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der letztern und der Handwerker). Mit dem staat- lichen Ansehen und dem wirtschaftlichen Gedeihen entfaltete sich das geistige Leben zu steigender Be- deutung. Dasselbe hatte im E. in den Klöstern (Otfried, Herrad von Landsberg) [* 2] frühe Pflege ge- funden; unter den Hohenstaufen war, durch ritter- liche Sangeshelden (Heinrich der Glichezare, Nein- mar von Hagenau, [* 3] Gottfried von Straßburg), [* 4] das Land in seiner geistigen Vermittlerrolle zwischen West und Ost zum erstenmal zu weitwirkender Be- deutung emporgewachsen.
Schon im 13. Jahrh, war die Geschichtschreibung vielfach gepflegt wor- den; 1390 entstand in Straftburg die erste ober- deutsche Weltchronik'in ungebundener Sprache [* 5] (Jak. Twinger von Königshöfen). Der mittelalterliche Mysticismus fand hier eine bedeutungsvolle Ver- tretung (Meister Eckart, Joh. Tauler, Rulman Merswin). Auch die kirchliche Baukunst [* 6] gelangte zu hoher Blüte, [* 7] wofür eine bemerkenswerte Anzahl roman. und got. Bauten sprechen, wie das Münster [* 8] in Straßburg. Im 14. Jahrh, erhob Engucrrand von Coucy, Graf von Soissons, ein Enkel des Herzogs Leopold von Österreich [* 9] und Schwiegersohn des Königs Eduard von England, Erbansprüche auf die Habsburg.
Be- sitzungen im E. und führte die Söldnerscharen, welche im engl.-franz. Kriege thätig gewesen waren, die sog. «Engländer», 1365 nach dem Elsaß. Mit Kaiser- und Reichshilfe wurden diese verjagt. 1375 wiederholte Enguerrand seinen Einfall ander Spitze neuer Streit- kräfte, die plündernd das Land durchzogen und erst in der Schweiz [* 10] zum Rückzug gezwungen wurden. Von größerer Tragweite waren die Einfälle der Ar- magnaken. 1439 kamen sie zum erstenmal, plünder- ten und brandschatzten das Land, ohne nennenswer- ten Widerstand zu finden.
Nach ihrem, einer Nieder- lage gleichen Sieg bei St. Jakob (1444) setzten sie sich im E. fest, dessen Adel im Oberclsaß ihnen viel- fach die Burgen [* 11] öffnete. Die Absicht des Dauphins, das Land zu zwingen, sich unter den Schutz Frank- reichs zu stellen, scheiterte an dem bewaffneten Wider- stand der Städte, am Mangel an Unterhalt der Truppen und Unbotmüßigkeit derselben, so daß er 1445 das Land räumte. 1469 verpfändete Herzog Sigismund von Tirol [* 12] die vorderösterr. Lande, darunter die Landgrafschaft im obern Elsaß, an den Herzog Karl den Kühnen von Burgund, mit Wissen des Kaisers Friedrich III., dem sich in: Hinblick auf die Heirat seines Sohnes Maximilian mit der Toch- ter des Vurgunderherzogs die Aussicht eröffnete, das Gebiet einst durch Erbschaft seinem Hause wieder zufallen zu sehen.
Das gewaltsame Vor- gehen Karls des Kühnen gegen die elsässischen reichs- städtischen Gemeinwesen (zuerst Mülhausen) [* 13] war erfolglos. Thatkräftiges Zusammenwirken dersel- ben, die an andern Städten in Schwaben und der Schweiz Rückhalt fanden, bewirkte endlich die Be- freiung von der burgund. Herrschaft, deren Sturz durch die Schlachten [* 14] von Granson, Murten und Nanzig besiegelt wurde, in denen reichsstädtische Bürger des Elsaß sich hervorthaten. Mit der Ausbreitung des Humanismus erwachte reges Geistesleben. In Schule, Kirche, Lehrdichtung trat dasselbe bedeutungsvoll zu Tage (Wimpfeling, Geiler, Vrant, ferner Murner, Pauli u. a.). In Straßburg hatte Gutenberg die erste Buchdrucker- presse gebaut.
Die bildende Kunst fand ausgezeich- nete Vertretung (Martin Schongauer). Die Mäßi- gung und Besonnenheit, welche die Väter des elsäss. Humanismus kennzeichnen, machten sich auch iü der folgenden kirchlichen Umwälzung vorherrschend geltend. Mit Ausnahme des bischöflich strahbur- gifchen Gebietes und der österr. Besitzungen fand die neue Lehre [* 15] im Lande sehr bald Eingang. Der Bauernkrieg nahm im E., von wo der Aufstand des «Bundschuh') seinen Ausgang genommen hatte, mit den Niederlagen, welche die Bauern durch den Her- zog Anton von Lothringen (1525) bei Zabern, [* 16] Scher^ Weiler und Kestenholz erlitten, ein blutiges Ende. Das Vorgehen im Lande gegen die neue Lehre, welches namentlich in dem Habsburg. Gebiete ins Werk gesetzt wurde, die Beschlüsse der Reichstage von 1529 und 1530 vermochten ihrem Umsichgreifen, namentlich in den Reichsstädten, keinen Einhalt zu thun. Allen voran an weiser Umsicht (unter der Lei- tung des Stettmeisters Jak. Sturm von Sturmeck) stand Straßburg, wo Matth. Zell, Wolfgang Ca- pito, Kaspar Hedio, Märt. Vucer als Verkünder der neuen Lehre thätig waren und auch das Schul- wesen bedeutungsvolle und weittragende Umge- staltung erfuhr. Der Meistergesang gelangte auch im E. zu größter Blüte; auf dem Gebiete des Schrift- tums wirkten Georg Wickram u. a., als hervor- ragendste Erscheinung Joh. Fischart. Der Versuch Heinrichs II. von Frankreich, im I. 1552 auf sei- nem Kriegszuge, der ihm die deutschen Bistümer Metz, [* 17] Toul [* 18] und Verdun [* 19] eintrug, auch Straßburg zu gewinnen, scheiterte an der Festigkeit [* 20] der Stadt, die' sich weder Versprechungen noch Drohungen zu- gänglich erwies. Der infolge der zwiespältigen Straßburger Vischofswahl 1592 ausgedrochene »bischöfl.
Krieg» wurde im Vertrag von Hagenau 1604 zu Gunsten des katholischerseits Gewählten beendigt. Erst der Dreißigjährige Krieg sollte den Wohlstand des Landes vernichten. 1617 waren die Ansprüche des Hauses Habsburg auf dessen Besitz im E. an die span. Linie abgetreten worden, ein Umstand, der dem Vorgehen Frankreichs bei der Bevölkerung [* 21] in der Folge Vorschub leisten muhte. 1621 rückte der Graf von Mansfeld ins Elsaß ein, das während des schwed. Abschnittes des Krieges ein Teil des Hauptschauplatzes desselben war, bis Bern- hard von Weimar [* 22] es in die Hände Frankreichs brachte.
Der Westfälische Friede bestätigte diesen Zustand. Die österr. Besitzungen mit der Vogtei über die zehn Reichsstädte kamen an Frankreich. Die Rechte der Neichsstände (unter ihnen Bischof und Kapitel von Straßburg, die Herzöge von Würt- temberg, die Grafen von Hanau-Lichtenberg, Lei- ningen und Salm, die Neichsritterschaft und die Reichsstädte) und ihr Verhältnis zum Reich wurden zwar ausdrücklich anerkannt, doch erfuhren franzö- sischerseits (durch die Munionskammern) die Be- stimmungen des Westfälischen Friedens eine der- artige Deutung, daß sich die Oberhoheit der Krone Frankreich auch auf die Neichsstände ausdehnte.
Straßburg erkannte bald die Unausbleiblichkeit einer Anerkennung der Schutzherrschaft Frank- reichs und öffnete 1681 Ludwig XIV. die Thore. Das Elsaß gehörte (als ?i-oviiic6 ä^is^es) zum «I2ti'3.iiß6r 6Ü»6etil» Frankreichs, das von diesem durch Zollschranken getrennt war. Wie durch diesen Umstand die Handelsbeziehungen, blieben anch die Verbindungen mit Deutschland [* 23] auf geistigem Ge- biete fortgesetzt rege. Dafür sprechen u. a. PH. Jak. Spener, der Begründer des Pietismus, der (im 17. Jahrh.) vom Elsaß seinen Ausgang nahm, im Schrifttum im 17. Jahrh. I. M. Moscherosch und Jak, ¶