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jetzt noch erhalten blieben, gab sich bald kund bei den neuen Gewaltthaten der Franzosen, wie bei der Besetzung Hannovers (1803) und bei der Ermordung des Herzogs von Enghien in Ettenheim (1804). In dem Kriege der dritten Koalition kämpften Bayern, [* 2] Württemberg, [* 3] Baden, [* 4] Hessen [* 5] und Nassau an der Seite Frankreichs gegen Österreich [* 6] (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805); durch den Preßburger Frieden (Dez. 1805) kamen die süddeutschen Lande Österreichs sowie Tirol [* 7] an Bayern, Württemberg und Baden, die beiden erstern erhielten den Königstitel.
Durch den Rheinbund (s. d.) vom Juli 1806 traten die Staaten des deutschen Südens und Westens in ein dauerndes festes Vasallenverhältnis zu Frankreich. Eine erhebliche Anzahl der kleinern Reichsfürsten wurde mediatisiert; auch die Ritterschaft und die kleinen weltlichen Herren verloren jetzt ihre Selbständigkeit, ebenso wie es schon 1803 mit den geistlichen Fürsten und den Reichsstädten geschehen war. Kaiser Franz, der bereits 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte, legte nach Begründung des Rheinbundes die deutsche Kaiserkrone nieder Danach war das alte Reich auch förmlich für beseitigt erklärt, nachdem es thatsächlich schon aufgehört hatte zu existieren.
Der Plan, auch in Norddeutschland einen Bund deutscher Fürsten zu stiften, hier unter Preußens [* 8] Führung, wie im Süden und Westen unter der Frankreichs, der Plan einer norddeutschen preuß. Kaiserwürde wurde vereitelt durch den ausbrechenden Krieg gegen Frankreich (s. Französisch-Preußisch-Russischer Krieg von 1806 und 1807). In dem Frieden von Tilsit [* 9] verlor Preußen [* 10] die Hälfte seiner Provinzen; es hatte alle seine Lande westlich der Elbe abzutreten und ebenso auch seine poln. Erwerbungen, mit Ausnahme von Westpreußen. [* 11]
Wie Österreich, so sollte auch Preußen aus Deutschland [* 12] hinausgedrängt und auf den Osten beschränkt werden. Aus den Landen westlich der Elbe und weiter aus Kurhessen, Braunschweig [* 13] und einem Teil von Hannover [* 14] ward das neue Königreich Westfalen [* 15] gebildet. In den Rheinbundsstaaten wurden die Rechtspflege, die Staats- und Heeresverfassung, die gesamte Verwaltung, die wirtschaftlichen und socialen Einrichtungen nach franz. Muster umgewandelt. Anders in Preußen.
Hier begann eine eigenartige Reform, die zu den franz. Staatsprincipien, zu den Ideen der Revolution und den Grundsätzen des Napoleonischen Bureaukratismus zum Teil im schärfsten Gegensatz stand, eine durch Stein, Scharnhorst und Hardenberg durchgeführte nationale Wiedergeburt, die gewaltige sittliche Kräfte erweckte, die das ganze Volk zum Dienst für das Vaterland aufrief, die die Grundlagen für den neuen preuß. Staat legte und in vieler Beziehung, so in der Selbstverwaltung und in der allgemeinen Wehrpflicht, für ganz Deutschland ein später immer mehr nachgeahmtes Vorbild aufstellte.
Eine Zeit lang begannen zwar auch in Österreich unter dem deutschgesinnten Minister Stadion verheißungsvolle Reformen, und früher als in Preußen, wo die übergroße Vorsicht und die Unentschlossenheit des Königs hemmend einwirkte, brach in Deutsch-Österreich der nationale Aufstand los; aber nur zu schnell wurden nach anfänglichen Erfolgen die Schilderhebung Österreichs und die im übrigen Deutschland versuchten Erhebungen niedergeworfen (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809), und mit der ersten Niederlage war auch die Reform in Österreich gebrochen, die deutsch-nationale Begeisterung erloschen.
Nach Stadions Rücktritt sank der Donaustaat unter Metternich in den frühern apathischen Zustand zurück. In Preußen dagegen nahm die patriotische Begeisterung und die allseitige Rüstung [* 16] zum Befreiungskämpfe unausgesetzt ihren Fortgang. Erbitterung und Haß machten sich auch in andern deutschen Gauen geltend ob der fortgesetzten Übergriffe des franz. Kaisers, der immer neue ungemessene Opfer an Geld und an Truppen forderte, der im Dez. 1810 es wagte, durch ein einfaches Dekret, ohne jedwedes Recht, die deutsche Nordseeküste dem franz. Kaiserreiche einzuverleiben.
Der Untergang der großen franz. Armee in Rußland (s. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815) gab endlich das Zeichen zur Erhebung. Das ganze preuß. Volk griff zu den Waffen, [* 17] das Joch der Fremden jetzt für immer abzuschütteln. Der Wunsch der nationalgesinnten preuß. Staatsmänner, der Plan vor allem des Freiherrn von Stein, ganz Deutschland nach dem Vorbild Preußens zum Kampfe aufzurufen, ging nicht in Erfüllung. Nur vereinzelt beteiligten sich an der Erhebung auch andere Landschaften.
Erst als Napoleons Stern im Sinken war, entschlossen sich die Rheinbundfürsten zu den Verbündeten überzugehen. Durch den Friedensschluß zu Paris [* 18] vom Mai 1814 wurde Frankreich auf die Grenzen [* 19] von 1792 eingeschränkt, alles später dem Deutschen Reich entrissene Gebiet mußte zurückgegeben werden. In dem zweiten Pariser Frieden vom Nov. 1815 wurden die Abtretungen Frankreichs vermehrt durch Landau, [* 20] das an Bayern, sowie durch Saarlouis und Saarbrücken, [* 21] das an Preußen kam.
Gegen die bestimmten Erwartungen der deutschen Patrioten verhinderten es die Sonderinteressen Rußlands und Englands, daß die früher von Frankreich gemachten Eroberungen, vor allem das Elsaß, an Deutschland zurückerstattet wurden. Der Wiener Kongreß (s. d.) 1815 regelte im einzelnen die neue territoriale Einteilung und die neue Verfassung Deutschlands. [* 22] Die Souveränität der Einzelstaaten ward anerkannt. Nur auf einigen Gebieten sollten nach den in der Bundesakte aufgestellten allgemeinen Normen gleichmäßige Einrichtungen in allen Bundesstaaten durchgeführt und allenthalben landständische Verfassungen geschaffen werden, eine Bestimmung, die nachher zu mannigfachen heftigen Zerwürfnissen geführt hat.
7) Von der Gründung des Deutschen Bundes 1815 bis zumJahre 1866. (S. Karte II, 7.) Die neue Bundesverfassung, die der Wiener Kongreß schuf, blieb hinter den Erwartungen weit zurück, mit welchen man im Laufe der großen Kämpfe sich getragen hatte. Die preuß. Staatsmänner aber hatten sich wenigstens redlich bemüht, eine starke Reichsgewalt auf Grund einer Kreisverfassung mit einem Schutze für die ständischen und freiheitlichen Rechte der Unterthanen zu erreichen.
Bei dem Widerstreben der Mittelstaaten erklärte auch Österreich diese Pläne für unausführbar und schlug einen nur völkerrechtlichen Bund der deutschen Staaten vor. So kam die Wiener Bundesakte vom zu stande. (S. Deutscher Bund.) Um die Hoffnung eines starken Deutschlands betrogen, wandte sich nun die öffentliche Meinung mit um so größerm Eifer dem Wunsche nach freiheitlichen Verfassungen im Innern zu, nicht ohne dabei in ihrer Gereiztheit und in beginnendem Mißtrauen gegen die Regierungen doktrinäre und unerfüllbare ¶
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Förderungen aufzustellen. Zwar traten mehrere deutsche Regierungen, wie Nassau (1814), Sachsen-Weimar (1816), Bayern und Baden (1818), Württemberg (1819), mit konstitutionellen Verfassungen hervor; aber gerade die größern Staaten, namentlich Preußen, das in der Verordnung vom eine allgemeine Nationalvertretung in Aussicht gestellt hatte, zögerten mit der Erfüllung. Bei den vielen unreifen und gärenden Elementen der nationalen und freisinnigen Richtung wurde es der reaktionären Partei nicht schwer, jene zu verdächtigen und die Regierungen mit Argwohn zu erfüllen.
Einige Unbesonnenheiten der studierenden Jugend, namentlich auf dem Wartburgfest (1817), wurden benutzt, die Gefahren des in Deutschland vorhandenen revolutionären Geistes in übertriebenem Lichte darzustellen. Die Ermordung Kotzebues durch Sand und das Attentat des Apothekers Löning auf den nassauischen Regierungspräsidenten Ibell schienen diese Auffassung zu bestätigen. Die Karlsbader Beschlüsse (s. d.), am vom Bundestage angenommen, stellten die Universitäten unter Aufsicht von außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten, führten, im Widerspruch mit der Bundesakte, die Censur zurück und schufen die Central-Untersuchungskommission zu Mainz, [* 24] deren Aufgabe es war, die geheimen Verbindungen und die angeblich in ihnen versteckten demagogischen Umtriebe aufzuspüren.
Noch in demselben Jahre trat auch in Preußen durch den Austritt der Minister W. von Humboldt, Boyen und Beyme aus dem Ministerium ein Wechsel in reaktionärem Sinne ein. Inzwischen war die Bundesverfassung durch die Wiener Schlußakte vom ergänzt worden; sie bestätigte freilich das Princip des losen völkerrechtlichen Bundes und der vollen Souveränität der Fürsten, ohne auf die nationalen Forderungen und die freiheitliche Entwicklung in den Einzelstaaten Rücksicht zu nehmen.
Bedeutungsvoll für Preußens künftige Politik war der Art. 6, der die Abtretung von Souveränitätsrechten an Mitverbündete gestattete. In dem, was Preußen in dieser Richtung bei Begründung des Zollvereins (s. d.) that, liegt der Fortschritt der deutschen Entwicklung in diesem Jahrzehnt. Am Bundestage fand die von Preußen geförderte Bundeskriegsverfassung bei den Mittel- und Kleinstaaten hemmenden Widerstand, während umgekehrt die Parteinahme Württembergs für den konstitutionellen Gedanken von den Großmächten bald niedergedrückt wurde. Mehr und mehr dadurch in das rein liberale Fahrwasser gedrängt, ward die öffentliche Meinung durch die franz. Julirevolution 1830 mächtig erregt. Teils durch Agitation, teils durch Auflehnung wurden die kleinern deutschen Regierungen zu Konzessionen gezwungen, während die Großmächte durch die in Polen und Belgien [* 25] ausgebrochene Revolution im Schach gehalten waren.
Jetzt erhielten Kurhessen, Braunschweig und Sachsen [* 26] neue Verfassungen. In andern Staaten wurde die freie Presse [* 27] eingeführt und die Gesetzgebung im Sinne des Liberalismus umgestaltet. Einzelne Übertreibungen, wie sie sich z. B. auf dem Hambacher Feste (s. Hambach) kundgaben, wurden sehr bald für die Regierungen Handhaben, energisch einzuschreiten und die gemachten Konzessionen durch Bundesmaßregeln wieder aufzuheben (1832). Weitere Kundgebungen, wie das Frankfurter Attentat (s. d.) 1833, dienten nur dazu, die polizeiliche Thätigkeit des Bundestags zu steigern. Den Schlußstein dieser Thätigkeit bildeten die auf den Ministerkonferenzen in Wien [* 28] gefaßten geheimen Konferenzbeschlüsse von 1834, welche direkt gegen die einzelnen Repräsentativverfassungen gerichtet waren und deren Befugnisse beschränken sollten.
Einen Wendepunkt in diesen reaktionären Bestrebungen brachte das J. 1837 hervor. Der Tod Wilhelms IV. von England hob die Personalunion zwischen Großbritannien [* 29] und Hannover auf und rief den Bruder des Verstorbenen, Ernst August, als König auf den hannov. Thron. [* 30] Er begann seine Regierung damit, die in anerkannter Wirksamkeit bestehende und danach den Schutz der Wiener Schlußakte genießende Verfassung von 1833 aufzuheben und die alte Verfassung von 1819 herzustellen.
Der legale Widerstand, den er im ganzen Lande fand, wurde zwar allmählich mit gewaltsamen Mitteln überwältigt, aber der Eindruck dieses Ereignisses war außerordentlich groß, besonders seit der Bundestag, zum Schutze der Verfassung angerufen, sich für inkompetent erklärte. Von diesem Augenblicke an war das moralische Vertrauen auf den Bundestag aufs tiefste erschüttert, und man sah in ihm nur noch ein polizeiliches Institut. Der gleichzeitig ausgebrochene Streit des Erzbischofs von Köln, [* 31] Droste-Vischering, mit der preuß. Regierung trug ebenfalls dazu bei, die Gärung zu unterhalten, zumal derselbe enthüllte, welche Macht die röm.-hierarchische Partei in Deutschland erlangt hatte.
Mitten in diese Widerwärtigkeiten fiel die Gründung des Preußisch-Deutschen Zollvereins. Nachdem die in der Bundesverfassung von 1815 in dieser Richtung gegebenen Zusagen unerfüllt geblieben, hatten sich die einzelnen Staaten durch gesonderte Verbindungen zu helfen gesucht; Preußen hatte 1818 sein eigenes Zollsystem eingeführt, und 1828 gelang es ihm, den ersten Zollverein mit Hessen-Darmstadt abzuschließen. Gleichzeitig einigten sich Bayern und Württemberg, und im Gegensatz zu dem preuß. System schlossen Sachsen, Hannover, Kurhessen, Nassau und Oldenburg [* 32] den Mitteldeutschen Handelsverein ab. Aber alles drängte zu weiterer Einigung; Preußen verständigte sich schon 1829 mit Bayern und Württemberg, und 1833 kam der Zollverein zwischen Preußen und dem größten Teile der Mittel- und Kleinstaaten zu stande. War schon die materielle Wirkung des Vereins eine sehr wohlthätige, indem sie in Verbindung mit den neugegründeten Verkehrsmitteln, namentlich den nun allerwärts begonnenen Eisenbahnen, eine neue Periode des deutschen Handels und der Industrie hervorrief, so überzeugte er auch die einzelnen Staaten und Stämme von der Notwendigkeit einer einträchtigen Verbindung und leistete dem Drange nach nationaler Einheit Vorschub.
Das J. 1840 entfachte die alten Kriegs- und Eroberungsgelüste Frankreichs; wenigstens schlug das Ministerium Thiers, als es sich in der ägypt.-syr. Frage isoliert sah, diesen Ton drohend an. Mit ungewohnter Energie sprach man sich in ganz Deutschland gegen jede Wiederbelebung Napoleonischer Tendenzen aus. Der nationale Gedanke war wiederum erwacht; die Aufgabe der Regierungen war es, ihn zu pflegen und durch eine freiere Bewegung in öffentlichen Dingen die vorhandenen Mißverhältnisse auszugleichen. Es galt jetzt, das unselige System des Mißtrauens und der polizeilichen Bevormundung aufzugeben, dem öffentlichen ¶