mehr
Trendelenburgs, der die reale und die ideale Welt aus dem Grundbegriffe der Bewegung konstruierte.
Unter den Gegnern der Identitätsphilosophie
ragte neben
Friedrich
Heinrich Jacobi, der schon gegen Kant polemisiert hatte,
hauptsächlich Herbart (s. d.) durch den strengen Ernst seiner einschneidenden
Kritik und durch die straffe, methodische Form seiner Untersuchungen hervor. Je mehr die Identitätsphilosophie
mit der psychol. Flüssigkeit der
Vorstellungen gespielt hatte, um so energischer drang Herbart auf eine wissenschaftliche
Feststellung der
Begriffe und auf die
Reinigung derselben von den im gewöhnlichen
Denken umlaufenden
Widersprüchen. Er bezeichnete
deshalb die
Philosophie als Bearbeitung der
Begriffe.
Seine eigene Weltansicht suchte die Kantische
Lehre
[* 2] von den Dingen
an sich mit der Leibnizschen Monadologie
zu verbinden und legte den so gewonnenen metaphysischen
Begriff der «Realen» namentlich der Naturphilosophie
und der
Psychologie
zu
Grunde. Besonders um eine wissenschaftliche
Begründung der letztern hat er sich große Verdienste erworben. Seine ganze
Lehre war jedoch zu streng methodisch und zu formell wissenschaftlich, als daß sie von seinen
Schülern
aus sich in die weitern
Kreise
[* 3] der allgemeinen
Bildung schnell hätte verbreiten können: unter seinen Anhängern haben hauptsächlich
Drobisch die
Logik,
Strümpell die
Metaphysik,
Volkmann die
Psychologie, Zimmermann die Ästhetik mit Erfolg behandelt;
nach der völkerpsychol. und der sprachwissenschaftlichen Seite haben Lazarus und Steinthal seine Gedanken weiter entwickelt.
Gleichzeitig mit Herbart bildete Beneke wesentlich auf Grundlage der innern Erfahrung eine eigene psychol. Grundansicht aus, auf die er alle übrigen philos. Disciplinen zu stützen dachte; seine Ansichten sind später von K. Fortlage durch den Grundbegriff des Triebes der Fichteschen Wissenschaftslehre genähert worden.
Mehr noch als durch die
Polemik dieser Gegner, fiel die Herrschaft der Hegelschen Schule durch ihre eigene Zerspaltung und
Zerbröckelung, die sich während der dreißiger Jahre des 19. Jahrh. wesentlich an theol.
Streitfragen entwickelte. Während die Schule selbst sich in die
«Rechten und Linken» und das «Centrum» teilte, schlugen auf
der einen Seite mit einer gewissen freiern Anlehnung an die dialektische Methode eine Anzahl von Forschern, wie
Christian
Herm.
Weiße, Imman. Herm.
Fichte,
[* 4] Chalybäus. K. Ph. Fischer u. a. selbständigere Wege
zur
Begründung einer theistischen Weltanschauung ein, auf der andern Seite bildete sich bei Ludw.
Feuerbach im wachsenden Kampfe mit der idealistischen
Philosophie eine sensualistische Popularphilosophie
aus, die sich bei ihm und verwandten Geistern, schließlich auch bei
David
Strauß,
[* 5] zum völligen Materialismus entfaltete.
Unterdessen hatte sich das allgemeine Interesse immer mehr den einzelnen Wissenschaften, besonders den sich rasch entwickelnden Naturwissenschaften zugewandt. Die Weltanschauung, die die Naturforscher in Anlehnung au den Begriff der Materie auszubilden unternahmen, rief in den fünfziger Jahren den Materialismusstreit hervor, in dem auf der einen Seite Vogt, Büchner und Moleschott, auf der andern idealistische Philosophen und Psychologen standen, unter denen H. Lotze (s. d.) hervorragt.
Dazu kam die von Naturforschern und Philosophen gleichmäßig empfohlene Rückkehr zu Kant, die den Materialismus bald überwinden half. Doch blieb die Anregung, die er gegeben, unverloren, und das lebhafte Interesse, das sich der Ergründung der psychophysischen Verhältnisse zuneigte, fand Ausdruck in der Gestaltung einer physiol. und experimentellen Psychologie, die durch Waitz, Lotze und Fechner angebahnt, von Wundt im vollen Umfange durchgeführt wurde.
Von großem Einfluß auf die Hebung des philos. Interesses wurde in den sechziger Jahren das System Arthur Schopenhauers (s. d.). Anknüpfend an den Kantischen Dualismus von Ding und Erscheinung, suchte er im Willen das der phänomenalen Welt der Vorstellung zu Grunde liegende Ding an sich nachzuweisen; mit dieser Lehre verband er eine pessimistische Weltauffassung, die in der Verneinung des Willens zum Leben das höchste sittliche Ideal erblickte. Zwar mangelte dieser Philosophie mit voller Absicht die wissenschaftliche Methode, aber sie erschien in so vollkommener Darstellung, in einer so glücklichen und glänzenden Verwebung tiefsinniger und großartiger Gedanken, daß sie, nachdem sie erst angefangen hatte bekannt zu werden, sich außerordentlich schnell verbreitete und das Interesse der Deutschen an der Philosophie neu belebte. Diesem erneuerten Interesse verdankte dann der Versuch Eduard von Hartmanns (s. d.), die Schopenhauersche Lehre mit der Hegelschen Evolutionslehre zu verschmelzen, seinen glücklichen Erfolg.
Die Philosophie der Gegenwart in Deutschland [* 6] ist in einem Übergangsstadium begriffen. Während man auf der einen Seite auf Kant, Fichte, Hegel, Herbart zurückgeht und die erkenntnistheoretischen oder metaphysischen Ansichten dieser Philosophen mit den wissenschaftlichen Bedürfnissen der Gegenwart in Einklang zu bringen versucht, fehlt es auf der andern Seite nicht an selbständiger Bearbeitung einzelner Gebiete und systematischer Grundlegung der Erkenntnis aus neuen Gesichtspunkten. Zu den erstern wären Cohen, Stadler, Natorp und Windelband als Neukantianer, Bergmann als Erneuerer des ältern Fichte, verschiedene Anhänger von Hegel und Herbart zu zählen.
Die Erkenntnistheorie haben Schuppe, von Leclair und Schubert-Soldern in durchaus monistischem Sinne, Volkelt mit Einführung von Transsubjektivem, Laas und Riehl mit positivistischer Ablehnung aller Metaphysik zu begründen gesucht. Der Logik ist durch Sigwart eine neue Behandlung zu teil geworden, und in der Psychologie ist neben der physiol.-experimentellen Richtung durch Brentano, Stumpf und Uphues die kritische Bearbeitung der psychol. Begriffe und durch Lipps eine vollständige empirische Grundlegung geliefert worden. Für die Ethik haben Gizycki und Paulsen einen zum Teil an engl. Vorgänger anlehnenden eudämonistisch-utilitaristischen Standpunkt geltend gemacht. Ein neues System der Philosophie endlich hat Wundt (s. d.) aufgestellt; darin finden die einzelnen Wissenschaften die reichste Berücksichtigung und wird zugleich die Methaphysik als notwendiger Abschluß der gesamten Erkenntnis gefordert. -
Vgl. Zeller, Geschichte der
[* 7] Deutsche Philosophie
(2. Aufl.,
Münch. 1875).
(S. auch Philosophie.)