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abgeschlossenen Gegenden noch heute nicht ganz ausgestorben sind. Andererseits lebte das lat. kirchliche Drama in den Händen der Jesuiten; in den Sälen und Höfen der Jesuitenstifte, selbst wieder auf offener Straße (wie 1597 in München [* 2] zur Weihung der Michaelskirche) errichteten die frommen Väter ihre Bühnen, die sie mit allen blendenden Mitteln des Dekorations- und Maschinenwesens ausstatteten.
Es war natürlich, daß sich bei der ungemeinen Beliebtheit der Schauspiele im 16. Jahrh. aus dem ursprünglich allein herrschenden Dilettantentum Anfänge von Berufsschauspielerei entwickelten; wir wissen von einheimischen Wandertruppen, wie denn z. B. 1585 in Frankfurt [* 3] a. M. Nürnberger Bürger Hans Sachssche Stücke agierten. Aber das war doch meist Nebenbeschäftigung. Es bedeutete eine starke Umwandlung des deutschen Schauspiels, als berufsmäßige Englische Komödianten [* 4] (s. d.) nach Deutschland [* 5] herüberkamen.
Sie treten teils in Dienste [* 6] eines Hofs (zuerst 1586 beim Kurfürsten von Sachsen, [* 7] seit 1594 namentlich bei Moritz von Hessen [* 8] und Heinrich Julius von Braunschweig), [* 9] teils gehen sie auf eigene Rechnung wandernd von Stadt zu Stadt (zuerst 1591). Ihre Truppen umfassen 10‒25 Personen, keine Frauen. Die Hauptrolle spielt der Clown; der Schauspieler Sackville nannte sich John Bouset i. Posset = Milchrahm mit Wein), Spencer Hans von Stockfisch, Reynolds Pickelhäring u. s. w. Sie agierten anfangs in engl. Sprache, [* 10] nur der Clown sprach früh deutsch; als sich bald deutsche Schauspieler unter sie mischten und sie durch längern Aufenthalt selbst des Deutschen mächtig wurden, gaben sie ihre Vorstellungen «in guter teutscher Sprache».
Die Darstellungsweise muß zwischen höfischer, graziöser Zierlichkeit und jener wilden, haarsträubenden engl. Manier, die Shakespeare im «Hamlet» geißelt, geschwankt haben. Die Bühne zerfiel in einen größern äußern und kleinern innern Schauplatz. Das Repertoire umfaßte histor. Dramen, Blut- und Schauerstücke, phantastische Lustspiele, Ballette, derbe Possen und Singspiele; sie gaben auch Shakespearesche Dramen, freilich sehr verderbt. Ihre Wirkung beruhte auf dem in Deutschland unerhörten dramat. Leben, auf den starken Situationseffekten ihrer Stücke und ihres Spiels. Bald fanden sie Nachahmung, so an Jak. Ayrer und vor allein an ihrem Gönner Heinrich Julius von Braunschweig. Welcher Art ihre Spiele waren, ist aus den 1620 erschienenen «Engl. Komödien und Tragödien» und dem 1630 veröffentlichten «Liebeskampf» zu ersehen: stilistisch untergeordnet, im theatralischen Aufbau roh, in den Possen derb, selbst gemein, aber durchweg höchst geschickt.
Die engl. Komödianten überdauerten noch den Dreißigjährigen Krieg. Inzwischen aber hatten deutsche Wandertruppen ihnen ihre Künste abgelernt und verdrängten sie. Auffallend ist die starke Beteiligung von «Studiosi», meist Theologen, die in den Kriegsunruhen das Vagabundenelend dem kaum gesichertern bürgerlichen Beruf vorzogen. Ein Magister Lassenius, der zuerst 1622 in Berlin [* 11] als Mitglied der Treuschen Truppe erschien, wurde sogar später wieder Geistlicher.
Doch hoben diese Elemente den Ton der Wandergesellschaften nicht, die lediglich brutal entstellte, in Blut und Greueln schwelgende Bearbeitungen ausländischer, namentlich span. und ital. Stücke und rohe Possen brachten. Die steif pomphaften Alexandrinerdramen von Gryphius, Lohenstein u. a. wurden höchstens auf Schulen und Universitäten aufgeführt und wollten in erster Reihe Lesedramen sein; das eigentliche Schuldrama fand durch den Zittauer Schulmann Christ. Weise (s. d.) noch nachträglich eine reichere Pflege in Prosadramen, in denen er sich den dramat. Anforderungen, die durch die Engländer im Publikum rege geworden waren, nicht entzog und auch der lustigen Person Platz gewährte.
Die Höfe und großen Städte hielten sich ital. und franz. Komödianten, bevorzugten aber namentlich die von Italien [* 12] eingeführte antikisierende Oper, das idyllische Schäferspiel, das allegorische Ballett und Festspiel; diese Dinge bildeten bald einen unentbehrlichen Bestandteil der Hoffestlichkeiten. Schon Opitz verfaßte eine Oper, die Dramen des Nürnbergers Klaj sind ganz opernhaft angelegt, und Rist hat in trefflichen allegorisch-patriotischen Festspielen (1647 und 1648 durch die Gärtnersche Truppe in Hamburg [* 13] aufgeführt) «das friedewünschende» und «das friedejauchzende Deutschland» dargestellt. So wenig diese auf musikalische und scenische Wirkungen ausgehende Richtung dem deutschen Schauspiel unmittelbar nutzte, so war sie ihm doch mittelbar förderlich dadurch, daß auf dekorative und Kostüm-Ausstattung mehr geachtet wurde (die Hamburger Oper zumal trieb unerhörten Luxus), daß eigene Theater [* 14] erbaut (1641 in Ulm, [* 15] 1667 in Dresden, [* 16] 1678 ein berühmtes Opernhaus in Hamburg), endlich daß die Frauenrollen jetzt wirklich von Frauen dargestellt wurden. ^[]
Das deutsche Volksschauspiel, das dank der Ungunst der Gebildeten bis in die Hände der «Springer», Seiltänzer und Feuerfresser herabsank, wie denn der «starke Mann» Karl von Eckenberg (s. d.) noch bis 1741 die Berliner [* 17] deutsche Bühne beherrschte, fand eine erste bleibende Stätte, als der Magister Velten (1640‒92),
seit 1678 Chef der «berühmten Bande», 1684 in Dresden als Leiter der «kursächs. Komödiengesellschaft» bei Hofe angestellt wurde. Er hat das Verdienst, das franz. Drama, namentlich Molière, stärker als vorher in das Repertoire aufgenommen zu haben. Die Trennung der früher eng verschlungenen ernsten «Hauptaktion» und komischen Nebenhandlung bahnte sich seit etwa 1690 dadurch an, daß die extemporierten Clownspäße immer mehr Selbständigkeit bekamen. Diese wurde am größten in Wien, [* 18] wo man längst an den Arlecchinaden ital. Banden (seit 1670) sich erbaut hatte und wo der Schlesier Ant. Jos. Stranitzky (gest. 1727), der 1708 im Kärntnerthortheater das erste stehende Volkstheater gründete, die typische [* 1] Figur des Salzburger Bauern «Hanswurst» für sich zurecht und in seinen Stegreifkomödien höchst populär machte. In seine Fußstapfen trat Prehauser (gest. 1769). Jos. Kurz (gest. 1784) schuf die Gestalt des Tölpels Bernardon, und so dauerte der Wiener Hanswurst unverwüstlich, wenn auch in wechselnden Masken, [* 19] als Jackerl, Leopoldl, Lipperl, Thaddädl u. s. w. fort bis zum Kasperle des Schauspielers Laroche (gest. 1807) und zu dem von Bäuerle erfundenen Staberl des genialen Wiener Komikers Ignaz Schuster. Lebt er doch im Kasper unsers Marionettentheaters noch heutigentags allenthalben.
Als Gottsched dem Deutsches Theater seine Aufmerksamkeit zuwandte, fand er einerseits die schwülstigen, pomphaft überladenen Haupt- und Staatsaktionen, die Lohenstein an Ungeschmack und Formlosigkeit weit überboten, andererseits die «unregelmäßigen» extemporierten Hanswurststücke vor. Beides war ihm ein Greuel. Er wollte regelmäßige ¶
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Dramen im franz. und antikisierenden Geschmack einführen. Eine wertvolle Verbündete fand er dabei an der tüchtigen Karoline Neuberin (1697‒1760), deren Truppe ihren Stammbaum über die Banden Hoffmanns, Haakes und Elensohns bis auf Velten zurückführte und in Kohlhardt, Suppig u. a. treffliche Acteure besaß.
Wenngleich die Neuberin der improvisierten Stücke noch nicht ganz entbehren konnte, so verbannte sie doch, auf Gottscheds Anraten, die typische Maske des Possenreißers und seine privilegierte Entartung 1737 auf ^[korrekt: aus] ihrem Leipziger Theater in einem von ihr gedichteten Gelegenheitsspiel öffentlich von der Bühne. Ihr Beispiel bewirkte, wenigstens für Norddeutschland, daß hinfort fast nur aufgeschriebene Stücke aufgeführt wurden und daß der Harlekin, dessen sich Lessing und Just.
Möser annahmen, wenigstens dem Namen nach verschwand, nicht in seinem Wesen, das auf die ständigen komischen Bedienten- und Soubrettenrollen (Johann, Lisette) überging. Viel zäher schützte Wien seinen Liebling, der ebenso in der Zauber- und Maschinenkomödie wie in der Liederposse unentbehrlich war. Der erste Versuch, der 1747 mit einem regelmäßigen Stück gemacht wurde, entzündete einen heftigen Widerstreit der Stegreifspieler gegen diese Neuerung, der 23 Jahre lang, an ein und derselben Bühne, mit allen Waffen [* 21] der Erfindungskraft und der Intrigue geführt wurde, bis Maria Theresia sich des regelmäßigen Geschmacks mit Entschiedenheit annahm, Jos. von Sonnenfels leitenden Einfluß gewann und die Improvisation durch die von ihm gehandhabte Censur auch vom Wiener Theater verbannt wurde.
In Norddeutschland hatte indes die einseitige Nachahmung der franz. Kunst bei der Schönemannschen und Kochschen Truppe fortgewirkt, während Schuch den ältern Geschmack noch nicht aufgab und in Leipzig [* 22] selbst Weißes [* 23] komische Opern stärker waren als Gottscheds Einfluß. Die Schwäche der Gottschedschen Reform lag in dem Mangel deutscher Originalstücke. Das besserte sich etwa seit Lessings «Miß Sara Sampson» (1756); wie hier durch ein praktisches Beispiel, führte der große Kritiker auch theoretisch von dem konventionellen Pathos der franz. Alexandrinerstücke ab und lenkte die Aufmerksamkeit auf die rührende Komödie der Franzosen, namentlich aber auf das Drama der Engländer.
Auch auf die gesunde natürliche Entwicklung der Schauspielkunst wirkte er nach Kräften hin; mit dem Theater stand er sein Leben lang in nächster Fühlung. Dieses hob sich sichtlich. Die Gesellschaften Kochs, Ackermanns, Seylers, Döbbelins, Schröders wechselten zwar noch oft den Spielort, doch blieb z.B. Döbbelin von 1775 bis 1787 fest in Berlin. Große schauspielerische Talente, wie die Heroinen Frau Hensel-Seyler, die Liebhaberinnen Frau Starke und Frau Brandes, der Komiker Brückner tauchten auf und wurden gesucht. 1767 versuchte ein Konsortium, in Hamburg ein Deutsches Nationaltheater (s. d.) zu gründen, und gewann Lessing zum Dramaturgen; an dieser Bühne trat der große Schauspieler Konr. Ekhof (1720‒78) auf, «der Vater der deutschen Schauspielkunst», der den Kothurn des alten franz. Stils ganz in Lessings Sinne zu Gunsten echter und doch künstlerischer Natürlichkeit abstreifte und dadurch epochemachend wirkte.
Das «Nationaltheater» ging ein, in Lessings «Hamburger Dramaturgie» eine wertvolle Frucht hinterlassend; aber auch noch unter, Friedr. Ludw. Schröder (1744‒1816), dem trefflichen Mimen und Bühnendichter, der die Hamburger Bühne 1771‒80 leitete, besaß diese an den Helden Brockmann und Reinecke, an Borchers und Christ, an den Schwestern Ackermann Kräfte hohen Ranges. Schröder erwarb sich das bleibende Verdienst, Shakespeare auf der deutschen Bühne heimisch gemacht zu haben; aber auch Goethes «Götz» führte er auf, und ein von ihm ausgeschriebener Preis wurde Klingers «Zwillingen» zu teil. Sein Auftreten auf dem Wiener Burgtheater (1781‒85) half auch dort die ältere, unwahr gespreizte und übertriebene Art des Spiels beseitigen. In gleichem Sinne war Ekhof, der inzwischen Mitglied der Seylerschen Truppe gewesen war, an dem 1775 gegründeten Hoftheater zu Gotha [* 24] thätig, dessen Direktion er bis zu seinem Tode führte. ^[]
Um diese Zeit vollzog sich eine große Veränderung der Theaterverhältnisse. Bis dahin waren es Schauspielerprinzipale, die alten Komödiantenmeister, selten andere Privatunternehmer, unter ihnen auch Kavaliere, wie in Wien und München, die an der Spitze der Theaterunternehmungen standen; von jetzt an begannen die Fürsten ital. Oper und franz. Komödie abzuschaffen und deutsche Theater in ihrem unmittelbaren Schutze zu unterhalten. Diese Veränderung wirkte um so vorteilhafter, als die Kunst dadurch vom Erwerb unabhängig gemacht wurde, ohne doch der kunstverständigen Leitung entzogen zu sein.
Kaiser Joseph Ⅱ., der 1776 das Wiener Schauspiel übernahm und ihm den Titel eines Nationaltheaters mit der musterhaften Bestimmung gab, es solle nur zur Verbreitung des guten Geschmacks und zur Veredelung der Sitten wirken, machte die Einsetzung der künstlerischen Vorstände von der Wahl der Theatermitglieder abhängig, sodaß bald ein Ausschuß von Schauspielern, bald einzelne, wie Stephanie, dann Brockmann, die Direktion führten. Dalberg, der 1779 in Mannheim [* 25] ein kurfürstl. Nationaltheater gründete, adoptierte die Josephinische Organisation, und diese junge Bühne, der die besten Talente des bald nach Ekhofs Tode wieder aufgelösten Gothaer Hoftheaters, unter ihnen Beil, Iffland, Beck, beitraten, wurde zur Stätte einer neuen schauspielerischen Schule, als deren Haupt Iffland zu betrachten ist.
Dieser Aufschwung der Bühne geht mit dem Aufschwung der dramat. Dichtung Hand [* 26] in Hand. Goethes «Götz von Berlichingen» gab der durch Shakespeare genährten Richtung auf Natürlichkeit einen solchen Nachdruck, daß dadurch bei den Aufführungen in Hamburg und Berlin 1773 eine Reform des Theaterapparats, besonders des Kostüms, zu Gunsten der histor. Treue herbeigeführt wurde. Die Mannheimer Bühne bahnte dem jungen Schiller durch die Aufführung seiner Jugenddramen 1781‒84 den Weg in die Öffentlichkeit.
Während Goethes «Götz» und Schillers «Räuber» ein langes Gefolge von Ritter- und Räuberstücken nach sich zogen, als deren Verfasser u.a. Törring, Babo und Maier hervortreten, wurde das bürgerliche Drama, nach Lessings Vorbild, besonders von den Schauspielern Iffland, Schröder, Großmann, Brandes, in zweiter Linie von Gotter, Gemmingen und Bretzner kultiviert; ergiebiger als je war die dichterische Produktion. Blieben diese meist platt alltäglichen bürgerlichen Schau- und Lustspiele an poet. Wert weit hinter Lessings «Minna» zurück, so fehlte es ihnen selten an Bühnenwirksamkeit und Routine. Alle frühern Poeten dieser Art überbot in der Gunst ¶