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sein energisches Vorgehen gegen unwürdige Mitglieder des Ordens und gegen das aufrührerische Danzig, [* 2] endlich sein eigenmächtiges Handeln in polit. Beziehung, veranlaßten seinen Sturz. In der richtigen Erkenntnis, daß nur ein Krieg den «friedlosen Frieden» beendigen könne, wollte er wieder den Kampf mit Polen beginnen. Doch seine Zeit begriff diese zielbewußte Politik nicht, und im Orden [* 3] selbst trat die Rebellion offen an den Tag. Das Kapitel, welches den aufrührerischen Marschall Michael Küchmeister, der an der Spitze der Unzufriedenen stand, verurteilen sollte, entsetzte Heinrich von Planen seines Amtes.
Immer tiefer sank nun der
Orden. Nachdem der «Hungerfeldzug» zwischen
Orden und
Polen vom Juli bis Okt. 1414 gedauert,
begann mit dem Waffenstillstand von
Strasburg und dessen von Jahr zu Jahr bis 1422 vorgenommener Verlängerung
[* 4] eine Zeit des
faulen Friedens. Im ewigen Wechsel zwischen
Anwerben von
Söldnern und deren Entlassung, sobald der Friede wieder gesichert
schien, durch unerträgliche
Ausgaben für Gesandtschaften an das Konstanzer
Konzil u. s. w. ruinierte
sich der
Orden finanziell, ohne doch den
Krieg vermeiden zu können, der nach dreimonatiger
Dauer im Sept. 1422 durch den Frieden
am Melno-See seinen
Abschluß fand und durch die definitive
Abtretung Samaitens auf immer die Besitz
ungen des
Ordens in
Preußen
[* 5] von denen in Livland
[* 6] trennte.
Wie der Orden äußerlich dadurch auf seine Zukunft verzichtete, so verfiel er auch innerlich immer mehr. Die Verarmung des Landes durch Kriege und kostspielige diplomat. Verhandlungen, eigenmächtiges Vorgehen des Ordens in Handelssachen, das noch mehr sich verschlechternde Verhältnis zwischen Rittern und Bevölkerung [* 7] erregte Unzufriedenheit, die sich äußerte in Wünschen nach Änderung der Gerichte, nach einer andern Zusammensetzung des Landesrats. Diese Bewegung fand ihren Abschluß durch die Vereinigung aller Unzufriedenen in dem sog. «Preußischen Bund» im März 1440 zu gemeinsamer Verteidigung ihrer Rechte und Freiheiten gegen den Orden.
Die auf Veranlassung des Ordens vom Kaiser Friedrich III. Ende 1453 befohlene Auflösung des Bundes veranlaßte die Eröffnung des Krieges seitens des Bundes gegen den Orden mit dem besten Erfolg. Doch hiermit nicht genug. Schon war man mit Polen in Verbindung getreten. Durch das «Inkorporations-Privileg» vom nahm Kasimir von Polen ganz Preußen in seinen Besitz. Es folgte nun der sog. «Dreizehnjährige oder Große Krieg» (1454-66), der wegen beiderseitiger Erschöpfung endlich durch den zweiten Frieden von Thorn [* 8] beendigt wurde. Westpreußen [* 9] mit Danzig, Elbing, [* 10] Culm, [* 11] Marienburg [* 12] und Thorn kam an Polen; Ostpreußen blieb als poln. Lehen dem Hochmeister, der wie alle seine Nachfolger dem König von Polen, 6 Monate nach seiner Wahl den Treueid leisten, sollte. Das poln. Westpreußen, in die drei Woiwodschaften Pommern, [* 13] Culm, Marienburg geteilt, ging bis ins 18. Jahrh. seine eigenen Wege.
1467-1525. Der Orden in Ostpreußen führte ein ruhmloses Dasein. Die Erkenntnis seiner eigenen Schwäche veranlaßte ihn endlich zu dem Versuch, durch die Personen seiner Hochmeister sich wieder zu Ansehen zu bringen. So erklärt sich die Wahl des Herzogs Friedrich von Sachsen [* 14] 1498 und nach dessen Tod 1510 die des Markgrafen Albrecht von Brandenburg. [* 15] Trotz seiner Verwandtschaft mit König Sigismund von Polen (Albrechts Mutter Sophie war eine Schwester Sigismunds) trieb Albrecht die Politik seiner nächsten Vorgänger auf die Spitze.
Während sie den Huldigungseid nur hinausschoben, war Albrecht entschlossen, den Lehnsverband mit Polen zu brechen. Vom Deutschen Reich unterstützt, dann verlassen, ließ sich Albrecht trotzdem auf einen Krieg ein, der, 1519 beginnend, 1521 mit einem vierjährigen Waffenstillstand abgeschlossen wurde und dann endgültig durch den Frieden von Krakau [* 16] 1525 sein Ende erreichte. Der geistliche Ordensstaat Preußen wurde in ein von Polen lehnbares, in der Familie des protestantisch gewordenen Albrecht von Hohenzollern [* 17] erbliches weltliches Herzogtum Preußen verwandelt.
Der livländische Ordenszweig. Länger als der preußische hielt sich der livländ. Zweig des Ordens in seiner ursprünglichen Verfassung. In Livland und Kurland hatte der Orden durch seine Vereinigung mit dem Schwertorden 1237 festen Fuß gefaßt. Unter einem eigenen Landmeister stehend hatte er im 13. und 14. Jahrh. schwere Kämpfe gegen Kuren, Samaiten und Russen zu bestehen. Dazu kam sowohl der fortwährende Konflikt zwischen dem Orden und dem Erzbischof von Riga, [* 18] der gleich jenem nach der Herrschaft über ganz Livland strebte, als die Uneinigkeit des Ordens mit dem auf sein städtisches Recht pochenden Riga. 1346 erwarb der Orden von König Waldemar von Dänemark [* 19] auch Esthland.
Diesen Besitzstand zu verteidigen, war Aufgabe des alleinstehenden livländ. Ordenszweiges, da der preußische durch seine Kämpfe gegen Polen-Litauen vollständig in Anspruch genommen war. Da er sich so auf sich selbst angewiesen sah, wuchs das Gefühl der Unabhängigkeit jenes Zweiges um so bedeutender, je mehr der Orden in Preußen an Bedeutung verlor, namentlich seit dem zweiten Thorner Frieden. Im Kampf für seine Existenz um die Wende des 16. Jahrh. gegen Rußland erfocht der Orden unter dem berühmtesten seiner Meister, Walter von Plettenberg (1494-1535), den Sieg an der Smolina bei Pleskow 1502, ein Erfolg, der dem Land einen 50jährigen Frieden mit Rußland sicherte.
Wie im preuß. Ordensgebiet, so breitete sich auch in Livland die Reformation durch die Predigten Knöpkens und Tegetmeyers aus, wenn auch der Orden offiziell katholisch blieb. Gleich Albrecht von Hohenzollern sich zum weltlichen Herrscher des seit 1525 völlig selbständig gewordenen Ordens zu machen, war Plettenberg unmöglich wegen der eifersüchtig auf die Annexion Livlands bedachten Nachbarn, Polen und Rußland, die bei einer event. Säkularisation des Ordens Grund gehabt hätten, sich in die livländ. Verhältnisse einzumischen.
Und trotzdem entging der Orden diesem Schicksal nicht. Das Bündnis, welches der livländ. Ordensmeister, Wilhelm von Fürstenberg, gezwungen durch die poln. Partei des Ordens unter Gotthard Kettler, mit dem letzten Jagiellonen Sigismund August von Polen 1557 zu Poswol gegen Iwan von Rußland einging, verstieß gegen den Vertrag des J. 1554 mit Rußland, der ausdrücklich Anschluß an Polen verbot. So begann 1558 ein 23jähriger Krieg, der Livland zu Grunde richtete und das Ende des Ordens mit sich führte. Das Heer des Ordens erlag den Russen 1560 bei Ermes; durch den Fall von Fellin geriet Wilhelm von Fürstenberg in russ. Gefangenschaft. Esthland sagte sich von der Ordensherrschaft los und erkannte ¶
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Erichs XIV. von Schweden [* 21] Oderhoheit an; Livland mit Riga wurde Polen-Litauen einverleibt. Kurland endlich wurde 1561 unter Gotthard Kettler ein erbliches Herzogtum in Abhängigkeit von Polen.
Innere Organisation des Ordens. War Livland durch die Säkularisation Preußens
[* 22] völlig unabhängig geworden, so auch der Deutschmeister,
d. h. das Haupt der allmählich im Deutschen Reich erworbenen Ordensbesitz
ungen. Diese zerfielen in 12 Provinzen,
die den Namen Balleien führten. An der Spitze einer Ballei, die in Komtureien oder Kommenden zerfiel, stand ein Landkomtur. Die
Namen der 12 Balleien sind: Thüringen, Österreich,
[* 23] Hessen,
[* 24] Franken, Koblenz,
[* 25] Elsaß, Bozen
[* 26] oder an der Etsch, Utrecht,
[* 27] Alten-Biesen,
Lothringen, Sachsen und Westfalen.
[* 28]
Mergentheim [* 29] in der Ballei Franken wurde die ständige Residenz der Deutschmeister, die seit Mitte des 16. Jahrh. den Titel «Hoch- und Deutschmeister» führen. Der Orden, dessen Mitglieder neben oft formelartig gewordenen gottesdienstlichen Verpflichtungen die Bewirtschaftung der Güter trieben, hatte Anfang des 19. Jahrh. noch 9 Balleien; denn Utrecht hatte sich 1637 losgelöst, Koblenz und Lothringen waren durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich verloren gegangen.
Der Preßburger Friede von 1805 gab dem Kaiser von Österreich das Recht, die Würde eines Hoch- und Deutschmeisters sowie sämtliche
Einkünfte des Ordens einem Prinzen seines Hauses zu verleihen. Von Regensburg
[* 30] aus dekretierte dann Napoleon 1809 die
Auflösung des Ordens. Seine Besitz
ungen fielen den Fürsten anheim, in deren Gebiet sie lagen. Eine Reorganisation erlebte
der Orden nur in Österreich durch Kaiser Franz I. 1834, wo er neue Statuten erhielt.
Seitdem stehen österr. Erzherzöge als «Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ritterordens» an der Spitze (seit 1863 Erzherzog Wilhelm, geb. Diesem untergeordnet sind Landkomture in den Balleien Österreich und Tirol. [* 31] Bedingung für die Aufnahme ist das kath. Bekenntnis und 16 Ahnen. Die Ordensritter zerfallen in Großkapitulare, Profeßritter und Ehrenritter. Die Profeßritter legen das Gelübde des Cölibats ab und erhalten aus dem Ertrag der Ländereien des Ordens beträchtliche jährliche Kommenden.
Der Orden unterhält zwei Hospitäler in Troppau [* 32] und Freudenthal und stellt im Mobilisierungsfall 44 vollständig ausgerüstete Feldsanitätskolonnen der Heeresleitung zur Verfügung. Ordenszeichen ist für alle Klassen ein schwarzemailliertes goldenes Kreuz [* 33] mit silbernem Rand; es wird an breitem schwarzseidenem Band [* 34] um den Hals getragen. (S. Tafel: Die wichtigsten Orden I, [* 20] Fig. 31.) - Ein anderer Rest des Ordens hat sich durch die Ballei Utrecht erhalten. Sie steht heute noch unter Leitung eines Landkomturs, welcher der königl. Bestätigung bedarf und schreibt für den Eintritt die reform. Konfession und den Nachweis von 4 Ahnen vor.
Litteratur, a. Quellen: Liv-, Esth- und Kurländisches Urkundenbuch (begründet von Bunge, fortgesetzt von Hildebrand, Bd. 1-8, Riga 1853-84);
Perlbach, Die Statuten des Deutschen Ordens (Halle [* 35] 1890);
Sattler, Handelsrechnungen des Deutschen Ordens (Lpz. 1887);
Scriptores rerum Prussicarum.
Die Geschichtsquellen der preuß. Vorzeit bis zum Untergange der Ordensherrschaft, hg. von Hirsch, [* 36] Töppen und Strehlke (5 Bde., ebd. 1861-74);
Akten der Ständetage Preußens unter der Herrschaft des Deutschen Ordens, hg. von Töppen (Bd. 1-5, ebd. 1878-86);
Codex diplomaticus Prussicus, hg. von Voigt (6 Bde., Königsb. 1836-61);
Salles, Annales de l'orrdre teutonique depuis son origine jusqu'à nos jours (Wien [* 37] 1887);
Die Urkunde des Deutsch-Ordens-Centralarchivs, hg. von Ed. Gaston, Grafen von Pettenegg (Bd. 1, Prag [* 38] 1887).
b. Darstellungen: Ewald, Die Eroberung Preußens durch die Deutschen (4 Bde., Halle 1872-86);
Krumbholtz, Samaiten und der Deutsche [* 39] Orden bis zum Frieden am Melno-See (Königsb. 1890);
Lohmeyer, Geschichte von Ost- und Westpreußen (1. Abteil., 2. Aufl., Gotha [* 40] 1884);
Schiemann, Rußland, Polen und Livland bis ins 17. Jahrh. (2 Bde., Berl. 1886-90);
von Treitschke, Das deutsche Ordensland Preußen (in «Histor. und polit. Aufsätze», Bd. 2; 5. Aufl., Lpz. 1886);
Voigt, Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des Deutschen Ordens (Bd. 1-9, Königsb. 1827-39);
ders., Geschichte des Deutschen Ritterordens in seinen 12 Balleien in Deutschland [* 41] (2 Bde., Berl. 1857-59).