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Verden (1643 an Schweden).
Vorpommern.
Württemberg.
3) Pfalzgrafschaft.
Pfalz (Kurfürstentum).
4) Fürstentümer.
Anhalt.
Brandenburg-Ansbach oder Quolzbach.
Dietrichstein.
Halberstadt.
Henneberg (gefürstete Grafschaft).
Hersfeld (zu Hessen-Cassel gehörig).
Hohenzollern-Hechingen.
" -Sigmaringen.
Lobkowitz.
Minden.
Nassau.
Neuburg.
Ratzeburg.
Simmern.
Sternstein (gefürstete Grafschaft).
Sulzbach.
Tirol (gefürstete Grafschaft).
Veldenz (seit 1694 zu Kurpfalz, seit 1715 zu Hannover).
Zweibrücken.
5) Markgrafschaften.
Baden-Baden.
" -Durlach.
" -Hochberg.
Brandenburg (Kurfürstentum).
" -Kulmbach.
Mähren.
6) Landgrafschaften.
Baar.
Hessen-Darmstadt.
" -Cassel.
Klettgau.
Leuchtenberg.
Stühlingen.
7) Grafschaften.
Barby (1659 ausgestorben).
Blankenburg (seit 1707 Fürstentum).
Blankenheim.
Bentheim.
Bonndorf (seit 1612 zu St. Blasien).
Burgund (Freigrafschaft, zu Spanien).
Castell.
Diepholz.
Eberstein (seit 1660 zu Baden).
Erbach.
Falkenstein.
Friedberg-Scheer (1787 gefürstet).
Fugger.
Fürstenberg (seit 1664 Fürstentum).
Gerolstein.
Görz.
Gradisca.
Gronsfeld.
Hallermund.
Hanau-Lichtenberg.
" -Münzenberg.
Hohenembs.
Hohen-Geroldseck.
Hohenlohe.
Hohenzollern.
Hohnstein.
Holzapfel.
Homburg.
Hoya.
Isenburg-Bürstein (seit 1744 Fürstentum).
Königsegg.
Königstein.
Krichingen.
Lamberg (seit 1707 Fürstent.).
Leiningen.
Limburg.
Lingen.
Lippe.
Löwenstein (seit 1711 Fürstentum)
Mansfeld.
Mark.
Mitterburg.
Mömpelgard.
Mors (seit 1707 Fürstentum).
Oldenburg.
Ortenburg.
Ostfriesland (seit 1654 Fürstentum).
Öttingen.
Pyrmont.
Ranzau (seit 1650 Grafschaft).
Rappoltstein.
Ravensberg.
Schwarzburg-Rudolstadt (seit 1710 Fürstentum).
" -Sondershausen (seit 1697 Fürstentum).
Schwarzenberg (1670 gefürstet).
Solms.
Spiegelberg.
Sponheim.
Steinfurt.
Stolberg.
" -Gedern (seit 1742 Fürstentum).
Tecklenburg.
Thengen (seit 1664 gefürstet).
Virneburg.
Waldburg.
Waldeck (seit 1682 Fürstentum).
Wartenberg (seit 1707 Grafschaft).
Wernigerode.
Wertheim (seit 1711 Fürstentum).
Wied.
Wittgenstein.
8) Herrschaften.
Anholt.
Argen.
Beilstein.
Blieskastel.
Breiteneck.
Bretzenheim.
Dachstuhl.
Dreyß.
Dyck.
Eglingen.
Eglof.
Ehrenfels.
Fagnolles (seit 1770 Grafschaft).
Freudenberg.
Gehmen.
Gimborn.
Gundelfingen.
Hausen.
Hohenwaldeck.
Hörstgen.
Jever.
Justingen.
Kerpen.
Landskron.
Lommersum (seit 1712 Grafschaft).
Mechernich.
Mindelheim.
Mößkirch.
Mylendonk.
Neu-Ravensburg.
Neustadt.
Oberstein.
Ollbrück.
Ottweiler.
Pappenheim.
Pyrbaum.
Reckheim.
Reichelsberg.
Reichenstein.
Reipoltskirchen.
Reuß (seit 1773 bez. 1790 Fürstentum).
Rhade.
Rheda.
Rheingrafschaft.
Rhieneck.
Richold.
Rietberg.
Rothenfels.
Saarbrücken.
Saarwerden.
Saffenberg.
Salm.
Sayn.
Schauen.
Schaumburg.
Schleiden
Schlenacken.
Schönau.
Schwabeck.
Seinsheim.
Speckfeld.
Stein.
Sulzbürg.
Tettwang.
Thannhausen.
Vaduz.
Weiler.
Welzheim.
Wickerad.
Wiesensteig.
Wiesentheid.
Wildenberg.
Winnenburg.
Wittem.
Wylre.
9) Reichsstädte.
Aachen.
Aalen.
Augsburg.
Besançon (1643 zu Spanien).
Biberach.
Bopfingen.
Bremen.
Buchau.
Buchhorn.
Dinkelsbühl.
Dortmund.
Eßlingen.
Frankfurt a. M.
Friedberg.
Gengenbach.
Giengen.
Gmünd.
Goslar.
Hagenau (1648 an Frankreich).
Hall.
Hamburg.
Heilbronn.
Isny.
Kaufbeuren.
Kempten.
Köln.
Leutkirch.
Lindau.
Lübeck.
Memmingen.
Mühlhausen (Thüringen).
Nordhausen.
Nördlingen.
Nürnberg.
Offenburg.
Pfullendorf.
Ravensburg.
Regensburg.
Reutlingen.
Rosheim (1648 an Frankreich).
Rotenburg.
Rottweil.
Schweinfurt.
Speier.
Straßburg (1681 an Frankreich).
Überlingen.
Ulm.
Wangen.
Weil.
Weißenburg (Elsaß, 1697 an Frankreich).
Weißenburg (Bayern).
Wetzlar.
Wimpfen.
Windsheim.
Worms.
Zell.
B. Geistliche Gebiete.
1) Erzbistümer.
Köln | } |
---|---|
} Kurfürstentümer. | |
Mainz | } |
Trier, Kurfürstentum.
Salzburg.
2) Bistümer.
Augsburg.
Bamberg.
Brixen.
Eichstätt.
Freising.
Hildesheim.
Konstanz.
Lübeck.
Lüttich.
Münster.
Osnabrück.
Paderborn.
Passau.
Regensburg.
Schwerin.
Speier.
Straßburg.
Trient.
Worms.
Würzburg.
^[Leerzeile und nachfolgende Überschrift]
Abteien.
Baindt.
Berchtesgaden (gefürstete Abtei).
Buchau. | |
---|---|
Cornelimünster.
Corvei.
Elchingen.
Essen.
Fulda (seit 1752 Bistum).
Gengenbach.
Gernrode.
Gutenzell.
Heggbach.
Herford.
Irsee.
Kaisersheim.
Kempten.
Lindau.
Malmedy.
Marchthal.
Neresheim.
Ochsenhausen.
Ottobeuren.
Petershausen.
Prüm.
Quedlinburg.
Roggenburg.
Roth.
Rottmünster.
Salmannsweiler.
Schussenried.
Stablo.
Thorn.
Ursperg.
Weingarten.
Weißenau.
Werden.
Wettenhausen.
^[Leerzeile und nachfolgende Überschrift]
Propsteien.
Ellwangen.
Odenheim.
Weißenburg.
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6) Vom Westfälischen Frieden bis zur Gründung des Deutschen Bundes, 1648-1815. (S. Karte II, 5 u. 6.) Durch den Abschluß des Westfälischen Friedens war die einheitliche Autorität des Kaisertums fast zu einer leeren Form geworden. Das Reich verwandelte sich mehr und mehr in einen losen Staatenbund, worin die einzelnen Reichsfürsten, insbesondere die mächtigern unter ihnen, gestützt auf die im Frieden erlangten Rechte, fast aller bisher durch die Reichsgewalt gebildeten Fesseln sich entledigten.
Nur ein Reichstag kam noch in alter Weise zu stande: ihn beendete der sog. «jüngste Reichstagsabschied» vom Der folgende erst 1663 der Türkenhilfe wegen von neuem einberufene Reichstag blieb dauernd bestehen (bis 1806); die Fürsten erschienen nicht mehr persönlich; sie sandten nur ihre Abgeordneten nach Regensburg. Die Verhandlungen wurden mit so pedantischer Umständlichkeit geführt, daß in dringenden Angelegenheiten keinerlei Hilfe mehr zu erwarten war.
Gemäß den Bestimmungen des Westfälischen Friedens hatte 6 Monate nach Auswechselung der Ratifikationen ein konstituierender Reichstag zusammentreten sollen, um die deutsche Verfassung im einzelnen zu beraten und neu festzustellen. Kaiser Ferdinand III. zog die Berufung dieses Reichstages so lange wie irgend möglich hinaus. Als die Versammlung 1653 und 1654 endlich stattfinden mußte, gelang es der österr. Partei, die Reform der Verfassung scheitern zu lassen. Um im Fürstenkollegium die österr.-kath. Majorität zu sichern, ernannte der Kaiser eine größere Zahl österr.
Adelsfamilien zu Reichsständen und setzte, dem bestehenden Recht entgegen, ihre Einführung in das Fürstenkollegium durch. Aus einem Wahlreiche wurde das Reich thatsächlich mehr und mehr zu einer österr. Erbmonarchie. Die österr. Erblande wurden von jeder Verpflichtung für das Reich losgelöst, während Deutschlands finanzielle und militär. Kräfte für die Kriege und die Eroberungen der Habsburger fort und fort ausgenutzt wurden. Da von Wien aus eine zeitgemäße große Reform, eine einheitliche und festere Zusammenfassung der deutschen Stämme fortan nicht mehr zu erwarten stand, so war es ein Glück für das Ganze, daß einzelne der kleinern Territorien zu lebensfähigen Staatswesen sich erweiterten und zum Teil sogar den Schutz der bedrohten Reichsgrenzen an einzelnen Stellen übernahmen.
Vorerst jedoch blieb, wenigstens im Westen, der Einfluß des Auslandes noch im Steigen. Auf die Politik und nicht minder auf die Bildung und Gesittung der Nation übten die Nachbarvölker, insbesondere die Franzosen, oft eine sehr unheilvolle Einwirkung aus. Da viele der kleinen Fürsten das 1648 erhaltene Bündnisrecht benutzten, um sich mit andern Staaten zu verbinden und gegen Subsidienzahlungen an deren Streitigkeiten teilzunehmen, so war die Folge, daß die europ. Kriege der nächsten Zeit zum guten Teil auf deutschem Boden ausgefochten wurden.
Besonders die Bayernfürsten sowie die geistlichen Herren am Rhein standen vielfach, selbst bei Reichskriegen, auf der Seite Frankreichs. In der Hildesheimer Allianz (1652) vereinigten sich die niedersächs. Fürsten mit Schweden, und noch weit bedeutender wurde die von Ludwig XIV. mit mehrern kleinen Rheinstaaten geschlossene Verbindung. Nach dem Tode Ferdinands III. (1657) folgte ein Interregnum von 1 ¼ Jahr, während dessen das Reichsvikariat in Norddeutschland von Kursachsen verwaltet wurde, während im deutschen Süden Pfalz und Bayern um dieses Vorrecht im Streite lagen. (Erst 1724 erfolgte zwischen den beiden Wittelsbacher Häusern die Einigung, nach der beide gemeinsam das Amt des Reichsverwesers im Süden ausüben sollten.) Drei Kurfürsten traten jetzt entschieden für die Wahl des franz. Königs zum Deutschen Kaiser ein.
Nur der Uneigennützigkeit Friedrich Wilhelms von Brandenburg verdankte Leopold I. die Krone. Die bei der Wahl unterlegene franz. Partei der Reichsfürsten bildete darauf den Rheinbund (1658), der bald durch Hinzutritt anderer Fürsten, auch der alten Hildesheimer Alliierten, im Westen und Nordwesten eine sehr bedeutende Ausdehnung gewann. Nach dem Zerfall des Bundes (1667) blieben doch einzelne deutsche Staaten in Frankreichs Gefolgschaft, und erst nachdem der Große Kurfürst durch seine Unterstützung der Holländer 1672 ein rühmliches Beispiel gegeben, erfolgte 1674 die Kriegserklärung des Reichs gegen Frankreich.
Unter Montecuccoli, dann unter dem Großen Kurfürsten und Bournonville wurden anfangs nicht unbedeutende Erfolge errungen und das Elsaß in Besitz genommen. Gegen Ende des J. 1674 aber drängte der franz. Feldherr Turenne in einem glänzenden Vorstoß die Verbündeten über den Rhein zurück. Die Unentschlossenheit der österr. Heeresleitung, die Differenzen zwischen Bournonville und Friedrich Wilhelm und dann der Einbruch der Schweden in die Mark, der im Sommer 1675 die Brandenburger zur Rückkehr in die Heimat nötigte, all das hemmte und hinderte eine energische Kriegführung am Rhein. 1679 trat Leopold I. dem von Holland 1678 abgeschlossenen Frieden von Nimwegen bei und überließ die bisher in span. Besitz befindliche Freigrafschaft Burgund sowie die Stadt Freiburg im Breisgau an Frankreich.
Durch diesen Abfall von der gemeinsamen Sache wurde auch der Brandenburger genötigt, im Frieden von St. Germain-en-Laye fast alle den Schweden entrissenen Ostseelande zurückzugeben. Nachdem der Kaiser, mit Rücksicht auf die Türkenkämpfe, den Schutz und die Verteidigung des Reichs im Westen und im Nordosten preisgegeben und den bedeutendsten der Territorialfürsten, den Brandenburger, auf Frankreichs Seite gedrängt hatte, konnte Ludwig XIV. durch die berüchtigten Réunionskammern im Westen ein Stück deutschen Landes nach dem andern sich aneignen; im September 1681 nahm er auch Straßburg fort.
Eine große Zahl west- und süddeutscher Fürsten thaten sich nun gegen Frankreich zusammen und verbanden sich durch das Laxenburger Bündnis (1682) auch mit Kaiser Leopold. Doch waren diese Verbindungen zu schwach, um dem mächtigen Frankreich mit Erfolg entgegenzutreten. Daher ward 1684 ein 20jähriger Waffenstillstand zu Regensburg vereinbart, wonach alles bis zum Reunierte und außerdem auch Straßburg bei Frankreich bleiben sollte, während Ludwig XIV. auf weitere Eroberungen in Deutschland zu verzichten versprach.
Mit Hilfe von zahlreichen deutschen, auch brandenb. Truppen wurde dann der Türkenkrieg glücklich zu Ende geführt; 1683 ward Wien befreit, 1686 Ofen gestürmt, im folgenden Jahre bei Mohacz, 1691 bei Slankamen, 1697 bei Zenta die Pforte besiegt und durch den Karlowitzer Frieden (1699) zur Preisgebung Ungarns genötigt. Die auch dem Reiche im Südosten von den Türken stets drohende Gefahr war seitdem für immer beseitigt. Inzwischen hatte Ludwig XIV. von neuem seine Hand ausgestreckt
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nach deutschen Ländern. Bei dem Aussterben der pfalzsimmernschen Linie, die den Kurhut trug, mußte Kurpfalz an den kath. Pfalzgrafen von Neuburg fallen. Doch Ludwig XIV. erhob für seine Schwägerin, die pfälz. Prinzessin Elisabeth Charlotte, Ansprüche auf das reiche pfälz. Erbe. Um dem franz. Angriff zu begegnen, vereinigten sich die süddeutschen Reichsstände 1686 in dem Bündnis von Augsburg, dem auch der Kaiser, Schweden und Spanien sich anschlossen und das sich 1689 durch den Beitritt von England, Holland, Savoyen zu der großen Wiener Allianz erweiterte.
Auch die Brandenburger fochten an der Seite der Alliierten (seit 1688), eroberten Kaiserswerth und Bonn, die Residenz des mit Frankreich verbündeten Erzbischofs von Köln. Trotz mancher Erfolge brachte der Friede von Ryswijk (1697) nicht den erhofften Gewinn und keine Entschädigung für die furchtbare Verwüstung der Pfalz und der andern rhein. Lande. Im Innern des Reichs rief die Erhebung des Herzogs von Hannover zum Kurfürsten (1692) einen lange währenden erbitterten Streit hervor (s. Ernst August und Fürstenverein).
Die bald darauf folgende Wahl des Kurfürsten August von Sachsen zum König von Polen sowie die Erwerbung der preuß. Königskrone durch den Brandenburger Friedrich III. trug nur dazu bei, die Auflösung des Reichs noch zu beschleunigen. Nachdem Kurfürst August II. von Sachsen dem luth. Glauben untreu geworden war (1697), ging die thatsächliche Führung des Corpus Evangelicorum im Reiche und am Reichstage von Sachsen auf Brandenburg über. In einen neuen schweren Krieg gegen Frankreich wurde das Deutsche Reich von 1702 bis 1714 verwickelt durch die Ansprüche, die Österreich auf das span. Erbe geltend machte (s. Spanischer Erbfolgekrieg), während gleichzeitig auch die deutschen Ostgrenzen im Nordischen Kriege (s. d.) von fremdem Kriegsvolk, von Russen, Polen und Schweden überschwemmt wurden.
Nach den glänzenden Siegen des Prinzen Eugen und Marlboroughs, und nachdem Österreich unter Kaiser Joseph I. eine sichere und thatkräftige Aktionspolitik aufgenommen hatte, da schien es, als solle durch die Demütigung Ludwigs XIV. Deutschland endlich in den Niederbesitz der ihm entrissenen Westprovinzen und die kaiserl. Gewalt wieder zu einem beherrschenden und leitenden Einfluß im Reiche gelangen. Doch all diese Hoffnungen zerschlugen sich, als Kaiser Joseph plötzlich starb (1711). Sein Bruder Karl VI., der Nachfolger in Österreich und im Reiche, dem bereits das span. Erbe zufallen sollte, war nicht fähig, die von Joseph verfolgten Bestrebungen mit sicherer Hand weiter zu führen.
England und Holland verließen ihn im Utrechter Frieden (1713), da sie die Weltmonarchie Karls V. nicht erneuert sehen und nicht die habsburg. Vorherrschaft in Europa befördern wollten. 1714 war der Kaiser genötigt, im Rastatter Frieden und für das Reich im Frieden von Baden den Utrechter Bestimmungen beizutreten. Nach all den schweren Opfern trug Deutschland aus dem langen Kriege keinerlei Gewinn davon, während Österreich in Italien und in den Niederlanden eine ganz bedeutende Machterweiterung erhielt.
Nur im Osten wurden 1720 durch den Stockholmer Frieden zwischen Schweden und Preußen die Grenzmarken Deutschlands weiter ausgedehnt. Als 1714 die Kurfürsten von Hannover die Nachfolge als Könige von England antraten, da ward auch das dritte und letzte evang. Kurfürstentum mit seinen polit. Hauptinteressen der Reichspolitik abgewendet und der europ. Politik zugeführt. Kaiser Karl VI. war während seiner Regierung (1711-40) hauptsächlich damit beschäftigt, bei dem bevorstehenden Aussterben der männlichen Linie der Habsburger seiner Tochter Maria Theresia die Nachfolge in allen österr.
Erblanden zu verschaffen. Um die 1713 aufgestellte Pragmatische Sanktion (s. d.) zu sichern und von den übrigen Mächten anerkannt zu sehen, wurden die mannigfachsten Unterhandlungen geführt und mehrere Provinzen geopfert, in der Hoffnung, dadurch die Garantien Frankreichs und Spaniens zu erlangen. Aber gerade Preußen, auf dessen unbedingte Zustimmung das meiste ankam, wurde vom Kaiserhofe mit Mißachtung und Undank überhäuft. Nach dem poln. Thronfolgekriege, 1733-38, in den durch Österreich auch das Reich hineingezogen wurde, gab Kaiser Karl ein deutsches Reichsland, Lothringen, dem poln. Kronprätendenten Stanislaus Leszczynski und dessen Erben, dem franz. Könige, preis gegen das von Frankreich später doch nicht eingehaltene Versprechen, die Pragmatische Sanktion anzuerkennen.
Im Innern des Reichs war die Regierungsweise Ludwigs XIV. maßgebend geworden, die franz. Günstlings- und Maitressenwirtschaft fand an den meisten deutschen Höfen Eingang; auch Bildung, Sitte und Mode ward in den herrschenden Kreisen der Gesellschaft nach franz. Vorbildern gestaltet. Nur das junge Königreich Preußen bot unter einer straff militär. Form, unter einem pflichtbewußten Fürstenhause das Bild einer fürsorglichen und sparsamen Regierung dar.
Die unter König Friedrich Wilhelm I. angesammelte und vorbereitete Kraft wußte sein Sohn Friedrich II. zu benutzen, um den preuß. Staat zu einer europ. Großmacht und neben Österreich zu der führenden Macht in Deutschland zu erheben. Durch die zwei Schlesischen Kriege (s. d.) gelangte Preußen in den Besitz der reichsten deutschen Provinz Österreichs. Das Hinausdrängen der Habsburger aus Deutschland, das schon im Westfälischen Frieden mit der Abtretung der österr.
Besitzungen im Elsaß begonnen hatte, wurde jetzt um ein Bedeutendes gefördert. Und neben dem Verlust Schlesiens war Österreich, nach dem Aussterben des habsburg. Mannsstammes, auch noch von der weitern Gefahr bedroht, daß durch die 1742 einem Wittelsbacher, Karl VII., zugewendete Kaiserkrone sowie durch die Ansprüche, die Bayern und Sachsen auf die österr. Erblande erhoben, das habsburg. Haus schon damals gänzlich aus Deutschland verdrängt und auf die Länder an der mittlern und untern Donau beschränkt würde.
Der thatkräftigen letzten Habsburgerin, der Kaiserin Maria Theresia und später ihrem nicht minder energischen Sohne, Joseph II., hatte Österreich es zu danken, daß diese Gefahr im 18. Jahrhundert noch abgewendet wurde. Dagegen aber drang Preußen mehr und mehr nach dem Westen, in die altdeutschen Lande, in das Herz des Reichs ein. Gegenüber dieser allgemeinen Entwicklung des Verhältnisses zwischen Österreich, Preußen und Deutschland strebten Maria Theresia und Joseph II. danach, das drohende Hinausdrängen Österreichs aus Deutschland zu hindern. Dafür streitet Maria Theresia unbeirrt im Österreichischen Erbfolgekriege (1741-48) gegen den Wittelsbacher Karl VII. und die ihn unterstützenden Franzosen, sie schlägt dessen Kaiserthron in Trümmer, sie sucht durch Einverleibung von Bayern den Süden Deutschlands für immer an Habsburg zu ketten,
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sie bringt schließlich die Kaiserkrone (1745) einem habsburg. Fürsten, ihrem Gemahl Franz I., zurück. Mit ihm geht die deutsche Kaiserwürde bis zu ihrer Beseitigung 1806 an das habsburgisch-lothr. Haus über. Mit leidenschaftlichem Eifer arbeiteten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz dahin, die errungenen Erfolge weiter zu führen durch stetige Verbesserungen im Heerwesen und in der innern Verwaltung. Durch neue Bündnisse mit allen Gegnern Preußens verfolgt sie das Ziel, den deutschen Nebenbuhler mit Hilfe einer großen europ. Koalition niederzuwerfen, Preußen zu der frühern Bedeutungslosigkeit wieder herabzudrücken.
Der Siebenjährige Krieg (s. d.), 1756-63, der siegreiche Widerstand Friedrichs d. Gr. gegen die vereinte Macht fast des ganzen europ. Festlandes, vereitelte den Versuch, die österr. Herrschaft in Deutschland wiederherzustellen. Der Krieg erhob Preußen zu einer der angesehensten europ. Mächte; er vernichtete vollständig die Bedeutung des deutschen Kaisertums und der Reichsinstitutionen, die mit ihren veralteten hohlen Formen, mit der Achtserklärung gegen Preußen und mit dem jammervollen Aufgebot der Reichsarmee für rein dynastisch-habsburg.
Zwecke hatten verwendet werden sollen. Doch auch Österreich war durch die Kämpfe erstarkt, mit Selbstbewußtsein erfüllt, durch die fortgesetzten Reformen im Innern gekräftigt. Kaiser Joseph II. nahm die Pläne der Mutter wieder auf, erweiterte und vergrößerte sie; aber nicht mit Ruhe und Besonnenheit, sondern stürmisch vorwärts dringend griff er die Aufgabe an, Österreichs gefährdete Stellung im Reiche zu sichern, seine Macht wieder nach Westen auszudehnen und für immer, wenigstens in Oberdeutschland, fest zu begründen.
Nichts konnte für das Übergewicht der Habsburger gelegener sein als die Einverleibung Bayerns, des bedeutendsten Territoriums im Süden; ein Ziel, das schon Joseph I. und Maria Theresia verfolgt, und das jetzt um so eher erreichbar schien, als 1777 die bayrisch-wittelsbachische Linie ausstarb. Friedrich übernahm es, die Erweiterung der österr. Herrschaft in Süddeutschland zu verhindern. Mit Sachsen vereint, griff er gegen Österreich zu den Waffen, als Joseph durch einen Vertrag mit dem Pfälzer Karl Theodor einen bedeutenden Teil Bayerns zu erwerben im Begriff stand.
Durch den Bayrischen Erbfolgekrieg (s. d.) wurde Österreich zu dem Frieden von Teschen genötigt; es mußte sich mit der kleinen Erwerbung des Innviertels begnügen. Sechs Jahre später, 1785, als Joseph gegen Überlassung von Bayern die österr. Niederlande an Karl Theodor abtreten wollte, wurde von Friedrich II. der Fürstenbund (s. d.) gestiftet, dem eine große Zahl deutscher Fürsten beitrat und der Joseph II. zum Verzicht auf seine Absichten drängte. Zwischen Österreich und Preußen, deren Gegensatz die Geschichte Deutschlands seit dem Regierungsantritt Friedrichs d. Gr. bis zum J. 1866 beherrscht, suchte Rußland eine ausschlaggebende Stellung zu erwerben. Im Bunde mit Rußland wurden die drei Teilungen Polens von den beiden deutschen Mächten durchgeführt.
Die preuß. Erwerbungen der ersten Teilung von 1772 und auch mehrere Gebiete aus der zweiten Teilung (Danzig und Thorn sowie der Regierungsbezirk Posen) sind seit jener Zeit für immer mit Deutschland vereinigt worden. Wie in der Politik und im Staatsleben, für Norddeutschland wenigstens, wieder ein selbständiges deutsches Gemeinwesen geschaffen war, ähnlich wurde jetzt auch auf geistigem, auf künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiete die Abhängigkeit von den Fremden vernichtet und ein goldenes Zeitalter der deutschen Litteratur herbeigeführt durch die großen Vertreter der deutschen klassischen Dichtkunst.
Der Ausbruch der Französischen Revolution vereinigte die zwei bisher getrennten deutschen Großmächte auf kurze Zeit. Nach der Thronbesteigung Leopolds II. löste sich das gespannte Verhältnis. Leopold II. suchte die Aussöhnung einzuleiten. König Friedrich Wilhelm II. wandte sich von dem Minister Hertzberg ab; Bischofswerder, der Anhänger Österreichs, gewann maßgebenden Einfluß auf die preuß. Politik. Der Konvention von Reichenbach vom Juli 1790, mit der die weit ausgreifenden Pläne Hertzbergs aufgegeben wurden, folgte im Aug. 1791 die Zusammenkunft beider Monarchen in Pillnitz. So vorsichtig und besonnen auch die österr. und die preuß. Regierung sich der Französischen Revolution gegenüber zunächst verhielten, in Frankreich, wo die Girondisten ans Ruder gekommen waren, drängte man zum Kriege gegen die deutschen Mächte.
Der nun von Preußen und Österreich in der Offensive aufgenommene Kampf schien im Sommer 1792 nach dem Einrücken in Frankreich zu erheblichen Erfolgen zu führen. Doch bald wendete sich das Blatt. Nach der erfolglosen Kanonade bei Valmy (20. Sept.) räumte der Oberbefehlshaber, der Herzog von Braunschweig, das franz. Gebiet. Die weitern Kämpfe gegen die Heere der Republik verliefen zumeist ebenso ruhmlos. Auch das Deutsche Reich beteiligte sich seit 1793 an dem Kriege, und eine Zahl von auswärtigen Staaten schloß sich den Deutschen in der sog. ersten Koalition an. Nicht so sehr die Tüchtigkeit und Tapferkeit der Franzosen, als vielmehr die Uneinigkeit und Eifersucht der verbündeten Mächte führte den unglücklichen Ausgang des Kampfes herbei. (S. Französische Revolutionskriege.) Von einem Angriff Rußlands und Österreichs im Osten bedroht, glaubten sich die preuß. Staatsmänner, um in Polen ihre Stellung behaupten zu können, zur Annahme der Neutralität im Westen genötigt.
Durch den Baseler Frieden gab Preußen 1795 den Kampf auf und überließ das deutsche Land am linken Rheinufer den Franzosen. Das Gleiche that Österreich 1797 durch den Frieden von Campo-Formio. Der Rastatter Friedenskongreß zeigte Deutschland in seiner innern Zerrissenheit und beherrscht durch fremden Einfluß. Nachdem ein neuer Krieg, den Österreich mit Rußland, England und Neapel gegen Frankreich führte (1799-1801), erfolglos geblieben, bestätigte der Friede von Lunéville den Verlust des deutschen Landes links des Rheins.
Unter russ. und franz. Vermittelung wurden die Verhandlungen geführt über die Entschädigung der deutschen Fürsten, die auf dem linken Rheinufer Verluste erlitten hatten. Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 brachte die Vernichtung der geistlichen Fürstentümer und der Reichsstädte sowie eines Teils der kleinern weltlichen Fürsten. An Stelle der zwei eingegangenen geistlichen Kurfürstentümer traten vier neue Kurfürstentümer: Baden, Württemberg, Hessen-Cassel und Salzburg, sodaß nun mit Sachsen, Böhmen, Brandenburg, Pfalz-Bayern und Hannover acht weltliche Kurfürstentümer nur zwei geistlichen, Kurmainz und Salzburg, gegenüberstanden. Im Kurfürsten- wie im Fürstenkollegium gewann der Protestantismus das Übergewicht. Die schattenhafte Ohnmacht des Reichs, dessen Formen auch
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jetzt noch erhalten blieben, gab sich bald kund bei den neuen Gewaltthaten der Franzosen, wie bei der Besetzung Hannovers (1803) und bei der Ermordung des Herzogs von Enghien in Ettenheim (1804). In dem Kriege der dritten Koalition kämpften Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Nassau an der Seite Frankreichs gegen Österreich (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1805); durch den Preßburger Frieden (Dez. 1805) kamen die süddeutschen Lande Österreichs sowie Tirol an Bayern, Württemberg und Baden, die beiden erstern erhielten den Königstitel.
Durch den Rheinbund (s. d.) vom Juli 1806 traten die Staaten des deutschen Südens und Westens in ein dauerndes festes Vasallenverhältnis zu Frankreich. Eine erhebliche Anzahl der kleinern Reichsfürsten wurde mediatisiert; auch die Ritterschaft und die kleinen weltlichen Herren verloren jetzt ihre Selbständigkeit, ebenso wie es schon 1803 mit den geistlichen Fürsten und den Reichsstädten geschehen war. Kaiser Franz, der bereits 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen hatte, legte nach Begründung des Rheinbundes die deutsche Kaiserkrone nieder Danach war das alte Reich auch förmlich für beseitigt erklärt, nachdem es thatsächlich schon aufgehört hatte zu existieren.
Der Plan, auch in Norddeutschland einen Bund deutscher Fürsten zu stiften, hier unter Preußens Führung, wie im Süden und Westen unter der Frankreichs, der Plan einer norddeutschen preuß. Kaiserwürde wurde vereitelt durch den ausbrechenden Krieg gegen Frankreich (s. Französisch-Preußisch-Russischer Krieg von 1806 und 1807). In dem Frieden von Tilsit verlor Preußen die Hälfte seiner Provinzen; es hatte alle seine Lande westlich der Elbe abzutreten und ebenso auch seine poln. Erwerbungen, mit Ausnahme von Westpreußen.
Wie Österreich, so sollte auch Preußen aus Deutschland hinausgedrängt und auf den Osten beschränkt werden. Aus den Landen westlich der Elbe und weiter aus Kurhessen, Braunschweig und einem Teil von Hannover ward das neue Königreich Westfalen gebildet. In den Rheinbundsstaaten wurden die Rechtspflege, die Staats- und Heeresverfassung, die gesamte Verwaltung, die wirtschaftlichen und socialen Einrichtungen nach franz. Muster umgewandelt. Anders in Preußen.
Hier begann eine eigenartige Reform, die zu den franz. Staatsprincipien, zu den Ideen der Revolution und den Grundsätzen des Napoleonischen Bureaukratismus zum Teil im schärfsten Gegensatz stand, eine durch Stein, Scharnhorst und Hardenberg durchgeführte nationale Wiedergeburt, die gewaltige sittliche Kräfte erweckte, die das ganze Volk zum Dienst für das Vaterland aufrief, die die Grundlagen für den neuen preuß. Staat legte und in vieler Beziehung, so in der Selbstverwaltung und in der allgemeinen Wehrpflicht, für ganz Deutschland ein später immer mehr nachgeahmtes Vorbild aufstellte.
Eine Zeit lang begannen zwar auch in Österreich unter dem deutschgesinnten Minister Stadion verheißungsvolle Reformen, und früher als in Preußen, wo die übergroße Vorsicht und die Unentschlossenheit des Königs hemmend einwirkte, brach in Deutsch-Österreich der nationale Aufstand los; aber nur zu schnell wurden nach anfänglichen Erfolgen die Schilderhebung Österreichs und die im übrigen Deutschland versuchten Erhebungen niedergeworfen (s. Französisch-Österreichischer Krieg von 1809), und mit der ersten Niederlage war auch die Reform in Österreich gebrochen, die deutsch-nationale Begeisterung erloschen.
Nach Stadions Rücktritt sank der Donaustaat unter Metternich in den frühern apathischen Zustand zurück. In Preußen dagegen nahm die patriotische Begeisterung und die allseitige Rüstung zum Befreiungskämpfe unausgesetzt ihren Fortgang. Erbitterung und Haß machten sich auch in andern deutschen Gauen geltend ob der fortgesetzten Übergriffe des franz. Kaisers, der immer neue ungemessene Opfer an Geld und an Truppen forderte, der im Dez. 1810 es wagte, durch ein einfaches Dekret, ohne jedwedes Recht, die deutsche Nordseeküste dem franz. Kaiserreiche einzuverleiben.
Der Untergang der großen franz. Armee in Rußland (s. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815) gab endlich das Zeichen zur Erhebung. Das ganze preuß. Volk griff zu den Waffen, das Joch der Fremden jetzt für immer abzuschütteln. Der Wunsch der nationalgesinnten preuß. Staatsmänner, der Plan vor allem des Freiherrn von Stein, ganz Deutschland nach dem Vorbild Preußens zum Kampfe aufzurufen, ging nicht in Erfüllung. Nur vereinzelt beteiligten sich an der Erhebung auch andere Landschaften.
Erst als Napoleons Stern im Sinken war, entschlossen sich die Rheinbundfürsten zu den Verbündeten überzugehen. Durch den Friedensschluß zu Paris vom Mai 1814 wurde Frankreich auf die Grenzen von 1792 eingeschränkt, alles später dem Deutschen Reich entrissene Gebiet mußte zurückgegeben werden. In dem zweiten Pariser Frieden vom Nov. 1815 wurden die Abtretungen Frankreichs vermehrt durch Landau, das an Bayern, sowie durch Saarlouis und Saarbrücken, das an Preußen kam.
Gegen die bestimmten Erwartungen der deutschen Patrioten verhinderten es die Sonderinteressen Rußlands und Englands, daß die früher von Frankreich gemachten Eroberungen, vor allem das Elsaß, an Deutschland zurückerstattet wurden. Der Wiener Kongreß (s. d.) 1815 regelte im einzelnen die neue territoriale Einteilung und die neue Verfassung Deutschlands. Die Souveränität der Einzelstaaten ward anerkannt. Nur auf einigen Gebieten sollten nach den in der Bundesakte aufgestellten allgemeinen Normen gleichmäßige Einrichtungen in allen Bundesstaaten durchgeführt und allenthalben landständische Verfassungen geschaffen werden, eine Bestimmung, die nachher zu mannigfachen heftigen Zerwürfnissen geführt hat.
7) Von der Gründung des Deutschen Bundes 1815 bis zumJahre 1866. (S. Karte II, 7.) Die neue Bundesverfassung, die der Wiener Kongreß schuf, blieb hinter den Erwartungen weit zurück, mit welchen man im Laufe der großen Kämpfe sich getragen hatte. Die preuß. Staatsmänner aber hatten sich wenigstens redlich bemüht, eine starke Reichsgewalt auf Grund einer Kreisverfassung mit einem Schutze für die ständischen und freiheitlichen Rechte der Unterthanen zu erreichen.
Bei dem Widerstreben der Mittelstaaten erklärte auch Österreich diese Pläne für unausführbar und schlug einen nur völkerrechtlichen Bund der deutschen Staaten vor. So kam die Wiener Bundesakte vom zu stande. (S. Deutscher Bund.) Um die Hoffnung eines starken Deutschlands betrogen, wandte sich nun die öffentliche Meinung mit um so größerm Eifer dem Wunsche nach freiheitlichen Verfassungen im Innern zu, nicht ohne dabei in ihrer Gereiztheit und in beginnendem Mißtrauen gegen die Regierungen doktrinäre und unerfüllbare
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Förderungen aufzustellen. Zwar traten mehrere deutsche Regierungen, wie Nassau (1814), Sachsen-Weimar (1816), Bayern und Baden (1818), Württemberg (1819), mit konstitutionellen Verfassungen hervor; aber gerade die größern Staaten, namentlich Preußen, das in der Verordnung vom eine allgemeine Nationalvertretung in Aussicht gestellt hatte, zögerten mit der Erfüllung. Bei den vielen unreifen und gärenden Elementen der nationalen und freisinnigen Richtung wurde es der reaktionären Partei nicht schwer, jene zu verdächtigen und die Regierungen mit Argwohn zu erfüllen.
Einige Unbesonnenheiten der studierenden Jugend, namentlich auf dem Wartburgfest (1817), wurden benutzt, die Gefahren des in Deutschland vorhandenen revolutionären Geistes in übertriebenem Lichte darzustellen. Die Ermordung Kotzebues durch Sand und das Attentat des Apothekers Löning auf den nassauischen Regierungspräsidenten Ibell schienen diese Auffassung zu bestätigen. Die Karlsbader Beschlüsse (s. d.), am vom Bundestage angenommen, stellten die Universitäten unter Aufsicht von außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten, führten, im Widerspruch mit der Bundesakte, die Censur zurück und schufen die Central-Untersuchungskommission zu Mainz, deren Aufgabe es war, die geheimen Verbindungen und die angeblich in ihnen versteckten demagogischen Umtriebe aufzuspüren.
Noch in demselben Jahre trat auch in Preußen durch den Austritt der Minister W. von Humboldt, Boyen und Beyme aus dem Ministerium ein Wechsel in reaktionärem Sinne ein. Inzwischen war die Bundesverfassung durch die Wiener Schlußakte vom ergänzt worden; sie bestätigte freilich das Princip des losen völkerrechtlichen Bundes und der vollen Souveränität der Fürsten, ohne auf die nationalen Forderungen und die freiheitliche Entwicklung in den Einzelstaaten Rücksicht zu nehmen.
Bedeutungsvoll für Preußens künftige Politik war der Art. 6, der die Abtretung von Souveränitätsrechten an Mitverbündete gestattete. In dem, was Preußen in dieser Richtung bei Begründung des Zollvereins (s. d.) that, liegt der Fortschritt der deutschen Entwicklung in diesem Jahrzehnt. Am Bundestage fand die von Preußen geförderte Bundeskriegsverfassung bei den Mittel- und Kleinstaaten hemmenden Widerstand, während umgekehrt die Parteinahme Württembergs für den konstitutionellen Gedanken von den Großmächten bald niedergedrückt wurde. Mehr und mehr dadurch in das rein liberale Fahrwasser gedrängt, ward die öffentliche Meinung durch die franz. Julirevolution 1830 mächtig erregt. Teils durch Agitation, teils durch Auflehnung wurden die kleinern deutschen Regierungen zu Konzessionen gezwungen, während die Großmächte durch die in Polen und Belgien ausgebrochene Revolution im Schach gehalten waren.
Jetzt erhielten Kurhessen, Braunschweig und Sachsen neue Verfassungen. In andern Staaten wurde die freie Presse eingeführt und die Gesetzgebung im Sinne des Liberalismus umgestaltet. Einzelne Übertreibungen, wie sie sich z. B. auf dem Hambacher Feste (s. Hambach) kundgaben, wurden sehr bald für die Regierungen Handhaben, energisch einzuschreiten und die gemachten Konzessionen durch Bundesmaßregeln wieder aufzuheben (1832). Weitere Kundgebungen, wie das Frankfurter Attentat (s. d.) 1833, dienten nur dazu, die polizeiliche Thätigkeit des Bundestags zu steigern. Den Schlußstein dieser Thätigkeit bildeten die auf den Ministerkonferenzen in Wien gefaßten geheimen Konferenzbeschlüsse von 1834, welche direkt gegen die einzelnen Repräsentativverfassungen gerichtet waren und deren Befugnisse beschränken sollten.
Einen Wendepunkt in diesen reaktionären Bestrebungen brachte das J. 1837 hervor. Der Tod Wilhelms IV. von England hob die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover auf und rief den Bruder des Verstorbenen, Ernst August, als König auf den hannov. Thron. Er begann seine Regierung damit, die in anerkannter Wirksamkeit bestehende und danach den Schutz der Wiener Schlußakte genießende Verfassung von 1833 aufzuheben und die alte Verfassung von 1819 herzustellen.
Der legale Widerstand, den er im ganzen Lande fand, wurde zwar allmählich mit gewaltsamen Mitteln überwältigt, aber der Eindruck dieses Ereignisses war außerordentlich groß, besonders seit der Bundestag, zum Schutze der Verfassung angerufen, sich für inkompetent erklärte. Von diesem Augenblicke an war das moralische Vertrauen auf den Bundestag aufs tiefste erschüttert, und man sah in ihm nur noch ein polizeiliches Institut. Der gleichzeitig ausgebrochene Streit des Erzbischofs von Köln, Droste-Vischering, mit der preuß. Regierung trug ebenfalls dazu bei, die Gärung zu unterhalten, zumal derselbe enthüllte, welche Macht die röm.-hierarchische Partei in Deutschland erlangt hatte.
Mitten in diese Widerwärtigkeiten fiel die Gründung des Preußisch-Deutschen Zollvereins. Nachdem die in der Bundesverfassung von 1815 in dieser Richtung gegebenen Zusagen unerfüllt geblieben, hatten sich die einzelnen Staaten durch gesonderte Verbindungen zu helfen gesucht; Preußen hatte 1818 sein eigenes Zollsystem eingeführt, und 1828 gelang es ihm, den ersten Zollverein mit Hessen-Darmstadt abzuschließen. Gleichzeitig einigten sich Bayern und Württemberg, und im Gegensatz zu dem preuß. System schlossen Sachsen, Hannover, Kurhessen, Nassau und Oldenburg den Mitteldeutschen Handelsverein ab. Aber alles drängte zu weiterer Einigung; Preußen verständigte sich schon 1829 mit Bayern und Württemberg, und 1833 kam der Zollverein zwischen Preußen und dem größten Teile der Mittel- und Kleinstaaten zu stande. War schon die materielle Wirkung des Vereins eine sehr wohlthätige, indem sie in Verbindung mit den neugegründeten Verkehrsmitteln, namentlich den nun allerwärts begonnenen Eisenbahnen, eine neue Periode des deutschen Handels und der Industrie hervorrief, so überzeugte er auch die einzelnen Staaten und Stämme von der Notwendigkeit einer einträchtigen Verbindung und leistete dem Drange nach nationaler Einheit Vorschub.
Das J. 1840 entfachte die alten Kriegs- und Eroberungsgelüste Frankreichs; wenigstens schlug das Ministerium Thiers, als es sich in der ägypt.-syr. Frage isoliert sah, diesen Ton drohend an. Mit ungewohnter Energie sprach man sich in ganz Deutschland gegen jede Wiederbelebung Napoleonischer Tendenzen aus. Der nationale Gedanke war wiederum erwacht; die Aufgabe der Regierungen war es, ihn zu pflegen und durch eine freiere Bewegung in öffentlichen Dingen die vorhandenen Mißverhältnisse auszugleichen. Es galt jetzt, das unselige System des Mißtrauens und der polizeilichen Bevormundung aufzugeben, dem öffentlichen
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Geiste der Nation freien Spielraum zu schaffen, damit nicht die schon vorhandene Entfremdung zwischen Regierung und Regierten weiter greife und in den Tagen einer neuen Krisis die Gefahr einer allgemeinen Erschütterung bereite.
Die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. im Juni 1840 schien diese Hoffnungen zu rechtfertigen; manches Bedenken, das, solange der Vater lebte, Zurückhaltung auferlegt hatte, schien beseitigt. Die neue Regierung begann versöhnend. Der mehrjährige Streit mit der kath. Kirche ward durch eine die Interessen des Staates preisgebende Nachgiebigkeit geschlichtet, verfolgte Patrioten aus der Befreiungszeit, wie Arndt und Jahn, wurden rehabilitiert, Boyen, der Organisator der Landwehr, wieder zum Kriegsminister ernannt, den aus Hannover verbannten Brüdern Grimm ward ein Asyl in Berlin geboten; die Äußerungen des Königs bei der Huldigungsfeier in Königsberg, auch wenn sie den Erwartungen auf eine Verfassung nicht entgegenkamen, machten durch den Schwung und die Frische, die aus ihnen heraussprachen, einen günstigen Eindruck.
Das Daniederliegen des polit. Geistes war gewichen, neue Gedanken und Bedürfnisse erwachten. Der Gegensatz einer frömmelnden Richtung, die mit der neuen Richtung fühlbarer hervortrat, trug gleichfalls dazu bei, die lebhaftere Bewegung der Geister zu wecken. Noch hatte die beginnende Opposition Vertrauen auf eine entgegenkommende Politik der Regierung und auf eine konstitutionelle Umbildung des Staates nicht aufgegeben. Dem Beispiel einzelner Städte und Körperschaften, die ihr Verlangen um freiere polit.
Formen an den Thron gebracht hatten, folgte unter den 1841 einberufenen Provinziallandtagen insbesondere der rheinische und ostpreußische, allerdings ohne etwas zu erreichen. Die Regierung legte vielmehr gegen solche Bitten eine zunehmende Empfindlichkeit an den Tag. Indessen war doch jenes polit. Stillleben, das unter Friedrich Wilhelm III. geherrscht hatte, gründlich gestört; es fehlte nicht an immer erneuten Anregungen; auch wurden durch einzelne Maßregeln, z. B. die periodische Berufung der Provinziallandtage, die Vereinigung der ständischen Ausschüsse (Herbst 1842), die Hoffnung auf neue Gewährungen rege gemacht und der Opposition ein erweiterter Spielraum eröffnet.
Das Maß von freier Bewegung, das man für zulässig hielt, überstieg zwar beträchtlich die Schranken, die die frühere Regierung gezogen hatte, war aber lange nicht mehr ausreichend, dem inzwischen gewachsenen Bedürfnis Genüge zu leisten. Dem romantischen Gedanken eines «christlich-german. Staates», von dem Friedrich Wilhelm IV. beseelt war, stand die öffentliche Meinung kühl und ablehnend gegenüber. Die von dieser geforderte konstitutionelle Verfassung verabscheute er und wollte die «ständische Monarchie» wieder herstellen.
Aber das auf allen polit. Gebieten unfruchtbare Bemühen der Landtage von 1841, 1843 und 1845 diente nur dazu, die ständische Form stufenweise abzunutzen und das Verlangen nach einer repräsentativen Entwicklung zu steigern. Ohnedies hemmte die Verhandlung mit so vielen Versammlungen die Staatsmaschine mit jedem Tage mehr und legte das Bedürfnis einer einheitlichen Vertretung immer näher. Man hatte sich dabei noch immer mit der Politik, die Österreich und Rußland vertraten, in engem Einverständnis zu erhalten gesucht; und doch war man dem Kreise der Tendenzpolitik, welche die Heilige Allianz geltend gemacht hatte, unvermerkt immer fremder geworden.
Man hatte die Staatskirche auszubilden gesucht und nur eine Menge von einzelnen Oppositionen, Sonderungen und Sektenbildungen innerhalb der prot. Kirche vorbereitet. Man hatte die ständische Monarchie im Gegensatz zur konstitutionellen auszubilden unternommen, und es war doch mit jedem Tage die Opposition gegen die rein ständische Vertretung mehr und mehr gewachsen. Man hatte durch Censur und Polizei die unbequeme Opposition zum Schweigen bringen wollen, und es war durch den persönlichen und oft erbitterten Anteil, den die Regierung an den Kämpfen der Zeit genommen, die Autorität der Regierung und das Vertrauen auf ihre Unbefangenheit nur erschüttert worden. Einzelne Symptome der Gärung in Schlesien und am Rhein, auch wenn sie an sich kein polit. Gepräge trugen oder, wie die poln. Verschwörung von 1846, auf nationalen Gegensätzen beruhten, deuteten doch auf Schäden in der polit. Gesellschaft hin, die das herrschende System zu heilen nicht im stande war.
Diese Verhältnisse übten eine ungemeine Wirkung auf das öffentliche Leben der gesamten deutschen Staaten. Die Politik des Ministeriums Abel in Bayern, Blittersdorf in Baden, Hassenpflug und du Thil in beiden Hessen zog eine Opposition groß, deren Einfluß im Volke mit jedem Tage zunahm und, wie namentlich in Baden, weit über den Kreis des eigenen Landes hinauswirkte. Zwar gelang es nirgends, die unverkümmerte Entwicklung des Verfassungslebens zur Geltung zu bringen, aber ebensowenig gewannen die Tendenzen des herrschenden Systems an Macht und Anerkennung.
Dazu kamen die Bewegungen auf kirchlichem Gebiete. Seit dem Ausgange des Kölner Kirchenstreites moralisch verstärkt, in Bayern durch Abel in Besitz des regierenden Einflusses, durch eine Reihe jüngerer, thatkräftiger Kirchenhäupter geführt, nahm die ultramontane Richtung des Katholicismus gegen die Protestanten eine immer feindseligere Haltung an. Die Kniebeugungsangelegenheit (s. Kniebeugung), das Verbot des Gustav-Adolf-Vereins in Bayern, das herausfordernde Verhalten eines Teils der Geistlichkeit auf den Kanzeln waren die Vorboten des Kampfes gewesen; weitaus die größte Sensation machte aber 1844 der Bischof Arnoldi von Trier durch die Ausstellung des ungenähten Rockes Christi. Im Katholicismus selbst entstand dagegen Opposition. Teils wirklicher Widerwille gegen die Trierer Rockfahrt, teils polit. Opposition wirkte zusammen, diese Bewegung über einen großen Teil von Deutschland auszubreiten und das Erstehen der Deutschkatholiken (s. d.), der «christkatholischen» und «lichtfreundlichen» Gemeinden auch unter der prot. Bevölkerung zu befördern.
Mitten in diese Bewegungen fiel eine nationale Streitfrage von größerer Bedeutung: die Angelegenheit Schleswig-Holsteins. Seit man in Dänemark, um den Besitzstand zu retten, offen mit der Behauptung hervorgetreten war, die weibliche Erbfolge gelte nicht allein für Dänemark, sondern auch für Schleswig, war nicht nur in den beiden Herzogtümern Schleswig und Holstein der Widerstand gegen solche Bestrebungen gewachsen, sondern auch in Deutschland fing man an, der Lage der Deutschen jenseit der Elbe eine lebhafte Teilnahme zuzuwenden. Mehrere Ständeversammlungen gaben
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darüber einstimmige Erklärungen an die Regierungen ab; Männer der verschiedensten polit. Meinungen waren in dieser nationalen Frage gleicher Ansicht. Der «Offene Brief», den König Christian VIII. erließ, erklärte dem guten Rechte der Herzogtümer den Krieg und suchte die Streitfrage im einseitig dän. Sinne zu lösen, indem er die Trennung von Schleswig und Holstein in Aussicht stellte, falls nicht auch auf letzteres die weibliche Erbfolge ausgedehnt würde. Der tiefe Eindruck, den in Deutschland dieser Schritt und die entschlossene Haltung der Herzogtümer machte, sprach sich in wiederholten Beschlüssen der Ständeversammlungen und einem Adressensturm aus, an dem sich alle Teile und Parteien Deutschlands beteiligten. Selbst der Bundestag sah sich genötigt, auf die Beschwerde der holstein. Stände einen «Bescheid zu geben (17. Sept.), der wenigstens das Recht der Herzogtümer nicht preisgab.
Daneben fehlte es nicht an mächtigen Hebeln materieller Art, die vorhandene Bewegung zu steigern. Der Zollverein hatte eine im allgemeinen durchaus wohlthätige Wirkung geübt, wenn sich auch in ihm die mehr freihändlerischen Tendenzen des Nordens und Ostens mit den überwiegend schutzzöllnerischen des Südens und Westens unversöhnt bekämpften. Diese Händel hatten die gute Wirkung, daß sich auch auf diesem Gebiete eine lebhaftere Teilnahme für die eigenen Interessen, selbst in Vereinen und in der Presse kundgab.
Die Erweiterung der Verkehrsmittel, namentlich der Eisenbahnen, war in Deutschland wirksamer gefördert worden, als es die kleinstaatliche Zersplitterung erwarten ließ. Dennoch waren materielle Notstände nicht zu verkennen, sie gaben sich in der immer zunehmenden Auswanderung, in der traurigen Lage der schles. Weber kund und steigerten sich in bedenklichem Maße durch Mißwachs und Teuerung der Lebensmittel. Die Jahre dieser materiellen Krisis (1845 und 1846) trafen mit den bewegten polit. Stimmungen zusammen und halfen den polit. Mißmut auch in Kreise übertragen, die bisher noch solchen Anregungen fremd geblieben waren.
An allen diesen Bewegungen Deutschlands nahm Österreich infolge der dortigen Absperrungspolitik einen nur mittelbaren Anteil. Aber es waren dort andere Gärungsstoffe gesammelt. Die alte Regierungsmaschine stockte; an die Stelle eines selbstthätigen Regiments war ein geistloser Mechanismus getreten, der den Bedürfnissen des Kaiserstaates gegenüber sich auf allen Gebieten als unzureichend erwies. Die finanziellen Zustände waren immer schlimmer geworden; die mit großer Virtuosität getriebene Kunst der Bücherpolizei fing an, der Regierung mehr Gehässigkeit und Opposition als Nutzen zu stiften; die Ideen, die man bannen wollte, fanden nichtsdestoweniger ihren Weg in die Bevölkerung.
Der Zusammenhang des Kaiserstaates war in der langen Friedensperiode gelockert, nicht befestigt worden. Magyaren, Slawen, Italiener erhoben sich gegen die nivellierende Tendenz der Wiener Kabinettsregierung, und es wollte die alte Klugheit, eine Nationalität durch die andere in Schach zu halten, sich nicht mehr bewähren. Man mußte, namentlich in Ungarn, Konzessionen machen, die der Anstoß zu immer lebhaftern Forderungen wurden. Selbst in den feudalistisch gebildeten Provinzialständen erwachte allmählich eine Opposition, die zwar zunächst nur auf aristokratisch-ständischen Grundlagen beruhte, deren moralische Wirkungen aber weit über diesen Kreis hinausgingen.
War Österreich aus seiner deutschen Stellung mehr zurückgetreten und an Preußen der leitende moralische Einfluß übergegangen, so mußte auch jeder bedeutende Schritt, der in Preußen geschah, von doppeltem Gewicht für die gesamte deutsche Entwicklung sein. Dies war denn auch der Fall bei dem Verfassungspatent vom das einen aus den gesamten Provinzialständen vereinigten Landtag mit sehr beschränkten und abgewogenen Befugnissen, mit dem überall scharf betonten Gegensatze gegen eine konstitutionelle Staatsverfassung, ohne periodische Wiederkehr u. s. w., schuf; für den reinen Absolutismus schon zu weit gehend, den Anhängern einer konstitutionellen Verfassung durchaus unzureichend.
Fürchtete jener, und zwar nicht mit Unrecht, es würden dadurch neue Gärungsstoffe in die alten Verhältnisse hineingeworfen und neue weiter gehende Forderungen geweckt, so sahen diese in dem Patent eine Verkümmerung der namentlich in dem Gesetze von 1820 verheißenen Rechte einer Nationalrepräsentation, und rieten alles Ernstes, die neue Gewährung geradezu zurückzuweisen. Die Eröffnung des Vereinigten Landtags namentlich die alle konstitutionellen Erwartungen zurückweisende Rede des Königs, mußte jene Mißstimmungen nur noch vermehren.
Die Beratungen des Landtags erwiesen ein unverkennbares moralisches Übergewicht der konstitutionellen Opposition und machten in ganz Deutschland einen Eindruck, der über die Stimmung der Nation keinen Zweifel mehr übrigließ. Die Haltung des Landtags war jedoch durchaus loyal und royalistisch; alles ungestüme Drängen ward vermieden, aber das Recht auf die Verheißungen von 1820 wurde gewahrt. Dennoch erfolgten sowohl in der königl. Botschaft vom 24. Juni als in dem Landtagsabschiede meist ablehnende Bescheide auf die Wünsche der Versammlung. Der Eindruck dieser Vorgänge war überall ein sehr großer, zumal auch in andern Teilen Deutschlands Zeichen des Umschwungs zu Tage traten. In Bayern fiel (Febr. 1847) das ultramontane Ministerium Abel unter Vorgängen, die das moralische Ansehen der bestehenden Gewalt tief erschütterten. In Baden war schon im Laufe des J. 1847 ein überwiegend liberales Ministerium gebildet worden.
Der allenthalben neu erwachte öffentliche Geist gab sich nicht allein in Sänger- und Turnvereinen kund, auch wissenschaftliche Versammlungen, wie die der Germanisten (im Sept. 1846 in Frankfurt a. M., 1847 in Lübeck), trugen durch Besprechung praktischer Fragen dazu bei, das öffentliche Interesse zu erwecken. Der Bundestag, der konsequenterweise dies alles hätte unterdrücken müssen, hatte das Vertrauen zu sich selbst verloren; unthätig ließ man geschehen, was früher für unduldbar galt.
Neben den Bestrebungen, die staatsbürgerliche und konstitutionelle Freiheit fester aufzurichten, regte sich allmählich auch fühlbarer die Tendenz einer nationalen Reform. Auch auf diesem Gebiete hatte Friedrich Wilhelm IV. anregend gewirkt. Schon bald nach seiner Thronbesteigung war er, wiewohl fruchtlos, in Wien und später beim Bundestag für die Reform des Bundes thätig gewesen. Der polit. Bewegung in Deutschland kam die allgemeine europ. Lage mächtig zu Hilfe. Die Schweiz focht ihre innere Krisis gegen die Einreden fast aller
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Großmächte siegreich für die radikale Partei durch. In Frankreich drohte die Entzweiung zwischen der Krone und den parlamentarischen Parteien in einer gewaltsamen Krisis sich Luft zu schaffen. Die ital. Halbinsel hatte sich mit Erfolg gegen das alte System erhoben. In Dänemark starb Christian VIII., wodurch der Konflikt zwischen den dän. und deutschen Interessen in unmittelbare Nähe gerückt wurde. Die Vorgänge in München, die mit einem Studentenauflauf begannen, waren ein Symptom, wie weit die Aufregung selbst in den ruhigsten Teilen Deutschlands gediehen war. Eine demokratische Versammlung in Offenburg forderte Selbstregierung des Volks, eine gemäßigtere in Heppenheim Volksvertretung am Bundestag, und 12. Febr. stellte Bassermann in der bad. Kammer den Antrag auf Berufung eines deutschen Parlaments.
Die Botschaften aus Frankreich, die in rascher Folge den Sturz Guizots, Ludwig Philipps und des Königtums verkündeten, wirkten zündend auf Deutschland. Schon wurden in Mannheim Beratungen gepflogen über die vier Forderungen: Preßfreiheit, Schwurgerichte, Volksbewaffnung, Nationalvertretung, die rasch ihren Weg durch ganz Deutschland machten. Am 1. März wurden diese Forderungen durch Massendeputationen der bad. Zweiten Kammer übergeben, noch an demselben Tage die Censur in Baden aufgehoben und wenige Tage nachher auch die Gewährung noch anderer von der Kammer ausgegangener Vorschläge zugesagt, welche die Aufhebung der Ausnahmegesetze, den Verfassungseid beim Heere, polit.
Gleichstellung aller Konfessionen, Verantwortlichkeit der Minister, Unabhängigkeit der Richter, Aufhebung der Reste des Feudalwesens verlangten. Wie ein Lauffeuer gingen ähnliche Sturmpetitionen durch ganz Deutschland, und binnen wenigen Tagen hatten sämtliche deutsche Regierungen, mit Ausnahme von Österreich und Preußen, die Erfüllung der Forderungen gewährt, meistens auch die alten Ministerien liberalen Nachfolgern Platz gemacht. Widerstand war fast nirgends versucht worden, oder es war dem Versuche rasch die Nachgiebigkeit gefolgt. In Bayern endigten die zum Teil stürmischen Bewegungen mit der freiwilligen Abdankung König Ludwigs 20. März. Der Bundestag hatte nicht nur keinen Versuch gemacht, das alte System zu behaupten, sondern war ohne Widerstand dem Strome der neuen Bewegung gefolgt.
Eine Proklamation vom 1. März versprach alles aufzubieten, um gleich eifrig für die Sicherheit Deutschlands nach außen wie für die Förderung der nationalen Interessen und des nationalen Lebens im Innern zu sorgen. Am 3. März stellte ein Bundesbeschluß jedem Bundesstaate frei, die Censur aufzuheben; am 10. beschloß die Bundesversammlung, Vertrauensmänner zur Revision der Bundesverfassung einzuberufen; wenige Tage später ward die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Bundespalais aufgepflanzt.
Inzwischen versuchte man von anderer Seite der Bewegung eine einheitliche Richtung zu geben; es galt, der nationalen Reform der Bundesverfassung die Wege zu ebnen. In diesem Sinne trat (5. März) eine aus Führern der bisherigen Kammeroppositionen bestehende Versammlung in Heidelberg zusammen, die dafür wirkte, daß baldmöglichst eine größere Versammlung von Männern des Vertrauens zusammentrete, und die Einleitung dazu einem Ausschuß von sieben ihrer Mitglieder übertrug. Dieser Ausschuß lud 11. März alle frühern und gegenwärtigen Mitglieder landständischer und gesetzgebender Versammlungen und andere durch das Vertrauen des Volks ausgezeichnete Männer auf den 31. März nach Frankfurt a. M. ein.
Jetzt wurden auch die beiden deutschen Großstaaten von der Bewegung ergriffen, die hier die Gestalt einer gewaltsamen Krisis annahm. Aus Petitionen, die in der ersten Märzwoche auftauchten, erwuchs in Österreich die Revolution vom 13. bis 15. März, die Entlassung Metternichs, die Bewilligung der Preßfreiheit und einer Nationalgarde, die Einberufung von Abgeordneten «zum Behuf der vom Kaiser beschlossenen Konstitution des Vaterlandes». Wenige Tage später wurden die Forderungen der Ungarn gewährt und ein neues verantwortliches Ministerium gebildet. In Preußen war, zu spät um den Sturm zu beschwören, 5. März die früher verweigerte Periodicität des Landtags bewilligt worden. Berlin war seit dem 13. März der Schauplatz unruhiger Auftritte, die das Vorspiel ernsterer Konflikte bildeten. In den zwei Patenten vom 18. März bewilligte der König die Volkswünsche. Aber ein unglücklicher Zufall führte mitten in der Freude über das Errungene den blutigen Zusammenstoß zwischen Militär und Volk herbei, der sich zu einem teilweise hartnäckigen Straßenkampfe bis zum 19. März verlängerte. (S. Preußen.)
Inzwischen war es auch an der äußersten Nordgrenze Deutschlands zum Bruch gekommen. Der König von Dänemark hatte die Trennung beider Herzogtümer und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark verfügt, wogegen der Herzog von Augustenburg in Berlin von Friedrich Wilhelm IV. die Zusage erlangte, daß Preußen die Rechte der Herzogtümer, ihre Selbständigkeit, ihre Verbindung und das Erbrecht des Mannsstammes schützen werde.
Unter diesen Erschütterungen kam der Tag heran, an welchem die nach Frankfurt a. M. berufene Versammlung, das sog. Vorparlament, zusammentreten sollte. Am 31. März wurden die Verhandlungen desselben unter dem Vorsitz des Heidelberger Professors Mittermaier eröffnet. Struves republikanisches Programm ward abgewiesen, und die Beratung richtete sich zunächst auf die Berufung des künftigen Parlaments. Die Versammlung beschloß, Schleswig, Ost- und Westpreußen seien in den Deutschen Bund aufzunehmen und in dem künftigen Parlament durch Abgeordnete zu vertreten.
Auf je 50000 Seelen sollte ein aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehender Vertreter kommen. Am 1. Mai sollte die Versammlung in Frankfurt zusammentreten. Auch der Bundestag erließ 7. April eine diesen Beschlüssen entsprechende Verordnung. Eine schärfere Scheidung der Parteien machte sich bei der Frage geltend, ob die gegenwärtige Versammlung bis zum Beginn des Parlaments permanent bleiben oder nur einen Ausschuß zurücklassen solle; die letztere Ansicht drang durch. Ein Ausschuß von 50 Mitgliedern zur Überwachung der Durchführung der Beschlüsse wurde gewählt; aber die von Hecker und Struve geführte republikanische Minderheit schied nun aus der Versammlung aus. Mitten in die Thätigkeit des 4. April zusammengetretenen Fünfziger-Ausschusses fiel dann die Kunde, daß Hecker und Struve 12. April im bad. Oberlande eine republikanische Schilderhebung versucht hätten. Der Fünfziger-Ausschuß mahnte in
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einem Aufrufe von jeder Beteiligung an dem Unternehmen ab und suchte, freilich vergeblich, durch eine Abordnung an Hecker die friedliche Unterwerfung zu erlangen. Die Heckerschen Freischaren wurden bei Kandern (20. April) geschlagen, jedoch der Anführer der bad. Truppen, General Friedrich von Gaggern, gleich beim Beginn des Kampfes getötet. Aus Freiburg wurden die dort eingedrungenen Freischaren vertrieben und die unter Herwegh von Frankreich herübergekommenen deutschen Arbeiter bei Dossenbach zersprengt (27. April). Der Aufstand hatte die Wirkung, daß er die Parteien heftig entzweite und den alten Autoritäten Gelegenheit gab, wieder zu Kräften zu kommen. Gleichzeitig wütete in Posen ein heftiger Kampf, der auf Lostrennung der ehemals poln. Landesteile von Preußen abzielte, aber von den preuß. Truppen niedergeschlagen ward. Inzwischen hatte auch der Kampf in Schleswig-Holstein begonnen. Die dän. Truppen waren in Schleswig vorgedrungen, bis Preußen ein Armeekorps unter Wrangel entsendete, das (23. April) das Danewerk erstürmte, Schleswig einnahm und rasch bis an die Grenzen Jütlands vordrang. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1848 bis 1850.)
Die Verfassungsangelegenheit war indes von den Vertrauensmännern (Schmerling, Sommaruga, Dahlmann, Todt, Zachariä, Uhland, Bassermann, Bergk, Langen, Droysen, Willmar, von der Gabelentz, Luther, M. von Gagern, Stever, Albrecht, Jaup, Petri, Gervinus), die der Bundestag einberufen hatte, in Beratung genommen, und 26. April wurde der Bundesversammlung der von Dahlmann ausgearbeitete sog. Siebzehner-Entwurf überreicht, wonach ein erblicher Kaiser, ein Oberhaus aus den regierenden Fürsten und Vertretern der einzelnen Kammern, ein Unterhaus aus gewählten Abgeordneten, von denen einer auf je 100000 Seelen käme, und ein oberstes Reichsgericht eingesetzt werden sollten.
Der Entwurf bedingte eine scharfe Unterordnung der Einzelstaaten und fand weder bei den Fürsten noch bei der radikalen Partei Beifall; aber warme Anerkennung ward ihm von seiten des Prinzen von Preußen zu teil, nur daß auch ihm jene Herunterdrückung der Einzelstaaten zu weit ging. Friedrich Wilhelm IV. aber träumte sich, wie einst die Patrioten der Befreiungskriege, eine Verfassung, in der er als gewählter Deutscher König unter Österreichs deutschem Kaisertum stünde.
Der Zusammentritt der Deutschen Nationalversammlung (18. Mai) fand ganz Deutschland in einer zerrütteten Lage. In den kleinern Staaten Mittel- und Süddeutschlands regten sich republikanische Elemente; die deutschen Großstaaten befanden sich mitten im Zustande der Revolution. In Wien war (25. April) eine aufgezwungene Verfassung verkündet worden, die den Anstoß zu neuen Bewegungen gab. Man zwang das Ministerium Ficquelmont zum Rücktritt, und abermalige Unruhen (15. Mai) veranlaßten den Kaiser Ferdinand nach Innsbruck zu flüchten. Glücklicher war die Regierung in ihrem Bemühen, die Wahlen zum Deutschen Parlament in ihrem Sinne zu beeinflussen. Gleichzeitig war in Berlin die Zurückberufung des Prinzen von Preußen der Vorwand zu unruhigen Auftritten geworden, und der Zusammentritt der zur Vereinbarung über die preuß. Verfassung berufenen Versammlung vermehrte die Verlegenheiten, statt sie zu heben. Die Berufung dieser Versammlung veranlaßte das Frankfurter Parlament, nachdem es Heinrich von Gagern zum Präsidenten gewählt, zu dem ersten wichtigen Beschlusse über sein Verhältnis zu den in den einzelnen deutschen Staaten versammelten Landesvertretungen. Es erklärte 27. Mai, daß alle Bestimmungen einzelner deutscher Verfassungen, die mit dem von ihm zu gründenden allgemeinen Verfassungswerke nicht übereinstimmten, nur nach Maßgabe des Parlaments als gültig zu betrachten seien, und legte sich damit, übereinstimmend mit der Antrittsrede seines Präsidenten, in der Verfassungssache die souveräne Gewalt bei. Zunächst handelte es sich in der Versammlung nun um die Errichtung einer provisorischen Centralgewalt für Deutschland. Nach vielfachen Erwägungen und Debatten über die teils konstitutionellen, teils demokratischen Vorschläge wurde endlich 28. Juni das Gesetz über die provisorische Centralgewalt angenommen, welches dem Reichsverweser und seinen verantwortlichen Ministern die vollziehende Gewalt übertrug, die Entscheidung über Krieg und Frieden und über Verträge mit auswärtigen Mächten durch ihn im Einverständnisse mit der Nationalversammlung ausüben ließ, aber die Errichtung des Verfassungswerkes von der Wirksamkeit der Centralgewalt ausschloß und zugleich den Bundestag für aufgelöst erklärte. Am 29. Juni wurde von 436 Stimmen (unter 548 Anwesenden) der Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt.
Der Bundestag aber ließ es sich nicht nehmen, auch formell seine eigenen Befugnisse auf den Erzherzog zu übertragen. Die Regierungen wagten nicht, dem Reichsverweser ihre Anerkennung zu versagen, Preußen indes mit dem Vorbehalte, daß die Art der Wahl kein Präjudiz sein dürfe. Am 12. Juli erschien der Erzherzog in der Nationalversammlung und berief Schmerling, Peucker und Heckscher zu Ministern. Am 9. Aug. ward dann das Reichsministerium in der Art modifiziert und vervollständigt, daß Fürst Leiningen Präsident wurde, Heckscher das Innere übernahm.
Beckerath trat an die Spitze der Finanzen, Duckwitz ward Handelsminister, R. Mohl erhielt das Justizministerium, Peucker behielt die Leitung des Kriegswesens. Das Reichsministerium verordnete, daß in allen Staaten Deutschlands die Garnisonen 6. Aug. ausrücken und, nach Verlesung einer Proklamation des Reichsverwesers an das deutsche Volk, die Truppen demselben als Zeichen der Huldigung ein dreimaliges Hurrah ausbringen sollten. Die Anordnung erregte vielfache Mißstimmung bei den Regierungen. Auch beschränkte man sich in Preußen darauf, durch einen Armeebefehl bekannt zu machen, daß der Reichsverweser den Oberbefehl über die deutschen Truppen übernommen habe.
Indessen hatte die Nationalversammlung die Verfassungsarbeiten begonnen und sich in die Beratung der Grundrechte vertieft. Dem im Anfang der Märzbewegung laut gewordenen Freiheitsbegehren zu genügen, die Garantien für die Freiheit des Staatsbürgers, die sog. Grundrechte, sicher zu stellen, schien der Versammlung eine leichtere und dringendere Aufgabe als die Errichtung der nationalen Einheit, und über die weitläufigen Beratungen über diesen Punkt ging die kostbarste Zeit und Gelegenheit für die Lösung der Hauptaufgabe verloren. Auch von seiten der Regierungen wurde dem Verfassungswerk keine fruchtbare Anregung zu teil.
Währenddem waren Österreich und Preußen von revolutionären Zuckungen heimgesucht. Österreich
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besonders schien sich auflösen zu wollen. Dem Abfall Italiens war die slaw. Agitation in Böhmen gefolgt, die im Juni zu blutigen Konflikten führte, über die der Gouverneur, Fürst Windischgrätz, erst nach mehrtägigem Kampfe (15. bis 17. Juni) durch rücksichtslose Energie Meister ward. Gleichzeitig bereitete sich in Ungarn eine ernste Krisis vor. Alles ließ sich zu einem blutigen Konflikt zwischen den Slawen unter Jellachich, dem Banus von Kroatien, und den Magyaren an, wozu beide Teile rüsteten. Inmitten dieser vielen Gefahren stieg als einziger Lichtpunkt der Sieg von Custozza auf, den Radetzky über König Karl Albert (25. Juli) erfocht und der den Anfang einer Restauration der österr. Verhältnisse bedeutete.
Preußen befand sich ebenfalls in bedenklicher Gärung, insbesondere die Hauptstadt. Rührige Agitatoren verfügten über die Massen, und es fehlte an zureichenden Mitteln, die demagogische Bewegung zu zügeln. Am 22. Mai ward die «Versammlung zur Vereinbarung der preuß. Verfassung» eröffnet; aber die Verfassungsarbeit kam nur sehr langsam in Gang. Das Ministerium trat, nachdem wiederholte Straßentumulte stattgefunden hatten, zurück und erhielt als Nachfolger (26. Juni) eine Verwaltung, deren Vorsitz Rudolf von Auerswald übernahm. Aber bald erhoben sich neue Verlegenheiten, die auch dieses Ministerium nicht bemeistern konnte. Während sich die verschiedenen liberalen Fraktionen gegenseitig aufbrauchten und die Straßendemagogie eine Reaktion im Volke hervorrief, begann sich zugleich das aristokratische und militär. Element des vormärzlichen Preußens wieder zu sammeln und in einzelnen Fällen bereits seine Macht zu zeigen. Zu diesen innern Verlegenheiten, die eine Krisis erwarten ließen, kam der Schleswig-Holsteinische Krieg, worin sich die Schwäche der preuß. Politik jener Tage am sprechendsten kundgab. Von vornherein war es ein innerer Widerspruch, daß der König, dem jede Empörung von Unterthanen gegen ihren Landesherrn ein Greuel war, die Aktion gegen Dänemark in die Hand genommen hatte. Anfang Mai hatten die Preußen die Grenze Jütlands überschritten und schienen den Krieg energisch führen zu wollen. Aber die jetzt gestellte Forderung des Bundestags auf Einverleibung Schleswigs in den Deutschen Bund verschlimmerte die diplomat. Situation. Dänemark fand Schutz bei Rußland, das stark auf Preußen drückte und Schweden ermutigte, die dän. Inseln zu besetzen. Das Angebot der engl. Vermittelung, die Klagen des preuß. Handelsstandes über den Schaden, den ihm die dän. Blockade zufügte, die drohende Verwicklung mit Rußland und Schweden führten Preußen Ende Mai zu dem Entschluß, Jütland zu räumen. Die Dänen rückten nach, wurden indes bis Ende Juni aus Schleswig wieder hinausgeworfen. Währenddem begannen die Waffenstillstandsunterhandlungen zwischen Preußen und Dänemark auf Grund des engl., dann auch von Schweden empfohlenen Vorschlags, für beide Herzogtümer eine von Deutschland und Dänemark gemeinschaftlich gebildete Regierung einzusetzen. Die von dem inzwischen gewählten Reichsverweser noch hinzugefügten Bedingungen drohten den Abschluß zu erschweren. Da wies Preußen seinen Unterhändler an, die Verhandlung nicht an jenen Bedingungen scheitern zu lassen. So kam der auf 7 Monate geschlossene Waffenstillstand von Malmö (26. Aug.) zu stande. Zugleich setzte man eine gemeinschaftliche Regierung für die Herzogtümer (aus 5 Eingeborenen bestehend, darunter der als Träger des dän. Systems verhaßte Graf Moltke) ein, deren Mitglieder teils Dänemark, teils der Deutsche Bund ernannte, und hob alle seit 17. März erlassenen Gesetze auf. Ohne bei der Frankfurter Centralgewalt anzufragen, ratifizierte man in Berlin den Vertrag.
Damit trat für die Deutsche Nationalversammlung ein Wendepunkt ein. Nach den stolzen und kriegerischen Erklärungen, die das Reichsministerium 31. Juli über die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten im Parlament abgegeben hatte, machte der Waffenstillstand den niederschlagendsten Eindruck, um so mehr, als das Reichsministerium selbst zugab, daß er von den Bedingungen mehrfach abweiche, zu deren Feststellung es Preußen ermächtigt hatte. Dieser Eindruck gab sich auch in der Nationalversammlung kund, als sie 5. Sept. auf den Bericht Dahlmanns mit 17 Stimmen Majorität, aber gegen die Stimmen der eigenen Partei Dahlmanns beschloß, die Ausführung des Waffenstillstands zu sistieren.
Das Reichsministerium gab sofort seine Entlassung, und der Reichsverweser beauftragte Dahlmann mit der Bildung eines Ministeriums; aber aus seinen bisherigen Gegnern konnte und wollte er nicht seine Ministerkollegen auswählen. Am 14. Sept. begannen von neuem die Beratungen über den Waffenstillstand, und da eine Fortsetzung des Krieges ohne Preußen unmöglich erschien, wurde 16. Sept. mit 258 gegen 237 Stimmen der Waffenstillstand genehmigt. Die Erbitterung hierüber wußte die radikale Partei zu benutzen. Am 17. Sept., einem Sonntag, fand auf der Pfingstweide bei Frankfurt eine große Volksversammlung statt, welche Rücknahme jenes Beschlusses forderte und die 258 Abgeordneten für Volksverräter erklärte.
In der Nacht ließ das Reichsministerium, das durch die Abstimmung vom 16. Sept. wieder befestigt war, Truppen von Mainz herbeikommen, um das Parlament gegen etwaige Überfälle zu schützen. In der That kam es 18. Sept. zu einem Aufstand, in welchem zwei Abgeordnete des Parlaments, General von Auerswald und Fürst Felix Lichnowsky, getötet wurden, die Centralgewalt jedoch Siegerin blieb. Wenige Tage später brach Struve mit einer Schar von Flüchtlingen in das bad. Oberland ein (21. Sept.) und proklamierte in Lörrach die Republik. Schon 24. Sept. wurde er jedoch in Staufen vom bad. Militär unter General Hoffmann angegriffen, seine Schar zersprengt und er selbst auf der Flucht gefangen genommen. Der Versuch, den Rau in Württemberg machte, ging gleichzeitig ohne gewaltsame Erschütterung vorüber.
In Frankfurt war durch die letzten Vorgänge die gegenseitige Erbitterung der Parteien beträchtlich gestiegen, das Ansehen der Versammlung selbst sichtbar erschüttert. Wohl drang jetzt allerwärts die Einsicht durch, daß das zu lange verzögerte Verfassungswerk rascher betrieben werden müsse; aber es war die Frage, ob das Parlament die Macht noch habe, es zum Ziele zu führen. Denn eben jetzt begannen die alten Autoritäten in Österreich wie in Preußen ihre ersten Erfolge zu erringen. In Österreich war es zum Bruch zwischen den Magyaren und Kroaten gekommen. Jellachich setzte sich mit Heeresmacht gegen Ungarn in Bewegung, wo Kossuth die Leitung des Ministeriums übernahm und mit aller Energie zu rüsten begann. Graf
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Lamberg, dem das Oberkommando in Ungarn übertragen war, wurde auf der Pester Brücke ermordet (28. Sept.), und der Aufstand begann. Als 6. Okt. kaiserl. Truppen aus Wien nach Ungarn abziehen sollten, kam es auch hier zum Aufstand, die kaiserl. Familie floh nach Olmütz. Aber in kurzer Zeit waren ansehnliche Truppenmassen um die Hauptstadt vereinigt, und nach mehrtägigem Kampfe ward (31. Okt.) die Stadt von Fürst Windischgrätz genommen. Der Reichstag wurde nach Kremsier berufen und dort 22. Nov. eröffnet. Kaiser Ferdinand aber dankte zu Gunsten seines Neffen Franz Joseph 2. Dez. ab.
Inzwischen war es auch in Preußen zu einem Bruch mit der dortigen Nationalversammlung gekommen; sie wurde 5. Dez. für aufgelöst erklärt und eine Verfassung octroyiert, die auf freisinniger Grundlage ruhte und den beiden neuzuwählenden Kammern zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden sollte. Gleichzeitig hatte Preußen auch die Verhandlungen über die deutsche Frage wieder aufgenommen. Friedrich Wilhelms IV. Lieblingsgedanke, dem Kollegium der deutschen Könige eine besondere Machtfülle zuzuwenden, gefiel wohl den Königen von Bayern und Württemberg, aber sie fügten gleich weitere Vorschläge hinzu, die Preußen auf eine Stufe mit den Mittelstaaten herabdrückten.
Andererseits sagte Friedrich Wilhelm schon im November zu Gagern, der ihm von der Wahrscheinlichkeit seiner Kaiserwahl sprach, daß er aus den Händen des Parlaments allein ohne Zustimmung der Fürsten die Krone nicht annehmen werde. Aber schon allein mit Österreich war für ihn eine Verständigung nicht möglich. Schwarzenberg, der schon 27. Nov. auf dem Reichstage zu Kremsier die Notwendigkeit der Erhaltung der staatlichen Einheit Österreichs verkündet hatte, entwickelte ihm (13. Dez.) sein Programm: Eintritt des gesamten Österreich in den als Staatenbund wieder zu konstituierenden Deutschen Bund, statt einer Volksvertretung eine Versammlung der Fürsten, also eine wesentliche Stärkung der österr. Hegemonie und Verwerfung aller nationalen Wünsche.
Endlich hatte auch die Nationalversammlung die Beratung der als Reichsgesetz verkündigten) Grundrechte zu Ende geführt und 19. Okt. die Debatte über die Reichsverfassung begonnen. Mit wenig Glück mischte sie sich daneben in die österr. und preuß. Krisis. Der Versuch der Vermittelung durch Absendung von Reichskommissaren enthüllte nur die thatsächliche Machtlosigkeit des Parlaments. In scharfem Gegensatz zu dem Programm Schwarzenbergs standen die §§. 2 und 3 des Verfassungsentwurfs, wonach kein Teil des Deutschen Reichs mit nichtdeutschen Ländern zu einem Staat vereinigt sein sollte.
Wenn ein deutsches Land mit einem nichtdeutschen ein gemeinsames Oberhaupt hätte, sollte das Verhältnis zwischen beiden Ländern nach den Grundsätzen der reinen Personalunion zu ordnen sein. Mit großer Mehrheit wurden diese speciell Österreich berührenden Bestimmungen angenommen. Indem aber Österreich auf der Einheit seiner Monarchie bestand, wurde sein Eintritt in die erstrebte bundesstaatliche Verfassung Deutschlands unmöglich. Diese Einsicht schuf eine neue Gruppierung der Parteien.
Die Folge war, daß der Österreicher Schmerling (15. Dez.) aus dem Reichsministerium ausschied, Heinrich von Gagern an Schmerlings Stelle trat. Das Programm, welches Gagern (18. Dez.) der Nationalversammlung vorlegte, ging von dem Gedanken aus, daß Österreich in den zu gründenden Bundesstaat nicht eintreten könne; dagegen sei «sein Unionsverhältnis zu Deutschland mittels einer besondern Unionsakte zu ordnen und darin alle verwandtschaftlichen, geistigen, polit. und materiellen Bedürfnisse nach Möglichkeit zu befriedigen, welche Deutschland und Österreich von jeher verbunden haben und im gesteigerten Maße verbinden könnten». Dieses Programm befürwortete eine bundesstaatliche Einheit mit der erblichen Oberhauptswürde Preußens. Der Gegenzug Österreichs war die Erklärung (28. Dez.), daß sein Programm zu Kremsier nicht den Sinn gehabt habe, auf Österreichs Eintritt in den deutschen Bundesstaat zu verzichten. In der Deutschen Nationalversammlung aber standen sich fortan zwei Parteien gegenüber: die Anhänger des Bundesstaates mit preuß. Führung, meist aus der bisherigen konstitutionellen Mehrheit bestehend, und die Gegner dieser Politik, aus dem größten Teil der Linken, den Österreichern, den Partikularisten und andern Schattierungen gebildet.
Die Nationalversammlung gab nach einer ihrer bewegtesten Verhandlungen mit 261 gegen 224 Stimmen ihre Genehmigung zu dein Gagernschen Programm. Unmittelbar darauf begannen die Beratungen über die Oberhauptsfrage. In der Sitzung vom 19. Jan. wurden sowohl die Anträge auf ein fürstl. Direktorium (mit 361 gegen 97 Stimmen) als auf einen sechsjährigen Turnus zwischen Österreich und Preußen (mit 377 gegen 80 Stimmen) und auf einen aus allen Deutschen wählbaren Präsidenten (mit 339 gegen 122 Stimmen) verworfen, dagegen mit 258 gegen 211 Stimmen der Antrag angenommen: die Würde des Reichsoberhaupts wird einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen.
Aber wie unsicher und wenig einheitlich diese Mehrheit war, zeigte die Sitzung vom 23. Jan., in welcher keiner der verschiedenen Vorschläge über die Dauer der Würde eines Reichsoberhaupts Annahme fand; der Antrag auf Erblichkeit ward mit 263 gegen 211 Stimmen verworfen. Mit einer Mehrheit von 9 Stimmen wurde 25. Jan. beschlossen, daß das Reichsoberhaupt den Titel Kaiser der Deutschen erhalten solle. Die Parteischeidung trat unter solchen Umständen in der Versammlung immer greller hervor.
Der erbkaiserl. und bundesstaatlichen Partei, deren Mitglieder man mit dem Spottnamen der Kleindeutschen belegte, stand die verbundene Opposition der Linken und der verschiedenen, gegen die preuß. Oberhauptswürde vereinigten Fraktionen, die sich selbst die Großdeutschen nannten, entgegen und bot alles auf, die Gestaltung der Reichsverfassung im erbkaiserl. Sinne zu hindern. So ward das Wahlgesetz durch ein Zusammenwirken von links und rechts in der weitestgehenden Form angenommen und alle Einschränkungen, welche die Erbkaiserlichen beantragten, verworfen; so ward das absolute Veto beseitigt durch die Koalition der Linken und der verschiedenen Fraktionen partikularistischer und ultramontaner Färbung.
Außerhalb der «Versammlung standen die Konstitutionellen meist auf seiten der Erbkaiserlichen; die Demokraten agitierten dagegen. In Nord- und Mitteldeutschland war die erbkaiserl. Richtung überwiegend, im Süden, namentlich Bayern, die entgegengesetzte Meinung. Von den Regierungen hatten sich allmählich alle kleinern von Baden an
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abwärts für das preuß. Erbkaisertum erklärt; die Königreiche, Preußen ausgenommen, entschieden dagegen. Schwarzenberg entwickelte dem König von Preußen sein Programm jetzt dahin (17. Jan.), daß die Regierungen das Parlament mit Gewalt niederdrücken und das Verfassungswerk in ihre Hand nehmen müßten auf Grund eines die Kleinstaaten den Mittelstaaten unterordnenden Gruppensystems. Nun gelang es endlich dem Zureden der Minister und Bunsens, den König zur Zustimmung zu einer Cirkularnote vom zu bewegen, die die Regierungen aufforderte, zum Zwecke einer redlichen Verständigung ihre Erklärungen über die Verfassung vor deren zweiter Lesung abzugeben, um so dem Principienkampfe über Vereinbarung oder Nichtvereinbarung zu begegnen. Für sich selbst begehrte darin Preußen keine Machtvergrößerung, erklärte die Kaiserwürde nicht für nötig, sprach sich aber beifällig über den Plan aus, einen engern Bundesstaat aufzurichten. Österreich dagegen erklärte sich 4. Febr. entschieden gegen den Bundesstaat und verwahrte sich aufs feierlichste gegen eine Unterordnung des österr. Kaisers unter die von irgend einem andern deutschen Fürsten gehandhabte Centralgewalt. Auch Bayern gab eine Erklärung gegen den engern Bundesstaat (16. Febr.), während Preußen im Einverständnis mit fast allen Kleinstaaten eine Kollektiverklärung (23. Febr.) erließ, die das Wesentliche der Verfassung anerkannte, aber einzelne Abänderungen vorschlug, die teils den Zweck hatten, das Recht der Einzelstaaten schärfer zu begrenzen, teils die Reichsgewalt zu verstärken. Österreich schlug in einer Instruktion an Schmerling ein Direktorium von sieben Fürsten mit zwischen Österreich und Preußen wechselndem Reichsstatthalter an der Spitze und anstatt einer Volksvertretung eine Vertretung der einzelnen Regierungen und Kammern vor, innerhalb deren die österr. Mitglieder allein schon die Mehrheit besaßen; auch das Gruppensystem der 6 Kreise unter je einem der Könige fehlte nicht.
Das führte nun zum Rückschläge in Frankfurt. Welcker, der bis dahin Gegner des Bundesstaates ohne Österreich gewesen war, brachte, empört durch die 4. März aufgezwungene österr. Verfassung, die mit Nichtachtung Deutschlands Österreich einheitlich konstituierte, 12. März den Antrag ein: die Verfassung in Bausch und Bogen anzunehmen, die erbliche Kaiserwürde dem Könige von Preußen zu übertragen und diesen zum sofortigen Antritt der kaiserl. Gewalt einzuladen.
In der Sitzung vom 21. März wurde zwar der Welckersche Antrag mit 283 gegen 252 Stimmen verworfen; aber nachdem in der zweiten Lesung der Entwurf mannigfach im demokratischen Sinne verändert worden und dadurch ein Teil der Radikalen für das Erbkaisertum gewonnen war, wurde dies 27. März mit 267 gegen 263 Stimmen angenommen und 28. März, nachdem die Beratung der Verfassung in zweiter Lesung beendet war, mit 290 Stimmen Friedrich Wilhelm IV. zum Deutschen Kaiser gewählt; 248 Mitglieder hatten sich der Wahl enthalten. Eine große Deputation begab sich nach Berlin und erhielt (3. April) vom König eine Antwort, die seinem wiederholt erklärten Grundsatze entsprach, nicht ohne das freie Einverständnis der Fürsten und Freien Städte einen Entschluß fassen zu können. Gegenüber seinen Ministern hatte der König tags zuvor erklärt, daß er die Annahme des Kaisertitels unter allen Umständen für unangemessen halte.
Als die Deputation der Nationalversammlung Bericht erstattete, zeigte sich, welche Kluft diese von dem Könige trennte. Während dieser das Recht der Regierungen betonte, das Verfassungswerk der Nationalversammlung zu revidieren, hielt letztere an dem Princip ihrer Souveränität fest und erklärte (11. April), an der Verfassung unverändert festzuhalten; zugleich wählte sie einen Ausschuß von 30 Mitgliedern, der die Maßregeln der Durchführung beraten sollte. Während im Volke die Agitation für die Verfassung vom 28. März lebhafter begann und einen der widerstrebenden Fürsten, den König von Württemberg, zur Nachgiebigkeit zwang, erklärte Österreich die Sendung seiner Abgeordneten für beendet. Noch einmal versuchte das Reichsministerium durch die Sendung Beckeraths an den König von Preußen, ihn zur Annahme der Wahl zu bestimmen, indem es eine darauf folgende Revision der Verfassung in Aussicht stellte. Da die Mittelstaaten mit der erregten Stimmung der Bevölkerung zu rechnen hatten, und Österreich durch Mißerfolge in Ungarn in Bedrängnis geraten war, so schien der Augenblick günstig für Preußen. Aber der König entschied sich jetzt aus seinem innersten Herzen heraus. Eine Erklärung Preußens vom 28. April lehnte die Reichsverfassung, wie sie war, unbedingt ab, und zugleich erging die Aufforderung an die Regierungen, Bevollmächtigte zu der Beratung über die Reichsverfassung nach Berlin zu senden.
In der Nationalversammlung gewannen jetzt die radikalen Elemente die Oberhand, namentlich seitdem (3. Mai) in Dresden, in der Pfalz, am Niederrhein und in Baden die Agitation für die Reichsverfassung in republikanische Schilderhebungen ausschlug. Am 10. Mai trat Gagern definitiv aus dem Reichsministerium. Der Reichsverweser wählte die neuen Minister Grävell, Detmold, Merck, General Jochmus aus der äußersten Rechten: eine Kombination, die nur eine österr. Intrigue war und jedes Zusammengehen mit der Nationalversammlung ausschloß. Am 14. Mai rief Preußen seine Abgeordneten ab, ein Beschluß, den die Versammlung für ungesetzlich erklärte. Auch die Zurückgebliebenen von der gemäßigten Richtung erklärten 21. Mai zum größten Teil ihren Austritt; die übrigen folgten binnen wenig Tagen nach. Der Rest, aus Mitgliedern der Linken bestehend, beschloß 30. Mai nach Stuttgart überzusiedeln, während Preußen den Aufstand in Dresden bewältigt hatte und sich in Bewegung setzte, gegen die Schilderhebung im Süden und Westen das Gleiche zu thun. In Stuttgart eröffnete das «Rumpfparlament» (103 Mitglieder) 6. Juni seine Sitzungen und wählte eine Reichsregentschaft (Raveaux, Vogt, Schüler, H. Simon, Becher); aber schon 18. Juni ward es von dem württemb.
Ministerium mit Waffengewalt an der Fortsetzung seiner Beratungen gehindert. Eben jetzt fanden auch die Aufstände in der Pfalz und in Baden rasch ihr Ende. Nachdem die Versuche, die Nachbarländer hereinzuziehen, gescheitert waren, näherte sich der Pfalz vom Rhein her ein preuß. Heer von 35000 Mann, während eine aus kleinern Kontingenten gemischte Armee unter Peucker die bad.-hess. Grenze besetzt hielt und die Neckarlinie verteidigte. In wenigen Tagen war die Pfalz besetzt, und 21. Juni wurden die bad. Insurgenten bei Waghäusel, nach anfänglichen Erfolgen, geschlagen. Am 25. ward Karlsruhe von den Preußen