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sie bringt schließlich die Kaiserkrone (1745) einem habsburg. Fürsten, ihrem Gemahl Franz I., zurück. Mit ihm geht die deutsche Kaiserwürde bis zu ihrer Beseitigung 1806 an das habsburgisch-lothr. Haus über. Mit leidenschaftlichem Eifer arbeiteten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz dahin, die errungenen Erfolge weiter zu führen durch stetige Verbesserungen im Heerwesen und in der innern Verwaltung. Durch neue Bündnisse mit allen Gegnern Preußens [* 2] verfolgt sie das Ziel, den deutschen Nebenbuhler mit Hilfe einer großen europ. Koalition niederzuwerfen, Preußen [* 3] zu der frühern Bedeutungslosigkeit wieder herabzudrücken.
Der Siebenjährige Krieg (s. d.), 1756-63, der siegreiche Widerstand Friedrichs d. Gr. gegen die vereinte Macht fast des ganzen europ. Festlandes, vereitelte den Versuch, die österr. Herrschaft in Deutschland [* 4] wiederherzustellen. Der Krieg erhob Preußen zu einer der angesehensten europ. Mächte; er vernichtete vollständig die Bedeutung des deutschen Kaisertums und der Reichsinstitutionen, die mit ihren veralteten hohlen Formen, mit der Achtserklärung gegen Preußen und mit dem jammervollen Aufgebot der Reichsarmee für rein dynastisch-habsburg.
Zwecke hatten verwendet werden sollen. Doch auch Österreich [* 5] war durch die Kämpfe erstarkt, mit Selbstbewußtsein erfüllt, durch die fortgesetzten Reformen im Innern gekräftigt. Kaiser Joseph II. nahm die Pläne der Mutter wieder auf, erweiterte und vergrößerte sie; aber nicht mit Ruhe und Besonnenheit, sondern stürmisch vorwärts dringend griff er die Aufgabe an, Österreichs gefährdete Stellung im Reiche zu sichern, seine Macht wieder nach Westen auszudehnen und für immer, wenigstens in Oberdeutschland, fest zu begründen.
Nichts konnte für das Übergewicht der Habsburger gelegener sein als die Einverleibung Bayerns, des bedeutendsten Territoriums im Süden; ein Ziel, das schon Joseph I. und Maria Theresia verfolgt, und das jetzt um so eher erreichbar schien, als 1777 die bayrisch-wittelsbachische Linie ausstarb. Friedrich übernahm es, die Erweiterung der österr. Herrschaft in Süddeutschland zu verhindern. Mit Sachsen [* 6] vereint, griff er gegen Österreich zu den Waffen, [* 7] als Joseph durch einen Vertrag mit dem Pfälzer Karl Theodor einen bedeutenden Teil Bayerns zu erwerben im Begriff stand.
Durch den Bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) wurde Österreich zu dem Frieden von Teschen genötigt; es mußte sich mit der kleinen Erwerbung des Innviertels begnügen. Sechs Jahre später, 1785, als Joseph gegen Überlassung von Bayern [* 8] die österr. Niederlande [* 9] an Karl Theodor abtreten wollte, wurde von Friedrich II. der Fürstenbund (s. d.) gestiftet, dem eine große Zahl deutscher Fürsten beitrat und der Joseph II. zum Verzicht auf seine Absichten drängte. Zwischen Österreich und Preußen, deren Gegensatz die Geschichte Deutschlands [* 10] seit dem Regierungsantritt Friedrichs d. Gr. bis zum J. 1866 beherrscht, suchte Rußland eine ausschlaggebende Stellung zu erwerben. Im Bunde mit Rußland wurden die drei Teilungen Polens von den beiden deutschen Mächten durchgeführt.
Die preuß. Erwerbungen der ersten Teilung von 1772 und auch mehrere Gebiete aus der zweiten Teilung (Danzig [* 11] und Thorn [* 12] sowie der Regierungsbezirk Posen) [* 13] sind seit jener Zeit für immer mit Deutschland vereinigt worden. Wie in der Politik und im Staatsleben, für Norddeutschland wenigstens, wieder ein selbständiges deutsches Gemeinwesen geschaffen war, ähnlich wurde jetzt auch auf geistigem, auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiete die Abhängigkeit von den Fremden vernichtet und ein goldenes Zeitalter der deutschen Litteratur herbeigeführt durch die großen Vertreter der deutschen klassischen Dichtkunst.
Der Ausbruch der Französischen Revolution vereinigte die zwei bisher getrennten deutschen Großmächte auf kurze Zeit. Nach der Thronbesteigung Leopolds II. löste sich das gespannte Verhältnis. Leopold II. suchte die Aussöhnung einzuleiten. König Friedrich Wilhelm II. wandte sich von dem Minister Hertzberg ab; Bischofswerder, der Anhänger Österreichs, gewann maßgebenden Einfluß auf die preuß. Politik. Der Konvention von Reichenbach [* 14] vom Juli 1790, mit der die weit ausgreifenden Pläne Hertzbergs aufgegeben wurden, folgte im Aug. 1791 die Zusammenkunft beider Monarchen in Pillnitz. So vorsichtig und besonnen auch die österr. und die preuß. Regierung sich der Französischen Revolution gegenüber zunächst verhielten, in Frankreich, wo die Girondisten ans Ruder gekommen waren, drängte man zum Kriege gegen die deutschen Mächte.
Der nun von Preußen und Österreich in der Offensive aufgenommene Kampf schien im Sommer 1792 nach dem Einrücken in Frankreich zu erheblichen Erfolgen zu führen. Doch bald wendete sich das Blatt. [* 15] Nach der erfolglosen Kanonade bei Valmy (20. Sept.) räumte der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunschweig, [* 16] das franz. Gebiet. Die weitern Kämpfe gegen die Heere der Republik verliefen zumeist ebenso ruhmlos. Auch das Deutsche Reich [* 17] beteiligte sich seit 1793 an dem Kriege, und eine Zahl von auswärtigen Staaten schloß sich den Deutschen in der sog. ersten Koalition an. Nicht so sehr die Tüchtigkeit und Tapferkeit der Franzosen, als vielmehr die Uneinigkeit und Eifersucht der verbündeten Mächte führte den unglücklichen Ausgang des Kampfes herbei. (S. Französische Revolutionskriege.) Von einem Angriff Rußlands und Österreichs im Osten bedroht, glaubten sich die preuß. Staatsmänner, um in Polen ihre Stellung behaupten zu können, zur Annahme der Neutralität im Westen genötigt.
Durch den Baseler Frieden gab Preußen 1795 den Kampf auf und überließ das deutsche Land am linken Rheinufer den Franzosen. Das Gleiche that Österreich 1797 durch den Frieden von Campo-Formio. Der Rastatter Friedenskongreß zeigte Deutschland in seiner innern Zerrissenheit und beherrscht durch fremden Einfluß. Nachdem ein neuer Krieg, den Österreich mit Rußland, England und Neapel [* 18] gegen Frankreich führte (1799-1801), erfolglos geblieben, bestätigte der Friede von Lunéville den Verlust des deutschen Landes links des Rheins.
Unter russ. und franz. Vermittelung wurden die Verhandlungen geführt über die Entschädigung der deutschen Fürsten, die auf dem linken Rheinufer Verluste erlitten hatten. Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 brachte die Vernichtung der geistlichen Fürstentümer und der Reichsstädte sowie eines Teils der kleinern weltlichen Fürsten. An Stelle der zwei eingegangenen geistlichen Kurfürstentümer traten vier neue Kurfürstentümer: Baden, [* 19] Württemberg, [* 20] Hessen-Cassel und Salzburg, [* 21] sodaß nun mit Sachsen, Böhmen, [* 22] Brandenburg, [* 23] Pfalz-Bayern und Hannover [* 24] acht weltliche Kurfürstentümer nur zwei geistlichen, Kurmainz und Salzburg, gegenüberstanden. Im Kurfürsten- wie im Fürstenkollegium gewann der Protestantismus das Übergewicht. Die schattenhafte Ohnmacht des Reichs, dessen Formen auch ¶
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jetzt noch erhalten blieben, gab sich bald kund bei den neuen Gewaltthaten der Franzosen, wie bei der Besetzung Hannovers (1803) und bei der Ermordung des Herzogs von Enghien in Ettenheim (1804). In dem Kriege der dritten Koalition kämpften Bayern, Württemberg, Baden, Hessen [* 26] und Nassau an der Seite Frankreichs gegen Österreich (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805); durch den Preßburger Frieden (Dez. 1805) kamen die süddeutschen Lande Österreichs sowie Tirol [* 27] an Bayern, Württemberg und Baden, die beiden erstern erhielten den Königstitel.
Durch den Rheinbund (s. d.) vom Juli 1806 traten die Staaten des deutschen Südens und Westens in ein dauerndes festes Vasallenverhältnis zu Frankreich. Eine erhebliche Anzahl der kleinern Reichsfürsten wurde mediatisiert; auch die Ritterschaft und die kleinen weltlichen Herren verloren jetzt ihre Selbständigkeit, ebenso wie es schon 1803 mit den geistlichen Fürsten und den Reichsstädten geschehen war. Kaiser Franz, der bereits 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte, legte nach Begründung des Rheinbundes die deutsche Kaiserkrone nieder Danach war das alte Reich auch förmlich für beseitigt erklärt, nachdem es thatsächlich schon aufgehört hatte zu existieren.
Der Plan, auch in Norddeutschland einen Bund deutscher Fürsten zu stiften, hier unter Preußens Führung, wie im Süden und Westen unter der Frankreichs, der Plan einer norddeutschen preuß. Kaiserwürde wurde vereitelt durch den ausbrechenden Krieg gegen Frankreich (s. Französisch-Preußisch-Russischer Krieg von 1806 und 1807). In dem Frieden von Tilsit [* 28] verlor Preußen die Hälfte seiner Provinzen; es hatte alle seine Lande westlich der Elbe abzutreten und ebenso auch seine poln. Erwerbungen, mit Ausnahme von Westpreußen. [* 29]
Wie Österreich, so sollte auch Preußen aus Deutschland hinausgedrängt und auf den Osten beschränkt werden. Aus den Landen westlich der Elbe und weiter aus Kurhessen, Braunschweig und einem Teil von Hannover ward das neue Königreich Westfalen [* 30] gebildet. In den Rheinbundsstaaten wurden die Rechtspflege, die Staats- und Heeresverfassung, die gesamte Verwaltung, die wirtschaftlichen und socialen Einrichtungen nach franz. Muster umgewandelt. Anders in Preußen.
Hier begann eine eigenartige Reform, die zu den franz. Staatsprincipien, zu den Ideen der Revolution und den Grundsätzen des Napoleonischen Bureaukratismus zum Teil im schärfsten Gegensatz stand, eine durch Stein, Scharnhorst und Hardenberg durchgeführte nationale Wiedergeburt, die gewaltige sittliche Kräfte erweckte, die das ganze Volk zum Dienst für das Vaterland aufrief, die die Grundlagen für den neuen preuß. Staat legte und in vieler Beziehung, so in der Selbstverwaltung und in der allgemeinen Wehrpflicht, für ganz Deutschland ein später immer mehr nachgeahmtes Vorbild aufstellte.
Eine Zeit lang begannen zwar auch in Österreich unter dem deutschgesinnten Minister Stadion verheißungsvolle Reformen, und früher als in Preußen, wo die übergroße Vorsicht und die Unentschlossenheit des Königs hemmend einwirkte, brach in Deutsch-Österreich der nationale Aufstand los; aber nur zu schnell wurden nach anfänglichen Erfolgen die Schilderhebung Österreichs und die im übrigen Deutschland versuchten Erhebungen niedergeworfen (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809), und mit der ersten Niederlage war auch die Reform in Österreich gebrochen, die deutsch-nationale Begeisterung erloschen.
Nach Stadions Rücktritt sank der Donaustaat unter Metternich in den frühern apathischen Zustand zurück. In Preußen dagegen nahm die patriotische Begeisterung und die allseitige Rüstung [* 31] zum Befreiungskämpfe unausgesetzt ihren Fortgang. Erbitterung und Haß machten sich auch in andern deutschen Gauen geltend ob der fortgesetzten Übergriffe des franz. Kaisers, der immer neue ungemessene Opfer an Geld und an Truppen forderte, der im Dez. 1810 es wagte, durch ein einfaches Dekret, ohne jedwedes Recht, die deutsche Nordseeküste dem franz. Kaiserreiche einzuverleiben.
Der Untergang der großen franz. Armee in Rußland (s. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815) gab endlich das Zeichen zur Erhebung. Das ganze preuß. Volk griff zu den Waffen, das Joch der Fremden jetzt für immer abzuschütteln. Der Wunsch der nationalgesinnten preuß. Staatsmänner, der Plan vor allem des Freiherrn von Stein, ganz Deutschland nach dem Vorbild Preußens zum Kampfe aufzurufen, ging nicht in Erfüllung. Nur vereinzelt beteiligten sich an der Erhebung auch andere Landschaften.
Erst als Napoleons Stern im Sinken war, entschlossen sich die Rheinbundfürsten zu den Verbündeten überzugehen. Durch den Friedensschluß zu Paris [* 32] vom Mai 1814 wurde Frankreich auf die Grenzen [* 33] von 1792 eingeschränkt, alles später dem Deutschen Reich entrissene Gebiet mußte zurückgegeben werden. In dem zweiten Pariser Frieden vom Nov. 1815 wurden die Abtretungen Frankreichs vermehrt durch Landau, [* 34] das an Bayern, sowie durch Saarlouis und Saarbrücken, [* 35] das an Preußen kam.
Gegen die bestimmten Erwartungen der deutschen Patrioten verhinderten es die Sonderinteressen Rußlands und Englands, daß die früher von Frankreich gemachten Eroberungen, vor allem das Elsaß, an Deutschland zurückerstattet wurden. Der Wiener Kongreß (s. d.) 1815 regelte im einzelnen die neue territoriale Einteilung und die neue Verfassung Deutschlands. Die Souveränität der Einzelstaaten ward anerkannt. Nur auf einigen Gebieten sollten nach den in der Bundesakte aufgestellten allgemeinen Normen gleichmäßige Einrichtungen in allen Bundesstaaten durchgeführt und allenthalben landständische Verfassungen geschaffen werden, eine Bestimmung, die nachher zu mannigfachen heftigen Zerwürfnissen geführt hat.
7) Von der Gründung des Deutschen Bundes 1815 bis zumJahre 1866. (S. Karte II, 7.) Die neue Bundesverfassung, die der Wiener Kongreß schuf, blieb hinter den Erwartungen weit zurück, mit welchen man im Laufe der großen Kämpfe sich getragen hatte. Die preuß. Staatsmänner aber hatten sich wenigstens redlich bemüht, eine starke Reichsgewalt auf Grund einer Kreisverfassung mit einem Schutze für die ständischen und freiheitlichen Rechte der Unterthanen zu erreichen.
Bei dem Widerstreben der Mittelstaaten erklärte auch Österreich diese Pläne für unausführbar und schlug einen nur völkerrechtlichen Bund der deutschen Staaten vor. So kam die Wiener Bundesakte vom zu stande. (S. Deutscher Bund.) Um die Hoffnung eines starken Deutschlands betrogen, wandte sich nun die öffentliche Meinung mit um so größerm Eifer dem Wunsche nach freiheitlichen Verfassungen im Innern zu, nicht ohne dabei in ihrer Gereiztheit und in beginnendem Mißtrauen gegen die Regierungen doktrinäre und unerfüllbare ¶