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dann als Kaiser krönen ließ. Unter Karls Sohne, Ludwig dem Frommen, 814-840, zerfiel dies Frankreich, Italien [* 2] und Deutschland [* 3] umspannende Reich und verwickelte den unglücklichen Herrscher in immer erneute Bürgerkriege, deren Führer seine eigenen Söhne und die mächtigsten weltlichen und geistlichen Großen des Reichs waren, unter ihnen auch der Papst, und nach seinem Tode wurde es in dem Vertrage von Verdun [* 4] 843 in drei Staaten zerlegt, von denen der eine, das östlich von Rhein und Aar gelegene Gebiet Ludwigs des Deutschen, den Rahmen bildete für die Entwicklung des deutschen Volks.
2) Von der Teilung zu Verdun bis auf Rudolf von Habsburg, 843-1273. (S. Karte I, 2 u. 3.) Die getrennte Geschichte des Deutschen Reichs und damit der Bildung des deutschen Volks begann mit dem Vertrag von Verdun 843; denn wenn dieser Vertrag auch die drei Staaten, in welche hier das Fränkische Reich geteilt ward, noch als zusammengehörende Teile eines Ganzen betrachtete, so waren doch thatsächlich durch denselben die überwiegend roman. Bestandteile des Frankenreichs als westfränk.
Reich von den überwiegend german. Bestandteilen als ostfränk. Reich geschieden, und letzteres wurde die Grundlage des deutschen Staates und damit der Form, in der sich die hier vereinigten Stämme zu dem deutschen Volke zusammenschlossen. Der Name deutsch (thiotisc) begegnet zuerst für die Sprache [* 5] (813) dieses Volks im Gegensatz zu den lateinisch, romanisch oder slawisch redenden und ward dann für das Volk (843) und für das Reich (besonders im 11. Jahrh.) üblich.
Lateinisch ward dafür Germani, Germania [* 6] gesagt, das so eine engere Bedeutung gewann. Der Vertrag von Mersen teilte das dritte (Lotharingische) Reich zwischen West- und Ostfrancien (870) und schob die Grenze des letztern bis an die Mosel und Maas. Burgund hatte sich als selbständiges Reich ausgeschieden, als das alte Frankenreich unter Karl dem Dicken noch einmal vereinigt gewesen war und dann 887 aufs neue und zwar in Frankreich, Deutschland, Italien und Burgund auseinander fiel.
Der deutsche König Arnulf wurde zwar von den in den andern Ländern erhobenen Königen als Oberherr anerkannt, aber es war das nicht viel mehr als eine Form, und mit seinem Tode 899 hörte auch diese auf. Unter seinem Sohne Ludwig dem Kind, der in Deutschland als König anerkannt wurde, drohte sich dies Reich noch weiter, und zwar in die Stammesherzogtümer Sachsen, [* 7] Bayern, [* 8] Schwaben, Franken, Lothringen aufzulösen; aber die Könige Konrad 1. (911-918), Heinrich I. (919-936) und Otto I. (936-973) haben die Einheit des Reichs behauptet, auch Lothringen festgehalten und (besonders Otto) die Stammesherzöge in die Stellung von Beamten des Königs herabgezwungen. In dieser Zeit wurden auch die Angriffe der Normannen und Magyaren, die zeitweise das Land zu zerstören drohten, abgewehrt (endgültig 955), und die Deutschen begannen erobernd gegen Osten vorzudringen.
Das heutige
Österreich
[* 9] und die
Länder an der
Elbe wurden im 10. bis 13. Jahrh. mit deutschen Siedelungen
bedeckt, dann auch die an der Oder und östlich davon, selbst über die Weichsel hinaus, ferner wurden
Ungarn,
[* 10]
Böhmen,
[* 11]
Polen
in einer (allerdings nicht gleichmäßigen) Abhängigkeit gehalten. Diese Ausbreitung der deutschen Herrschaft war zugleich
eine Ausbreitung der christl.
Kirche und der deutschen
Rechts- und Gesellschaftsordnungen.
Otto I. hatte
ferner den Einfluß des deutschen
Königs auch in
Burgund und
Italien wieder zur Geltung gebracht und 962 das ohne
den kaiserl.
Schutz und die kaiserl.
Aufsicht in ital.
Fraktionen und Familienverhältnissen verkommene Papsttum gereinigt und sich selbst
zum
Kaiser krönen lassen, wozu er eben die Wirren benutzte, welche
Italien und vor allem
Rom
[* 12] selbst und
das päpstl.
Regiment, von dem doch auch die deutsche Kirche die letzten Entscheidungen zu empfangen gehalten war, damals zerrütteten. Die Not rief, und die Ehre lockte zu diesem Abenteuer, weiter mochte auch vielleicht noch die Erwägung mitwirken, daß solche Heerfahrt die kampflustigen Scharen passend beschäftige, welche die Könige und die Großen auf ihren ausgedehnten Besitzungen unterhielten; denn so konnten sie deren Erträgnisse am besten verwerten, da der Markt für sie nur klein war.
König Otto hat in Rom die Ordnung hergestellt und mit dem Papste einen Vertrag geschlossen, worin der einst unter den karoling. Kaisern geltende Satz erneuert wurde, daß kein Papst geweiht werden dürfe, ehe er nicht dem Kaiser in bestimmten Formen Treue gelobt habe. Bald darauf sah sich Otto genötigt, den lasterhaften Papst Johann XII. abzusetzen und einen andern, Leo III., zu erheben. Otto verfügte über das röm. Bistum in ähnlicher Weise wie über andere Bistümer seines Reichs, und seine Nachfolger Otto II. und Otto III. haben ihre kaiserl. Stellung nicht nur in ähnlicher Weise aufgefaßt, sondern sie haben dieser röm. Aufgabe die Kräfte des Reichs in noch größerm Maße gewidmet.
Otto III. schien vollends aufzugehen in dieser geistlich-weltlichen Rolle; Deutschland war ihm nur wie ein Nebenland, Rom der Hauptsitz seines Reichs. Unter dem Schutz dieser Ottonen hob sich nun aber die Kirche aus dem tiefen Verfall, in den sie seit dem Untergange des karoling. Kaisertums namentlich in Rom versunken war, und gerade die von Otto III. berufenen Päpste Gregor V. und Sylvester II. hatten von der Macht und der Pflicht eines röm. Bischofs Anschauungen, die sich mit der durch die Ottonen erneuten Unterordnung unter den Kaiser auf die Dauer nicht vereinen ließen.
Die nächsten Könige Heinrich II. (1002-24) und Konrad II. (1024-39) wandten ihre Kraft [* 13] wieder mehr den deutschen Verhältnissen zu und dem Kampf mit den östl. Nachbarn, den Böhmen, Polen und Ungarn sowie der Sicherung Lothringens und der Erwerbung Burgunds, aber auch in Italien haben sie große Kämpfe zu bestehen gehabt und haben dadurch ebenfalls weder eine gesicherte Herrschaft aufrichten noch dem Lande den Frieden geben können. Damals begannen ferner die Normannen in Unteritalien die Macht zu begründen, welche später dem Enkel Konrads, Heinrich IV., so verhängnisvoll werden sollte, und in Rom riß namentlich mit Benedikt IX. 1033-46 eine jedem kirchlichen Anspruch hohnsprechende Verwilderung ein. Es wurde ihm ein anderer Papst entgegengestellt, Sylvester III., der nicht viel besser war, und endlich verkaufte Benedikt IX. sein Papsttum an Gregor VI., der wohl ein frommer Geistlicher war, der sich aber doch durch diesen Handel nach damaliger Anschauung schwer befleckt hatte. Aus diesem Ruin errettete König Heinrich III. (1039-56) das Papsttum, indem er Dez. 1046 auf den Synoden zu Sutri und Rom alle drei Päpste absetzte, einen deutschen Bischof zum Papst wählen, sich von ihm zum Kaiser krönen und zugleich von den Römern den Patriciat und damit die erste ¶
mehr
und entscheidende Stimme bei der Papstwahl übertragen ließ. Heinrich III. hat dann nacheinander noch weitere drei Päpste erhoben und so das Recht des Kaisers zu lebendiger Geltung gebracht, aber er erwählte sie alle aus dem Kreise [* 15] derjenigen Geistlichen, die in diesem Einfluß des Kaisers ein Unrecht sahen und für das Papsttum eine vom Kaisertum unabhängige und zugleich höhere Gewalt in Anspruch nahmen. Besonders lebendig lebte diese Vorstellung in Leo IX. (1048-54), und zum Siege gelangte sie, als Heinrich III. 1056 starb und den sechsjährigen Knaben Heinrich IV. als Erben hinterließ, während der Archidiakon Hildebrand, der spätere Papst Gregor VII., die röm. Politik leitete.
Bereits 1059 beseitigte Hildebrand durch ein Dekret Nikolaus' II. über die Papstwahl den maßgebenden Einfluß des deutschen Königs auf dieselben, was gewissermaßen schon dadurch vorbereitet war, daß Heinrich III. selbst gerade diejenige Richtung gefördert hatte, welche diesen Teil der königl. Gewalt bekämpfte. Andererseits aber offenbarte sich in der gesamten Verfassung des Reichs eine Verrückung und Verschiebung, welche alles fürchten ließ, und schon Heinrich III. hat trotz aller seiner Herrlichkeit während seiner ganzen Regierung mit gefährlichen Empörungen zu kämpfen gehabt, die aus der damaligen Verfassung des Reichs hervorgingen.
Italien und (seit Konrad II.) Burgund war mit dem Deutschen Reiche durch Personalunion vereinigt, auch für jedes der drei Reiche eine besondere Kanzlei errichtet, die des Königs Entscheidungen in der rechtlich bindenden Form der Königsurkunde ausfertigte, und endlich ist seit 962 auch das röm. Kaisertum mit dem deutschen Königtum verbunden gewesen. Die Könige nannten sich zwar in der Regel erst Kaiser, nachdem sie in Rom von dem Papste gekrönt waren; aber sie übten auch vorher bereits unbestritten kaiserl. Gewalt und nannten sich auch wohl schon Kaiser. (So z. B. mehrfach Konrad III.) Diese Verbindung hat den deutschen Königen großen Glanz, dem deutschen Volke vielfältige Anregung und Förderung, aber auch ungeheure Aufgaben gebracht, und je mehr sie in ihnen den größten Teil ihrer Kraft verbrauchten, um so weniger konnten sie die königl. Befugnisse vor der Zersplitterung schützen, welche namentlich durch die Ausdehnung [* 16] des Reichs, durch die Zerstörung des mittlern Besitzes und infolge davon des Unterthanenverbandes herbeigeführt wurde.
Die Masse der kleinen Grundbesitzer verlor die Selbständigkeit teils durch die übermäßigen Schenkungen von Land an Kirchen und Klöster, teils durch die Lasten, welche die unentgeltliche Heerespflicht, die Dingpflicht (Gerichtspflicht), der Aufenthalt und die unvergütete Verpflegung des Königs in ihren Besitzungen, die Kriegsschäden u. s. w. verursachten. Schon unter Karl d. Gr. war diese Zersetzung weit gediehen, und die Grafen begannen zahlreiche Freie zu ihren Hintersassen zu machen und ihr Amt wie einen Besitz zu behandeln.
Das Lehnwesen und die mit ihm verbundene Vasallität, d. h. die besondere in gebundenen Formen sich vollziehende Huldigung des Empfängers eines Amtes, eines Gutes oder Gebietes, gaben die Form her, um die Herrschaft des Königs auch da aufrecht zu erhalten, wo ein großer Teil der Unterthanen dem Könige nicht mehr unmittelbar, sondern nur durch das Mittel eines Herrn unterstanden, von dem sie wirtschaftlich und rechtlich abhängig waren. So entstand eine Aristokratie von weltlichen und geistlichen Großen, die dem Könige gegenüber immer neue Rechte in Anspruch zu nehmen suchten.
Besonders gefährlich war, daß die weltlichen Herren die empfangenen Besitzungen und Ämter erblich zu machen strebten. Deshalb verliehen die Könige namentlich im 10. und 11. Jahrh. den geistlichen Großen, besonders den Bischöfen, umfangreiche Hoheitsrechte; denn noch galt im Deutschen Reich der im Fränkischen Reiche ausgebildete Satz, daß die Kirche eine Landeskirche sei, daß die Könige über das Kirchengut ein gewisses Verfügungsrecht ausüben und die Bischöfe und Äbte ernennen oder doch die Ernennung entscheidend beeinflussen könnten.
Die große Kraftentwicklung des Deutschen Reichs unter Konrad II. und Heinrich III. beruhte wesentlich darauf, daß diese Könige über die geistlichen Großen noch leidlich verfügen konnten. Es war deshalb eine förmliche Umwälzung und eine Entwurzelung der deutschen Staatsordnung, daß Papst Gregor VII. die Investitur, d. h. die Verleihung eines geistlichen Amtes durch einen Laien, also auch durch den König, 1075 als kirchlich unerlaubt bezeichnete, und daß er für diese Lehre [* 17] Anhänger fand.
Die weltlichen Großen in Deutschland und Italien benutzten gern den Vorwand der Frömmigkeit, um sich dem von der Kirche angegriffenen
Könige zu widersetzen, und die Könige von Frankreich ergriffen die Gelegenheit, den mächtigen Nachbar zu stürzen. Heinrich
IV. war minderjährig, als dieser Angriff von Rom eröffnet wurde, er geriet zudem, sobald er heranwuchs,
in schwere Kämpfe mit den Großen, namentlich den sächsischen, und auch seine persönlichen Verhältnisse schwächten seine
Stellung; trotzdem hat er den Kampf für diesen, durch jahrhundertelange Übung anerkannten Besitz der Krone nicht ohne
manchen
Erfolg geführt.
Freilich war Heinrich IV. auch ein begabter, in vieler Beziehung sogar ein bedeutender Herrscher, und seine Maßregeln lassen vielleicht selbst die Deutung zu, als habe er den Schwächen der Reichsverfassung grundsätzlich abzuhelfen und der königl. Gewalt aus den Ministerialen, dem spätern niedern Adel, eine neue und dauernde Stütze zu schaffen gesucht. Wenn er auch keine bleibenden Erfolge erreichte, so ist doch zu bewundern, wie hartnäckigen Widerstand er den zahlreichen Feinden entgegenstellte, obwohl Gregor, der die ganze bisherige Rechtsordnung mit einem Male als Unrecht und Sünde bezeichnete, um sich selbst an Stelle des Kaisers auch in weltlichen Dingen zum Haupte der Christenheit zu erheben, in der Habsucht der Fürsten und in der starken ascetischen Strömung der Zeit die stärksten Bundesgenossen fand.
Nach der Buße zu Canossa, welche sich Heinrich selbst auferlegte, um den Papst moralisch zu zwingen, ihn von dem Banne zu lösen, den die Fürsten als Vorwand der Absetzung zu benutzen wünschten, gewann Heinrich doch bald wieder das Übergewicht und besetzte selbst Rom. Gregor mußte aus Rom weichen und starb in einer Art Verbannung. Auch über die Fürsten, die ihn 1077 in einer Versammlung zu Forchheim absetzten, behielt Heinrich im ganzen den Sieg. Die Gegenkönige erlagen einer nach dem andern, und um 1100 gebot Heinrich in Deutschland zwar nicht mit großer Macht, erhielt sich aber doch in verhältnismäßig ruhigem Besitz derselben. 1106 erlag er einer Empörung, an deren Spitze sein bereits zum Nachfolger erwählter Sohn Heinrich stand, wie es denn zu den schwersten Schäden des mittelalterlichen Lehnsstaates gehörte, daß der Streit der Interessen gerade die nächsten Familienglieder häufig ¶