Litteratur. Die
Darstellungen der deutschen
Rechts- und Staatsgeschichte von Eichhorn (5. Aufl., 4 Bde.,
Gött. 1843‒44), Hillebrand (Lpz. 1856),
Walter (2. Aufl., 2 Bde.,
Bonn
[* 7] 1857), Philipps (4. Aufl.,
Münch.
1859), von
Daniels (4 Bde., Tüb. 1859‒63),
Zöpfl (4. Aufl., 3 Bde., Braunschw.
1871‒72), von Schulte (6. Aufl., Stuttg. 1893),
Brunner (2 Bde., Lpz. 1887‒92),
Siegel (2. Aufl., Berl. 1889), Schröder (Lpz.
1889);
ferner
Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte (8 Bde., Bd. 1
u. 2 in 3., Bd. 3
u. 4 in 2. Aufl., Kiel
[* 8] 1844‒85);
Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen (2 Bde., Braunschw.
1860‒64);
Sohm, Die altdeutsche
Reichs- und Gerichtsverfassung (Bd. 1, die fränk.
Reichs- und Gerichtsverfassung, Weim. 1871);
die Lehrbücher des deutschen Privatrechts von
Bluntschli (3. Aufl.,
Münch. 1864),
Beseler (4. Aufl., Berl. 1885), von Gerber (16.
Aufl.,
Jena
[* 9] 1891);
die Handbücher von
Stobbe (5 Bde., 2. Aufl., Berl.
1882‒85) und vonRoth (Bd. 1‒3, Tüb. 1880‒86
[unvollendet]);
Heusler, Institutionen des deutschen Privatrechts (2 Bde., Lpz.
1885‒86).
Theater.
[* 10] Wie im alten
Griechenland
[* 11] hatte auch das
Theater des christl.Abendlandes seinen
Ursprung in den dramat. Formen des Gottesdienstes. Die christl.
Kirche richtete, ausgehend von dem liturgischen Wechselgesang der Engel mit den drei Marien am
Grabe, zu dem später der Wettlauf
der
ApostelPetrus und
Johannes hinzutrat, kurze dialogische Osterfeiern ein, welche die Priester in der
Kirche aufführten;
aus den Osterfeiern erwuchsen die
Oster-, weiter die
Passionsspiele; ähnlich entstanden die Weihnachts-
und Dreikönigs- sowie die Fronleichnamsaufführungen, schließlich legendarische
Stücke, alle ohne dramat. Konzentration
Handlung an Handlung reihend.
Für diese
Mysterien (s. d.), wie man sie nannte, wurde nun bei ihrer weitern Ausbildung,
etwa seit dem 12. Jahrh., der Raum in derKirche zu eng, während zugleich ihre lat.
Sprache
[* 12] den Laien
das Verständnis erschwerte. Man schlug daher die Mysterienbühne auf
Kirch- und Klosterhöfen, bald auch auf
Straßen und
Plätzen der
Städte auf, und die lat.
Sprache wurde nur noch für die Bibelworte, welche
Christus, die
Apostel, Engel,
Heiligen
und Gott
Vater zu sprechen hatten, beibehalten.
Komische
[* 1]
Figuren, die natürlich von jeher deutsch sprachen, mischten sich früh unter dem Einfluß
der vagierenden Kleriker diesen Kirchenspielen ein, so namentlich der in den
Passionsspielen erscheinende Krämer oder Quacksalber
mit Frau und Knecht (dem eigentlichen Lustigmacher) und burleske Teufelsgestalten. Das
Personal dieser oft pomphaften Mysterienaufführungen
wuchs zu
Zeiten auf mehrere
Hundert an; sie hatten auf der großen, primitiven, aber ganz bestimmt, fast
landkartenmäßig eingeteilten
Bühne alle ihre festen Spielstellen, deren Bedeutung nicht
durch Dekorationen, sondern durch
Inschriften,
Banner und Ähnliches angedeutet war. Die Geistlichen, immer Verfasser der
Spiele, behielten sich die
Darstellung
der heiligen
Personen vor, die andern Rollen
[* 13] wurden oft Laien in die
Hände gelegt. So bekam dies geistliche
Drama bis zum Beginn der
Reformation eine nicht zu unterschätzende Ausbildung. ^[]
Neben diesen geistlichen Schauspielen entstanden andere, volkstümlich-komischer Gattung,die namentlich um die Fastnachtszeit
im Schwange waren. Diese
Fastnachtspiele, die teils auf letzten Nachwirkungen der röm. mimi,
teils auf germanisch-heidn. Festaufzügen und Streitgesprächen beruhen mögen, kennen wir am besten aus
Nürnberg
[* 14] und
Tirol.
[* 15] Die komisch kostümierten
Spieler zogen aus einem Wirtshaus ins andere, der Herold voran;
zuerst marschierten sie einfach
in Charaktermasken
auf und jeder sagte seinen
Spruch;
später wurden ganze kleine Handlungen, namentlich Prozesse, Bauernhochzeiten,
Arztscenen aufgeführt, all das im 15. Jahrh. sehr schmutzig und kunstlos;
ernstere allegorische oder gar polit.
Spiele sind
selten, kommen aber doch vor. Die berühmtesten Fastnachtdichter
Nürnbergs im 15. Jahrh. waren
Hans Rosenblut und
HansFolz,
in deren Art im 16. Jahrh. noch
Peter Probst dichtete. Einen Umschwung bedeuteteHansSachs; in seinen
Fastnachtspielen
ging der erste
Keim individueller
Menschen-, wirklicher Lebensdarstellung auf, ein Vorzug, den er auch über die enge Grenze
des Fastnachtspiels hinaus auf das ganze Gebiet seiner geistlichen und profanen Dramendichtung übertrug.
Lokalitäten, die
eigens zur Aufführung von Bühnenstücken erbaut worden wären, kannte man vor dem 17. Jahrh.
nicht. So wurden auch die weltlichen Komödien des
HansSachs außer der Zeit des Gottesdienstes zu
Nürnberg in
Kirche oder
Kloster gespielt; andere Spielorte waren
Gastwirtschaften, im 17. Jahrh. namentlich Fecht-,
Ball- und Tanzhäuser.
Der Gelehrtenstand beteiligte sich am
Drama durch die
Schulkomödien, die zu Ende des 15. Jahrh. zur
Übung
der lat.
Sprache eingeführt wurden. Man wählte zunächst
Stücke von Plautus und Terenz dazu, bildete ihnen aber bald neue
nach, wobei
Männer wie Reuchlin, Locher,
Celtisu. a. (s.
Deutsche Litteratur) thätig waren. Die
Reformation fand an den deutschen
Fastnachtspielen, besonders aber am lat. und deutschen Schuldrama ein wertvolles
Agitationsmittel;
Luther selbst begünstigte Aufführungen biblischer
Stücke. So gewinnen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh.
und schon früher diese
Schulkomödien, besonders in
Sachsen,
Thüringen,
Schlesien,
[* 16] weiteste Ausbreitung; mit Vorliebe behandelte
man alttestamentliche
Stoffe.
Studenten vereinigten sich an
Universitäten zu geschlossenen Korporationen für Schauspielaufführungen; besonders hoch stand
in Repertoire und Einrichtung das
Straßburger Akademietheater (seit 1596), das z. B. Brülows gute lat.
Dramen agierte; Landgraf
Moritz von Hessen baute für die
Zöglinge seiner Ritterakademie das erste eigentliche
Theater, das
Ottoneum. Ebenso spielten die
Bürger der
Städte, zumal die Meistersänger in
Nürnberg,
Augsburg,
[* 17]
Straßburg,
[* 18] selbstgedichtete
Stücke. Das alte kirchliche Mysterium in seinem undramatisch epischen Zuschnitt hielt sich namentlich
in den kath. Alpenländern und im Elsaß in langwierigen, personenreichen
Spielen; sie sanken von den
Bürgern allmählich
zu den
Bauern herab, bei denen solche
Bauernspiele (s. d.) in
¶
mehr
abgeschlossenen Gegenden noch heute nicht ganz ausgestorben sind. Andererseits lebte das lat.
kirchliche Drama in den Händen der Jesuiten; in den Sälen und Höfen der Jesuitenstifte, selbst wieder auf offener Straße (wie 1597 in
München
[* 20] zur Weihung der Michaelskirche) errichteten die frommen Väter ihre Bühnen, die sie mit allen blendenden
Mitteln des Dekorations- und Maschinenwesens ausstatteten.
Es war natürlich, daß sich bei der ungemeinen Beliebtheit der Schauspiele im 16. Jahrh.
aus dem ursprünglich allein herrschenden Dilettantentum Anfänge von Berufsschauspielerei entwickelten; wir wissen von einheimischen
Wandertruppen, wie denn z. B. 1585 in Frankfurt
[* 21] a. M. NürnbergerBürgerHans Sachssche Stücke agierten. Aber das
war doch meist Nebenbeschäftigung. Es bedeutete eine starke Umwandlung des deutschen Schauspiels, als berufsmäßige Englische Komödianten
[* 22] (s. d.) nach Deutschland herüberkamen.
Sie treten teils in Dienste
[* 23] eines Hofs (zuerst 1586 beim Kurfürsten von Sachsen, seit 1594 namentlich bei Moritz von Hessen
und Heinrich Julius von Braunschweig),
[* 24] teils gehen sie auf eigene Rechnung wandernd von Stadt zu Stadt (zuerst
1591). IhreTruppen umfassen 10‒25 Personen, keine Frauen. Die Hauptrolle spielt der Clown; der Schauspieler Sackville nannte
sich John Bouset i. Posset = Milchrahm mit Wein), SpencerHans von Stockfisch, Reynolds Pickelhäring u. s. w. Sie agierten anfangs
in engl. Sprache, nur der Clown sprach früh deutsch; als sich bald deutsche Schauspieler unter sie mischten
und sie durch längern Aufenthalt selbst des Deutschen mächtig wurden, gaben sie ihre Vorstellungen «in guter teutscher Sprache».
Die Darstellungsweise muß zwischen höfischer, graziöser Zierlichkeit und jener wilden, haarsträubenden engl.
Manier, die Shakespeare im «Hamlet» geißelt, geschwankt haben. Die
Bühne zerfiel in einen größern äußern und kleinern innern Schauplatz. Das Repertoire umfaßte histor. Dramen, Blut- und
Schauerstücke, phantastische Lustspiele, Ballette, derbe Possen und Singspiele; sie gaben auch Shakespearesche Dramen, freilich
sehr verderbt. Ihre Wirkung beruhte auf dem in Deutschland unerhörten dramat. Leben, auf den starken Situationseffekten ihrer
Stücke und ihres Spiels. Bald fanden sie Nachahmung, so an Jak. Ayrer und vor allein an ihrem GönnerHeinrich
Julius von Braunschweig. Welcher Art ihre Spiele waren, ist aus den 1620 erschienenen «Engl. Komödien und Tragödien» und dem 1630 veröffentlichten
«Liebeskampf» zu ersehen: stilistisch untergeordnet, im theatralischen
Aufbau roh, in den Possen derb, selbst gemein, aber durchweg höchst geschickt.
Die engl. Komödianten überdauerten noch den Dreißigjährigen Krieg. Inzwischen aber hatten deutsche Wandertruppen ihnen
ihre Künste abgelernt und verdrängten sie. Auffallend ist die starke Beteiligung von «Studiosi»,
meist Theologen, die in den Kriegsunruhen das Vagabundenelend dem kaum gesichertern bürgerlichen Beruf vorzogen. Ein Magister
Lassenius, der zuerst 1622 in Berlin
[* 25] als Mitglied der Treuschen Truppe erschien, wurde sogar später wieder Geistlicher.
Doch hoben diese Elemente den Ton der Wandergesellschaften nicht, die lediglich brutal entstellte, in Blut und Greueln schwelgende
Bearbeitungen ausländischer, namentlich span. und ital. Stücke und rohe Possen brachten. Die steif pomphaften Alexandrinerdramen
von Gryphius, Lohenstein u. a. wurden höchstens auf Schulen und
Universitäten aufgeführt und wollten in erster Reihe Lesedramen
sein; das eigentliche Schuldrama fand durch den Zittauer Schulmann Christ. Weise (s. d.) noch nachträglich eine reichere Pflege
in Prosadramen, in denen er sich den dramat. Anforderungen, die durch die Engländer im Publikum
rege geworden waren, nicht entzog und auch der lustigen Person Platz gewährte.
Die Höfe und großen Städte hielten sich ital. und franz. Komödianten, bevorzugten
aber namentlich die von Italien
[* 26] eingeführte antikisierende Oper, das idyllische Schäferspiel, das allegorische Ballett und
Festspiel; diese Dinge bildeten bald einen unentbehrlichen Bestandteil der Hoffestlichkeiten. SchonOpitz
verfaßte eine Oper, die Dramen des NürnbergersKlaj sind ganz opernhaft angelegt, und Rist hat in trefflichen allegorisch-patriotischen
Festspielen (1647 und 1648 durch die Gärtnersche Truppe in Hamburg
[* 27] aufgeführt) «das friedewünschende» und «das
friedejauchzende Deutschland» dargestellt. So wenig diese auf musikalische und scenische Wirkungen ausgehende Richtung dem
deutschen Schauspiel unmittelbar nutzte, so war sie ihm doch mittelbar förderlich dadurch, daß auf
dekorative und Kostüm-Ausstattung mehr geachtet wurde (die HamburgerOper zumal trieb unerhörten Luxus), daß eigene Theater
erbaut (1641 in Ulm,
[* 28] 1667 in Dresden,
[* 29] 1678 ein berühmtes Opernhaus in Hamburg), endlich daß die Frauenrollen jetzt wirklich
von Frauen dargestellt wurden. ^[]
Das deutsche Volksschauspiel, das dank der Ungunst der Gebildeten bis in die Hände der «Springer», Seiltänzer und Feuerfresser
herabsank, wie denn der «starke Mann» Karl von Eckenberg (s. d.) noch bis 1741 die Berliner
[* 30] deutsche Bühne beherrschte, fand
eine erste bleibende Stätte, als der MagisterVelten (1640‒92),
seit 1678 Chef der «berühmten Bande», 1684 in
Dresden als Leiter der «kursächs. Komödiengesellschaft» bei Hofe angestellt wurde. Er hat das Verdienst, das franz. Drama,
namentlich Molière, stärker als vorher in das Repertoire aufgenommen zu haben. Die Trennung der früher eng verschlungenen
ernsten «Hauptaktion» und komischen Nebenhandlung bahnte sich seit etwa 1690 dadurch
an, daß die extemporierten Clownspäße immer mehr Selbständigkeit bekamen. Diese wurde am größten
in Wien,
[* 31] wo man längst an den Arlecchinaden ital. Banden (seit 1670) sich erbaut hatte und wo der SchlesierAnt. Jos. Stranitzky
(gest. 1727), der 1708 im Kärntnerthortheater das erste stehende Volkstheater gründete, die typische
[* 19]
Figur des
SalzburgerBauern «Hanswurst» für sich zurecht und in seinen Stegreifkomödien
höchst populär machte. In seine Fußstapfen trat Prehauser (gest. 1769). Jos.
Kurz (gest. 1784) schuf die Gestalt des TölpelsBernardon, und so dauerte der Wiener Hanswurst unverwüstlich, wenn auch in
wechselnden Masken,
[* 32] als Jackerl, Leopoldl, Lipperl, Thaddädl u. s. w. fort bis
zum Kasperle des Schauspielers Laroche (gest. 1807) und zu dem von Bäuerle erfundenen Staberl des genialen WienerKomikers Ignaz
Schuster. Lebt er doch im Kasper unsers Marionettentheaters noch heutigentags allenthalben.
Als Gottsched dem Deutsches Theater seine Aufmerksamkeit zuwandte, fand er einerseits die schwülstigen, pomphaft überladenen Haupt-
und Staatsaktionen, die Lohenstein an Ungeschmack und Formlosigkeit weit überboten, andererseits die «unregelmäßigen»
extemporierten Hanswurststücke vor. Beides war ihm ein Greuel. Er wollte regelmäßige
¶