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Großmächte siegreich für die radikale Partei durch. In Frankreich drohte die Entzweiung zwischen der Krone und den parlamentarischen Parteien in einer gewaltsamen Krisis sich Luft zu schaffen. Die ital. Halbinsel hatte sich mit Erfolg gegen das alte System erhoben. In Dänemark [* 2] starb Christian VIII., wodurch der Konflikt zwischen den dän. und deutschen Interessen in unmittelbare Nähe gerückt wurde. Die Vorgänge in München, [* 3] die mit einem Studentenauflauf begannen, waren ein Symptom, wie weit die Aufregung selbst in den ruhigsten Teilen Deutschlands [* 4] gediehen war. Eine demokratische Versammlung in Offenburg [* 5] forderte Selbstregierung des Volks, eine gemäßigtere in Heppenheim Volksvertretung am Bundestag, und 12. Febr. stellte Bassermann in der bad. Kammer den Antrag auf Berufung eines deutschen Parlaments.
Die Botschaften aus Frankreich, die in rascher Folge den Sturz Guizots, Ludwig Philipps und des Königtums verkündeten, wirkten zündend auf Deutschland. [* 6] Schon wurden in Mannheim [* 7] Beratungen gepflogen über die vier Forderungen: Preßfreiheit, Schwurgerichte, Volksbewaffnung, Nationalvertretung, die rasch ihren Weg durch ganz Deutschland machten. Am 1. März wurden diese Forderungen durch Massendeputationen der bad. Zweiten Kammer übergeben, noch an demselben Tage die Censur in Baden [* 8] aufgehoben und wenige Tage nachher auch die Gewährung noch anderer von der Kammer ausgegangener Vorschläge zugesagt, welche die Aufhebung der Ausnahmegesetze, den Verfassungseid beim Heere, polit.
Gleichstellung aller Konfessionen, [* 9] Verantwortlichkeit der Minister, Unabhängigkeit der Richter, Aufhebung der Reste des Feudalwesens verlangten. Wie ein Lauffeuer gingen ähnliche Sturmpetitionen durch ganz Deutschland, und binnen wenigen Tagen hatten sämtliche deutsche Regierungen, mit Ausnahme von Österreich [* 10] und Preußen, [* 11] die Erfüllung der Forderungen gewährt, meistens auch die alten Ministerien liberalen Nachfolgern Platz gemacht. Widerstand war fast nirgends versucht worden, oder es war dem Versuche rasch die Nachgiebigkeit gefolgt. In Bayern [* 12] endigten die zum Teil stürmischen Bewegungen mit der freiwilligen Abdankung König Ludwigs 20. März. Der Bundestag hatte nicht nur keinen Versuch gemacht, das alte System zu behaupten, sondern war ohne Widerstand dem Strome der neuen Bewegung gefolgt.
Eine Proklamation vom 1. März versprach alles aufzubieten, um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach außen wie für die Förderung der nationalen Interessen und des nationalen Lebens im Innern zu sorgen. Am 3. März stellte ein Bundesbeschluß jedem Bundesstaate frei, die Censur aufzuheben; am 10. beschloß die Bundesversammlung, Vertrauensmänner zur Revision der Bundesverfassung einzuberufen; wenige Tage später ward die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Bundespalais aufgepflanzt.
Inzwischen versuchte man von anderer Seite der Bewegung eine einheitliche Richtung zu geben; es galt, der nationalen Reform der Bundesverfassung die Wege zu ebnen. In diesem Sinne trat (5. März) eine aus Führern der bisherigen Kammeroppositionen bestehende Versammlung in Heidelberg [* 13] zusammen, die dafür wirkte, daß baldmöglichst eine größere Versammlung von Männern des Vertrauens zusammentrete, und die Einleitung dazu einem Ausschuß von sieben ihrer Mitglieder übertrug. Dieser Ausschuß lud 11. März alle frühern und gegenwärtigen Mitglieder landständischer und gesetzgebender Versammlungen und andere durch das Vertrauen des Volks ausgezeichnete Männer auf den 31. März nach Frankfurt [* 14] a. M. ein.
Jetzt wurden auch die beiden deutschen Großstaaten von der Bewegung ergriffen, die hier die Gestalt einer gewaltsamen Krisis annahm. Aus Petitionen, die in der ersten Märzwoche auftauchten, erwuchs in Österreich die Revolution vom 13. bis 15. März, die Entlassung Metternichs, die Bewilligung der Preßfreiheit und einer Nationalgarde, die Einberufung von Abgeordneten «zum Behuf der vom Kaiser beschlossenen Konstitution des Vaterlandes». Wenige Tage später wurden die Forderungen der Ungarn [* 15] gewährt und ein neues verantwortliches Ministerium gebildet. In Preußen war, zu spät um den Sturm zu beschwören, 5. März die früher verweigerte Periodicität des Landtags bewilligt worden. Berlin [* 16] war seit dem 13. März der Schauplatz unruhiger Auftritte, die das Vorspiel ernsterer Konflikte bildeten. In den zwei Patenten vom 18. März bewilligte der König die Volkswünsche. Aber ein unglücklicher Zufall führte mitten in der Freude über das Errungene den blutigen Zusammenstoß zwischen Militär und Volk herbei, der sich zu einem teilweise hartnäckigen Straßenkampfe bis zum 19. März verlängerte. (S. Preußen.)
Inzwischen war es auch an der äußersten Nordgrenze Deutschlands zum Bruch gekommen. Der König von Dänemark hatte die Trennung beider Herzogtümer und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark verfügt, wogegen der Herzog von Augustenburg in Berlin von Friedrich Wilhelm IV. die Zusage erlangte, daß Preußen die Rechte der Herzogtümer, ihre Selbständigkeit, ihre Verbindung und das Erbrecht des Mannsstammes schützen werde.
Unter diesen Erschütterungen kam der Tag heran, an welchem die nach Frankfurt a. M. berufene Versammlung, das sog. Vorparlament, zusammentreten sollte. Am 31. März wurden die Verhandlungen desselben unter dem Vorsitz des Heidelberger Professors Mittermaier eröffnet. Struves republikanisches Programm ward abgewiesen, und die Beratung richtete sich zunächst auf die Berufung des künftigen Parlaments. Die Versammlung beschloß, Schleswig, [* 17] Ost- und Westpreußen [* 18] seien in den Deutschen Bund aufzunehmen und in dem künftigen Parlament durch Abgeordnete zu vertreten.
Auf je 50000 Seelen sollte ein aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehender Vertreter kommen. Am 1. Mai sollte die Versammlung in Frankfurt zusammentreten. Auch der Bundestag erließ 7. April eine diesen Beschlüssen entsprechende Verordnung. Eine schärfere Scheidung der Parteien machte sich bei der Frage geltend, ob die gegenwärtige Versammlung bis zum Beginn des Parlaments permanent bleiben oder nur einen Ausschuß zurücklassen solle; die letztere Ansicht drang durch. Ein Ausschuß von 50 Mitgliedern zur Überwachung der Durchführung der Beschlüsse wurde gewählt; aber die von Hecker und Struve geführte republikanische Minderheit schied nun aus der Versammlung aus. Mitten in die Thätigkeit des 4. April zusammengetretenen Fünfziger-Ausschusses fiel dann die Kunde, daß Hecker und Struve 12. April im bad. Oberlande eine republikanische Schilderhebung versucht hätten. Der Fünfziger-Ausschuß mahnte in ¶
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einem Aufrufe von jeder Beteiligung an dem Unternehmen ab und suchte, freilich vergeblich, durch eine Abordnung an Hecker die friedliche Unterwerfung zu erlangen. Die Heckerschen Freischaren wurden bei Kandern (20. April) geschlagen, jedoch der Anführer der bad. Truppen, General Friedrich von Gaggern, gleich beim Beginn des Kampfes getötet. Aus Freiburg [* 20] wurden die dort eingedrungenen Freischaren vertrieben und die unter Herwegh von Frankreich herübergekommenen deutschen Arbeiter bei Dossenbach zersprengt (27. April). Der Aufstand hatte die Wirkung, daß er die Parteien heftig entzweite und den alten Autoritäten Gelegenheit gab, wieder zu Kräften zu kommen. Gleichzeitig wütete in Posen [* 21] ein heftiger Kampf, der auf Lostrennung der ehemals poln. Landesteile von Preußen abzielte, aber von den preuß. Truppen niedergeschlagen ward. Inzwischen hatte auch der Kampf in Schleswig-Holstein [* 22] begonnen. Die dän. Truppen waren in Schleswig vorgedrungen, bis Preußen ein Armeekorps unter Wrangel entsendete, das (23. April) das Danewerk erstürmte, Schleswig einnahm und rasch bis an die Grenzen [* 23] Jütlands vordrang. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1848 bis 1850.)
Die Verfassungsangelegenheit war indes von den Vertrauensmännern (Schmerling, Sommaruga, Dahlmann, Todt, Zachariä, Uhland, Bassermann, Bergk, Langen, Droysen, Willmar, von der Gabelentz, Luther, M. von Gagern, Stever, Albrecht, Jaup, Petri, Gervinus), die der Bundestag einberufen hatte, in Beratung genommen, und 26. April wurde der Bundesversammlung der von Dahlmann ausgearbeitete sog. Siebzehner-Entwurf überreicht, wonach ein erblicher Kaiser, ein Oberhaus aus den regierenden Fürsten und Vertretern der einzelnen Kammern, ein Unterhaus aus gewählten Abgeordneten, von denen einer auf je 100000 Seelen käme, und ein oberstes Reichsgericht eingesetzt werden sollten.
Der Entwurf bedingte eine scharfe Unterordnung der Einzelstaaten und fand weder bei den Fürsten noch bei der radikalen Partei Beifall; aber warme Anerkennung ward ihm von seiten des Prinzen von Preußen zu teil, nur daß auch ihm jene Herunterdrückung der Einzelstaaten zu weit ging. Friedrich Wilhelm IV. aber träumte sich, wie einst die Patrioten der Befreiungskriege, eine Verfassung, in der er als gewählter Deutscher König unter Österreichs deutschem Kaisertum stünde.
Der Zusammentritt der Deutschen Nationalversammlung (18. Mai) fand ganz Deutschland in einer zerrütteten Lage. In den kleinern Staaten Mittel- und Süddeutschlands regten sich republikanische Elemente; die deutschen Großstaaten befanden sich mitten im Zustande der Revolution. In Wien [* 24] war (25. April) eine aufgezwungene Verfassung verkündet worden, die den Anstoß zu neuen Bewegungen gab. Man zwang das Ministerium Ficquelmont zum Rücktritt, und abermalige Unruhen (15. Mai) veranlaßten den Kaiser Ferdinand nach Innsbruck [* 25] zu flüchten. Glücklicher war die Regierung in ihrem Bemühen, die Wahlen zum Deutschen Parlament in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gleichzeitig war in Berlin die Zurückberufung des Prinzen von Preußen der Vorwand zu unruhigen Auftritten geworden, und der Zusammentritt der zur Vereinbarung über die preuß. Verfassung berufenen Versammlung vermehrte die Verlegenheiten, statt sie zu heben. Die Berufung dieser Versammlung veranlaßte das Frankfurter Parlament, nachdem es Heinrich von Gagern zum Präsidenten gewählt, zu dem ersten wichtigen Beschlusse über sein Verhältnis zu den in den einzelnen deutschen Staaten versammelten Landesvertretungen. Es erklärte 27. Mai, daß alle Bestimmungen einzelner deutscher Verfassungen, die mit dem von ihm zu gründenden allgemeinen Verfassungswerke nicht übereinstimmten, nur nach Maßgabe des Parlaments als gültig zu betrachten seien, und legte sich damit, übereinstimmend mit der Antrittsrede seines Präsidenten, in der Verfassungssache die souveräne Gewalt bei. Zunächst handelte es sich in der Versammlung nun um die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland. Nach vielfachen Erwägungen und Debatten über die teils konstitutionellen, teils demokratischen Vorschläge wurde endlich 28. Juni das Gesetz über die provisorische Centralgewalt angenommen, welches dem Reichsverweser und seinen verantwortlichen Ministern die vollziehende Gewalt übertrug, die Entscheidung über Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten durch ihn im Einverständnisse mit der Nationalversammlung ausüben ließ, aber die Errichtung des Verfassungswerkes von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausschloß und zugleich den Bundestag für aufgelöst erklärte. Am 29. Juni wurde von 436 Stimmen (unter 548 Anwesenden) der Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt.
Der Bundestag aber ließ es sich nicht nehmen, auch formell seine eigenen Befugnisse auf den Erzherzog zu übertragen. Die Regierungen wagten nicht, dem Reichsverweser ihre Anerkennung zu versagen, Preußen indes mit dem Vorbehalte, daß die Art der Wahl kein Präjudiz sein dürfe. Am 12. Juli erschien der Erzherzog in der Nationalversammlung und berief Schmerling, Peucker und Heckscher zu Ministern. Am 9. Aug. ward dann das Reichsministerium in der Art modifiziert und vervollständigt, daß Fürst Leiningen Präsident wurde, Heckscher das Innere übernahm.
Beckerath trat an die Spitze der Finanzen, Duckwitz ward Handelsminister, R. Mohl erhielt das Justizministerium, Peucker behielt die Leitung des Kriegswesens. Das Reichsministerium verordnete, daß in allen Staaten Deutschlands die Garnisonen 6. Aug. ausrücken und, nach Verlesung einer Proklamation des Reichsverwesers an das deutsche Volk, die Truppen demselben als Zeichen der Huldigung ein dreimaliges Hurrah ausbringen sollten. Die Anordnung erregte vielfache Mißstimmung bei den Regierungen. Auch beschränkte man sich in Preußen darauf, durch einen Armeebefehl bekannt zu machen, daß der Reichsverweser den Oberbefehl über die deutschen Truppen übernommen habe.
Indessen hatte die Nationalversammlung die Verfassungsarbeiten begonnen und sich in die Beratung der Grundrechte vertieft. Dem im Anfang der Märzbewegung laut gewordenen Freiheitsbegehren zu genügen, die Garantien für die Freiheit des Staatsbürgers, die sog. Grundrechte, sicher zu stellen, schien der Versammlung eine leichtere und dringendere Aufgabe als die Errichtung der nationalen Einheit, und über die weitläufigen Beratungen über diesen Punkt ging die kostbarste Zeit und Gelegenheit für die Lösung der Hauptaufgabe verloren. Auch von seiten der Regierungen wurde dem Verfassungswerk keine fruchtbare Anregung zu teil.
Währenddem waren Österreich und Preußen von revolutionären Zuckungen heimgesucht. Österreich ¶