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Rechtens war, daß der Landesherr aus den Domänenrente nicht bloß seinen Unterhalt zu nehmen, sondern zunächst die Kosten der Landesregierung zu bcstreiten habe, bevor er mit Ansprüchen aus Steuerbewilligung an die Landstände hervortreten könne, so ist eine Art von Kommunion zwischen der landesherrlichen Fa- milie und dem Lande eingetreten, welches einer güt- lichen Auseinandersetzung bedürftig ist und solcher in manchen der kleinern deutschen Territorien noch harrt. Es würde den hergebrachten rechtlichen Zu- ständen weder entsprechen, wenn die Domänenrente schlechthin als Staatsgut in Anspruch genommen würden, aus welchem die landesherrliche Familie, in so lange sie regiert, eine Civilliste bezieht, noch umgekehrt sie als landesherrliches Eigentum anzuerkennen, welches die fürstl.
Familie unbelastet behalten dürfte, wenn sie nicht mehr regiert. In den größeren Territorien freilich, zuerst in Preußen, [* 2] wo die Staatsidee in der regierenden Familie schon früh sich geltend machte, ist die Eigentumsfrage in dem Sinne entfchiedcn worden, daß die Domänenrente reines Staatsgut seien, dessen Einkünfte zu allgemeinen Staatszwecken und Staats- bedürfnissen zu verwenden sind und welches heute nicht ohne Zustimmung der Landesvertretung und nur zur Befriedigung allgemeiner Staatsbedürfnisse verschuldet oder veräußert werden darf.
Wie schon Friedrich Wilhelm I. die sämtlichen Einkünfte der Domänenrente für die Staatskasse vereinnahmen und von denselben nur einen festen Betrag zur Schatulle in Ausgabe stellen ließ, fo ist im Allg. Landrecht die moderne Auffassung endgültig formuliert worden. Eine Er- innerung an das alte Verhältnis ist in Preußen nur noch darin zu erblicken, daß ein Teil der Kron- dotation (im Betrage von 7,7 Mill. M.) als eine private, dein Konige vorbehaltene Rente erscheint, welche von den Domäneneinnahmen vorweg in Ab- zug zu bringen ist.
Durch Verordnung vom wurden die preußischen Domänenrente für die Gesamt- summe der damals vorhandenen Staatsschuld den Gläubigern verpfändet. Die ältern Domänenrente dürfen daher so weit nicht veräußert werden, als der Nest für den gegenwärtigen Betrag der ältern Staatsschuld (etwa 180 Mill. M.) keine genügende Sicherheit mehr bie- ten würde. Auch dürfen die betreffenden Einnahmen, abgesehen von der Kronrente, nur zur Verzinsung und Tilgung dieser ältern Schuld verwendet werden.
Die deutschen Staaten haben fast alle einen be- deutenden Domänenbesitz. In Preußen sind bei einem Umfang von 340500 ka die etatsmäßigen Einnahmen für 1893/94 auf 29 Mill. M. fest- gesetzt. In Bayern [* 3] ist der Domanialbcsitz (1179,9 ka) ohne finanzielle Bedeutung' in Württemberg [* 4] be- trugen 1889/90 die Einnahmen aus demselben bei einem Umfang von 10264 kg. 672493 M., in Sachsen [* 5] bei einem Besitz von 3239 da. etwa 206 700 M., in Baden [* 6] bei einem Umfang von 110 75s 5a 1856000 M. Die größte Ausdehnung [* 7] hat das Domanium mit 559436 ka (42,5 Proz. der Gesamtstäche des Großherzogtums) in Mecklenburg- ! Schwerin, [* 8] wo noch das ganze nicht ritterschaftliche, j städtische oder klösterliche Gebiet, einschließlich der z meist vererbpachteten Domänen-Bauerndörfer als, Eigentum des Landesherrn gilt. - Von außer- ! deutschen europ. Ländern haben nur Rußland, ^ Österreich [* 9] und Schweden [* 10] ausgedehnte staatlicheFeld- güter, Frankreich besitzt fast nur Forsldomänen.
Dort wie in Italien [* 11] und England sind die Feld- > guter des Flslus an Private verkauft und teilweise verschleudert wovdm. ^ Brockhaus' Konversations-Ll'xiton. 14. Aufl.. V. Während die öffentlichen Forsten (s. d.) überall der unmittelbaren staatlichen Bewirtschaftung unter- liegen, giebt man heute mit gleichem Recht für öffent- liche Landgüter wie für einzelne landwirtfchaftliche Grundstücke im allgemeinen der Verpachtung auf Zeit (gewöhnlich 18 Jahre) den Vorzug.
Die Verwal- tung durch Staatsbeamte war früher auch hier üblich und bei sehr extensivem Betrieb ganz angebracht. Die Vererbpachtung der Domänenrente an bäuerliche Besitzer geschah hauptsächlich aus bevölkerungspolit. Moti- ven in bedeutendem Umfange während des 18. Jahrh, in Preußen und nach dortigem Beispiel auch ander- weit. In neuerer Zeit (seit 1848 und besonders seit 1868) hat man mit bestem Erfolge auf dein mecklenb.- schwerin. Domanium mehrere tausend Erbpächter- stellen geschaffen. - Bezüglich der viel erörterten Frage, ob die Domänenrente heute überhaupt noch beizu- behalten seien, ist zu bemerken, daß die ältere Nationalökonomie bei deren Beantwortung sich ausschließlich im Rahmen der Produktions- und Finanzinteressen bewegte, während die neuere Volks- wirtschaftslehre mehr die socialpolit.
Gesichtspunkte in den Vordergrund rückt. Vom Produktions- standpunkte erscheint eine Veräußerung heute für die Staatslandgüter nur ausnahmsweise angezeigt, weil die Domänenpächter erfahrungsmüßig keines- wegs fchlechter wirtschaften als die Eigentümer. Das finanzielle Interesse würde die Veräußerung nur unter der Voraussetzung als ratsam erscheinen lassen, daß der Zins aus dem Kaufpreise höher fein würde als die reine Pachtrente und der Staat etwa hoch zu verzinsende Schulden aus dem Ver- kaufserlöse tilgen könnte.
Indessen ist zu berück- sichtigen, daß sich die Pachtrente durch richtige An- wendung des Konkurrenzprincips steigern läßt. Aus socialpolit. Gesichtspunkten erscheint in Deutschland [* 12] eine Veräußerung der Domänenrente in Gestalt von großen Gütern in keiner Weise angezeigt, da es gerade den- jenigen (östl.) Landesteilen, in denen die meisten Domänenrente belegen sind, an Großgrundbesitz durchaus nicht fehlt. Wohl aber würde aus Rücksichten der innern Ko- lonisation (s. d.), zur Schaffung eines seßhaften Bauern- und Arbeiterstandes die Zerschlagung der Domänenrente überall da ins Auge [* 13] zu fassen sein, wo der mitt- lere und kleinere Grundbesitz nur spärlich vertreten ist, wie man denn in Preußen in den vierziger und siebziger Jahren dieses Jahrhunderts jenen Weg schon zeitweilig betreten hat. Eine geeignete Form für derartige Veräußerungen bildet die Erbpacht (s. d.) oder die Errichtung von Rentengütern (s. d.). Die Veräußerung von Staatsforsten würde, selbst wenn sie finanzwirtschaftlich lohnend wäre, aus höhern, die Interessen der Zukunft wahrnehmenden Rücksichten, namentlich mit Hinsicht auf die klimatische Bedeutung des Waldes, regelmäßig auszuschließen sein. -
Vgl. A. Wagner, Finanzwissenschaft (3. Aufl., Bd. 1, 8§. 30 u. 212 fg., Lpz. 1883);
H. Ölrichs, Die Domänenverwaltung des preuß. Staates (2. Aufl., Vresl. 1888);
H. Rimpler, Domänenpolitik und Grundeigentumsvertcilunq vornehmlich in Preußen (Lpz. 1888);
Balck, Domaniale Verhältnisse in Meck- lenburg-Schwerin (Wismar [* 14] 1864);
ders., Finanz- verhältnisse in Mecklenburg-Schwerin (ebd. 1877).
Domänenrente, die einer fiskalischen Domäne zustehende Rente, für deren Ablösung bisweilen andere Grundsätze bestehen als für die Ablösung anderer Renten.
Vgl. das Preuß. Gesetz vom ß. 3. - Mit Domänenrente wird auch bis- weilen der Teil der Einkünfte der landesherrlichen 26 ¶