berechnet, daß zur Zeit in
Deutschland
[* 2] die allgemeine Gütergemeinschaft bei 11 Mill.
Deutschen, übrigens in verschiedenen
und nicht durchweg zusammenhängenden Gebieten gilt, die Mobiliargemeinschaft des franz.
Rechts bei etwa 7 Mill., die reine Errungenschaftsgemeinschaft und die zwischen ihr und der Mobiliargemeinschaft stehenden
Systeme bei etwa 7 Mill., die Verwaltungsgemeinschaft bei etwa 14 Mill., das
Dotalsystem bei über 3 Mill.
–
Über dasErbrecht der
Ehegatten s. Gesetzliche Erbfolge und Pflichtteil.
nach der
Deutschen Reichs-Civilprozeßordnung das
Verfahren in Ehesachen, d. h. in Rechtsstreitigkeiten,
welche die
Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer
Ehe oder die Herstellung des ehelichen Lebens
zum Gegenstande haben. Ehesachen unterliegen jetzt ausschließlich der Gerichtsbarkeit des
Staates; die geistliche Gerichtsbarkeit
ist aufgehoben. Für Ehesachen ist ausschließlich zuständig das Landgericht, bei welchem der Ehemann seinen allgemeinen
Gerichtsstand hat; jedoch kann gegen einen Ehemann, welcher seine Frau zu einer Zeit, als er ein
Deutscher
war, verlassen und nunmehr seinen Wohnsitz nur im
Auslande hat, von der
Ehefrau in seinem letzten deutschen Wohnsitz geklagt
werden. An Ehesachen ist das öffentliche Interesse erheblich beteiligt; und daraus entspringen wesentliche
Abweichungen vom
regelmäßigen
Verfahren.
Dahin gehört die Mitwirkung derStaatsanwaltschaft, welche das öffentliche Interesse zu vertreten hat,
von allen
Terminen von
Amts wegen zu benachrichtigen ist, allen Verhandlungen beiwohnen, sich über die zu erlassende
Entscheidung
gutachtlich äußern und behufs Aufrechterhaltung der
EheThatsachen und
Beweismittel vorbringen kann. Ferner darf der Verhandlungstermin
über eine Klage auf
Ehescheidung oder auf Herstellung des ehelichen Lebens regelmäßig erst nach Abhaltung
eines Sühnetermins festgesetzt werden.
Neue Klagegründe sind unbeschränkt zulässig, und ebenso die
Verbindung der Klagen auf Herstellung des ehelichen Lebens,
auf
Trennung und Ungültigkeit der
Ehe miteinander, wogegen der mit einer Scheidungs- oder Ungültigkeitsklage abgewiesene
Kläger oder Widerkläger
Thatsachen, welche er im frühernVerfahren geltend machen konnte, später nicht
mehr als Klagegrund verwerten kann. Diese Vorschriften zielen darauf ab, daß über das Eheverhältnis in einem
Verfahren
im ganzen entschieden werde.
Sodann ist die
Disposition der Parteien über den Prozeß insofern beschränkt, als die Vorschriften betreffs der Folgen der
Nichterklärung über
Thatsachen und
Urkunden, betreffs des Verzichts auf
Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen
und des Eideserlasses, wie betreffs der Wirkung des gerichtlichen Anerkenntnisses und Geständnisses außer Anwendung bleiben;
auch insofern, als die Eideszuschiebung, der Editionsantrag dem Gegner gegenüber mit
Bezug auf
Gründe für die
Trennung, Ungültigkeit
oder Nichtigkeit der
Ehe, sowie der
Erlaß eines eigentlichen Versäumnisurteils ausgeschlossen ist.
Andererseits ist dem Gericht eine verstärkte
Amtsgewalt eingeräumt, indem dasselbe das persönliche Erscheinen und Befragen
einer Partei zwangsweise veranlassen, das
Verfahren über eine Scheidungsklage (abgesehen vom
Ehebruch) ^[] oder eine Klage
auf Herstellung des ehelichen Lebens auf ein Jahr aussetzen, auch zwecks der Aufrechterhaltung der
Ehe nicht
vorgebrachte
Thatsachen und
Beweismittel berücksichtigen darf, woneben es
Urteile, durch welche auf
Trennung, Ungültigkeit
oder Nichtigkeit der
Ehe erkannt ist, von
Amts wegen den Parteien zuzustellen hat.
Noch besondern
Abweichungen vom Regelverfahren ist aus Rücksichten des öffentlichen Interesses die Klage auf Nichtigkeit
der
Ehe unterworfen. Diese Klage kann auch von der
Staatsanwaltschaft oder von civilrechtlich befugten
Dritten erhoben werden.
IhreVerbindung mit einer andern Klage ist ausgeschlossen. Die
Staatsanwaltschaft kann, auch wenn sie
die Klage nicht erhoben hat, den Rechtsstreit betreiben.
In den Fällen, in denen sie als Partei unterliegt, wird die Staatskasse
dem Gegner zur Kostenerstattung verpflichtet. – Vgl. Civilprozeßordn. §§. 568–592.
Obgleich die Gemeinschaft auf Lebenszeit in dem Wesen der
Ehe enthalten ist und beliebige Verstoßungen
oder verabredete
Trennungen, wie sie das jüd., hellen., röm. und mohammed.
Recht verstatten, demBegriff und Zweck der
Ehe widersprechen, so kann doch die völlige Unauflösbarkeit
nur für solche eheliche
Verbindungen gelten, die in vollem
Umfange den ethischen
Voraussetzungen des Verhältnisses entsprechen.
Wo Haß und Verachtung an die
Stelle der Liebe und des Vertrauens treten, ist der häusliche Herd entweiht, und der Zwang
zur Fortsetzung des unseligen Bündnisses erscheint als ohnmächtiger Wunsch, ein Unheiliges zu heiligen,
oder als Herabsetzung der
Ehe zu etwas Äußerlichem oder Inhaltlosem.
Unter den ersten
Christen waren daher Scheidungen aus hinreichenden
Gründen erlaubt, wiewohl seit dem 4. und 5. Jahrh. der
Wiederverheiratung von Geschiedenen Schwierigkeiten entgegengesetzt wurden. Allmählich brachte jedoch die
Kirche die Unauflösbarkeit zur Geltung, indem die
Ehe als
Symbol der untrennbaren
Vereinigung Christi mit seiner
Kirche betrachtet
wurde. Doch konnte diese
Anschauung nur sehr allmählich die Oberhand gewinnen. In England kamen noch im 12. Jahrh.
Scheidungen vor.
Dafür gestattete die kath.
Kirche eine zeitliche oder, bei unversöhnbarem Zerwürfnis, eine selbst lebenslängliche
Aufhebung des Beisammenwohnens (Scheidung von Tisch und
Bett,
[* 3] separatio quoad thorum et mensam, aber nicht quoad vinculum).
Die so Geschiedenen gelten fortgesetzt als
Ehegatten und dürfen sich nicht anderweit verheiraten. So das kath. Kirchenrecht
bis heute. Durch das Reichsgesetz vom wurde jedoch bestimmt, daß in allen Fällen, in denen
bisher auf dauernde
Trennung von Tisch und
Bett erkannt wurde, die Scheidung vom
Bande auszusprechen sei. In der evang.
Kirche
war die Scheidung vom
Bande immer für zulässig erachtet worden, ohne daß über die Scheidungsgründe ein Einverständnis
erzielt wäre.
Im weltlichen
Recht, soweit sich dasselbe vom kath. Kirchenrecht frei gemacht hat,
sind als Scheidungsgründe anerkannt:
Ehebruch, bösliche
Verlassung, d. h. Entfernung von dem Wohnorte in der
Absicht, das
eheliche Leben aufzugeben, Nachstellungen nach dem Leben, grobe oder lebensgefährliche
Mißhandlungen (Sävitien), gewöhnlich
auch
¶
mehr
Freiheitsstrafen von längerer Dauer, vereinzelt auch Unverträglichkeit, unvertilgbarer Haß und Widerwillen, unheilbarer
Wahnsinn und unordentliche Lebensweise, durch welche sich der Mann in die Unmöglichkeit versetzt, die Pflichten eines Beschützers
und Ernährers zu erfüllen. In Frankreich wurde während der ersten Republik die Scheidung den Eheleuten völlig freigegeben.
Napoleon I. hob jedoch die eigenmächtigen Scheidungen wieder auf; im Code Napoléon wurden nur Untreue
(s. Ehebruch), Mißhandlungen und grobe Injurien, Verurteilung zu entehrenden Strafen und beiderseitige Einwilligung als Scheidungsgrund
anerkannt, letztere indes nur, wenn der Mann über 25 und die Frau über 21 J. alt ist, die Ehe wenigstens 2 Jahre gedauert
hat, die Eltern der Frau einwilligen und die Eheleute nach Ablauf
[* 5] eines Jahres noch auf ihrem Vorsatze
beharren. Nach der Restauration wurde wieder die gänzliche Scheidung durch das Gesetz vom abgeschafft, welches
indessen für die Reichslande Elsaß-Lothringen
[* 6] außer Kraft
[* 7] gesetzt ist, zu Gunsten der Bestimmungen des Code civil,
in Frankreich selbst durch Gesetz vom aufgehoben wurde.
Die Frage der Ehescheidung stand wie in Frankreich, so auch in Preußen
[* 8] lange Zeit im Vordergrunde des öffentlichen Lebens. Handelte
es sich dort um das Princip, ob Ehescheidung überhaupt zu gestatten sei, so war es hier die Frage der
Ehescheidungsgründe, welche Anlaß zum heftigsten Streite wurde. Die Gesetzgebung des Preuß. Allg. Landrechts (1794) ließ
Ehescheidung selbst aus gegenseitiger Einwilligung und unüberwindlicher Abneigung zu. Dagegen richtete sich im Zusammenhang mit dem
neu erwachten religiösen Leben im 19. Jahrh. eine überaus heftige Bewegung religiös-polit.
Art, welche, berechtigt im Grundgedanken, aber maßlos in der Methode und weit über das richtige Ziel
hinausschießend, unter Friedrich Wilhelm IV. zu einer bedrohlichen Stärke
[* 9] anwuchs. Die Forderung «biblischer» Ehescheidungsgründe
war von Staats wegen schon deshalb unerfüllbar, weil die Bibel
[* 10] ein sicher umgrenzbares Ehescheidungsrecht nicht bietet. Die
Forderung einer Verschärfung des laxen und willkürlichen preuß. Ehescheidungsrechts im
Sinne der sittlichen Grundgedanken der Ehe war berechtigt und fand immer allgemeinere Anerkennung auch in Kreisen, welche die
Ausschreitungen der oben bezeichneten kirchenpolit.
Bewegung aufs schärfste mißbilligten. Die Gegensätze wurden durch das persönliche Entgegenkommen Friedrich Wilhelms IV.
vorläufig ausgeglichen; gesetzgeberische Versuche, die Streitfrage neu zu ordnen, blieben jedoch ohne Resultat.
Eine vollständige Ordnung der Ehescheidungsgründe versucht nunmehr der Entwurf des Bürgerl. Gesetzbuchs für Deutschland.
Diese Ordnung beruht theoretisch auf sehr strengen Principien, welche in den Motiven eingehende Rechtfertigung finden; praktisch
wird allerdings diese Strenge durch die vorgeschlagene Zulassung eines in sehr allgemeiner Weise begrenzten «relativen» Scheidungsrechts
ziemlich gegenstandslos gemacht oder vielmehr in das willkürliche Ermessen der Gerichte gestellt. (S.
hierüber die «Verhandlungen des 20. Deutschen Juristentages im J. 1889» und die demselben erstatteten Gutachten.) - Eine
besondere und merkwürdige Art der Ehescheidung ist diejenige aus landesherrlicher Machtvollkommenheit; dieselbe ist
in den größern deutschen Staaten längst beseitigt, besteht dagegen noch zu Recht in vielen deutschen
Kleinstaaten.
Der rechtshistor. Ursprung ist nicht genügend aufgeklärt. Mit einer geordneten Gerichtsverfassung ist diese
Einrichtung einer so gut wie völlig freien landesherrlichen Willkür in Scheidung von «unglücklichen»
Ehen unvereinbar; der Entwurf hebt dieselbe demgemäß auf. - Das Österr.
Bürgerl. Gesetzbuch gestattet bei nicht kath. Christen die Trennung vom Bande wegen Ehebruchs, böslicher
Verlassung, Verurteilung zu fünfjähriger Kerkerstrafe, dem Leben oder der Gesundheit gefährlicher Nachstellung, wiederholter
schwerer Mißhandlung und unüberwindlicher Abneigung (§. 115). Gegen Katholiken kann nur auf Scheidung von Tisch und Bett
erkannt werden (§. 109). Übrigens ist auch eine solche Scheidung «mit Einverständnis»
unter Ordnung der Vermögensverhältnisse zulässig (§§. 109 fg.). Über die zeitweilige Trennung s.
Scheidung von Tisch und Bett; über die civilrechtlichen Folgen der Ehescheidung s. Ehescheidungsstrafen. -
Vgl. Hubrich, Das Recht der
Ehescheidung in Deutschland (Berl. 1891).