gehören sie zu den päpstl.
Bullen und unterscheiden sich von andern nur durch ihre allgemeine Bestimmung für alle Gläubigen
(bulla encyclica). Zu den bekanntesten gehört die vom datierte und zur Ankündigung eines
Jubiläums für 1865 erlassene
päpstliche Encina (die
Bulle Quanta cura), welche dem modernen
Staat und der modernen Kultur den
Krieg erklärte
und den sog. Kulturkampf hervorgerufen hat. Derselben war ein sog.
Syllabus (s. d.) beigegeben, eine kurze Zusammenstellung und Verdammung aller
möglichen
«Irrtümer» der Gegenwart. Ferner ist besonders die Encina vom an die Erzbischöfe und
Bischöfe von
Preußen
[* 2] hervorzuheben, in der
Pius IX. die neuen kirchenpolit. Gesetze für null und nichtig erklärte und offen
zum
Ungehorsam wider sie aufforderte. Eine Reihe von ausführlichen Encina (über die
Staatsverfassung, die
sociale Frage u. a.)
hat
Leo XIII. erlassen.
(bei den Engländern auch Cyclopaedia), ein dem
Griechischen entnommenes Wort, das seinem
Ursprünge nach den
Kreis von Kenntnissen, Wissenschaften und Künsten bezeichnet, welche die Alten unter dem
Ausdrucke encyclios
disciplina (grch. enkyklios paideia,
d. i. Bildungskreis) zusammenfassen, und die ein jeder freie Grieche oder
Römer
[* 4] sich
zu eigen gemacht haben mußte, ehe er zur Vorbereitung auf einen besondern Lebenszweck oder in das werkthätige
Leben selbst überging.
Die Gegenstände dieses Unterrichts bildeten im
Altertum, wie auch während des Mittelalters, vornehmlich
Grammatik,
Arithmetik,
Geometrie und
Astronomie,
[* 5]
Musik, Dialektik und Rhetorik, mithin die sog. sieben freien Künste. Gegenwärtig versteht
man unter Encyklopädie die
Lehre
[* 6] von der Gesamtheit der menschlichen Künste und Wissenschaften in ihrem Zusammenhange
oder auch nur von einem enger begrenzten Wissensgebiet und benennt mit dem
Titel Encyklopädie Werke, welche das menschliche
Wissen in
seiner Gesamtheit oder den gesamten Wissensstoff eines einzelnen Faches darzustellen suchen.
Das Bedürfnis nach einer encyklopäd. Bearbeitung der Wissenschaften trat schon im
Altertum hervor. Das erste encyklopäd.
Werk soll Speusippus, ein
Schüler des
Plato, verfaßt haben. Unter den
Römern lieferten
Varro und
Plinius
ähnliche
Arbeiten, jener in den verlorenen
Schriften «Rerum humanarum et divinarum antiquitates» und besonders
«Disciplinarum libri IX», dieser in seiner «Naturalis
historia». Der eigentliche Begründer der encyklopäd.
Bildung des Mittelalters war Martianus
Capella (s. d.),
der in seiner
«Satira» das in den Ursprüngen wohl bis auf
Varro zurückzuführende Fachwerk
[* 7] der sieben freien Künste feststellte. Auch
die «Origines» des Isidorus (s. d.)
Hispalensis sowie die daraus entnommenen 22
Bücher«De universos» des Hrabanus Maurus waren im Mittelalter hochgeschätzt.
Sie alle übertraf Vincenz von
Beauvais, der die ganze
Summe der Kenntnisse des Mittelalters in den drei
umfangreichen Werken
«Speculum historiale»,
«Speculum naturale» und
«Speculum doctrinale», denen bald nachher ein Ungenannter
ein
«Speculum morale» in gleicher Form beifügte, mit eifernem Fleiße zusammentrug.
Doch fehlte es diesen und ähnlichen Werken, die das spätere Mittelalter u. d. T. von
«Summa» oder
«Speculum» besonders über einzelne damals bevorzugte Zweige der Wissenschaft, teilweise
zum
Auswendiglernen für
Studenten, erzeugte, durchaus
an philos.
Geiste. Das Material wurde roh aneinander gereiht, die
Gliederung
des Ganzen entbehrte eines organischen Princips. Auch Ringelbergs «Cyclopaedia»
(Bas. 1541),
Paul Scalichs (der sich zuerst des
Ausdrucks Encyklopädie bediente) «Encyclopaeida, seu orbis disciplinarum
tum sacrarum tum profananrum» (ebd. 1559),
Martinis «Idea methodicae
et brevis encyclopaediae, sive adumbratio universitatis» (Herborn 1606) und
Alsteds gelehrte «Scientiarum omnium Encyclopaediae»
(4 Bde., ebd. 1630), ebenso zahlreiche Werke der Folgezeit waren
im wesentlichen bloß Notizensammlungen. Der erste, welcher im
Bruche mit scholastischer
Tradition unternahm, eine lediglich
auf philos.
Gesichtspunkten beruhende, mit logischer Konsequenz sich gliedernde
Einteilung der Wissenschaften
zu gewinnen, war
Baco von Verulam; doch der Weg, den er in der «Instauratio magna,
id est Novum organum» (Lond. 1620) und in
seiner
Schrift«De dignitate et augmentis scientiarum» (ebd. 1623) betrat, und der zugleich auf Erkenntnis des
Wesens der wissenschaftlichen Forschungsmethoden gerichtet war, wurde lange weder in
Deutschland
[* 9] noch anderwärts weiter verfolgt.
Die zahlreichen Encyklopädie des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrh, waren entweder für den Unterricht der
Jugend und der Ungelehrten, wie Wagenseils
«Pera librorum juvenilium» (5 Bde.,
Altdorf 1695) und Chevignys «La science
de l'homme de sour, d'épée et de robe» (fortgesetzt und vermehrt von Limiers und Massuet, 18 Bde.,
Amsterd. 1752),
oder zum Nachschlagen für Gelehrte bestimmt. Übersichtliches und außerordentlich Reichhaltiges bot namentlich
Morhof im «Polyhistor» (Lüb. 1688; 4. Aufl., 2 Bde.,
1747).
Nach dem Vorgange J. M. Gesners («Primae lineae isagoges in
eruditionem universalem», 3. Aufl., Gött. 1786) versuchte
endlich J. G.
Sulzer in der
Schrift «Kurzer
Begriff aller Wissenschaften» (Eisenach
[* 10] 1778; umgearbeitet von H.Koch, 1793) den
innern Zusammenhang aller Zweige des menschlichen
Wissens darzulegen. Seine
Anordnung fand allgemeinen Beifall und wurde im
allgemeinen, z. B. von
Adelung in «Kurzer
Begriff menschlicher Fertigkeiten und Kenntnisse» (Lpz. 1778),
ja selbst noch von
Buhle (Lemgo 1790) und andern beibehalten. Auf
Grund
der Kantschen
Philosophie entwarf dann eine neue der Wissenschaften
Eschenburg im «Lehrbuch der
Wissenschaftskunde»
(Berl. 1808), der auch die bisher zugleich mit behandelte
Hodegetik (s. d.) als besondere Disciplin ausschied. Sein
Buch fand
zahlreiche Verehrer, die selbst Krugs Versuche zu einer neuen
Einteilung und
Darstellung der Wissenschaftslehre («Versuch einer
systematischen der Wissenschaften», 2
Tle., Lpz. 1796-97; Fortsetzung, 3 Bde.,
Züllichau 1804-19) u. a. nicht zu mindern vermochten.
Eschenburgs Ideen bearbeiteten
Habel, Rüf,
Straß für Studierende, während
Heffters «Philos.
Darstellung eines
Systems aller Wissenschaften » (Lpz. 1806),
Burdachs «Organismus der menschlichen Wissenschaft
und Kunst» (ebd. 1809) und
Kraus' «Encyklopäd.
Ansichten» (Königsb. 1809) mehr selbständige
Arbeiten waren.Den von
dem strenger klassifizierenden Kantianer
Erb. Schmidt in der
«Allgemeinen Encyklopädie und
Methodologie¶
mehr
der Wissenschaften» (Jena
[* 13] 1811) gebotenen Stoff verarbeitete Schaller zu einer «Encyklopädie und Methodologie der Wissenschaften» (Magdeb.
1812) für Studierende. Manches Eigene bieten Jäsches «Einleitung zu einer Architektonik der Wissenschaften» (Riga
[* 14] 1818) und
von Kronburgs «Allgemeine Wissenschaftslehre» (Berl. 1825). Je mehr auf allen Forschungsgebieten
das Princip der Arbeitsteilung zu praktischer Durchführung gelangte, um so weniger blieb dem Einzelnen
die Möglichkeit, über das ganze Reich des Wissenswürdigen einen systematischen Überblick zu erwerben, und um so geringer
ward auch die Zahl der Werke, die Encyklopädie im Sinne einer Wissenschaft für sich zum Gegenstande haben. Doch sind Kirchners «Akademische
Propädeutik» (Lpz. 1842) und «Hodegetik» (ebd. 1852) von einigem Verdienst, und mannigfachen Nutzen gewährt
A. A. Encyklopädie Schleiermachers «Bibliogr. System der gesamten Wissenschaftskunde» (2 Tle., Braunschw. 1852).
Viel reicher als die Litteratur dieser systematischen Lehrbücher ist die der Realwörterbücher, deren alphabetische Anordnung
nicht ein zusammenhängendes Studium, sondern augenblickliche Belehrung im einzelnen Falle durch Nachschlagen eines
kleinern Artikels bezweckt. Die große Reihe der encytlopäd. Wörterbücher, als deren Vorläufer das griech. «Lexikon» des
Suidas (s. d.) zu betrachten ist, beginnt in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh.
Die ältern Werke sind vorzugsweise histor., geogr. und biogr. Inhalts; so vor allem Moréris «Grand dictionnaire historique»
(Lyon
[* 15] 1674; 29. Aufl., 10 Bde.,
Par. 1759) und Bayles «Dictionnaire historique et critique» (2 Bde.,
Rotterd. 1697 u. ö.) in Frankreich; ferner in Italien
[* 16] Coronellis auf 45 Bände berechnete, aber unvollendet gebliebene «Biliotheca
universale» (Bd. 1-7, Vened.
1701),
und in Deutschland J. J. Hoffmanns fleißig gearbeitetes «Lexicon universale»
(2 Bde., Bas. 1677; Supplemente, 2 Bde., 1683; neue Auflage des Ganzen, 4 Bde., Leid. 1698). Das umfangreichste
aller bis dahin veröffentlichten Werke dieser Art war jedoch das von J. P. von Ludewig, dann von Frankenstein, Longolius u. a.
herausgegebene «Große vollständige Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste» (64 Bde.
und 4 Bde. Supplemente, Lpz. 1732-54),
das nach seinem Verleger gewöhnlich das Zedlersche Lexikon genannt
wird und in einzelnen Fächern, besonders in der Genealogie, noch jetzt Brauchbares enthält. Ferner haben wir die mehr encyklopäd.
«Wörterbücher der Wissenschaften und Künste», unter denen in Frankreich die von Furetière (1690 u. ö.) undThomasCorneille
(1694 u. ö.),
in England das «Lexicon technicum» von Harris (1704 u. ö.) und die berühmte «Cyclopaedia»
(seit 1728) von Ephraim Chambers, in Deutschland Jablonskis «Allgemeines Lexikon der Künste und Wissenschaften» (Lpz. 1721;
zuletzt hg. von Schwabe, 2 Bde., Königsb.
1767) die namhaftesten sind.
Epochemachend in der Geschichte der encyklopäd. Litteratur wurde die von Diderot und d'Alembert herausgegebene «Encyclopédie
ou dictionnaire raisonné des sciences», ein Werk, welches das wissenschaftliche Material im Geiste der Zeit aufzufassen und
die philos. Weltanschauung des 18. Jahrh. zur Geltung zu bringen bestrebt war. Es erschien
zuerst in Paris
[* 17] 1751-72 in 28 Foliobänden (worunter 11 die Kupfer
[* 18] enthalten); ein «Supplément» folgte (Amsterd. 1776-77)
in 5 und eine «Table analytique et raisonnée des matières»
(Par. 1780) in 2 Bänden. In mehrern spätern Ausgaben (z. B. 39 Bde.,
Genf
[* 19] 1777; 36 Bde., Lausanne
[* 20] 1778; 58 Bde.,
Yverdun 1770-80, mit Zusätzen von Fortunate de Félice) sind die Supplemente gehörigen Ortes eingeschaltet.
Das Werk wurde überall mit Begeisterung aufgenommen und sicherte nicht nur den Herausgebern, sowie den
vorzüglichsten Mitarbeitern, die man Encyklopädisten (s. d.) nennt, einen Platz in der Geschichte der Philosophie, sondern
gab auch Veranlassung, daß von nun an der Name Encyklopädie für ähnliche Wörterbücher allgemein in Anwendung kam und daß in Frankreich,
England und Deutschland umfangreiche encyklopäd. Werke von höherer wissenschaftlicher Bedeutung begonnen
wurden.
Auf das Werk Diderots unmittelbar begründet war die «Encyclopédie méthodique
ou par ordre de matières» (166 Bde. Tert und 51 Bde.
Kupfer, Par. 1782-1832),
die Panckoucke und Agasse verlegten und die in einer Reihe von Wörterbüchern über die einzelnen
Wissenschaften besteht. In Deutschland erschien zunächst die «Deutsche
[* 21] Encyklopädie» (Bd.
1-23 [A bis Ky], Frankf. 1778-1804), von Köster und Roos geleitet, die aber unvollendet blieb. Von wissenschaftlich bedeutend
höherm Werte als die genannten ist die von der Verlagshandlnng Joh. Friedr.
Gleditsch zu Leipzig
[* 22] und den Professoren Ersch und Gruber in Halle
[* 23] 1818 begründete «Allgemeine der Wissenschaften
und Künste», die 1831 in den Verlag von F. A. Brockhaus überging und von der bis 1890 167 Bände erschienen (1. Sektion,
A-G, 99 Bde., 1818-82; 2. Sektion, H-N, Bd.
1-43, 1827-90; 3. Sektion, O-Z, Bd. 1-25, 1830-50). Ferner ist
an dieser Stelle zu erwähnen die von Krünitz begonnene, dann von F. J. Flörke, hierauf von H. G. Flörke,
zuletzt von Korth und O. Hoffmann fortgesetzte «Okonomisch-technolog. Encyklopädie» (242
Bde., Berl. 1773-1858),
die sich bald nicht mehr auf Ökonomie und Technologie beschränkte, sondern zu einer allgemeinen
Encyklopädie wurde; endlich die «Deutsche Encyklopädie» (nur 3 Bde.
[bis «Dalmatica»] erschienen, Lpz. und Berl.
1885-89).
Besonders reich ist die engl. Litteratur an umfassenden Encyklopädie von wissenschaftlichem
Wert, die sich namentlich durch gediegene technische und naturwissenschaftliche Artikel auszeichnen. Am meisten geschätzt
sind die «Encyclopaedia Britannica» (zuerst von Smellie bearbeitet, 3 Bde.,
Edinb. 1771; 8. Aufl., 21 Bde.,
1853-60; 9. Aufl., 21 Bde. und 1 Bd.
Index, 1875-89),
an der die namhaftesten engl. und deutschen Gelehrten mitgearbeitet haben, die vonRees geleitete «Cyclopaedia»
(45 Bde., Lond. 1802-19),
Brewsters «Edinburgh Encyclopaedia» (18 Bde.,
Edinb. 1810-30) und Smedleys teils systematisch, teils alphabetisch geordnete «Encyclopaedia
Metropolitana» (30 Bde., Lond.
1818-45). Außerdem ist noch unter den neuern encyklopäd. Werken in Frankreich die zunächst für Geistliche
bestimmte «Encyclopédie théologique» des Abbé Migne zu erwähnen, die in mehr als 90 besondere Wörterbücher zerfällt
und 1844-66 zusammen in 171 Bänden zu Petit-Montrouge (bei Paris) erschien.
Ein neuer vorzugsweise auf volkstümliche Verbreitung der wissenschaftlichen Kenntnisse gerichteter Umschwung in der Litteratur
der encytlopäd. Wörterbücher begann mit dem von FriedrichArnoldBrockhaus (s. d.) im ersten Viertel
des 19. Jahrh.
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