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Freiheitsstrafen von längerer Dauer, vereinzelt auch Unverträglichkeit, unvertilgbarer Haß und Widerwillen, unheilbarer Wahnsinn und unordentliche Lebensweise, durch welche sich der Mann in die Unmöglichkeit versetzt, die Pflichten eines Beschützers und Ernährers zu erfüllen. In Frankreich wurde während der ersten Republik die Scheidung den Eheleuten völlig freigegeben. Napoleon I. hob jedoch die eigenmächtigen Scheidungen wieder auf; im Code Napoléon wurden nur Untreue (s. Ehebruch), Mißhandlungen und grobe Injurien, Verurteilung zu entehrenden Strafen und beiderseitige Einwilligung als Scheidungsgrund anerkannt, letztere indes nur, wenn der Mann über 25 und die Frau über 21 J. alt ist, die Ehe wenigstens 2 Jahre gedauert hat, die Eltern der Frau einwilligen und die Eheleute nach Ablauf [* 2] eines Jahres noch auf ihrem Vorsatze beharren. Nach der Restauration wurde wieder die gänzliche Scheidung durch das Gesetz vom abgeschafft, welches indessen für die Reichslande Elsaß-Lothringen [* 3] außer Kraft [* 4] gesetzt ist, zu Gunsten der Bestimmungen des Code civil, in Frankreich selbst durch Gesetz vom aufgehoben wurde.
Die Frage der Ehescheidung stand wie in Frankreich, so auch in Preußen [* 5] lange Zeit im Vordergrunde des öffentlichen Lebens. Handelte es sich dort um das Princip, ob Ehescheidung überhaupt zu gestatten sei, so war es hier die Frage der Ehescheidungsgründe, welche Anlaß zum heftigsten Streite wurde. Die Gesetzgebung des Preuß. Allg. Landrechts (1794) ließ Ehescheidung selbst aus gegenseitiger Einwilligung und unüberwindlicher Abneigung zu. Dagegen richtete sich im Zusammenhang mit dem neu erwachten religiösen Leben im 19. Jahrh. eine überaus heftige Bewegung religiös-polit.
Art, welche, berechtigt im Grundgedanken, aber maßlos in der Methode und weit über das richtige Ziel hinausschießend, unter Friedrich Wilhelm IV. zu einer bedrohlichen Stärke [* 6] anwuchs. Die Forderung «biblischer» Ehescheidungsgründe war von Staats wegen schon deshalb unerfüllbar, weil die Bibel [* 7] ein sicher umgrenzbares Ehescheidungsrecht nicht bietet. Die Forderung einer Verschärfung des laxen und willkürlichen preuß. Ehescheidungsrechts im Sinne der sittlichen Grundgedanken der Ehe war berechtigt und fand immer allgemeinere Anerkennung auch in Kreisen, welche die Ausschreitungen der oben bezeichneten kirchenpolit.
Bewegung aufs schärfste mißbilligten. Die Gegensätze wurden durch das persönliche Entgegenkommen
Friedrich Wilhelms IV.
vorläufig ausgeglichen; gesetzgeberische Versuche, die Streitfrage neu zu ordnen, blieben jedoch ohne Resultat.
Eine vollständige Ordnung der Ehescheidungsgründe versucht nunmehr der
Entwurf des
Bürgerl. Gesetzbuchs für
Deutschland.
[* 8] Diese Ordnung beruht theoretisch auf sehr strengen Principien, welche in den Motiven eingehende
Rechtfertigung finden; praktisch
wird allerdings diese
Strenge durch die vorgeschlagene Zulassung eines in sehr allgemeiner
Weise begrenzten «relativen» Scheidungsrechts
ziemlich gegenstandslos gemacht oder
vielmehr in das willkürliche Ermessen der Gerichte gestellt. (S.
hierüber die «Verhandlungen des 20.
Deutschen Juristentages im J. 1889» und die demselben erstatteten Gutachten.) - Eine
besondere und merkwürdige Art der Ehescheidung ist diejenige aus landesherrlicher Machtvollkommenheit; dieselbe ist
in den größern deutschen
Staaten längst beseitigt, besteht dagegen noch zu
Recht in vielen deutschen
Kleinstaaten.
Der rechtshistor. Ursprung ist nicht genügend aufgeklärt. Mit einer geordneten Gerichtsverfassung ist diese
Einrichtung einer so gut wie völlig freien landesherrlichen Willkür in Scheidung von «unglücklichen»
Ehen unvereinbar; der
Entwurf hebt dieselbe demgemäß auf. - Das Österr.
Bürgerl. Gesetzbuch gestattet bei nicht kath.
Christen die
Trennung vom
Bande wegen
Ehebruchs, böslicher
Verlassung,
Verurteilung zu fünfjähriger Kerkerstrafe, dem Leben oder
der Gesundheit gefährlicher Nachstellung, wiederholter
schwerer
Mißhandlung und unüberwindlicher
Abneigung (§. 115). Gegen Katholiken kann nur auf Scheidung von Tisch und
Bett
[* 9] erkannt werden (§. 109). Übrigens ist auch eine solche Scheidung «mit Einverständnis»
unter Ordnung der Vermögensverhältnisse zulässig (§§. 109 fg.).
Über die zeitweilige
Trennung s.
Scheidung von Tisch und
Bett; über die civilrechtlichen Folgen der Ehescheidung s.
Ehescheidungsstrafen. -
Vgl. Hubrich, Das Recht der Ehescheidung in Deutschland (Berl. 1891).