forlaufend
957
Gletschern, die um 1840 von Charpenticr und Agas- siz angeregt wurden, hat sich herausgestellt, dah die gewaltigen, in steter Bewegung befindlichen Eis- massen, die sich auf den Hochgebirgen sowie in den Polargegenden finden, bei ihrer Abschmelzung nicht zu verkennende Spuren hinterlassen. Es wurde ferner erkannt, dah die Gletscher Gesteinstrümmcr als Grund-, Seiten- und Mittelmoränen von den Höhen in die Thäler auf weite Strecken führen, die dann als Endmoränen abgelagert werden, wäh- rend man früher glaubte, daß die sog. Findlings- blöcke oder erratischen Gesteine [* 2] durch Wasscrströmc von ihren Lagerstätten weggeführt und abgesetzt worden seien.
Andererseits überzeugte man sich, daß die Gletscher den Felsboden, aus dem sie sich bewegten, abrieben und abnutzten, die unter sie ge- ratenen Trümmer zu feinem Sand zerknirschten, der wieder als Schleifmittel für die Abnutzung diente, und daß sie so eigentümliche, geritzte Schliff- flachen auf den harten Felfen erzeugten, die für die Glctscherwirkung durchaus charakteristisch waren. Man schloß folgerichtig daraus, dah überall, wo folche Spuren nachweislich waren, früher Gletscher gewesen sein muhten.
Die Untersuchungen ergaben nun bald, daß die Gletscher derjenigen Hochgebirge, die jetzt noch über die Schneelinie emporragen, wie Pyrenäen, Alpen [* 3] u. s. w., weit ausgedehnter ge- wesen sein mußten;
dah Gegenden und Gebirge, die jetzt keine Gletscher mehr zeigen, wie Vogesen, Schwarzwald, Erzgebirge, Schweden, [* 4] Finland, Schottland, England u. a., früher folche besessen hatten.
Bald erkannte man denn auch, dah in den Land- wie Meeresablagerungen, die dieser Epoche größerer Ausdehnung [* 5] der Gletscher angehör- ten, die Neste von Tieren sich finden, die jetzt in weit höhern Breiten leben. So fand man den Vielfraß, den weißen Fuchs, [* 6] das Nenntier bis an den Fuß der Alpen und Pyrenäen verbreitet;
die Tiere des Hoch- gebirges, wie Gemfe, Steinbock und Murmeltier in der Ebene;
die Muscheln [* 7] der Meere um Grönland und Spitzbergen in den Ablagerungen von England, Schottland und dem südl. Skandinavien.
Ähnliche Beobachtungen wurden in Nordamerika [* 8] gemacht. So mußte man endlich zudem Schluß kommen, dah nach der wärmern Tcrtiärzeit allmählich eine Kälte- periode eingetreten sei, welche die ganze nördl. Erd- Hälfte umfaßte, und daß die meisten spuren, die man früher einer allgemeinen Sintflut zugeschrie- ben hatte, von dieser Eitelberger herrührten, die jetzt von allen Geologen angenommen wird. In manchen Gegenden läßt sich sogar als wahrscheinlich nach- weisen, daß nach dem Eintritt einer ersten säkularen Kältcpcriode wieder eine Erwärmung stattfand, in- nerhalb deren die Gletscher sich zurückzogen und eine großartige Vegetation sich an einzelnen Orten entwickelte, um dann unter dem Einfluß einer wie- derholten Tempcraturernicdrigung wieder zu Grunde zu gehen.
Mit Sicherheit ist jetzt festgestellt, daß die der nördl. Erdhä'lfte eintrat, während der Mensch schon in Europa [* 9] an einzelnen Stellen existierte;
daß innerhalb dieser Eitelberger bedeutende Niveauverändc- rungen stattfanden, sodah die Meere große Strecken Landes bedeckten und nachher wieder freiließen;
daß während der Abschmelzungspcriode ungeheure Massen von zerriebenem Gestein durch die Flüsse [* 10] verführt wurden, welche die Ablagerungen bilden, die jetzt als alte Flußschotter und Löh bekannt find, n^ ^^ ^ tzknz? Fauna sich in solcher Weise ver- mischt vorfand, daß zu den an ihren jetzigen Stand- orten befindlichen Tieren sich einesteils nordische Tiere, die sich zurückgezogen haben, andernteils ausgestorbcne und südl. Tierformen gesellten, wie das Mammut, das Knochennashorn u. s. w. Da- mals war ganz Skandinavien und Finland ver- gletschert.
Von hier aus erstreckte sich eine konti- nuierliche Decke [* 11] von Gletschereis bis zum Fuße des Harzes, des Nicsengebirges und des Urals.
Die Moränen und die Ablagerungen der SchmelZwasser dieses Inlandeises werden als nordisches Dilu- vium bezeichnet. (S. Diluvium.) [* 12] Schottland und Wales waren in demselben Zustande;
die Gletscher der Alpen reichten einerseits über die ebene Schweiz [* 13] hinaus bis hoch in den Jura hinauf, andererseits in die Ebenen der Lombardei und Venetiens. Über die Ursachen der Kältepcrioden sind ver- schiedene Hypothesen aufgestellt worden.
Da man schon lange erkannt hatte, daß Europa sein mildes Klima [* 14] vor allem dem Golfstrom verdankt, lag es nahe anzunehmen, daß derselbe in frühern Zeiten entweder nicht existiert oder irgendwelche Ablenkung erfahren habe, sei es durch einen zwischen Amerika [* 15] und Europa eingeschobenen Kontinent (Atlantis), sei es durch Fehlen der Landenge von Panama, [* 16] sodaß das Eintreten des Golfstroms in den Großen Ocean ermöglicht wurde.
Solche Hypothesen rühren von Charpenticr und Escher von der Linth her. Die neuern Forscher nehmen aber keine andere Ver- teilung von Land und Wasser an, sondern führen, da man erkannt hatte, daß die Meeresströmungen [* 17] ihre Entstehung Luftströmungen verdanken, diefelben auf eine Veränderlichkeit der Insolation [* 18] der Sonne [* 19] zurück.
Augenblicklich besitzt die nördl. Halbkugel der Erde einen 6 Tage längern Sommer, die süd- liche einen 6 Tage längern Winter. Es kann aber eine Periode kommen, in der die eine Halbkugel 36 Tage länger die Sonne über sich hat als die andere; tritt dann hierzu noch, daß die Erdferne nicht wie jetzt im Sommer, sondern im Winter stattfindet, so muh der Winter ungleich länger und kälter sein als jetzt;
dann vermag die Sonne in dem entspre- chend kurzen Sommer weniger einzuwirken, das Klima muh kälter werden.
Unsere Forscher haben mindestens drei solcher Eitelberger sicher nachgewiesen;
allein trotz der periodischen Wiederkehr der Ursache darf nicht behauptet werden, daß ebenso regelmäßig die Glacialphänomcne eintreten. -
Vgl. die Lehrbücher von Credncr, Lyell, K. Vogt u. a., namentlich aber I.Geikie, Iii6 Fre.^ ick-a^ (2.Aufl.,Lond.1876);
A. v. Woeikof, Gletscher und Eitelberger in ihrem Verhältnis zum Klima (in «Zeitschrift der Gesellschaft für Erd- kunde», Verl. 1881);
I. D. Whitney, 1^6 climaUo (^1iHNF63 0t'1at er F60i0ZioaItini63 (Cambridge 1882).
ü. I. t., s. Arbeit, elektrische.
Eitelberger von Edelberg, Rudolf, Kunst- forscher, geb. zu Olmütz, [* 20] studierte dort und in Wien [* 21] und wurde 1847 Docent für Kunstgeschickte an der Wiener Universität, redi- gierte von Okt. 1848 bis Febr. 1849 die «Wiener Zeitung», später nur die litterar.
Beilage zu der- selben, ward 1852 zum außerord. und einige Jahre darauf zum ord.
Professor ernannt. 1864 erhielt er den Auftrag zur Gründung des öster- reichischen Museums für Kunst und Industrie, dessen Direktor er bis zu seinem Tode war.
Der Grün- dung des Museums schloß sich die Gründung der Kunstgewerbeschule an.
Spater nahm Eitelberger als Bei- rat des Unterrichtsministeriums hervorragenden Anteil an der Umgestaltung der Akademie der ¶