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die Gefahr des vereinigten Vordringens der Schweden [* 2] und Franzosen nach Bayern [* 3] war nun nicht mehr abzuwenden. Im Spätsommer 1646 gingen die vereinigten Heere durch Schwaben nach Bayern vor und nötigten durch furchtbare Verwüstungen des Landes den Kurfürsten Maximilian in dem Ulmer Waffenstillstande zum Abfall vom Kaiser. Wrangel wandte sich jetzt siegreich nach Böhmen, [* 4] während Turenne auch Mainz [* 5] und Hessen-Darmstadt zum Waffenstillstand nötigte.
Doch bald darauf brach Kurfürst Maximilian den Vertrag und trat wieder auf die Seite des Kaisers; Werth und Holzapfel, der neue kaiserl. General, vertrieben Wrangel aus Böhmen. Turenne kehrte indessen nochmals zurück und vereinigte sich mit Wrangel. Holzapfel wurde nun bei Zusmarshausen unweit Augsburg [* 6] besiegt und der bayr. General Gronsfeld über den Lech zurückgedrängt, sodaß Bayern neuerdings die ganze Last eines verheerenden Zugs empfand, während der Kurfürst nach Salzburg [* 7] entfloh. Zu gleicher Zeit war der schwed. General Königsmark in Böhmen eingedrungen, hatte durch einen nächtlichen Überfall die Kleinseite von Prag [* 8] eingenommen und stand im Begriff, auch die Altstadt anzugreifen, als die Kunde erscholl, daß der Friede geschlossen sei.
Durch ein Spiel des Zufalls endete der Krieg somit an derselben Stelle, wo er begonnen hatte. Die Friedensverhandlungen, die schon 1641 zu Hamburg [* 9] eröffnet, dann seit 1644 in Münster [* 10] und Osnabrück [* 11] geführt worden waren, hatten nach endlosen Verschleppungen in dem Westfälischen Frieden (s. d.) ihren Abschluß gefunden. Aber dieser Friede legte Deutschland [* 12] nur neue schwere Opfer an die Fremden auf und machte es zu einem widerstandsunfähigen Konglomerat kleiner und kleinster selbständiger Territorien neben einer ganz schattenhaften Centralgewalt.
Entsetzlicher jedoch als all dieses waren für Deutschland die Folgen des Krieges selbst. Die Leiden, [* 13] welche die zügellosen Kriegsbanden über das Land gebracht hatten, sind geradezu sprichwörtlich geworden. Kaum ein Winkel [* 14] Deutschlands [* 15] ist verschont geblieben, über manche Gegenden ist das Elend wieder und wieder von neuem gekommen. Dazu gesellten sich die endlosen Kontributionen, die wirtschaftlichen Schäden durch den bald herrschenden Geldmangel und die ihm nachfolgende Geldverschlechterung.
Handel und Industrie waren bis auf die Wurzel [* 16] zerstört. Der Wohlstand Deutschlands war völlig vernichtet. Böhmen hatte zwei Drittel seiner Bewohner verloren, andere Teile Mitteldeutschlands noch mehr, in der Grafschaft Henneberg schätzte man den Rückgang der Bevölkerungszahl auf 75, den der Wohnungen auf 66, der Haustiere auf 80 Proz., das glänzende Augsburg zählte von mehr als 40000 Bewohnern noch etwa 20000. Man kann annehmen, daß Deutschland insgesamt die Hälfte seiner Bevölkerung [* 17] und zwei Drittel des beweglichen Vermögens verloren hatte. Es waren vor allem die wirtschaftlichen Grundlagen zerstört, auf welchen ein Neubau hätte stattfinden können, nicht nur das Kapital fehlte völlig, sogar der Boden war auf lange Strecken durch den jahrzehntelangen Mangel an Anbau und Pflege zur Wüste geworden. Die Urbarmachung versumpfter Landstriche der Norddeutschen Tiefebene im 18. und 19. Jahrh. bestand zum guten Teil in Wiedergewinnung alten, seit dem großen Krieg verwilderten Landes. Hand [* 18] in Hand mit dem wirtschaftlichen Verfall ging der Verfall in Sitte und Geistesleben, Deutschland mußte sein nationales Leben noch einmal von vorn beginnen.
Litteratur. Die gleichzeitigen Nachrichten und Flugschriften sind gesammelt in Lundorps Acta publica (4 Bde., Frankf. 1621-25; 2. Aufl., 18 Bde., 1668-1721, nebst der Fortsetzung von Martin Meyer in 4 Bdn.) und Abelins Theatrum Europaeum (3 Bde. bis 1637; von andern fortgeführt bis 1718 in Bd. 4-21);
eine wüste Zusammenstellung von Materialien giebt von Khevenhiller, Annales Ferdinandei, 1578-1637 umfassend (beste Ausgabe Lpz. 1721-26).
Von spätern Werken sind zu nennen: Schillers Geschichte des in Dreißigjähriger Krieg 5 Büchern (zuerst 1791-93);
von Hurter, Geschichte Kaiser Ferdinands II. und seiner Eltern (11 Bde., Schaffh. 1850-64);
vom militär. Gesichtspunkt aus: Dujarry von La Roche, Der Dreißigjähriger Krieg (3 Bde., ebd. 1851-52);
Heilmann, Über das Kriegswesen im D. K. (Meiß. 1850).
Vgl. ferner Gardiners The Thirty Years' war (in den «Epochs of modern History», Oxford [* 19] 1874 u. ö.);
Gindely, Illustrierte Geschichte des Dreißigjähriger Krieg (3 Abteil., Lpz. und Prag 1882-84);
das große Werk von Gindely, Geschichte des Dreißigjähriger Krieg (Bd. 1-4, 1869-80), ist nicht über die erste Kriegsperiode hinausgekommen; Ritter, Deutsche [* 20] Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjähriger Krieg (Stuttg. 1890 fg.);
Opel, Der niedersächs.-dän. Krieg (3 Bde., Halle [* 21] und Magdeb. 1872-94).
Ein vorzügliches Kulturbild der Zeit des Dreißigjähriger Krieg giebt Grimmelshausens «Simplicissimus».