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nach deutschen Ländern. Bei dem Aussterben der pfalzsimmernschen Linie, die den Kurhut trug, mußte Kurpfalz an den kath. Pfalzgrafen von Neuburg [* 2] fallen. Doch Ludwig XIV. erhob für seine Schwägerin, die pfälz. Prinzessin Elisabeth Charlotte, Ansprüche auf das reiche pfälz. Erbe. Um dem franz. Angriff zu begegnen, vereinigten sich die süddeutschen Reichsstände 1686 in dem Bündnis von Augsburg, [* 3] dem auch der Kaiser, Schweden [* 4] und Spanien [* 5] sich anschlossen und das sich 1689 durch den Beitritt von England, Holland, Savoyen zu der großen Wiener Allianz erweiterte.
Auch die Brandenburger fochten an der Seite der Alliierten (seit 1688), eroberten Kaiserswerth und Bonn, [* 6] die Residenz des mit Frankreich verbündeten Erzbischofs von Köln. [* 7] Trotz mancher Erfolge brachte der Friede von Ryswijk (1697) nicht den erhofften Gewinn und keine Entschädigung für die furchtbare Verwüstung der Pfalz und der andern rhein. Lande. Im Innern des Reichs rief die Erhebung des Herzogs von Hannover [* 8] zum Kurfürsten (1692) einen lange währenden erbitterten Streit hervor (s. Ernst August und Fürstenverein).
Die bald darauf folgende Wahl des Kurfürsten August von Sachsen [* 9] zum König von Polen sowie die Erwerbung der preuß. Königskrone durch den Brandenburger Friedrich III. trug nur dazu bei, die Auflösung des Reichs noch zu beschleunigen. Nachdem Kurfürst August II. von Sachsen dem luth. Glauben untreu geworden war (1697), ging die thatsächliche Führung des Corpus Evangelicorum im Reiche und am Reichstage von Sachsen auf Brandenburg [* 10] über. In einen neuen schweren Krieg gegen Frankreich wurde das Deutsche Reich [* 11] von 1702 bis 1714 verwickelt durch die Ansprüche, die Österreich [* 12] auf das span. Erbe geltend machte (s. Spanischer Erbfolgekrieg), während gleichzeitig auch die deutschen Ostgrenzen im Nordischen Kriege (s. d.) von fremdem Kriegsvolk, von Russen, Polen und Schweden überschwemmt wurden.
Nach den glänzenden Siegen [* 13] des Prinzen Eugen und Marlboroughs, und nachdem Österreich unter Kaiser Joseph I. eine sichere und thatkräftige Aktionspolitik aufgenommen hatte, da schien es, als solle durch die Demütigung Ludwigs XIV. Deutschland [* 14] endlich in den Niederbesitz der ihm entrissenen Westprovinzen und die kaiserl. Gewalt wieder zu einem beherrschenden und leitenden Einfluß im Reiche gelangen. Doch all diese Hoffnungen zerschlugen sich, als Kaiser Joseph plötzlich starb (1711). Sein Bruder Karl VI., der Nachfolger in Österreich und im Reiche, dem bereits das span. Erbe zufallen sollte, war nicht fähig, die von Joseph verfolgten Bestrebungen mit sicherer Hand [* 15] weiter zu führen.
England und Holland verließen ihn im Utrechter Frieden (1713), da sie die Weltmonarchie Karls V. nicht erneuert sehen und nicht die habsburg. Vorherrschaft in Europa [* 16] befördern wollten. 1714 war der Kaiser genötigt, im Rastatter Frieden und für das Reich im Frieden von Baden [* 17] den Utrechter Bestimmungen beizutreten. Nach all den schweren Opfern trug Deutschland aus dem langen Kriege keinerlei Gewinn davon, während Österreich in Italien [* 18] und in den Niederlanden eine ganz bedeutende Machterweiterung erhielt.
Nur im Osten wurden 1720 durch den Stockholmer Frieden zwischen Schweden und Preußen [* 19] die Grenzmarken Deutschlands [* 20] weiter ausgedehnt. Als 1714 die Kurfürsten von Hannover die Nachfolge als Könige von England antraten, da ward auch das dritte und letzte evang. Kurfürstentum mit seinen polit. Hauptinteressen der Reichspolitik abgewendet und der europ. Politik zugeführt. Kaiser Karl VI. war während seiner Regierung (1711-40) hauptsächlich damit beschäftigt, bei dem bevorstehenden Aussterben der männlichen Linie der Habsburger seiner Tochter Maria Theresia die Nachfolge in allen österr.
Erblanden zu verschaffen. Um die 1713 aufgestellte Pragmatische Sanktion (s. d.) zu sichern und von den übrigen Mächten anerkannt zu sehen, wurden die mannigfachsten Unterhandlungen geführt und mehrere Provinzen geopfert, in der Hoffnung, dadurch die Garantien Frankreichs und Spaniens zu erlangen. Aber gerade Preußen, auf dessen unbedingte Zustimmung das meiste ankam, wurde vom Kaiserhofe mit Mißachtung und Undank überhäuft. Nach dem poln. Thronfolgekriege, 1733-38, in den durch Österreich auch das Reich hineingezogen wurde, gab Kaiser Karl ein deutsches Reichsland, Lothringen, dem poln. Kronprätendenten Stanislaus Leszczynski und dessen Erben, dem franz. Könige, preis gegen das von Frankreich später doch nicht eingehaltene Versprechen, die Pragmatische Sanktion anzuerkennen.
Im Innern des Reichs war die Regierungsweise Ludwigs XIV. maßgebend geworden, die franz. Günstlings- und Maitressenwirtschaft fand an den meisten deutschen Höfen Eingang; auch Bildung, Sitte und Mode ward in den herrschenden Kreisen der Gesellschaft nach franz. Vorbildern gestaltet. Nur das junge Königreich Preußen bot unter einer straff militär. Form, unter einem pflichtbewußten Fürstenhause das Bild einer fürsorglichen und sparsamen Regierung dar.
Die unter König Friedrich Wilhelm I. angesammelte und vorbereitete Kraft [* 21] wußte sein Sohn Friedrich II. zu benutzen, um den preuß. Staat zu einer europ. Großmacht und neben Österreich zu der führenden Macht in Deutschland zu erheben. Durch die zwei Schlesischen Kriege (s. d.) gelangte Preußen in den Besitz der reichsten deutschen Provinz Österreichs. Das Hinausdrängen der Habsburger aus Deutschland, das schon im Westfälischen Frieden mit der Abtretung der österr.
Besitzungen im Elsaß begonnen hatte, wurde jetzt um ein Bedeutendes gefördert. Und neben dem Verlust Schlesiens war Österreich, nach dem Aussterben des habsburg. Mannsstammes, auch noch von der weitern Gefahr bedroht, daß durch die 1742 einem Wittelsbacher, Karl VII., zugewendete Kaiserkrone sowie durch die Ansprüche, die Bayern [* 22] und Sachsen auf die österr. Erblande erhoben, das habsburg. Haus schon damals gänzlich aus Deutschland verdrängt und auf die Länder an der mittlern und untern Donau beschränkt würde.
Der thatkräftigen letzten Habsburgerin, der Kaiserin Maria Theresia und später ihrem nicht minder energischen Sohne, Joseph II., hatte Österreich es zu danken, daß diese Gefahr im 18. Jahrhundert noch abgewendet wurde. Dagegen aber drang Preußen mehr und mehr nach dem Westen, in die altdeutschen Lande, in das Herz des Reichs ein. Gegenüber dieser allgemeinen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Österreich, Preußen und Deutschland strebten Maria Theresia und Joseph II. danach, das drohende Hinausdrängen Österreichs aus Deutschland zu hindern. Dafür streitet Maria Theresia unbeirrt im Österreichischen Erbfolgekriege (1741-48) gegen den Wittelsbacher Karl VII. und die ihn unterstützenden Franzosen, sie schlägt dessen Kaiserthron in Trümmer, sie sucht durch Einverleibung von Bayern den Süden Deutschlands für immer an Habsburg zu ketten, ¶
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sie bringt schließlich die Kaiserkrone (1745) einem habsburg. Fürsten, ihrem Gemahl Franz I., zurück. Mit ihm geht die deutsche Kaiserwürde bis zu ihrer Beseitigung 1806 an das habsburgisch-lothr. Haus über. Mit leidenschaftlichem Eifer arbeiteten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz dahin, die errungenen Erfolge weiter zu führen durch stetige Verbesserungen im Heerwesen und in der innern Verwaltung. Durch neue Bündnisse mit allen Gegnern Preußens [* 24] verfolgt sie das Ziel, den deutschen Nebenbuhler mit Hilfe einer großen europ. Koalition niederzuwerfen, Preußen zu der frühern Bedeutungslosigkeit wieder herabzudrücken.
Der Siebenjährige Krieg (s. d.), 1756-63, der siegreiche Widerstand Friedrichs d. Gr. gegen die vereinte Macht fast des ganzen europ. Festlandes, vereitelte den Versuch, die österr. Herrschaft in Deutschland wiederherzustellen. Der Krieg erhob Preußen zu einer der angesehensten europ. Mächte; er vernichtete vollständig die Bedeutung des deutschen Kaisertums und der Reichsinstitutionen, die mit ihren veralteten hohlen Formen, mit der Achtserklärung gegen Preußen und mit dem jammervollen Aufgebot der Reichsarmee für rein dynastisch-habsburg.
Zwecke hatten verwendet werden sollen. Doch auch Österreich war durch die Kämpfe erstarkt, mit Selbstbewußtsein erfüllt, durch die fortgesetzten Reformen im Innern gekräftigt. Kaiser Joseph II. nahm die Pläne der Mutter wieder auf, erweiterte und vergrößerte sie; aber nicht mit Ruhe und Besonnenheit, sondern stürmisch vorwärts dringend griff er die Aufgabe an, Österreichs gefährdete Stellung im Reiche zu sichern, seine Macht wieder nach Westen auszudehnen und für immer, wenigstens in Oberdeutschland, fest zu begründen.
Nichts konnte für das Übergewicht der Habsburger gelegener sein als die Einverleibung Bayerns, des bedeutendsten Territoriums im Süden; ein Ziel, das schon Joseph I. und Maria Theresia verfolgt, und das jetzt um so eher erreichbar schien, als 1777 die bayrisch-wittelsbachische Linie ausstarb. Friedrich übernahm es, die Erweiterung der österr. Herrschaft in Süddeutschland zu verhindern. Mit Sachsen vereint, griff er gegen Österreich zu den Waffen, [* 25] als Joseph durch einen Vertrag mit dem Pfälzer Karl Theodor einen bedeutenden Teil Bayerns zu erwerben im Begriff stand.
Durch den Bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) wurde Österreich zu dem Frieden von Teschen genötigt; es mußte sich mit der kleinen Erwerbung des Innviertels begnügen. Sechs Jahre später, 1785, als Joseph gegen Überlassung von Bayern die österr. Niederlande [* 26] an Karl Theodor abtreten wollte, wurde von Friedrich II. der Fürstenbund (s. d.) gestiftet, dem eine große Zahl deutscher Fürsten beitrat und der Joseph II. zum Verzicht auf seine Absichten drängte. Zwischen Österreich und Preußen, deren Gegensatz die Geschichte Deutschlands seit dem Regierungsantritt Friedrichs d. Gr. bis zum J. 1866 beherrscht, suchte Rußland eine ausschlaggebende Stellung zu erwerben. Im Bunde mit Rußland wurden die drei Teilungen Polens von den beiden deutschen Mächten durchgeführt.
Die preuß. Erwerbungen der ersten Teilung von 1772 und auch mehrere Gebiete aus der zweiten Teilung (Danzig [* 27] und Thorn [* 28] sowie der Regierungsbezirk Posen) [* 29] sind seit jener Zeit für immer mit Deutschland vereinigt worden. Wie in der Politik und im Staatsleben, für Norddeutschland wenigstens, wieder ein selbständiges deutsches Gemeinwesen geschaffen war, ähnlich wurde jetzt auch auf geistigem, auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiete die Abhängigkeit von den Fremden vernichtet und ein goldenes Zeitalter der deutschen Litteratur herbeigeführt durch die großen Vertreter der deutschen klassischen Dichtkunst.
Der Ausbruch der Französischen Revolution vereinigte die zwei bisher getrennten deutschen Großmächte auf kurze Zeit. Nach der Thronbesteigung Leopolds II. löste sich das gespannte Verhältnis. Leopold II. suchte die Aussöhnung einzuleiten. König Friedrich Wilhelm II. wandte sich von dem Minister Hertzberg ab; Bischofswerder, der Anhänger Österreichs, gewann maßgebenden Einfluß auf die preuß. Politik. Der Konvention von Reichenbach [* 30] vom Juli 1790, mit der die weit ausgreifenden Pläne Hertzbergs aufgegeben wurden, folgte im Aug. 1791 die Zusammenkunft beider Monarchen in Pillnitz. So vorsichtig und besonnen auch die österr. und die preuß. Regierung sich der Französischen Revolution gegenüber zunächst verhielten, in Frankreich, wo die Girondisten ans Ruder gekommen waren, drängte man zum Kriege gegen die deutschen Mächte.
Der nun von Preußen und Österreich in der Offensive aufgenommene Kampf schien im Sommer 1792 nach dem Einrücken in Frankreich zu erheblichen Erfolgen zu führen. Doch bald wendete sich das Blatt. [* 31] Nach der erfolglosen Kanonade bei Valmy (20. Sept.) räumte der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunschweig, [* 32] das franz. Gebiet. Die weitern Kämpfe gegen die Heere der Republik verliefen zumeist ebenso ruhmlos. Auch das Deutsche Reich beteiligte sich seit 1793 an dem Kriege, und eine Zahl von auswärtigen Staaten schloß sich den Deutschen in der sog. ersten Koalition an. Nicht so sehr die Tüchtigkeit und Tapferkeit der Franzosen, als vielmehr die Uneinigkeit und Eifersucht der verbündeten Mächte führte den unglücklichen Ausgang des Kampfes herbei. (S. Französische Revolutionskriege.) Von einem Angriff Rußlands und Österreichs im Osten bedroht, glaubten sich die preuß. Staatsmänner, um in Polen ihre Stellung behaupten zu können, zur Annahme der Neutralität im Westen genötigt.
Durch den Baseler Frieden gab Preußen 1795 den Kampf auf und überließ das deutsche Land am linken Rheinufer den Franzosen. Das Gleiche that Österreich 1797 durch den Frieden von Campo-Formio. Der Rastatter Friedenskongreß zeigte Deutschland in seiner innern Zerrissenheit und beherrscht durch fremden Einfluß. Nachdem ein neuer Krieg, den Österreich mit Rußland, England und Neapel [* 33] gegen Frankreich führte (1799-1801), erfolglos geblieben, bestätigte der Friede von Lunéville den Verlust des deutschen Landes links des Rheins.
Unter russ. und franz. Vermittelung wurden die Verhandlungen geführt über die Entschädigung der deutschen Fürsten, die auf dem linken Rheinufer Verluste erlitten hatten. Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 brachte die Vernichtung der geistlichen Fürstentümer und der Reichsstädte sowie eines Teils der kleinern weltlichen Fürsten. An Stelle der zwei eingegangenen geistlichen Kurfürstentümer traten vier neue Kurfürstentümer: Baden, Württemberg, [* 34] Hessen-Cassel und Salzburg, [* 35] sodaß nun mit Sachsen, Böhmen, [* 36] Brandenburg, Pfalz-Bayern und Hannover acht weltliche Kurfürstentümer nur zwei geistlichen, Kurmainz und Salzburg, gegenüberstanden. Im Kurfürsten- wie im Fürstenkollegium gewann der Protestantismus das Übergewicht. Die schattenhafte Ohnmacht des Reichs, dessen Formen auch ¶