetterton, Varry, Leigh, Butter, Montsord und Bracegirdlc.
Bis 1708, wo Owen Swiney von den Dichtern Congreve und Vanbrugh die Direktion des Drury-Lane- und des Haymarlet-Theaters über- nahm, hatten die Schallspieler keine festen Gehalte; der Ertrag der Vorstellungen wurde nach Abzug der Kosten in 20 Teile geteilt, von welchen 10 dem Direktor, die andern 10 der Gesellschaft zufielen. Eine neue Ma trat für die Schauspielkunst mit Garrick ein, der ihr die öffentliche Meinung, Ernst und Würde gewann. Sein Nachfolger war John Kemble, der Darsteller und Reiniger Shakespcarc- scher Dramen, dessen Schwester, Mrs. Siddons, als die erste tragische Schauspielerin Englands glänzte.
Ihnen zur Seite standen Charles Kemble, Cooke, die Komiker Lewis, Munden und Emery, Miß Farren (nachher Gräfin Derby) und Mrs. Jordan. Weniger vollendet als John Kemble, aber leiden- Matthews die Komik die äußersten Grenzen [* 6] des Burlesken erreichte. Der letzte dieser glänzenden Reihe ist Macready, ein hochgebildeter Künstler. Von seinen Nachfolgern verdienen höchstens der jüngere Kean, die Komiker Robson, Keeley und Toole und als jüngste Shakespeare-Darsteller Fechter und Irving Erwähnung. Unter den Schau- spielerinnen ragen vor allen andern Mrs.Vancroft, Miß Neilson, Mrs.Rousby und Ellen Terry hervor. In der Ausübung ihrer Kunst sind die Schauspieler manchen Beschränkungen unterworfen: kein neues Stück darf nämlich ohne die Billigung des NxamiuLr ot'pi^ß gegeben werden;
auch ist zur Eröffnung eines neuen Theaters die Erlaubnis des Lord-Kammer- herrn nötig, der auch den schon vorhandenen die Konzession entziehen kann. -
Vgl. ^ ue^v tiit^ti-ical äioüoiiHi'^ (Lond. 1792);
Baker, Rced und Iones, kioFi-HpIiia. (Ii-ainltticÄ (neue Ausg., 3 Bde., ebd. 1812); Collier, IIi8to^ ot' ^uFÜ8ii äiam^tic posti^ to tli6 timo ol 81ia1c3i)eH!'6 Nuä ^.QUkiZ ot' tk6 8taZ6 to tli6 1^68toi^iou (3 Bde., ebd. 1831);
Doran, 'IliLii- Na,^8ti6L' L0i-Vüiit3 (2 Bde., ebd. 1863); ders., ^iniHl8 ol t1i6 ^nFl^ 8ta^6 lrom Z6tt6i'tou to I(6lin (3 Bde., ebd. 1887);
Ward, ^ 1ii3t0l7 ol 1iIiiFli3li är3,iii5Uic liter^turo (2 Bde., ebd. 1875), ein Werk, das namentlich auch wegen sorg- fältiger Benutzung deutfcher Forschungen anzuer- kennen ist; Klein, Gefchichte des Dramas, Bd. 12 u. 13: Geschichte des cngl.
Dramas (Lpz. 1876); Fitzgcrald, /^ ue^v 1ii8tor^ ol tliL ^QZ1i8li 8WZ6, t'ioin tilL 1 to tllL 1il)61't^ ot' tli6 tii6H ti'63 (2 Bde., Lond. 1882);
Dycr, ttreat NI6U Ht pi^ (2 Bde., ebd. 1889);
Hamilton, «I1i6 äraina in I^u^i^iili cluriiiF tiis laät tlii'66 eoiitui'i63 (ebd. 1891), tressliche Theater- und Vühnengeschichte; Ulriei, Shakespeares dramat. Kunst (3. Aufl., Tl. 1, Lpz. 1868); Gaedertz, Zur Kenntnis der altengl. Bühne (Vrcm. 1888); Baker, 'I1i6 London [* 7] 3^6 (2 Bde., Lond. 1889); Mathews, ^ctoi-8 l^uä a.c- tr68363 ol tti-6Ät Zritlun (5 Bde., Neuyork [* 8] 1886).
Englische [* 9] Verfassung. Die heutige (s. Englische Verfassung Großbritannien [* 10] und Irland) ist nicht auf eine Urkunde zurückzuführen, sondern nur aus ihrer ge- schichtlichen Entwicklung zu verstehen. Ihre Ge- schichte hebt an mit der Einwanderung der An- geln, Sachsen [* 11] und Juten, die in der Mitte des 5. Jahrh, begann und am Ende des 6. Jahrh, voll- endet war. Aus den einzelnen Niederlasfungen bil- deten sich Königreiche, die sich um 830 zu einem Gesamttönigreiche vereinigten. (S. Angelsachsen.) Die Verfassung des Gesamtstaates entspricht seiner Zusammensetzung aus einzelnen Teilen.
Die Ge- meinde s1?o^li8liip), der Gau (Ilnnäi-oä) und die Grafschaft (^tiirch sind einander übergeordnete Ein- heiten für die Verwaltung, das Gerichtswesen und das Heerwesen. Die Grafschaft ist vielsach identisch mit einem frühern kleinen Königreich, ihr vom Könige unter Mitwirkung der weisen Männer (^VilHn, s. V^iwna-^einot) erwähltes Haupt (^aläor- man, s. ^.läLrinaii) häufig ein Mitglied des frühern Königstammes. Die GraMaftsversamml.una, in der Recht gesprochen wird und Grasschaftsangelegen- heiten beraten werden, ist die frühere Landes-Volks- vcrsammlung (folkmot). Eine entsprechende ¶
forlaufend
Volks-145
Versammlung für das ganze Reich ist wahrscheinlich nie zusammengetreten. In den Rat, der den Reichs- angelegenheiten vorstand (V/it6na-F6inot), wurden nur die Großen des Landes berufen: die Prälaten, die I^läorinon und die 11i6^n3 (d. i. Nini8ti'i, Leute im unmittelbaren Dienste [* 13] des Königs), doch erscheinen die vereinigten Folkmots bei besonders feierlichen Gelegenheiten, wie bei Königswahlen, nicht mitratend, aber Beifall oder Mißfallen äußernd.
Der König steht über dem Volke als oberster Heer- führer, er greift durch seine Sheriffs in die Ge- richtsbarkeit der Graffchaftsgerichte und der klei- nern Gerichte ein. Als Hüter des Königsfriedens erwirbt er die oberste Polizeigewalt im Lande, als Haupt der Kirche steht er über der geistlichen Hier- archie. Seine Würde ist nicht erblich; er wird vom Vit6na-F6in0t erwählt (doch sind nur die Glieder [* 14] der herrschenden Familie wählbar) und kann von derselben Körperschaft abgefetzt werden. Er erläßt Gefetze, aber nur unter Beirat des «WitLna-^inot. Daß diefe Beratung als wefentlich angefehen wurde, geht aus der Form der Gefetze hervor (vgl. die Bei- spiele in ^tubbs OonLtitntional IIi8t0i)', Bd. 1, 5. Aufl., Lond. 1891). Wilhelm von derNormandie hat, nachdem er (1066) in der Schlacht bei Hastings das engl. Königreich erobert hatte, in den staatsrecht- lichen Einrichtungen des Landes wenig geändert, sondern nur einer natürlichen Entwicklung durch die Macht seiner Persönlichkeit und seine klare Einsicht in die Bedürfnisse des Landes einen frischen Anstoß ge- geben. Die Zunahme der Königsmacht war eine natürliche Folge der Vereinigung des engl. Reichs; mit der Zunahme dieser Macht geht parallel die Umwandlung des Volksstaatcs in den lehnsrecht- lichen Staat. Bereits unter den angelsächs. Königen hatte die Entwicklung begonnen, die die staatsrecht- lichen Befugnisse und Pflichten des Einzelnen mit seinem Verhältnis zu Grund und Boden in Be- ziehung brachte, und dem König, der früher nur Herrfcher über fein Volk war, die Stellung eines obersten Territorial- und Lehnsherrn gab. Die umfangreichen Konfiskationen Wilhelms und die Zuweifungen von Grund und Boden an feine nor- mann. Gefolgsleute beschleunigten diese Entwick- lung; aber Wilhelm und seine Nachfolger verstan- den es andererseits dadurch, daß sie die Wirkung der Afterbelehnung einschränkten und das Verhältnis dcr Afterbelehnten zum obersten Lehnsherrn in den Vordergrund brachten, der wcitern Überwucherung lehnsrechtlicher Grundsätze Einhalt zu gebieten. Die Entstehung kleinerer Territorialherrschaften mit polit. Befugnissen wurde dadurch verhindert und der unmittelbare Einfluß des Landesherrn im gan- zen Reiche gesichert. Ein Gesetz Eduards I. hat die Afterbelehnung überhaupt verboten. Die Centrali- sierung der Staatsgewalt besteht von nun an dauernd, die persönliche Macht des Königs nimmt bereits unter den normann. Königen wieder ab. Dann traten die folgenden Elemente in den Vordergrund. I. Aus dem Weifen-Männer-Rat, der zunächst in einen königl. Rat ((^iria. I^e^is) verwandelt wurde, scheiden sich aus a. der Rat der Großgrundbesitzer und Großwürdenträger (^la^nuin (^onciliuin), d. der engere Staatsrat (?6i'p6tunm Concilium, später ?riv^ (^ouncii genannt), c. gewisse Behörden und Gerichtshöfe. Die tönigl. Gewalt wird nur unter Zuziehung einer dieser beratenden Körperschaften oder durch diese nach fester Geschäftspraris handeln- ^^ Behörden und Gerichtshöfe ausgeübt. Brockhaus' Konversations-Lexikon.. 14. Aufl. VI. II. Der königl. Rat erweitert sich andererseits durch Zuziehung der Vertreter der kleinern Kronvasallen, der Städte und der Geistlichkeit zu einer allgemeinen Landesversammlung ((^oininniie Ooncilium), die später in drei getrennte Versammlungen zerfällt, unter denen zwei mit dem Souverän zufammen das heutige Parlament bilden. III. Die Einnahmen des Königs, die ursprünglich nur aus den Erträgnissen der Kronländer und lehns- rechtlichcn Gefallen bestehen, werden durch Besteue- rung erweitert, ursprünglich nur mit der Einwilligung der besonders Besteuerten; später wird die Ein- willigung dcr Landesversammlung oder der Neichs- ständc nötig. Hieraus entwickelt sich auch eine Kon- trolle über die Ausgaben und schließlich eineTrennung des königl. Haushalts von dem Staatshaushalt. IV. Die Organisation dcr kleinern Landesabtei- lungen, die die Engländer von ihrer german. Heimats- stätte mitgebracht hatten, geht nie verloren. Sie er- hält hauptsächlich durch das Institut der Friedens- richter (unter Eduard III.) neue Bedeutung. Es ist demnach die Entwicklung der folgenden Körperschaften und Einrichtungen zu schildern: I. der Staatsbehörden: a. des großen Staatsrats (derselbe wird später Pairskammer, s. I^oräs, II0N86 ok); I,. des engern Staatsrats (I'riv)/' (^ouncii ^s. S. 146^, aus ihm scheidet sich später wieder das ^adinet s. d.1 aus); c. der ^taatsämtcr und Gerichtshöfe; II. des Parlaments; III. des Finanz- und Steuerwesens; IV. der Graffchaften und Gemeinden. I. Staatsbehörden: a. Großer Staats- rat. Die Onria 1^6^13 ist der Rat, der unter den normann. Königen an die Stelle des 'vViwna-Foinot trat. In dieser Versammlung sollen erscheinen 1)die Vrälaten und hohen Staats- und Hofbeamten, 2) dcr Theorie nach sämtliche unmittelbare Lehnsmannen des Königs (Zar0N8), doch wurden thatsächlich nur die besonders hervorragenden (Barones in^ores) bermen. Dieser Rat beriet den König und war zu- gleicy der oberste Gerichtshof. Die gerichtlichen Funktionen und ebenso die Kontrolle der Staats- finanzen wurde abcr allmählich einzelnen Mitgliedern ständig übergeben und der Name (^ii-ia. lie^is in einem engern ^inne dem Kollegium beigelegt, das mit diesen Geschäften betraut war. Die größere Körperfchaft nimmt dann den Namen Großer Rat s^lHFnum Concilium) an; auch aus diefem fcheidet sich fpäter wieder ein engerer Staatsrat aus (f. Id), und andererseits erweitert er sich auch zu der großen Landesvcrsammlung ((^oininuns Oonoilwm, s. II). Daneben aber bleibt er als NHFnnin Ooncilium be- stehen und dient in dieser Eigenschaft 1) als Ge- richtshof, 2) als Ratsversammlung des Königs. Das ^laFnuin Oncilium als Gerichtshof heißt auch: Parlament, curia in Mi-iiNinsuto. Der Sprachge- brauch, wonach nur die aus den drei Reichsständen zusammengesetzte Versammlung I^i-Iianikutum ge- nannt wurde, entstand erst später. Noch1399, als die Landesversammlung tagten, werden die gerichtlichen Entscheidungen des Parlaments in einer Erklärung der ^ommoiiZ als ausschließlich zur Zuständigkeit dcs Könige und der Lords gehörend bezeichnet, und der Erzbischof von Canterbury antwortet im Namen des Königs, daß der König und die Lords jeder- zeit die Gerichtsbarkeit des Parlaments gehabt haben 10 ¶