mehr
nachdem
die erste Facette fertig ist, die übrigen Facetten schleifen zu können, wird der
Stein durch Drehen des Doppenstiels
gewendet. Um die gegenseitige Neigung der Facetten vollkommen gleich zu machen, durch welche Regelmäßigkeit sich der
Brillantschliff
auszeichnet, ist der Doppenstiel mit
Gradbogen und Zeiger versehen
[* 1]
(Fig. 22). Hierdurch kann man die Neigung
des Diamants gegen die Scheibe jeden Augenblick bestimmen und nach Wunsch ändern. Um die Facetten der Culasse schleifen
zu können, nachdem der Pavillon fertig, ^[Abb: Fig. 22.] wird der
Stein durch Erwärmen des Lotes aus der Doppe gelöst und
in verkehrter
Stellung in dieselbe wieder
eingesetzt und festgelötet.
Die wichtigsten Diamantschleifereien befinden sich in Amsterdam. [* 2] Hier hat namentlich seit der Entdeckung der Kapdiamanten (1867) die Zahl der Diamantmühlen und der Arbeiter beträchtlich zugenommen, und jetzt beschäftigt dieser blühende Industriezweig mindestens 6 - 7000 Personen. Die wichtigsten Mühlen [* 3] sind in der Zwanenburgerstraße und auf dem Roeterseiland an der Achter-Gracht. Das größte Etablissement dieser Art ist die Faktorei von Mr. Boas, das historisch berühmteste das von Koster, denn der Künstler Voorsanger dieses Instituts hat sowohl den Kohinoor (frühere Form, als Großmogul, s. Tafel: Diamanten, [* 1] Fig. 1) neu brillantiert, als auch den Südstern geschliffen. Ferner befinden sich Diamantschleifereien in Antwerpen, [* 4] Paris, [* 5] im Jura und in Hanau; [* 6] in neuester Zeit hat man auch in England und Nordamerika [* 7] (Neuyork) [* 8] angefangen, fabrikmäßig sich mit diesem Industriezweige zu beschäftigen.
Schon die den alten Ägyptern bekannte
Steinschneidekunst,
[* 9] also die Kunst, Siegelringe,
Amulette, Scarabäen, Kameen
[* 10] zu formen
und zu schneiden, setzt selbst die Kenntnis der Bearbeitung der harten Gemmen voraus. Wahrscheinlich
haben die
Syrer den
Römern die Kenntnis des schon im
Altertum berühmten und bekannten ind. Diamanten vermittelt sowie auch
die Kunst denselben zu polieren. Die aus den ältesten
Zeiten noch vorhandenen Juwelen sind in der That nichts anderes als
Diamantkrystalle
[* 1]
(Fig. 1),
Spitzsteine oder flache dreiseitige
Tafeln.
Schon 1373 bestand, historisch nachweisbar,
in
Nürnberg
[* 11] eine Diamantpoliererzunft. Allein die Produkte weder
der europ. noch der ind.
Industrie ältester Zeit können auf Schönheit
Anspruch machen; alle diese
Steine sind unförmig, klumpig, mit wenig spiegelnden
Flächen.
Epochemachend war die Erfindung der für das Farbenspiel des Diamant
[* 12] so überaus wichtigen regelmäßigen
Facettierung durch den ältern Berquem. Er hat für
Karl den Kühnen von
Burgund den Sancy (s.
Tafel: Diamanten,
[* 1]
Fig. 5) und
den
Florentiner
[* 13] in Pendeloquesform geschliffen. Erst durch die Anwendung einer symmetrischen Facettierung ward der Diamant
ein Schmuckstein ersten Ranges und verdrängte die früher bevorzugten farbigen Juwelen, die erst in
neuester Zeit wieder
in die Mode gekommen sind und zwar dadurch, daß ihre Eigenschaften ebenfalls durch die Brillantform
gehoben wurden (s.
Phantasiesteine).
Die Schüler Berquems sind teils nach Antwerpen, teils nach Italien [* 14] gezogen. Von ital. Meistern ward berühmt der Venetianer Hortensio Borgio, der ^[] 1650 - 58 den Kohinoor dem Schah Jehan schliff und die Gewichtsdifferenz zwischen rohem Steine (672, nach andern 793 Karat) und facettiertem Juwel (279 Karat) schwer büßen mußte; ferner der Italiener Matteo del Nettaro, den der durch seine Kunstliebe ausgezeichnete König Franz I. nach Paris 1525 berief. Von dem Hofe des letztern aus verbreitete sich der Luxus mit Juwelen überall hin. Aber in Paris gelangte erst unter Kardinal Mazarin die Diamantschleiferei zu neuer Blüte, [* 15] denn damals, 1650 - 60, ward der Brillantschliff zum erstenmal angewendet; gegen Ende des 18. Jahrh. kam sie daselbst zum vollständigen Erliegen, und selbst die 1850 unter Napoleon gemachten Versuche, Steinschleifereien zu gründen, konnten nicht mehr das holländ. Monopol brechen. Dafür ward aber Paris der Markt für farbige Juwelen.
Antwerpen, damals der erste Handelsplatz der Welt, erhielt die rohen, damals allein bekannten ind.
Diamanten aus erster
Hand.
[* 16] Die Plünderung
Antwerpens 1576 durch die
Spanier veranlaßte die Übersiedelung der portug.
Juden,
die den Diamanthandel betrieben, nach dem nieder
länd.
Amsterdam. Doch auch an dieser neuen
Stätte ist
die
Blüte dieses Industriezweigs abhängig von dem wechselnden Ertrage der Diamantwäschereien. 1824 war nur ein einziger
Schleifer in
Amsterdam, sodaß
Bankier Hope, um diese Kunst nicht aussterben zu lassen, auf eigene Kosten vier junge Leute hierzu
ausbilden ließ. Aber 1844 fand man neue Diamantlager in
Bahia,
[* 17] und rasch wurden vier
Faktoreien gegründet, während heute
der Kapdiamant 30 Werkstätten dauernd Beschäftigung bringt.
Für die Facettierung der farbigen Schmucksteine gelten nahe dieselben Regeln wie für die des Diamanten. Unterschiede sind nur bezüglich des Materials von Schleifscheiben und Poliermitteln vorhanden (s. oben, S. 712). Rubin und Saphir werden meist schon in Ceylon [* 18] oder Birma, den Hauptfundorten, von den eingeborenen Singhalesen und Tamulen mit einfachen Hilfsmitteln mehr oder minder willkürlich facettiert. Ihren modernen Schliff mit verlängerten Brillantfacetten erhalten sie in Paris, im Jura u. s. w. Die am Ural auftretenden Schmucksteine: Topas, [* 19] Rubellit (Sibirit), Aquamarin, Smaragd, [* 20] Euklas, Phenakit, Demantoid, sowie die wichtigen Halbedelsteine Malachit und Rhodonit erhalten in der kaiserl. Steinschleiferei zu Katharinenburg ihre Form. Das Vorkommen der Pyrope in Nordböhmen hat, seit 1609 Lehmann aus Prag [* 21] hierzu ein Privilegium erhielt, in der Umgebung von Turnau eine kräftige, fabrikmäßig arbeitende Industrie geschaffen. Zwölf große Schleifereien beschäftigen sich nur mit diesem Artikel.
Die sog. Halbedelsteine, die meist zu Galanteriearbeiten Verwendung finden, werden nicht facettiert, sondern erhalten ihrer künftigen Verwendung entsprechende, vielfach wechselnde Gestalten. Industrien dieser Art nennt man Großsteinschleiferei. Die Bearbeitung des Rohmaterials erfolgt nach denselben Methoden wie jene der wahren Edelsteine. [* 22] Meist werden aber die Metallschleifscheiben durch solche aus harten Steinen ersetzt, um dadurch die Kosten der Arbeit zu mindern. Nur zum Aushöhlen benutzt man Metallscheiben, die aber kleiner sein müssen als die beabsichtigte Höhlung, damit man sie in das Innere des Steins einführen kann. Aus der Gruppe der Großsteinschleiferei sind die Industrien erwähnenswert, ¶
mehr
die fabrikmäßig betrieben werden, so die Achatschleifereien seit 1580 in Oberstein und Idar, sowie die in neuerer Zeit sehr blühenden Schleifereien in Waldkirch im Schwarzwald (hier wie in Oberstein werden auch viel Edelsteine, namentlich Phantasiesteine, geschliffen); die Serpentinindustrie zu Zöblitz, seit 1613 bestehend, die Flußspat-Arbeiterinnung in Derbyshire seit 1785, die im 18. Jahrh. blühende Gagatschleiferei in der Languedoc sowie die Bearbeitung des Bernsteins und Meerschaums in Wien. [* 24] ‒
Vgl. Kluge, Handbuch der Edelsteinkunde (Lpz. 1860);
Schrauf, Handbuch der Edelsteinkunde (Wien 1869);
Groth, Grundriß der Edelsteinkunde (Lpz. 1887).