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besonders schien sich auflösen zu wollen. Dem Abfall Italiens [* 2] war die slaw. Agitation in Böhmen [* 3] gefolgt, die im Juni zu blutigen Konflikten führte, über die der Gouverneur, Fürst Windischgrätz, erst nach mehrtägigem Kampfe (15. bis 17. Juni) durch rücksichtslose Energie Meister ward. Gleichzeitig bereitete sich in Ungarn [* 4] eine ernste Krisis vor. Alles ließ sich zu einem blutigen Konflikt zwischen den Slawen unter Jellachich, dem Banus von Kroatien, und den Magyaren an, wozu beide Teile rüsteten. Inmitten dieser vielen Gefahren stieg als einziger Lichtpunkt der Sieg von Custozza [* 5] auf, den Radetzky über König Karl Albert (25. Juli) erfocht und der den Anfang einer Restauration der österr. Verhältnisse bedeutete.
Preußen [* 6] befand sich ebenfalls in bedenklicher Gärung, insbesondere die Hauptstadt. Rührige Agitatoren verfügten über die Massen, und es fehlte an zureichenden Mitteln, die demagogische Bewegung zu zügeln. Am 22. Mai ward die «Versammlung zur Vereinbarung der preuß. Verfassung» eröffnet; aber die Verfassungsarbeit kam nur sehr langsam in Gang. [* 7] Das Ministerium trat, nachdem wiederholte Straßentumulte stattgefunden hatten, zurück und erhielt als Nachfolger (26. Juni) eine Verwaltung, deren Vorsitz Rudolf von Auerswald übernahm. Aber bald erhoben sich neue Verlegenheiten, die auch dieses Ministerium nicht bemeistern konnte. Während sich die verschiedenen liberalen Fraktionen gegenseitig aufbrauchten und die Straßendemagogie eine Reaktion im Volke hervorrief, begann sich zugleich das aristokratische und militär. Element des vormärzlichen Preußens [* 8] wieder zu sammeln und in einzelnen Fällen bereits seine Macht zu zeigen. Zu diesen innern Verlegenheiten, die eine Krisis erwarten ließen, kam der Schleswig-Holsteinische Krieg, worin sich die Schwäche der preuß. Politik jener Tage am sprechendsten kundgab. Von vornherein war es ein innerer Widerspruch, daß der König, dem jede Empörung von Unterthanen gegen ihren Landesherrn ein Greuel war, die Aktion gegen Dänemark [* 9] in die Hand [* 10] genommen hatte. Anfang Mai hatten die Preußen die Grenze Jütlands überschritten und schienen den Krieg energisch führen zu wollen. Aber die jetzt gestellte Forderung des Bundestags auf Einverleibung Schleswigs in den Deutschen Bund verschlimmerte die diplomat. Situation. Dänemark fand Schutz bei Rußland, das stark auf Preußen drückte und Schweden [* 11] ermutigte, die dän. Inseln zu besetzen. Das Angebot der engl. Vermittelung, die Klagen des preuß. Handelsstandes über den Schaden, den ihm die dän. Blockade zufügte, die drohende Verwicklung mit Rußland und Schweden führten Preußen Ende Mai zu dem Entschluß, Jütland zu räumen. Die Dänen rückten nach, wurden indes bis Ende Juni aus Schleswig [* 12] wieder hinausgeworfen. Währenddem begannen die Waffenstillstandsunterhandlungen zwischen Preußen und Dänemark auf Grund des engl., dann auch von Schweden empfohlenen Vorschlags, für beide Herzogtümer eine von Deutschland [* 13] und Dänemark gemeinschaftlich gebildete Regierung einzusetzen. Die von dem inzwischen gewählten Reichsverweser noch hinzugefügten Bedingungen drohten den Abschluß zu erschweren. Da wies Preußen seinen Unterhändler an, die Verhandlung nicht an jenen Bedingungen scheitern zu lassen. So kam der auf 7 Monate geschlossene Waffenstillstand von Malmö [* 14] (26. Aug.) zu stande. Zugleich setzte man eine gemeinschaftliche Regierung für die Herzogtümer (aus 5 Eingeborenen bestehend, darunter der als Träger [* 15] des dän. Systems verhaßte Graf Moltke) ein, deren Mitglieder teils Dänemark, teils der Deutsche [* 16] Bund ernannte, und hob alle seit 17. März erlassenen Gesetze auf. Ohne bei der Frankfurter Centralgewalt anzufragen, ratifizierte man in Berlin [* 17] den Vertrag.
Damit trat für die Deutsche Nationalversammlung ein Wendepunkt ein. Nach den stolzen und kriegerischen Erklärungen, die das Reichsministerium 31. Juli über die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten im Parlament abgegeben hatte, machte der Waffenstillstand den niederschlagendsten Eindruck, um so mehr, als das Reichsministerium selbst zugab, daß er von den Bedingungen mehrfach abweiche, zu deren Feststellung es Preußen ermächtigt hatte. Dieser Eindruck gab sich auch in der Nationalversammlung kund, als sie 5. Sept. auf den Bericht Dahlmanns mit 17 Stimmen Majorität, aber gegen die Stimmen der eigenen Partei Dahlmanns beschloß, die Ausführung des Waffenstillstands zu sistieren.
Das Reichsministerium gab sofort seine Entlassung, und der Reichsverweser beauftragte Dahlmann mit der Bildung eines Ministeriums; aber aus seinen bisherigen Gegnern konnte und wollte er nicht seine Ministerkollegen auswählen. Am 14. Sept. begannen von neuem die Beratungen über den Waffenstillstand, und da eine Fortsetzung des Krieges ohne Preußen unmöglich erschien, wurde 16. Sept. mit 258 gegen 237 Stimmen der Waffenstillstand genehmigt. Die Erbitterung hierüber wußte die radikale Partei zu benutzen. Am 17. Sept., einem Sonntag, fand auf der Pfingstweide bei Frankfurt [* 18] eine große Volksversammlung statt, welche Rücknahme jenes Beschlusses forderte und die 258 Abgeordneten für Volksverräter erklärte.
In der Nacht ließ das Reichsministerium, das durch die Abstimmung vom 16. Sept. wieder befestigt war, Truppen von Mainz [* 19] herbeikommen, um das Parlament gegen etwaige Überfälle zu schützen. In der That kam es 18. Sept. zu einem Aufstand, in welchem zwei Abgeordnete des Parlaments, General von Auerswald und Fürst Felix Lichnowsky, getötet wurden, die Centralgewalt jedoch Siegerin blieb. Wenige Tage später brach Struve mit einer Schar von Flüchtlingen in das bad. Oberland ein (21. Sept.) und proklamierte in Lörrach die Republik. Schon 24. Sept. wurde er jedoch in Staufen vom bad. Militär unter General Hoffmann angegriffen, seine Schar zersprengt und er selbst auf der Flucht gefangen genommen. Der Versuch, den Rau in Württemberg [* 20] machte, ging gleichzeitig ohne gewaltsame Erschütterung vorüber.
In Frankfurt war durch die letzten Vorgänge die gegenseitige Erbitterung der Parteien beträchtlich gestiegen, das Ansehen der Versammlung selbst sichtbar erschüttert. Wohl drang jetzt allerwärts die Einsicht durch, daß das zu lange verzögerte Verfassungswerk rascher betrieben werden müsse; aber es war die Frage, ob das Parlament die Macht noch habe, es zum Ziele zu führen. Denn eben jetzt begannen die alten Autoritäten in Österreich [* 21] wie in Preußen ihre ersten Erfolge zu erringen. In Österreich war es zum Bruch zwischen den Magyaren und Kroaten gekommen. Jellachich setzte sich mit Heeresmacht gegen Ungarn in Bewegung, wo Kossuth die Leitung des Ministeriums übernahm und mit aller Energie zu rüsten begann. Graf ¶
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Lamberg, dem das Oberkommando in Ungarn übertragen war, wurde auf der Pester Brücke [* 23] ermordet (28. Sept.), und der Aufstand begann. Als 6. Okt. kaiserl. Truppen aus Wien [* 24] nach Ungarn abziehen sollten, kam es auch hier zum Aufstand, die kaiserl. Familie floh nach Olmütz. [* 25] Aber in kurzer Zeit waren ansehnliche Truppenmassen um die Hauptstadt vereinigt, und nach mehrtägigem Kampfe ward (31. Okt.) die Stadt von Fürst Windischgrätz genommen. Der Reichstag wurde nach Kremsier berufen und dort 22. Nov. eröffnet. Kaiser Ferdinand aber dankte zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph 2. Dez. ab.
Inzwischen war es auch in Preußen zu einem Bruch mit der dortigen Nationalversammlung gekommen; sie wurde 5. Dez. für aufgelöst erklärt und eine Verfassung octroyiert, die auf freisinniger Grundlage ruhte und den beiden neuzuwählenden Kammern zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden sollte. Gleichzeitig hatte Preußen auch die Verhandlungen über die deutsche Frage wieder aufgenommen. Friedrich Wilhelms IV. Lieblingsgedanke, dem Kollegium der deutschen Könige eine besondere Machtfülle zuzuwenden, gefiel wohl den Königen von Bayern [* 26] und Württemberg, aber sie fügten gleich weitere Vorschläge hinzu, die Preußen auf eine Stufe mit den Mittelstaaten herabdrückten.
Andererseits sagte Friedrich Wilhelm schon im November zu Gagern, der ihm von der Wahrscheinlichkeit seiner Kaiserwahl sprach, daß er aus den Händen des Parlaments allein ohne Zustimmung der Fürsten die Krone nicht annehmen werde. Aber schon allein mit Österreich war für ihn eine Verständigung nicht möglich. Schwarzenberg, der schon 27. Nov. auf dem Reichstage zu Kremsier die Notwendigkeit der Erhaltung der staatlichen Einheit Österreichs verkündet hatte, entwickelte ihm (13. Dez.) sein Programm: Eintritt des gesamten Österreich in den als Staatenbund wieder zu konstituierenden Deutschen Bund, statt einer Volksvertretung eine Versammlung der Fürsten, also eine wesentliche Stärkung der österr. Hegemonie und Verwerfung aller nationalen Wünsche.
Endlich hatte auch die Nationalversammlung die Beratung der als Reichsgesetz verkündigten) Grundrechte zu Ende geführt und 19. Okt. die Debatte über die Reichsverfassung begonnen. Mit wenig Glück mischte sie sich daneben in die österr. und preuß. Krisis. Der Versuch der Vermittelung durch Absendung von Reichskommissaren enthüllte nur die thatsächliche Machtlosigkeit des Parlaments. In scharfem Gegensatz zu dem Programm Schwarzenbergs standen die §§. 2 und 3 des Verfassungsentwurfs, wonach kein Teil des Deutschen Reichs mit nichtdeutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein sollte.
Wenn ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen ein gemeinsames Oberhaupt hätte, sollte das Verhältnis zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen sein. Mit großer Mehrheit wurden diese speciell Österreich berührenden Bestimmungen angenommen. Indem aber Österreich auf der Einheit seiner Monarchie bestand, wurde sein Eintritt in die erstrebte bundesstaatliche Verfassung Deutschlands [* 27] unmöglich. Diese Einsicht schuf eine neue Gruppierung der Parteien.
Die Folge war, daß der Österreicher Schmerling (15. Dez.) aus dem Reichsministerium ausschied, Heinrich von Gagern an Schmerlings Stelle trat. Das Programm, welches Gagern (18. Dez.) der Nationalversammlung vorlegte, ging von dem Gedanken aus, daß Österreich in den zu gründenden Bundesstaat nicht eintreten könne; dagegen sei «sein Unionsverhältnis zu Deutschland mittels einer besondern Unionsakte zu ordnen und darin alle verwandtschaftlichen, geistigen, polit. und materiellen Bedürfnisse nach Möglichkeit zu befriedigen, welche Deutschland und Österreich von jeher verbunden haben und im gesteigerten Maße verbinden könnten». Dieses Programm befürwortete eine bundesstaatliche Einheit mit der erblichen Oberhauptswürde Preußens. Der Gegenzug Österreichs war die Erklärung (28. Dez.), daß sein Programm zu Kremsier nicht den Sinn gehabt habe, auf Österreichs Eintritt in den deutschen Bundesstaat zu verzichten. In der Deutschen Nationalversammlung aber standen sich fortan zwei Parteien gegenüber: die Anhänger des Bundesstaates mit preuß. Führung, meist aus der bisherigen konstitutionellen Mehrheit bestehend, und die Gegner dieser Politik, aus dem größten Teil der Linken, den Österreichern, den Partikularisten und andern Schattierungen gebildet.
Die Nationalversammlung gab nach einer ihrer bewegtesten Verhandlungen mit 261 gegen 224 Stimmen ihre Genehmigung zu dein Gagernschen Programm. Unmittelbar darauf begannen die Beratungen über die Oberhauptsfrage. In der Sitzung vom 19. Jan. wurden sowohl die Anträge auf ein fürstl. Direktorium (mit 361 gegen 97 Stimmen) als auf einen sechsjährigen Turnus zwischen Österreich und Preußen (mit 377 gegen 80 Stimmen) und auf einen aus allen Deutschen wählbaren Präsidenten (mit 339 gegen 122 Stimmen) verworfen, dagegen mit 258 gegen 211 Stimmen der Antrag angenommen: die Würde des Reichsoberhaupts wird einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen.
Aber wie unsicher und wenig einheitlich diese Mehrheit war, zeigte die Sitzung vom 23. Jan., in welcher keiner der verschiedenen Vorschläge über die Dauer der Würde eines Reichsoberhaupts Annahme fand; der Antrag auf Erblichkeit ward mit 263 gegen 211 Stimmen verworfen. Mit einer Mehrheit von 9 Stimmen wurde 25. Jan. beschlossen, daß das Reichsoberhaupt den Titel Kaiser der Deutschen erhalten solle. Die Parteischeidung trat unter solchen Umständen in der Versammlung immer greller hervor.
Der erbkaiserl. und bundesstaatlichen Partei, deren Mitglieder man mit dem Spottnamen der Kleindeutschen belegte, stand die verbundene Opposition der Linken und der verschiedenen, gegen die preuß. Oberhauptswürde vereinigten Fraktionen, die sich selbst die Großdeutschen nannten, entgegen und bot alles auf, die Gestaltung der Reichsverfassung im erbkaiserl. Sinne zu hindern. So ward das Wahlgesetz durch ein Zusammenwirken von links und rechts in der weitestgehenden Form angenommen und alle Einschränkungen, welche die Erbkaiserlichen beantragten, verworfen; so ward das absolute Veto beseitigt durch die Koalition der Linken und der verschiedenen Fraktionen partikularistischer und ultramontaner Färbung.
Außerhalb der «Versammlung standen die Konstitutionellen meist auf seiten der Erbkaiserlichen; die Demokraten agitierten dagegen. In Nord- und Mitteldeutschland war die erbkaiserl. Richtung überwiegend, im Süden, namentlich Bayern, die entgegengesetzte Meinung. Von den Regierungen hatten sich allmählich alle kleinern von Baden [* 28] an ¶