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Lamberg, dem das Oberkommando in Ungarn [* 2] übertragen war, wurde auf der Pester Brücke [* 3] ermordet (28. Sept.), und der Aufstand begann. Als 6. Okt. kaiserl. Truppen aus Wien [* 4] nach Ungarn abziehen sollten, kam es auch hier zum Aufstand, die kaiserl. Familie floh nach Olmütz. [* 5] Aber in kurzer Zeit waren ansehnliche Truppenmassen um die Hauptstadt vereinigt, und nach mehrtägigem Kampfe ward (31. Okt.) die Stadt von Fürst Windischgrätz genommen. Der Reichstag wurde nach Kremsier berufen und dort 22. Nov. eröffnet. Kaiser Ferdinand aber dankte zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph 2. Dez. ab.
Inzwischen war es auch in Preußen [* 6] zu einem Bruch mit der dortigen Nationalversammlung gekommen; sie wurde 5. Dez. für aufgelöst erklärt und eine Verfassung octroyiert, die auf freisinniger Grundlage ruhte und den beiden neuzuwählenden Kammern zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden sollte. Gleichzeitig hatte Preußen auch die Verhandlungen über die deutsche Frage wieder aufgenommen. Friedrich Wilhelms IV. Lieblingsgedanke, dem Kollegium der deutschen Könige eine besondere Machtfülle zuzuwenden, gefiel wohl den Königen von Bayern [* 7] und Württemberg, [* 8] aber sie fügten gleich weitere Vorschläge hinzu, die Preußen auf eine Stufe mit den Mittelstaaten herabdrückten.
Andererseits sagte Friedrich Wilhelm schon im November zu Gagern, der ihm von der Wahrscheinlichkeit seiner Kaiserwahl sprach, daß er aus den Händen des Parlaments allein ohne Zustimmung der Fürsten die Krone nicht annehmen werde. Aber schon allein mit Österreich [* 9] war für ihn eine Verständigung nicht möglich. Schwarzenberg, der schon 27. Nov. auf dem Reichstage zu Kremsier die Notwendigkeit der Erhaltung der staatlichen Einheit Österreichs verkündet hatte, entwickelte ihm (13. Dez.) sein Programm: Eintritt des gesamten Österreich in den als Staatenbund wieder zu konstituierenden Deutschen Bund, statt einer Volksvertretung eine Versammlung der Fürsten, also eine wesentliche Stärkung der österr. Hegemonie und Verwerfung aller nationalen Wünsche.
Endlich hatte auch die Nationalversammlung die Beratung der als Reichsgesetz verkündigten) Grundrechte zu Ende geführt und 19. Okt. die Debatte über die Reichsverfassung begonnen. Mit wenig Glück mischte sie sich daneben in die österr. und preuß. Krisis. Der Versuch der Vermittelung durch Absendung von Reichskommissaren enthüllte nur die thatsächliche Machtlosigkeit des Parlaments. In scharfem Gegensatz zu dem Programm Schwarzenbergs standen die §§. 2 und 3 des Verfassungsentwurfs, wonach kein Teil des Deutschen Reichs mit nichtdeutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein sollte.
Wenn ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen ein gemeinsames Oberhaupt hätte, sollte das Verhältnis zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen sein. Mit großer Mehrheit wurden diese speciell Österreich berührenden Bestimmungen angenommen. Indem aber Österreich auf der Einheit seiner Monarchie bestand, wurde sein Eintritt in die erstrebte bundesstaatliche Verfassung Deutschlands [* 10] unmöglich. Diese Einsicht schuf eine neue Gruppierung der Parteien.
Die Folge war, daß der Österreicher Schmerling (15. Dez.) aus dem Reichsministerium ausschied, Heinrich von Gagern an Schmerlings Stelle trat. Das Programm, welches Gagern (18. Dez.) der Nationalversammlung vorlegte, ging von dem Gedanken aus, daß Österreich in den zu gründenden Bundesstaat nicht eintreten könne; dagegen sei «sein Unionsverhältnis zu Deutschland [* 11] mittels einer besondern Unionsakte zu ordnen und darin alle verwandtschaftlichen, geistigen, polit. und materiellen Bedürfnisse nach Möglichkeit zu befriedigen, welche Deutschland und Österreich von jeher verbunden haben und im gesteigerten Maße verbinden könnten». Dieses Programm befürwortete eine bundesstaatliche Einheit mit der erblichen Oberhauptswürde Preußens. [* 12] Der Gegenzug Österreichs war die Erklärung (28. Dez.), daß sein Programm zu Kremsier nicht den Sinn gehabt habe, auf Österreichs Eintritt in den deutschen Bundesstaat zu verzichten. In der Deutschen Nationalversammlung aber standen sich fortan zwei Parteien gegenüber: die Anhänger des Bundesstaates mit preuß. Führung, meist aus der bisherigen konstitutionellen Mehrheit bestehend, und die Gegner dieser Politik, aus dem größten Teil der Linken, den Österreichern, den Partikularisten und andern Schattierungen gebildet.
Die Nationalversammlung gab nach einer ihrer bewegtesten Verhandlungen mit 261 gegen 224 Stimmen ihre Genehmigung zu dein Gagernschen Programm. Unmittelbar darauf begannen die Beratungen über die Oberhauptsfrage. In der Sitzung vom 19. Jan. wurden sowohl die Anträge auf ein fürstl. Direktorium (mit 361 gegen 97 Stimmen) als auf einen sechsjährigen Turnus zwischen Österreich und Preußen (mit 377 gegen 80 Stimmen) und auf einen aus allen Deutschen wählbaren Präsidenten (mit 339 gegen 122 Stimmen) verworfen, dagegen mit 258 gegen 211 Stimmen der Antrag angenommen: die Würde des Reichsoberhaupts wird einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen.
Aber wie unsicher und wenig einheitlich diese Mehrheit war, zeigte die Sitzung vom 23. Jan., in welcher keiner der verschiedenen Vorschläge über die Dauer der Würde eines Reichsoberhaupts Annahme fand; der Antrag auf Erblichkeit ward mit 263 gegen 211 Stimmen verworfen. Mit einer Mehrheit von 9 Stimmen wurde 25. Jan. beschlossen, daß das Reichsoberhaupt den Titel Kaiser der Deutschen erhalten solle. Die Parteischeidung trat unter solchen Umständen in der Versammlung immer greller hervor.
Der erbkaiserl. und bundesstaatlichen Partei, deren Mitglieder man mit dem Spottnamen der Kleindeutschen belegte, stand die verbundene Opposition der Linken und der verschiedenen, gegen die preuß. Oberhauptswürde vereinigten Fraktionen, die sich selbst die Großdeutschen nannten, entgegen und bot alles auf, die Gestaltung der Reichsverfassung im erbkaiserl. Sinne zu hindern. So ward das Wahlgesetz durch ein Zusammenwirken von links und rechts in der weitestgehenden Form angenommen und alle Einschränkungen, welche die Erbkaiserlichen beantragten, verworfen; so ward das absolute Veto beseitigt durch die Koalition der Linken und der verschiedenen Fraktionen partikularistischer und ultramontaner Färbung.
Außerhalb der «Versammlung standen die Konstitutionellen meist auf seiten der Erbkaiserlichen; die Demokraten agitierten dagegen. In Nord- und Mitteldeutschland war die erbkaiserl. Richtung überwiegend, im Süden, namentlich Bayern, die entgegengesetzte Meinung. Von den Regierungen hatten sich allmählich alle kleinern von Baden [* 13] an ¶
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abwärts für das preuß. Erbkaisertum erklärt; die Königreiche, Preußen ausgenommen, entschieden dagegen. Schwarzenberg entwickelte dem König von Preußen sein Programm jetzt dahin (17. Jan.), daß die Regierungen das Parlament mit Gewalt niederdrücken und das Verfassungswerk in ihre Hand [* 15] nehmen müßten auf Grund eines die Kleinstaaten den Mittelstaaten unterordnenden Gruppensystems. Nun gelang es endlich dem Zureden der Minister und Bunsens, den König zur Zustimmung zu einer Cirkularnote vom zu bewegen, die die Regierungen aufforderte, zum Zwecke einer redlichen Verständigung ihre Erklärungen über die Verfassung vor deren zweiter Lesung abzugeben, um so dem Principienkampfe über Vereinbarung oder Nichtvereinbarung zu begegnen. Für sich selbst begehrte darin Preußen keine Machtvergrößerung, erklärte die Kaiserwürde nicht für nötig, sprach sich aber beifällig über den Plan aus, einen engern Bundesstaat aufzurichten. Österreich dagegen erklärte sich 4. Febr. entschieden gegen den Bundesstaat und verwahrte sich aufs feierlichste gegen eine Unterordnung des österr. Kaisers unter die von irgend einem andern deutschen Fürsten gehandhabte Centralgewalt. Auch Bayern gab eine Erklärung gegen den engern Bundesstaat (16. Febr.), während Preußen im Einverständnis mit fast allen Kleinstaaten eine Kollektiverklärung (23. Febr.) erließ, die das Wesentliche der Verfassung anerkannte, aber einzelne Abänderungen vorschlug, die teils den Zweck hatten, das Recht der Einzelstaaten schärfer zu begrenzen, teils die Reichsgewalt zu verstärken. Österreich schlug in einer Instruktion an Schmerling ein Direktorium von sieben Fürsten mit zwischen Österreich und Preußen wechselndem Reichsstatthalter an der Spitze und anstatt einer Volksvertretung eine Vertretung der einzelnen Regierungen und Kammern vor, innerhalb deren die österr. Mitglieder allein schon die Mehrheit besaßen; auch das Gruppensystem der 6 Kreise [* 16] unter je einem der Könige fehlte nicht.
Das führte nun zum Rückschläge in Frankfurt. [* 17] Welcker, der bis dahin Gegner des Bundesstaates ohne Österreich gewesen war, brachte, empört durch die 4. März aufgezwungene österr. Verfassung, die mit Nichtachtung Deutschlands Österreich einheitlich konstituierte, 12. März den Antrag ein: die Verfassung in Bausch und Bogen [* 18] anzunehmen, die erbliche Kaiserwürde dem Könige von Preußen zu übertragen und diesen zum sofortigen Antritt der kaiserl. Gewalt einzuladen.
In der Sitzung vom 21. März wurde zwar der Welckersche Antrag mit 283 gegen 252 Stimmen verworfen; aber nachdem in der zweiten Lesung der Entwurf mannigfach im demokratischen Sinne verändert worden und dadurch ein Teil der Radikalen für das Erbkaisertum gewonnen war, wurde dies 27. März mit 267 gegen 263 Stimmen angenommen und 28. März, nachdem die Beratung der Verfassung in zweiter Lesung beendet war, mit 290 Stimmen Friedrich Wilhelm IV. zum Deutschen Kaiser gewählt; 248 Mitglieder hatten sich der Wahl enthalten. Eine große Deputation begab sich nach Berlin [* 19] und erhielt (3. April) vom König eine Antwort, die seinem wiederholt erklärten Grundsatze entsprach, nicht ohne das freie Einverständnis der Fürsten und Freien Städte einen Entschluß fassen zu können. Gegenüber seinen Ministern hatte der König tags zuvor erklärt, daß er die Annahme des Kaisertitels unter allen Umständen für unangemessen halte.
Als die Deputation der Nationalversammlung Bericht erstattete, zeigte sich, welche Kluft diese von dem Könige trennte. Während dieser das Recht der Regierungen betonte, das Verfassungswerk der Nationalversammlung zu revidieren, hielt letztere an dem Princip ihrer Souveränität fest und erklärte (11. April), an der Verfassung unverändert festzuhalten; zugleich wählte sie einen Ausschuß von 30 Mitgliedern, der die Maßregeln der Durchführung beraten sollte. Während im Volke die Agitation für die Verfassung vom 28. März lebhafter begann und einen der widerstrebenden Fürsten, den König von Württemberg, zur Nachgiebigkeit zwang, erklärte Österreich die Sendung seiner Abgeordneten für beendet. Noch einmal versuchte das Reichsministerium durch die Sendung Beckeraths an den König von Preußen, ihn zur Annahme der Wahl zu bestimmen, indem es eine darauf folgende Revision der Verfassung in Aussicht stellte. Da die Mittelstaaten mit der erregten Stimmung der Bevölkerung [* 20] zu rechnen hatten, und Österreich durch Mißerfolge in Ungarn in Bedrängnis geraten war, so schien der Augenblick günstig für Preußen. Aber der König entschied sich jetzt aus seinem innersten Herzen heraus. Eine Erklärung Preußens vom 28. April lehnte die Reichsverfassung, wie sie war, unbedingt ab, und zugleich erging die Aufforderung an die Regierungen, Bevollmächtigte zu der Beratung über die Reichsverfassung nach Berlin zu senden.
In der Nationalversammlung gewannen jetzt die radikalen Elemente die Oberhand, namentlich seitdem (3. Mai) in Dresden, [* 21] in der Pfalz, am Niederrhein und in Baden die Agitation für die Reichsverfassung in republikanische Schilderhebungen ausschlug. Am 10. Mai trat Gagern definitiv aus dem Reichsministerium. Der Reichsverweser wählte die neuen Minister Grävell, Detmold, [* 22] Merck, General Jochmus aus der äußersten Rechten: eine Kombination, die nur eine österr. Intrigue war und jedes Zusammengehen mit der Nationalversammlung ausschloß. Am 14. Mai rief Preußen seine Abgeordneten ab, ein Beschluß, den die Versammlung für ungesetzlich erklärte. Auch die Zurückgebliebenen von der gemäßigten Richtung erklärten 21. Mai zum größten Teil ihren Austritt; die übrigen folgten binnen wenig Tagen nach. Der Rest, aus Mitgliedern der Linken bestehend, beschloß 30. Mai nach Stuttgart [* 23] überzusiedeln, während Preußen den Aufstand in Dresden bewältigt hatte und sich in Bewegung setzte, gegen die Schilderhebung im Süden und Westen das Gleiche zu thun. In Stuttgart eröffnete das «Rumpfparlament» (103 Mitglieder) 6. Juni seine Sitzungen und wählte eine Reichsregentschaft (Raveaux, Vogt, Schüler, H. Simon, Becher); [* 24] aber schon 18. Juni ward es von dem württemb.
Ministerium mit Waffengewalt an der Fortsetzung seiner Beratungen gehindert. Eben jetzt fanden auch die Aufstände in der Pfalz und in Baden rasch ihr Ende. Nachdem die Versuche, die Nachbarländer hereinzuziehen, gescheitert waren, näherte sich der Pfalz vom Rhein her ein preuß. Heer von 35000 Mann, während eine aus kleinern Kontingenten gemischte Armee unter Peucker die bad.-hess. Grenze besetzt hielt und die Neckarlinie verteidigte. In wenigen Tagen war die Pfalz besetzt, und 21. Juni wurden die bad. Insurgenten bei Waghäusel, nach anfänglichen Erfolgen, geschlagen. Am 25. ward Karlsruhe [* 25] von den Preußen ¶