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haben sich doch manche Lustspiele dieser Dichter, wenngleich mit den nötigen Streichungen, neben Gays «Beggar's opera» bis zur Gegenwart in der Gunst des engl. Publikums erhalten.
Nach der Königin Anna Tode hatte der Übergang der brit. Krone an das Haus Hannover [* 2] in der Person Georgs I. mehrere, die äußern Theaterverhältnisse wesentlich berührende Veränderungen zur Folge. Früher hatten Musik, Gesang und Tanz das Schauspiel von den Brettern gedrängt. Musik und Gesang waren inzwischen das alleinige Eigentum der mit Anfang des 18. Jahrh. eingewanderten ital. Oper geworden, also blieb nur der Tanz. Diesem mehr Sinn und Bedeutung zu geben, nahm man ihm einen Teil der von der Musik geregelten Grazie, verlieh ihm dafür die Geberde, fügte das Ganze in die zusammenhängende Versinnlichung irgend einer Fabel und nannte es Pantomime (s. d. und Dumb-Show). So entstand die sog. Christmas Pantomime, deren Ursprung man fälschlich auf die in ältester Zeit gebräuchlichen Weihnachtspossen zurückführt und deren Charakter, besonders seit dem Tode der als Tölpel (clown) unersetzt gebliebenen beiden Grimaldi, Vater und Sohn, sich zwar ansehnlich verändert hat, die aber doch fortdauernd sich auf den Londoner Theatern behauptet.
Dem Drama brachte der Wechsel der Herrscherfamilie keinen Segen. Weder die George noch Wilhelm IV. unterstützten es, dessenungeachtet hat es ihm andauernd an Dichtern zweiten Ranges nicht gefehlt. Fielding und Garrick, der berühmte Schauspieler, vermehrten das Repertoire beträchtlich; ein Londoner Lehrer, Townley, schrieb das launige «High life below stairs». Flüchtig, aber oft eigenartig arbeitete Foote. Cumberland schrieb zum Teil sentimentale Stücke in der zierlichen Sprache, [* 3] aber auch mit der Oberflächlichkeit des Weltmannes. George Colman der Ältere zeichnete die Personen seiner 35 Theaterstücke meist treu nach dem Leben, was ihre beste Eigenschaft ist. Goldsmith glänzte durch reichen Witz und unerschöpfliche Heiterkeit. Sheridan (1751-1816) war Spötter, Menschenkenner und Hofmann, Redner, Schöngeist und Poet in seinen beiden berühmten Lustspielen «The school for scandal» und «The rivals».
Schwächer war während dieser Zeit das ernste Bühnenstück vertreten; nennenswert sind nur die bürgerliche Tragödie «The gamester» von Englische [* 4] Moore, die romantische Tragödie «Douglas» von John Home (1724-1808),
«The mysterious mother» von Horace Walpole und «The Grecian daughter» (1773) von Murphy.
Eine neue poet. Schule, die erst nach der Restauration der
Stuarts recht zur Geltung gelangen sollte,
die aber schon unter der Herrschaft der Puritaner durch die sog.
«Cavalier poets» angekündigt wurde, war diejenige, als deren
Haupt man Dryden (1631-1700) bezeichnen kann; sie zeichnet sich durch volltönende
Sprache und glatte Verse aus, läßt aber
unter dem äußern Schimmer nicht selten den innern Gehalt vermissen.
Hat
Milton dem Puritanismus klassischen
Ausdruck verliehen, so hat die Gegenpartei der
Kavaliere ihren klassischen
Vertreter in Samuel
Butler gefunden, dessen «Hudibras»
immer seinen Wert als Zeit- und Sittenbild behalten wird.
Die durch Dryden vertretene poet. Richtung erreichte ihren Höhepunkt in Pope, der in Witz, Korrektheit und Gefeiltheit das Mögliche leistete. Nicht mit Unrecht hat man ihn den Boileau Englands genannt. Neben ihm stehen der feingebildete Addison, der heitere Fabeldichter Gay, der Naturmaler Thomson, der sarkastisch-humoristische Swift, der religiös-feierliche Young. Um die Mitte des 18. Jahrh. blühten ferner der sentenziöse Johnson, der düstere Gray («Elegy written in a country churchyard»),
der Lehrdichter Akenside («Pleasures of imaginations»),
der Elegiker Shenstone («The school-mistress»),
der humoristische Armstrong («The art of preserving health», eine Art versifizierter Hufeland),
der Lyriker Collins, der Satiriker Churchill, William Falconer («The shipwreck»),
James Beattie («The minstrel»),
John Dyer, Christopher Anstey u. v. a. Der franz. Einfluß, der sich während dieser Periode (etwa 1700-85) geltend machte, war hauptsächlich durch die Stuarts zur Herrschaft gelangt. Wenn er aber auch die poet. Formen in unverkennbarer Weise vervollkommnete, so schädigte er doch das innere Wesen der Dichtung. Wegen ihrer Formvollendung wurde früher diese Epoche das Augusteische Zeitalter der Englische Litteratur genannt; je deutlicher man aber erkannte, wie wenig wahre Poesie die Hauptvertreter der Periode haben, desto mehr ist man von dieser Anschauung zurückgekommen.
Eine besondere Förderung erfuhr die engl. Prosa gegen Ende des 17. Jahrh. durch den Kanzelredner Tillotson, den polit. Schriftsteller Will. Temple, den Philosophen Locke und durch den skeptischen Shaftsbury (1671-1713) in seinen durch Witz und Phantasie belebten philos. Forschungen. Viel geschah dann durch die zu Anfang des 18. Jahrh, unter den Auspizien Addisons von Steele ins Leben gerufenen Wochenschriften «Tatler» (1709),
«Spectator» (1711) und «Guardian» (1713). Bald erhielt jeder Stil seinen Bildner; der satirische in Swift («The tale of a tub», «Gulliver's travels»),
der didaktische in John Brown, Hutcheson und Adam Smith, der Briefstil in Lady Montague, Chesterfield und Junius, der historische in Hume, Robertson und Gibbon, vor allem erhielt aber der Roman jetzt eine hervorragende Bedeutung. Die Romane des 15. Jahrh. waren nur prosaische Umbildungen alter Heldenlieder, besonders aus dem Kreise [* 5] Karls d. Gr., König Artus' und der Tafelrunde, es folgten die Schäferromane, eingeführt durch die «Arcadia» des Ph. Sidney; aber den Charakter, der dieser Dichtungsart in unsern Tagen eine so hohe Wichtigkeit verleihen sollte, gab ihr erst Daniel Defoe (1661-1731) durch seinen, in alle gebildeten Sprachen übertragenen Roman: " (1719). Durch Richardson wurde der Familienroman eingeführt (»Pamela», «Clarissa», «Sir Charles Grandison»),
der sich lange Zeit einer großen Beliebtheit erfreute. H. Fielding (1707-54) trat den gar zu sehr idealisierten Gestalten Richardsons mit feiner Satire entgegen und die Schilderungen des wirklichen Lebens in seinen Romanen («Joseph Andrews», «Jonathan Wild», «Tom Jones») sind psychol. Meisterwerke. Weiter noch ging in dieser Richtung T. Smollett, dessen launige Sittengemälde («Peregrine Pickle» und «Humphrey Clinker») noch heute ihren Reiz nicht verloren haben. Neben diesen Romanen stehen die halb mutwilligen, halb sentimentalen Gebilde eines Sterne («Tristram Shandy» und «A sentimental journey»),
die sich zum liebenswürdigen Humor eines Goldsmith («Vicar of Wakefield») verklärten. Ihnen schlossen sich die Erzeugnisse Mackenzies, Miß Burneys, Johnstones, John Moores und Mrs. Inchbalds an. In eine etwas ¶
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spätere Zeit fallen die philos. Dichtungen Godwins, die auf die Bildung einer neuen Schule einwirkten, wie Horace Walpoles romantisches «Castle of Otranto» und die phantastischen Schöpfungen der Radcliffe und Porter sich zu den unübertroffenen histor. Gemälden Walter Scotts veredelten. Seine Romane haben den Vorzug einer vortrefflichen Charakterschilderung; die Darstellung ist klar und lebendig, seine Beschreibungen des Landlebens und ländlicher Zustände sind anschaulich und treu, dabei verfügt Scott über einen trefflichen Humor, obwohl er stets den größten sittlichen Ernst zeigt.
Es lag in der Natur der Verhältnisse begründet, daß die während der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. aus Frankreich eingeführte Strömung der geschraubten, gekünstelten, gefeilten Dichtung eine Gegenströmung erzeugte, die wieder zurücklenkte nach den einfachen Formen wahrer, natürlicher Poesie. Dieser Umschwung trat ein mit Percys «Reliques of ancient English poetry», Macphersons «Ossian» und Chattertons Nachbildungen altengl. Dichtungsformen, wie auch durch das Wiederaufleben Shakespeares in England.
Als erster Vertreter der neuen Richtung, welche die Fesseln der franz. Unnatur sprengte und die Phantasie in ihre Rechte zurückführte, ist Cowper (1731-1800) zu bezeichnen. Als dann später die Einwirkungen der Französischen Revolution und der deutschen transcendentalen Philosophie sich in England fühlbar machten, stand zu Beginn des 19. Jahrh. die neue poet. Schule in voller Blüte. [* 7] Byron, Thomas Moore, Shelley, Walter Scott, Wordsworth, Coleridge, Southey und Campbell sind ihre berühmtesten Namen.
Byrons gewaltiger Dichtergeist bekundete sich in seinem «Childe Harold», Moores zarte Melodie in «Lalla Rookh», Shelleys stürmische Leidenschaft in seinen Tragödien. Scott ließ in seinem «Lay of the last minstrel» und der «Lady of the lake» die Eigenschaften ahnen, die er später in seinen Waverley-Romanen so glänzend entwickelte. Wordsworth war ein reiches, tiefes Dichtergemüt, doch auch tändelnd mit seinem Gefühle und nicht immer Herr der Phantasie; Coleridge ist ein Kenner des Menschenherzens, nur oft zu wohlgefällig in Schilderung des Furchtbaren; Southey ist ein Freund des Übernatürlichen und Abnormen, nimmt aber oft den Schein für den Kern, während Campbell durch den melodischen Fluß seiner Verse mitunter an die ältere Schule erinnert.
Aus derselben und der folgenden Periode sind noch zu nennen: George Crabbe («The library», «The village», «The parish register», «Tales of the hall»),
Samuel Rogers («The pleasure of memory»),
Hartley Coleridge und seine Schwester Sarah Coleridge («Phantasmion»),
James Hogg, der sog. Ettrick-Schäfer («Queen's wake»),
Robert Bloomfield («Farmer's boy», «Rural tales»),
James Grahame («Mary Stewart, Queen of Scots»),
John Keats («Endymion», [* 8] «Hyperion»),
Leigh Hunt («Story of Rimini»),
Walter Savage Landor («Gebir», «Count Julian», «Imaginary conversations»),
Letitia Landon, James Montgomery («Wanderer of Switzerland», «West Indies», «Pelican Island»), [* 9]
John Clare, Robert Pollok, John Wilson («Isle of palms»),
Ebenezer Elliott («Corn-law-rhymes»),
William Herbert («Attila»),
Barry Cornwall, eigentlich Bryan Waller Procter («Marcian Colonna; English songs»),
Henry Hart Milman («The Belvedere Apollo»),
John Keble («The christian year»),
Felicia Hemans, Th. Hood («The bridge of sighs», «The song of the shirt», «The dream of Eugene Aram). Dichter, die den Übergang in die jetzt herrschende Richtung bezeichnen, sind Bulwer, Macaulay, A. A. Watts, Dobell (Pseudonym Sidney Yendis), Aird, Alex. Smith, der schott. Balladendichter Aytoun, Emmeline Wortley, Eliza Cook, Adelaide [* 10] Procter, Miß Jean Ingelow; auch müssen hier noch erwähnt werden Rob. Lytton (Sohn Lord Bulwer Lyttons, als Schriftsteller unter dem Namen Owen Meredith bekannt) und Mary Anne Evans, bekannt unter dem Namen George Eliot (»The Spanish gipsy"). Als Übersetzer verdienen genannt zu werden Lord Strangford, Bowring, Lockhart, Merivale, Lord Ellesmere, Anster, Blackie und Martin. Gegenwärtig ist Alfred Tennyson noch immer in hoher Gunst bei dem Publikum. Neben ihm erfreut sich Rob. Browning einer großen Bewunderung, wenngleich keiner eigentlichen Popularität.
Zum Schluß ist noch eine Anzahl von Dichtern zu erwähnen, die sich durch ihren Bruch mit den in der Kunst bisher als gültig anerkannten Normen als eine neue Schule bekundeten. An der Spitze derselben stand John Ruskin mit seinem Werke «Modern painters». Man hat diese Schule, deren litterar. Hauptvertreter Algernon Ch. Swinburne, William Morris und Dante Gabriel Rossetti sind, von einer Seite die satanische, von einer andern die präraffaelische genannt. Ursprünglich ist sie hervorgegangen aus einem Protest gegen alles Konventionelle, Unwahre, Gekünstelte und hat nach dieser Richtung hin viel Gutes gewirkt.
Wenn sie aber in jüngerer Zeit zu bloßer Affektion und künstlerischer Absonderlichkeit ausgeartet ist, so kann man dafür die ursprünglichen Vertreter dieser Richtung nicht verantwortlich machen wollen. Kurz charakterisiert wird diese Richtung in J. MacCarthys «History of our own times», Bd. 5 (Lpz. 1880). Von modernen lyrischen Erscheinungen machte Lord Lyttons Epos «Glenaveril, metamorphoses» berechtigtes Aufsehen. George Meredith dichtete «Poems and lyrics of the joy of earth», Lewis Morris «Songs unsung» und das Drama «Gycia». Die heiter ironische Gesellschaftsdichtung wird durch Andrew Lang vertreten.
Die dramatische Kunst war zu Anfang unsers Jahrhunderts mehr und mehr gesunken. Die Sucht nach Neuem und der schnelle Überdruß hinderten einen stetigen Fortschritt. Trotzdem die Bühne heute kaum noch unmittelbar aufs Volk wirkt, ist die dramat. Poesie unstreitig vor-, nicht zurückgeschritten, sie hat vielmehr die ihr zu Ende des 17. Jahrh. gegebene künstliche Richtung verlassen, um sich wieder in den frischen Born der Natur zu tauchen. Einige von Sheridan, Mrs. Inchbald und Scott aus dem Deutschen übersetzte Stücke leiteten eine neue Periode ein; Joanna Baillie lieferte (seit 1798) eine Reihenfolge von Trauer- und Lustspielen, deren jedes eine bestimmte Leidenschaft schildert, Coleridge schrieb «Remorse» (1813),
Procter «Mirandola» (1821), beide freilich mehr lyrisch. Frei von Nachahmung, wenn auch wenig bühnengerecht, dichtete Byron. Gedankenvoll und tiefsinnig, wie seine Dramen sind, fehlt es ihnen allerdings an Effekt und richtiger Charakterzeichnung, sodaß sie sich nicht auf der Bühne behaupten konnten. Mehr auf den Geschmack des größern Publikums berechnet sind die Produkte von Sheridan Knowles (1784-1862), der sich besonders in ¶