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verständlich war; Goethes «Faust» wird geradezu ein geistiges Banner, um das die staatlich zerrissenen Deutschen in Liebe und Stolz sich scharen. Der märkische Baron de la Motte-Fouqué beschwört in Dramen und Romanen mit unermüdlichem Eifer urdeutsche Heldengestalten aus dem Grabe; der junge Schwabe Uhland debütiert mit Romanzen im Tone des Volksliedes; Arnim und Brentano steigen von Erneuerungen älterer deutscher Werke zu eigenen prächtigen Erzählungen auf, die freilich neben gesunden alter- und volkstümlichen Elementen verzerrt spukhafte Partien oft allzu reichlich aufweisen.
Görres schreibt ein Buch über die deutschen Volksbücher; die Brüder Grimm sammeln und erzählen im schlichtesten treuherzigsten Tone ihre «Kinder- und Hausmärchen» (1812). Die gesteigerte Liebe zur deutschen Art stärkt den Willen und die Kraft, sie vor dem Fremdling zu schützen. In dem von Franzosen besetzten Berlin hält Fichte 1808 seine zur That treibenden, von patriotischem Feuer durchloderten «Reden an die deutsche Nation»;
Ernst Moritz Arndt schlägt den rechten Ton an für wuchtige volksmäßige Prosapamphlete;
der unglückliche Heinrich von Kleist (1776-1811),
vielleicht unser größter Dramatiker, dazu ein ausgezeichneter knapper Novellist von packender Anschaulichkeit und Belebtheit, geht nicht auf in der süßen romantischen Traumseligkeit seines «Käthchen von Heilbronn»;
er verherrlicht als der Erste die sittliche Macht der Disciplin, die im preuß. Staate lebt, durch seinen «Prinzen von Homburg» und weiß in der «Hermannsschlacht», in polit.
Liedern Laute des wildesten Hasses gegen die Vaterlandsfeinde zu finden. Diesem melancholischen Genius, der an dem Elend des Vaterlandes unverstanden mit zu Grunde ging, war es nicht beschieden, die nationale Erhebung zu erleben. Aber sie trat ein: das abgelebte Preußen der Aufklärung verjüngt sich durch den Kantschen Pflichtbegriff und die Einkehr in die deutsche Vergangenheit, wie die Romantik sie lehrte;
die leidenschaftlichen, nur etwas zu künstlichen «Geharnischten Sonette» Friedr. Rückerts, die begeisterten Schlachtlieder Arndts, Schenkendorfs, Körners, die Wehrmannslieder des Österreichers Jos. von Collin erklingen zu den Siegen der Freiheitskriege.
Höchst betroffen sieht Goethe, wie das aufbäumende Nationalgefühl seines Volks den großen Corsen aus dem Sattel wirft; leider urteilte er richtig, wenn er die polit. Folgen der Befreiungskämpfe nicht eben hoch anschlug. Alles kehrte ermüdet ins alte Gleis zurück. Daß sie die vollkommene Reaktion beförderte, lag völlig im Wesen der Romantik; wie gedieh in ihrer Sphäre die Lust zum kath. Konvertitentum, dem von Friedr. Schlegel bis zu dem begabt tollen Dramatiker Zach. Werner, dem Dichter Luthers, eine Reihe der angesehensten Romantiker anheimfiel! Hallen aus der burschenschaftlichen Bewegung vereinzelte lyrische Klänge des finstern polit. Fanatismus hervor (die Brüder Follen), so bleiben sie doch vorerst ganz isoliert, und die Demagogenhetze, die auf das Wartburgfest und Kotzebues Ermordung antwortete, bringt jede polit. Poesie zu tiefem Schweigen.
Die Zeit der polit. Abspannung, die den Freiheitskriegen folgt, ward eine Epoche ruhiger Sammlung, der Wissenschaft und Kunst nicht ungünstig. Zumal die histor.-philol. Wissenschaften gedeihen in dem durch die Romantik bereiteten Boden zur höchsten Blüte. Das von den Schlegeln angebahnte Sanskritstudium, die von W. von Humboldt geistvoll geförderte Sprachwissenschaft findet bald in Franz Bopp einen bahnbrechenden Meister. Die Wissenschaft der deutschen Sprache und Litteratur wird von den Brüdern Grimm so recht aus dem volkstümlich vaterländischen Sinne der Romantik heraus begründet.
Karl Lachmann, der Jugendfreund des romantischen Epikers Ernst Schulze, bringt die philol. Kritik zur höchsten Schärfe und Sicherheit. Aug. Böckh versenkt sich in die klassische Altertumswissenschaft. Savigny wird der Vater der histor. Rechtswissenschaft. Niebuhr macht mit der Kritik der geschichtlichen Überlieferung rücksichtslos Ernst und überholt schnell die mehr kompilatorische Thätigkeit früherer Historiker, wie des in Gelehrsamkeit und Darstellungsgabe hochbedeutenden, aber menschlich schwachen Johannes von Müller. Daß die mystischen Neigungen der Romantik auch in der Wissenschaft hervorbrechen, machte sich minder in den mytholog.
Verirrungen Creuzers und Kannes als vor allem in den wüsten naturphilos. Spekulationen (z. B. von Steffens und Oken) fühlbar, die eine Zeit lang das Gedeihen gesunder Naturwissenschaft geradezu hemmten. Doch auch das währte nicht lange: an den Namen A. von Humboldts knüpft sich auf diesem Gebiete gleichfalls starker Aufschwung in Forschung und schriftstellerischer Gestaltung. Mit reger Teilnahme jeden Fortschritt verfolgend, steht Goethe mitteninne in dieser gewaltigen wissenschaftlichen Entwicklung.
Seine köstliche Selbstbiographie «Dichtung und Wahrheit» (1811 fg.) ist geradezu die erste auf die Quellen geschichtlich eingehende Analyse einer künstlerischen Persönlichkeit und steht damit ebenso wegweisend in den Anfängen unserer Litteraturwissenschaft, wie sie ein Muster ruhiger geschichtlicher Prosa giebt. Nur zur romantischen Philosophie fehlte Goethe ein näheres Verhältnis: wie schon früher Kant, so waren die drei nacheinander an der recht eigentlich aus der patriotischen Erregung der Romantik hervorgewachsenen Universität Berlin regierenden philos. Machthaber Fichte, Schelling, Hegel ihm zu abstrakt, als daß er ihnen tiefere Wirkungen gestattet hätte. Um so stärker wirkten sie auf andere, zumal Hegel, dessen scheinbar fest geschlossenes System trotz seiner äußerst schwierigen Kunstsprache sich weithin unbedingte Anhänger erwarb und dessen dem preuß. Staat auf den Leib geschnittene Staatslehre zeitweilig eine polit. Macht war.
Diesem bis heute fortwirkenden Aufschwung der Wissenschaft steht ein gleichwertiger Fortschritt der Dichtung seit den Freiheitskriegen nicht mehr zur Seite. In den Ausläufern der Romantik, wie dem genialen Stilisten E. T. A. Hoffmann, dessen vielgelesene Erzählungen eine gespenstische Welt mit der nüchternsten Realität in bald verschwimmenden, bald grellen Übergängen verquicken, dominieren die mystisch-phantastischen Ausschreitungen allzusehr über das berechtigt Symbolische hinaus; diese Extravaganzen machen die in Schillerschem Pathos oft höchst effektvoll gedachten Dramen des bizarren Zach. Werner auf der Bühne zumal ungenießbar. Sein bekannter «Vierundzwanzigster Februar» (1809) mit seinen gesuchten Greueln eröffnet die Reihe der eigentlichen Schicksalsdramen, die, halb mißverständlich angelehnt an griech. Muster wie den «König Ödipus» des Sophokles, durch Schillers «Braut von Messina» weiter vorbereitet, in den Händen Müllners, Houwalds u. a. bald zur Karikatur ausarteten. Zu dieser Richtung gehörte der Erstling des
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jungen Österreichers Franz Grillparzer (1791-1872), eines lange nur wenig beachteten, erst neuerdings zu voller Würdigung gelangten vornehmen und hohen Dichters, dessen Dramen Goethes seelische Vertiefung mit Kleists realistischer Belebtheit verbinden, charakteristisch sind, aber maßvoll, dabei von keuschem herbem Reize. Mit ihm tritt Österreich endlich wieder kräftig in das Leben unserer Litteratur ein. Grillparzers Weltanschauung, der ein stilles zufriedenes Herz das Höchste ist, spiegelt die müde, quietistische, unter dem starken polit. Drucke großgezogene Gleichgültigkeit des damaligen Österreichers bezeichnend wieder.
Gedankenflucht in die zeitliche oder räumliche Ferne ist freilich auch die Signatur des übrigen Deutschlands. Gestattet die Reaktion nicht freie Regungen in der eigenen Heimat, so begeistert man sich für die Freiheit der revolutionierenden Völker hinten weit in der Türkei. Dem Philhellenentum kam außer der ehrlichen Sympathie für ein mutiges Volk, das unerträgliche Fesseln brach, der Dank für unendliche Wohlthaten zu gute, den Deutschland dem antiken Griechentum schuldete; selbst der kunstbegeisterte bayr. Kronprinz Ludwig, ein mehr eifriger als glücklicher Poet, der bald als König München zu einer Kunststadt ersten Ranges hob, trat für die Freiheit der Hellenen ein, und sie fanden an dem romantischen Sänger der «Griechenlieder» (1821),
dem Dessauer Wilh. Müller, bald einen beredten poet. Anwalt. Aber noch weiter nach Osten ging der poet. Gedankenzug, seit Goethe im «Westöstlichen Diwan» (1819) eigene Weisheit und Liebe in ein vortrefflich passendes orient. Kostüm gesteckt hatte. Die unmittelbare Frucht waren Rückerts «Östliche Rosen» (1822) und Platens «Ghaselen» (1821). Der Franke Friedrich Rückert (1788-1866),
ein unendlich reiches und leichtes poet. und formales Talent, leider ohne künstlerische Konzentration und Strenge, hat zwar in seinem «Liebesfrühling» auch schlichte deutsche Lieder von einfacher Schönheit geschaffen, blieb aber doch der Vorliebe für den Osten sein Leben lang treu und steht an der Spitze jener quietistisch epikureischen, dabei träumerisch fatalistischen Lehrpoesie, die über Schefers «Laienbrevier» sich bis zu Bodenstedts «Mirza Schaffy» fortpflanzt; der mannhafte Franke Platen (1796-1835) arbeitet, in jeder Hinsicht ein Schüler Goethes, sich aus orient. Weichlichkeit bald zur strengen klaren Schöne der Antike durch. Populär ist er nie geworden; aber in unermüdlichem künstlerischem Ernst und glühendem Ehrgeiz errang er sich eine edle Pracht der Sprache und des Rhythmus wie kein zweiter deutscher Dichter, und seine glänzenden Litteraturkomödien sind immerhin im Kampfe gegen die triviale Mittelmäßigkeit nicht erfolglos geblieben.
Diese Mittelmäßigkeit lagert sich seit den Freiheitskriegen ganz besonders breit und behaglich nieder in der Gunst des Publikums. Die sprachliche Technik war durch die Klassiker geschaffen; der polit. Druck rückt die Modelitteratur, rückt Leihbibliothek und Theater unverhältnismäßig stark in den Vordergrund der Interessen. Es ist die Zeit der Taschenbücher und Almanache, der ästhetischen Thees, der seichten und geschwätzigen Belletristen. Besonders schlimm ist der Kreis, der sich um die von Th. Hell herausgegebene «Dresdener Abendzeitung» schart: außer dem Herausgeber, einem federgewandten Übersetzer schwacher franz. Lustspiele, gehören z. B. Fr. Kind dazu, der Dichter des «Freischütz», Clauren, der Autor vielbeliebter süßlich lüsterner Romane, Weisflog, ein Humorist im Stile E. T. A. Hoffmanns, der seichte, selbstgefällig witzelnde Laun, die fruchtbaren Novellisten Blumenhagen, von Tromlitz und van der Velde.
Wenn das Berliner ästhetische Niveau etwas höher stand, so dankte es das nicht Männern wie dem Biographen Varnhagen von Ense, der freilich lange als ein Meister deutscher Prosa galt, nicht dem ästhetischen Kritiker Rellstab, auch nicht dem Herausgeber des sehr achtbaren «Gesellschafters», Friedr. Wilh. Gubitz, sondern in erster Linie dem Einfluß zweier ausgezeichneter Frauen, der geistreichen Jüdin Rahel, Varnhagens Gattin, und der Gattin Arnims, der Schwester Brentanos, der urwüchsig temperamentvollen Bettina: in ihren Zirkeln herrschte ein Goethekultus, der zumal bei Bettina nahezu einen mytholog.
Charakter annahm, aber freilich das unbändig wuchernde Unkraut der Trivialität abwehren half. Ihr Tummelplatz ist und bleibt mit Vorliebe der Roman, dessen sich jetzt auch Damen wie Joh. Schopenhauer, Luise Brachmann, Henriette Hanke in langen Bändereihen annahmen. Wenig hat die Zeit überdauert: wer liest jetzt z. B. noch einen Humoristen wie den verstandesscharfen Benzel-Sternau, wer den jeanpaulisierenden Ernst Wagner, den wüsten Schwaben Waiblinger;
Contessas Novellen sind uns matt, des Ritters von Lang «Hammelburger Reisen» eine uninteressante Satire geworden, auch K. J. Webers «Demokritos» (1832 fg.) spannt unsere Geduld auf die Folter.
Und doch gehören sie alle noch zu den bessern Prosaikern der Zeit. Dauerhafter erwiesen sich Christ. von Schmids fromme Erzählungen (z. B. «Die Ostereier», 1816) und die Novellen Zschokkes, des Verfassers der «Stunden der Andacht» (1809 fg.); auch Pestalozzis pädagogische Bauerngeschichte «Lienhart und Gertrud» findet wohl noch Leser; der Ernst der Gesinnung, der alle drei trägt, ist auch ihren Werken zu gute gekommen. Aber sie sind vereinzelt. Einen nachhaltigen Aufschwung über Clauren und Konsorten bedeutet erst die Einwirkung des historischen Romans Walter Scotts: dem «Lichtenstein» (1826) des jung verstorbenen Schwaben Wilhelm Hauff folgen Spindlers talentvolle, wenn auch schnell gearbeitete Kulturromane und die meisterhaften märkischen Romane von Wilibald Alexis (1798-1871), die künstlerische Freiheit und histor. Treue in so glücklicher Mischung vereinigen, wie sie seitdem nicht wieder gelang.
Mit dem Roman wetteifert das Bühnendrama, das Theater, in der Beliebtheit und der Mittelmäßigkeit. Das ernste Jambendrama, dem die Klassiker den Weg gebahnt, hält sich nicht auf der Höhe; es artet in den Werken des Schwaben Aussenberg und des Bayern E. von Schenk in kalten Pomp aus, der ebensowenig wie die antiken Dramen des Österreichers Collin auf den Brettern Wurzel fassen konnte. Das gelang dem maßvollen jüd. Dichter Mich. Beer zeitweilig mit seinem «Paria» (1823),
der schon durch sein glücklich gewähltes sociales Problem fesselte. Das Künstlerdrama, das mit des dän. Romantikers Öhlenschläger «Correggio» einsetzt, später zumal durch Deinhardstein vertreten, auch von Gutzkow und Laube gepflegt wird, ist schon seinen Stoffen nach zu unmittelbarer Wirkung nicht berufen. Karl Immermanns romantische Dramen sind bei reichen Schönheiten eine schwere, spröde Kost, sein gedankenvoller «Merlin» zumal war nur
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als Lesedrama denkbar. Des genialen, aber früh verkommenen Grabbe theatralische Versuche schwanken zwischen holzschnittmäßiger Roheit, bühnenunmöglichen Übertreibungen und grandios wirksamen, gewaltigen Scenen haltlos hin und her. Die Bühne gehört unter diesen Umständen, wo sie ernste Dramen braucht, einem geschickten Fabrikanten, wie dem Braunschweiger Aug. Klingemann, und vor allem dem vielgescholtenen, aber unzweifelhaft talentvollen und bühnenkundigen Dichter des «Hohenstaufen-Cyklus», Ernst Raupach (1784-1852),
der mit «Schillers zehnmal abgebrühter Phrase» lange Jahre hindurch der unbestrittene Beherrscher des Berliner Schauspielhauses im klassicistischen und romantischen Drama war. Minderes Glück hatte er bei seinem Publikum mit den Lustspielen und Possen, in denen er typische [* ] Figuren (etwa im Stil der Commedia del arte) heimisch zu machen suchte: da war die Konkurrenz der oberflächlich geistreichen Lustspiele des Freiherrn von Steigentesch, sowie der witzigen Berliner Farcen und Singspiele von Jul. von Voß, Albini, Karl Blum, vor allem des lustigen Angely doch zu groß.
Sie alle bringen wie die Hamburger Lebrün und Töpfer in ihren Possen charakteristische Gestalten und kräftige Situationskomik; Gemüt und namentlich Phantasie fehlt dieser norddeutschen Gruppe. Um so schöner und herzerquickender begrüßen uns diese ersten poet. Gaben bei dem naiven Klassiker der Wiener Volksbühne, bei dem liebenswürdigen Ferd. Raimund (1790-1836), der an das ältere Wiener Zauberstück anknüpft, seinen äußerlichen Späßen und Effekten aber einen neuen Gehalt von poet.
Leben, von Wahrheit und Wärme zu geben weiß. Dieser große Künstler wird durch Nestroy beim Publikum verdrängt, einen amüsanten, aber kalten und niedrigen Komiker mehr nach der norddeutschen Art. Eine eigene Abart der Volkskomödie bildet die wachsend beliebte mundartliche Dichtung, so die Frankfurter Dialektpossen von Malß, die satir. Bauernstücke der Schwaben Wagner und Weitzmann, Arnolds elsäss. «Pfingstmontag». Die Mundart greift in Lyrik und Epos über bei dem Nürnberger Grübel, dem schweiz. Idyllendichter Usteri, zumal aber in den prächtigen «Alemann. Gedichten» Joh. Peter Hebels (1803), in denen die durch die jüngere Romantik neu belebte Liebe zum einfachen, heimatlichen Volkstum ihren urgesunden schwarzwaldduftigen Ausdruck findet.
Hebel steht außerhalb des Kreises, den die Litteraturgeschichte im engern Sinne als Schwäbische Schule kennt; aber er trifft mit ihm zusammen in der volksmäßigen Lyrik. Die schwäb. Dichter, der große, formstrenge Balladensänger Ludwig Uhland (1737-1862) voran, der den Ton des Volksliedes so einzig traf, daß Lieder von ihm Volkslieder geworden sind, wurzeln in der Romantik. Aber der Verkehr mit Volk und Natur beseitigt oder mildert das hyperphantastische Element.
Die Ballade gelingt nach Uhland zumal Gust. Schwab; feinfühliges, schwermütiges Versenken in die Natur zeichnet den träumerischen Gemütsmenschen Justinus Kerner (1786-1862) aus, neben dessen naturgetränkten Liedern Karl Mayers zierliche Naturbildchen kleinlich erscheinen. Ein Spätling erwuchs dieser Gruppe in ihrem Landsmann Eduard Mörike (1804-75), der, in der Formsicherheit Uhland, in der Poesiefülle Kerner am nächsten verwandt, wohl der echteste deutsche Lyriker des 19. Jahrh. ward, aber auch in feingeschliffenen Erzählungen und einem düstern und phantastischen Roman Bedeutendes schuf.
Verwandte Geister traf die romantische Lyrik der Schwaben auch im Norden: in dem Dessauer Wilh. Müller (1794-1827), dem Sänger der «Müllerlieder» und der «Winterreise», die Schuberts kongeniale Melodien uns besonders lieb gemacht haben; in dem geborenen Franzosen Adalb. von Chamisso (1781-1838),
dessen spröde Kunst besonders die Ballade pflegte und der im «Schlemihl» (1814) ein echtes ironisch romantisches Phantasiestückchen schuf; vor allem in dem natur- und schönheitstrunkenen Jos. von Eichendorff (1788-1857), dem Dichter des deutschen Waldes und des Wanderns, dem liebenswürdigen Schilderer des thatenlosen holden Träumens. Diese romantische Naturlyrik bedeutet den reinsten und schönsten Ausdruck romantischer Poesie, nach Goethe den Höhepunkt moderner deutscher Lyrik.
Von ihr ging auch Heinrich Heine (1799-1856) aus, ein glänzender Virtuos des Volkstons, wenn er wollte, aber viel zu witzig und selbstgefällig, viel zu beflissen, weltschmerzlich interessant zu erscheinen, zu sehr sittlich angekränkelt, um einem wahren, ehrlichen und reinen Gefühl sich hinzugeben. Trotzdem oder gerade darum fand sein «Buch der Lieder» (1827), das Perlen echter Poesie enthält, aber daneben viel prickelnd pikante ungesunde Kost bringt, ein großes Publikum, nicht zum Heile der deutschen Dichtung.
Die gärenden socialen Elemente, die in der Zeit lagen, waren Goethe nicht entgangen. Schon in den «Wahlverwandtschaften» (1809) beschäftigen ihn ernste gesellschaftliche, in «Wilhelm Meisters Wanderjahren» (1821) wichtige sociale Fragen, und im zweiten Teil des «Faust» (1832) weist er so modern wie möglich von der Idee zum praktisch thätigen Leben hin. Am stirbt er; zwei Jahre vorher hatte die franz. Julirevolution das polit. und geistige Leben Deutschlands in fiebernde Erregung versetzt, in ganz neue Interessen gestürzt.
VII. Periode, von Goethes Tode an. In dieser stehen wir noch heute mitteninne, ihre Entwicklung und ihre Ziele sind heute noch nicht abzusehen. Beherrschende geistige Führer fehlen ihr bisher; charakteristisch scheint für sie, daß in ihr die Poesie gern, doch glücklicherweise nicht ausschließlich zur Dienerin der Tages-, ja der Parteitendenzen herabgewürdigt wird.
Wie sehr durch diese Auffassung aller Dichtung der Stempel der Vergänglichkeit ausgedrückt wird, das lehrt besonders die Vergessenheit, der heutzutage die Schöpfungen des sog. jungen Deutschlands verfallen sind. So heißen nach der Widmung einer Wienbargschen Schrift die litterar. Vorkämpfer des franz. Liberalismus in den dreißiger Jahren. Es ist eine rein norddeutsche Schriftstellergruppe, die im Süden kaum Anklang fand; poet. Geistes bar, voll von Aufklärungstendenzen, die nur ins Politische gewendet sind, läßt sie in der Regel nur die Prosa als des modernen Schriftstellers würdig gelten. Und diese Prosa geht so weit, daß selbst sociale Grundsätze, die sie poetisch verklären möchten, wie der der freien Liebe, der Emancipation des Fleisches bei ihnen in einer so abschreckenden Nüchternheit auftreten, wie sie selbst Schlegels «Lucinde» und zumal Heinses «Ardinghello» keineswegs zur Schau tragen. Heine gehört ins junge Deutschland weniger durch die satir. Reime seiner Pariser Zeit als durch seine frivole, aber espritvolle
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Feuilletonistik. Der eigentliche Schöpfer des feuilletonistischen Stils ist der Frankfurter Jude Ludw. Börne (1784-1837), der, ein ehrlicher, aber blinder Fanatiker, ohne ästhetische Begabung, unfähig zu einer konzentrierten Schöpfung, doch zu stachelnden, erregenden und amüsanten kleinen Artikeln den rechten Ton traf, der den schwerfälligen Deutschen imponierte. Ihm brachten die Männer des jungen Deutschland eine heute schwer begreifliche Bewunderung dar.
Auch sie waren Journalisten, zu ernstern Werken meist wenig begabt. Der tüchtigste unter ihnen, Karl Gutzkow (1811-78), ein starker Charakter, aber als Dichter ohne Anmut und Frische, ein gewaltig ringender, aber innerlich unfreier Geist, setzte mit unerquicklichen und anstößigen Romanen ein, unter denen namentlich das Produkt «Wally die Zweiflerin» einen Sturm entfesselte, der sogar den Bundestag 1835 zum Verbot der jungdeutschen Schriften trieb; aber, dem Wirbel der Politik ferner gerückt, hat er später tüchtige Schauspiele (vor allen: «Zopf und Schwert», 1843) und sehr bemerkenswerte socialpolit.
Romane («Die Ritter vom Geiste», 1850, «Der Zauberer von Rom», 1859) geschrieben, die eine starke Gabe der Menschenbeobachtung zeigen. Tief unter ihm stehen die übrigen Jungdeutschen, Heinrich Laube (1806-84), der sich als gewandter Bühnendichter und trefflicher Bühnenleiter später einen geachteten Namen erwarb, Th. Mundt, der Gatte der Luise Mühlbach, der schreibseligen Fabrikantin histor. Romane, u. a. Varnhagen von Ense, der blasierte Reisebeschreiber Fürst Pückler-Muskau kokettierten aus der Ferne mit diesem Kreise.
Ein starkes, aber unausgegorenes Talent, das in seiner wüsten, revolutionären Dramatik etwa an die Technik von Lenz und Klinger gemahnt, Georg Büchner (1813-37), starb zu früh. Zersetzender und erregender als all diese poet. Manifeste wirkten die theol. und philos. Arbeiten einiger radikalen Schüler Hegels, die, wie Dav. Friedr. Strauß im «Leben Jesu» (1835) und Ludw. Feuerbach im «Wesen des Christentums» (1841), Hegels scharfe Dialektik benutzten, um den bestehenden Glauben zu erschüttern.
Daß im Dienste der polit. Tendenz die Dichtung nicht gedeihen konnte, darüber war sich auch ein eifriger Liberaler, wie der Historiker Gervinus, klar, als er 1835 seine «Geschichte der deutschen Nationallitteratur» begann, ein ausgezeichnetes Werk, das in umfassender Gelehrsamkeit und Sicherheit des ästhetischen Urteils lange unerreicht dastand; sein Verfasser meinte damit der deutschen Poesie die Grabschrift zu setzen. So schlimm war es doch nicht. Stand die erste Gruppe polit.
Schriftsteller unbedingt im Zeichen der Prosa, so blüht etwa seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. (1840) und schon etwas vorher die polit. Poesie, vor allem die politische Lyrik auf. Es flattern die Sturmvögel der Märzrevolution in die Lüfte. Während die «Gedichte» Friedr. von Sallets, des Verfassers eines von Feuerbachschem Geiste getränkten «Laienevangeliums» (1842),
noch wenig Beachtung fanden, entfesselten Herweghs rhetorisch mächtige «Gedichte eines Lebendigen» (1841) einen Sturm des Beifalls, dem auch der König sein Ohr nicht verschloß. Der Philolog Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der glückliche Sänger volkstümlicher sangbarer Kinder- und Trinklieder, überträgt die leichte, zum Singen lockende Form auch auf seine zahllosen polit. Reime. Die feurigen Lieder zweier jüd. Dichter, des Ungarn Karl Beck und des Böhmen Mor. Hartmann, werden verschärft durch die noch immer gedrückte sociale Stellung ihrer Stammesgenossen.
Rob. Prutz gelingt eine geistreiche dramat. Satire «Die polit. Wochenstube» (1845),
der Glasbrenner satir. Epen zur Seite stellt. In wortprangenden «Canzonen» (1848) feiert Spiller von Hauenschild die Freiheit und beklagt die Schmach des gebundenen Vaterlandes. Ein Zug von weltmännischer Ironie geht durch die «Lieder eines kosmopolit. Nachtwächters» (1842) von Franz Dingelstedt, der den revolutionierenden Tendenzen seiner Jugenddichtung ebenso bald Valet sagte, wie der edle, formensichere und humorvolle Anastasius Grün (1806-76), den nur der erstickende Geistesdruck in Österreich zeitweilig in das Lager der unzufriedenen Poeten treibt.
Ihre Unduldsamkeit gegen Andersdenkende nicht nur, sondern auch gegen Gleichgültige setzt es bei dem Dichter farbenprächtiger Orientbilder, Ferd. Freiligrath (1810-76), durch, daß er die höhere Warte, die er selbst dem Dichter zuspricht, verläßt und sich zu einer leidenschaftlichen socialen Anklagedichtung hergiebt. Die Macht des Zeitgeistes läßt gar Bettina in ihren alten Tagen einer Art socialen Lehrromans huldigen. Es gehört in solchen Zeiten heißen oppositionellen Ringens ein größerer Mut dazu, die Ruhe und den Bestand zu predigen: weihte sich der an Platen geschulte, zumal in seinen Balladen hinreißende Graf Strachwitz (1822-47) dieser Aufgabe mit Wärme und heftigem Pathos, so vertrat sie in edler Ruhe, unbeirrt durch die Angriffe der Gegner, Emanuel Geibel (1815-84);
ein wahrer, keuscher Dichter, dem die Kunst viel zu heilig ist für den Lärm des Tags, hat er mit seiner vornehmen, formvollendeten, bald frisch jubelnden, bald gedankenvoll ernsten, bald innig warmen, bald hymnisch gen Himmel steigenden Lyrik die kurzlebigen Tendenzpoeten alle überdauert.
Mit dem Jahre 1848 ist die Zeit jener polit. Lyrik im wesentlichen wieder vorbei.
So lärmend sie sich bis dahin hervordrängt, es gab auch in den beiden Decennien von 1830-50 noch Dichter, die der Schönheit und Wahrheit dienten und nicht den «modernen Ideen». Erst in dieser Zeit wächst Karl Immermann (1796-1840) zur Dichterhöhe heran; in den «Epigonen» (1836) schafft er, freilich in Goethes Fußstapfen, einen Roman des modernen Lebens und streut damit eine Saat, die reich aufgeht; in dem unvollendeten Epos «Tristan und Isolde» (erschienen 1841) sucht er die Dichtung des Mittelalters mit glänzendem Gelingen neu zu beleben und steht damit an der Spitze jener epischen Richtung, der K. Simrock, Wilh.
Hertz, Wilh. Jordan später angehören; dem geistsprühenden satir. Roman «Münchhausen» (1838 fg.) fügt er seine westfäl. Dorfgeschichte, den «Oberhof», ein, der die ganze lange Litteratur der Dorfgeschichten einleitet. Berth. Auerbach, der meist als ihr Schöpfer gilt, ist ebenso wie Felder und später Rosegger didaktischer, Jer. Gotthelf realistischer bis ins Unschöne hinein, M. Meyr umständlicher und Steub genrehafter; die Lebensfülle der Gestalten Immermanns hat keiner der Nachfolger erreicht. Von andern Romanschriftstellern der Zeit hat Sealsfield durch seine amerik. Erzählungen die ethnogr. Romane Gerstäckers vorbereitet; auch Mügges nordländ. Geschichten, wie «Afraja» (1854), huldigen ähnlicher Tendenz. Die elegantere Gesellschaft der Zeit fand sich geschildert in den Romanen Alex. von Ungern-Sternbergs, eines
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Lieblings des Berliner Salons, und der hocharistokratischen Gräfin Ida Hahn-Hahn; Henriette von Paalzow dankte den Erfolg ihrer scottisierenden Romane sehr wesentlich dem Interesse Friedrich Wilhelms IV. Im Gegensatz zu dieser Gruppe stellte der lebenserfahrene K. von Holtei (1797-1880) in seinen äußerst bunten und belebten Romanen mit Vorliebe und entschiedener packender Kraft die amüsantere schlechte Gesellschaft dar. Ein heiterer Humorist war der Freiherr von Gaudy, ein sentimentaler in Jean Paulscher Art der Verfasser des «Prinzen Rosa Stramin», Ernst Koch. Fehlt es Meinholds archaisierenden Hexenromanen nicht an starker reaktionärer Tendenz, so beherrscht Stifters Novellen eine quietistische Hingabe an die Natur, für die die Menschengeschicke kaum mehr als Staffage sind.
Dieser Naturkult lebt in der Lyrik der Zeit wesentlich fort in den Ausläufern und Verwandten der Schwäbischen Schule. Frisch gedeiht die volkstümliche Dialektdichtung, so in Kobells oberbayr., Nadlers pfälz., Holteis schles. Gedichten; einen starken heimatlichen Erdgeruch atmen auch die Dichtungen der elsäss. Brüder Stöber, die sich von Herzen als Deutsche fühlen, und des westfäl. urkath. Freifräuleins Annette von Droste-Hülshoff, einer überraschend wahrhaften und kräftigen, etwas spröden poet.
Persönlichkeit. Der Rhein sieht im Bonner Maikäferverein eine Gruppe fröhlicher, dabei warm patriotischer Sänger vereint, denen wir manch noch heute gesungenes Lied danken, so den politisch bekannten Gottfr. Kinkel, der aber Politik und Poesie selten vermischte, ferner Karl Simrock, Nik. Becker, Alex. Kaufmann; ähnlich heitere Gesellschaftslieder stimmten der Berliner Wilh. Wackernagel und der Hannoveraner Hoffmann von Fallersleben an. Das muntere Kinderlied pflegte der Maler Reinick, die Kinderfabel Wilh.
Hey, die komische Ballade der prächtige Aug. Kopisch, während die Balladen Eberts und Mosens mit Vorliebe ernste histor. Stoffe, zuweilen auch tendenziös behandeln. Freiligraths exotische Lyrik fand noch an Ad. Bube einen Fortsetzer. An die geistliche Lyrik des Schwaben Alb. Knapp schloß sich später der Schwabe Gerok in formsichern schönen Liedern an; auch des Thüringers Jul. Sturm fromme Lieder stehen unter schwäb. Einflüssen; verbreiteter war Spittas Sammlung «Psalter und Harfe» (1833). Eine gesunde Gnomik, die nichts mit den modernen Tendenzen zu schaffen hat, sondern an unsere Klassiker anknüpft, pflegt Ernst Freiherr von Feuchtersleben. So zeitigt die Epoche neben der gärenden polit. Lyrik eine stattliche Reihe liebenswürdiger, frischer lyrischer Sänger. Der nach Mörike weitaus bedeutendste freilich, der Ungar Nik. Lenau (1802-50), spiegelt in seiner leidenschaftlichen Sehnsucht, seiner tiefen Zerrissenheit, die den Unglücklichen zum tragischen Vertreter des deutschen Weltschmerzes macht, das ganze Elend der unbefriedigten Zeit ab, die seinem stürmenden Dichterherzen nirgend eine Zuflucht gewährte.
Lenau hat auch histor. Epen hinterlassen, wie denn das Epos, lange ein Stiefkind unserer Litteratur, jetzt neuen Boden gewinnt. In dem Berliner «Tunnel über der Spree» gedieh nicht nur die Ballade (Strachwitz, Fontane, später Kugler, Heyse, Dahn); dem ungefügen, aber schwungvollen Chr. Fr. Scherenberg gelingt hier das preuß. Schlachtenepos («Waterloo», 1849). Und bemerkenswert genug bricht für das Epos eine romantische Nachblüte an, die in Mosens tief symbolischem «Ritter Wahn» (1831),
in Zedlitz' duftigem «Waldfräulein» (1843) und Kinkels anmutigen, aber allzu lyrisch gestimmten poet. Erzählungen («Otto der Schütz», 1841) sich ankündigte und bald weitere Früchte tragen sollte.
Auch im Drama findet die Romantik noch einen späten, bemerkenswerten Vertreter in Friedr. Halm (1806-71), bei dem freilich ungesunde und rührsame Elemente nur selten rechte Befriedigung aufkommen lassen. Sind die psychol. Probleme, die er sich stellt, interessant aber gesucht und nicht immer überzeugend, so war ein psychol. Realist ersten Ranges der größte Dramatiker der Zeit, Friedr. Hebbel (1813-63). Ein dithmarsischer Eisenkopf von harter, oft nüchterner Wahrhaftigkeit, ein unermüdlich ringender Geist, reflektiert, vergrübelt, dabei von unstillbarer Sehnsucht nach dem Ideal erfüllt, hat er sich die Bühne nur sehr langsam erobert, sowohl für seine gewaltigen Jambendramen wie «Gyges und sein Ring» (1854) und die «Nibelungen» (1862),
als für seine Prosastücke «Judith» (1841),
«Maria Magdalene» (1844). Gerade in dieser politisch aufgeregten Zeit hat das große Publikum keinen Sinn für ernste Kunst: da ist die Zeit für die leicht satir. Salonstücke Bauernfelds, für die harmlosen Lustspiele Benedix', für die effektvoll trivialen Stücke der fruchtbaren Charl. Birch-Pfeiffer, die beliebte Romane massenhaft auf die Bühne bringt und in der Gunst der Berliner Raupach ablöst. Erfreulich hebt sich das geistreiche Lustspiel «Pitt und Fox» von Rud. Gottschall aus dem theatralischen Durchschnittsmaß heraus.
Der Überblick über die Jahre 1830-50 zeigt immerhin, wie wenig die polit. Unruhen die Poesie begünstigen; das Aufblühen der Tagesjournalistik, in der neben Heine und Börne der alberne Witzler Saphir Effekt machte, bot dafür wahrhaftig keinen Ersatz. Nach der Märzrevolution glätten sich die Wogen, und so wenig in der Zeit von 1850 bis 1870 die Politik schweigt, so führt sie in der Poesie doch nicht mehr das große Wort. In begreiflichem Rückschlag erzeugt die Ermattung geradezu eine Art Nachromantik, die sich namentlich im Epos kundgab.
Einen großen, heute unbegreiflichen Erfolg erzielte Oskar von Redwitz mit seiner süßlich frömmelnden «Amaranth» (1849); ausgeprägt kath. Romantik spricht aus Jos. Papes mittelalterlichen epischen Erzählungen, während seines jüngern Landsmanns Webers «Dreizehnlinden» mehr der kräftigen Art Annette Drostes verwandt ist. Träumerische und heitere Wald- und Weinromantik pflegen im Anschluß an Zedlitz der Märker Gans zu Putlitz («Was sich der Wald erzählt», 1850) und Otto Roquette («Waldmeisters Brautfahrt», 1859); der lustige wandernde Spielmann wird wieder epischer Held in Beckers «Jung Friedel» (1854) und vor allem in Viktor von Scheffels köstlichem «Trompeter von Säckingen» (1854). Mosens symbolische Romantik endlich dauert fort in den mannigfachen epischen Versuchen des farbenglühenden und gedankenschweren Robert Hamerling (1830-90),
dem doch sein nahes Verhältnis zur Antike bei aller üppigen Pracht der Rede eine gewisse Strenge der Form erhielt. Die Liebe zur Antike erzeugt Gregorovius' epische Dichtung «Euphorion» (1858). Die Antike, im Bunde mit orient. und romantischen Elementen, zugleich mit Einflüssen der bildenden Kunst versetzt, bestimmt stark einen Münchener Dichterkreis, der sich auf Veranlassung König Maximilians II. in Isarathen
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versammelte und dem alle tendenziösen Zeitinteressen glücklich fern lagen. Neben Geibel dichtete da Friedr. Bodenstedt (1819-92), der als «Mirza Schaffy» (1851) an Goethes «Diwan» und an echte orient. Muster zugleich lebenslustig und lehrhaft anknüpfte und an dem sinnvoll sinnlichen Daumer, dem beschaulichen Hammer Stilgenossen hatte; ferner der mecklenb. Graf Schack, der nachbildend und neubildend orient. und antiken Anregungen in hoher Formvollendung nachgab, der Dichter der «Völkerwanderung» (1866), Herm. Lingg, der Nachdichter Gottfrieds von Straßburg und anderer mittelhochdeutscher Epiker, Wilh.
Hertz, der Philosoph M. Meyr, Verfasser guter Dorfgeschichten, der anmutige Kulturnovellist Riehl, der poet. Erzähler Jul. Grosse, endlich, nicht zuletzt, der erfolgreichste Novellist der Epoche, Paul Heyse (geb. 1830), ein Künstler von wohlthuend klarem Blick und durchsichtiger Form, der in seinen kleinen Liebesgeschichten ebenso die südl. Glut Italiens wie die innige Wärme Deutschlands darzustellen weiß und dem auch edle antikisierende Dramen, flüssige poet. Erzählungen, charakteristische patriotische Schauspiele gelingen, während ihm die leidige Tendenz die Romane verdirbt.
Im Roman, der mit dieser Epoche mehr als je in den Vordergrund tritt, offenbart sich eine jene romantischen Nachwirkungen ablösende immer wachsende Neigung zum Realismus. Er findet einen sehr erfreulichen Vertreter an Gust. Freytag (geb. 1816), dessen feine und reiche Begabung aber nicht durch seine modern realistischen Romane («Soll und Haben», 1855, «Die verlorene Handschrift», 1865) erschöpft wird, dem wir eine Neubelebung des histor. Romans («Die Ahnen», 1872 fg.) und vor allem das beste moderne Lustspiel («Die Journalisten», 1854) verdanken.
Mehr an Gutzkow als an ihn schließen sich Spielhagens oft sehr tendenziöse sociale Romane an; Hackländer, der mit humoristischen Soldatengeschichten begann, wie sie Wickede und Winterfeld vorwiegend pflegten, ging später zu Gesellschaftsromanen über, die er allzu flüchtig und schnell hinschrieb. Den kulturhistor. Roman vertritt Scheffel in seinem ausgezeichneten, poetisch wertvollen «Ekkehard» (1855), dem speciell preußischen Hesekiel und Hiltl, freilich keine ebenbürtigen Nachfolger von Alexis;
humoristisch archaisiert Trautmann;
realistische Darstellungen aus dem jüd. Leben bringen Kompert und Franzos;
einen köstlichen Humor entfaltet der Mecklenburger Fritz Reuter in seinen plattdeutschen Romanen (besonders «Ut mine Stromtid», 1861).
Das Glück des Kinder- und Familienlebens schildern der sentimentale Bog. Goltz und der gesund heitere Rud. Reichenau; fromme Volkserzählungen schreiben Horn und Frommet, fromme Romane die liebenswürdige Marie Nathusius, Kindergeschichten, die freilich etwas hausbacken geraten, Ottilie Wildermuth. Die Novelle hat neben Heyse an dem oft schwermütig düstern, aber ungemein feinfühligen und stimmungsvollen Erzähler Storm (1817-88) einen hervorragenden Vertreter.
Alle aber überragt der Züricher Gottfried Keller, die kräftigste Dichtergestalt unserer modernen Litteratur, im «Grünen Heinrich» (1853) ein Meister des psychol. Romans, in seinen Novellen, zumal in den «Leuten von Seldwyla» (1856),
auch dem «Sinngedicht» (1881), ein sinnlich packender, scharf schauender und charakterisierender Darsteller des umgebenden Lebens, dem doch die weichsten und süßesten Töne gelingen und der selbst die häßliche Wirklichkeit durch einen überlegenen, oft herzgewinnend übermütigen Humor verklärt. In unserer gesamten Novellistik kommen ihm immer noch am nächsten zwei kleine, früher wenig beachtete Arbeiten («Die Heiterethei», «Zwischen Himmel und Erde») des Thüringers Otto Ludwig (1813-65),
eines genialen, leider früh krankenden Mannes, dessen Lieblingsgebiet freilich das Drama war. Seine knorrigen, herben Schöpfungen, die an Hebbel erinnern («Der Erbförster», «Die Makkabäer»),
stehen im ernsten Drama allein;
weder Freytags Sittenschauspiele, noch die preisgekrönten Versuche Lindners und Nissels, noch gar die routinierten Bühnenstücke Mosenthals und Brachvogels reichen entfernt an sie heran;
Richard Wagners geniale Operndichtungen nehmen im dramat. Aufbau einen sehr hohen Rang ein, verraten aber in der Detailausführung zu sehr ihre Bestimmung. Im Lustspiel erzielen Putlitz, Wehl, Feldmann vorübergehende Erfolge;
die Possen Kalischs und Räders sind ohne litterar.
Ansprüche doch immerhin so lustig gewesen, daß sie zum Teil bis heute noch ihr Leben fristen. Von Lyrikern haben zwei ihrer Zeit wenig beachtete, der Schweizer Leuthold (1827-79), eine herbe und wüste, aber geniale und überraschend formstrenge Dichterkraft, und der melancholisch innige Tiroler Herm. von Gilm (1812-64), dem die geistige Enge in seinem geliebten Vaterlande die Flügel lähmte, neuerdings verspätetes Interesse gefunden. Der «Quickborn» (1852) des Holsteiners Klaus Groth spiegelt den spröden, aber echten treuen Charakter des Volksstammes wider, in dessen Mundart er gedichtet ist. Anregungen moderner Wissenschaft zeigt ernsthaft die pessimistische Lyrik Hier. Lorms, in lustiger Parodie die ausgelassen burschikosen Lieder, in denen Scheffel («Gaudeamus», 1867) naturwissenschaftliche und philol. Fragen behandelt.
Die in den Tagen der Romantik aufgeblühte Wissenschaft hatte inzwischen ihr Antlitz nicht wenig verändert. Als die Alleinherrschaft der Hegelschen Philosophie, die noch in Vischers trefflicher «Ästhetik» (1848) eine späte Blüte trieb, gebrochen war, wirkte auf weite Kreise der Pessimismus des früher wenig beachteten Schopenhauer (1788-1860), eines glänzenden und klaren Schriftstellers, dessen nie versagende scharfe Deutlichkeit sehr wohlthuend abstach von Hegels schwerfälliger Kunstsprache.
Die histor. und philol. Wissenschaften bauten auf den von der Romantik gelegten Grundlagen mit immer sichererer methodischer Technik, immer ausgedehnterem Wissen fort; auch die schriftstellerische Kunst hat sich mehr und mehr gehoben; Männer wie der große Historiker Leopold von Ranke, wie Mommsen, Sybel und Döllinger, vor allem der gestaltungskräftige Heinrich von Treitschke gehören auch der deutschen Litteraturgeschichte an. Über die weitere wissenschaftliche Litteratur vgl. die Artikel der einzelnen Wissenschaften, insbesondere Deutsche Mundarten, Deutsche Philologie, Deutsche Philosophie, Deutsche Sprache.
An der Gründung des Deutschen Reichs (1871) waren in erster Linie zwei Meister deutscher Prosa beteiligt: die Reden des Fürsten Bismarck atmen in jedem Satze ursprüngliche schöpferische Sprachgewalt, die Schriften des Grafen Moltke suchen in ruhiger und schöner Klarheit der Rede ihresgleichen. Man kann nicht sagen, daß sonst das neue
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Reich unserer Litteratur starke Förderung gebracht hätte. Die stets anwachsende Unruhe, die unsere komplizierten polit. und socialen Verhältnisse mit sich bringen, sind der stillen Sammlung, aus der die Dichtung emporblüht, ebenso ungünstig wie das Überwuchern der materiellen Interessen; zumal die Lyrik leidet darunter. Die Reichshauptstadt Berlin, die zuweilen Ansprüche auf eine in Kritik und Produktion ähnlich führende Stellung erhebt, wie Paris und London sie haben, hat sich bisher dieser Rolle nicht gewachsen gezeigt und wird sie, dank der erfreulichen Vielheit unserer geistigen Centren, nie erreichen.
Der Einfluß des besiegten Frankreichs war während der ganzen Zeit seit 1870 ungewöhnlich groß, nicht immer segensreich. Von den polit. Tendenzen hat der «Kulturkampf» zeitweilig mehr Staub aufgewirbelt; er kommt oft zur Sprache in den wenig wertvollen Frauenromanen der «Gartenlaube» (Marlitt, E. Werner u. a.); aber auch in Anzengrubers Volksstücken, in Wilh. Buschs komischen Epen und sonst brechen verwandte Tendenzen durch, während auf kath. Seite Konr. von Bolanden umfängliche, etwas plumpe Romane ins Feuer sandte.
Der Roman, an dem sich Frauen durchweg stark beteiligen, steht dauernd im Vordergrunde. Die bedeutendste Gestalt des Zeitabschnitts ist unzweifelhaft der Märker Theodor Fontane (geb. 1819), längst durch treffliche Balladen und liebenswürdig anschauliche Schilderungen seiner märkischen Heimat bekannt, der neuerdings in einer Anzahl von Berliner Romanen überraschende Schärfe und Realistik der Detaildarstellung an den Tag gelegt hat; neben ihm treten die schwülen Gesellschafts- und Künstlerromane der Ossip Schubin, die pessimistisch unruhigen Erzählungen Wilh.
Jensens zurück, während die vornehme, maßvolle, des Humors nicht unfähige Darstellungskunst der Baronin Marie von Ebner-Eschenbach keinen Vergleich zu scheuen braucht. Der geschichtliche und archäol. Roman gedieh namentlich in Professorenhänden und genoß lange eine künstlerisch kaum gerechtfertigte Beliebtheit, so die Romane von Dahn, Ebers, Hausrath, zu denen der Romancier Ostpreußens, Ernst Wichert, dessen «Ein Schritt vom Wege» zu unsern besten neuern Lustspielen zählt, treten mag.
Der moderne Geschichtsroman ist von Gregor Samarow mit den rohesten Effekten ausgestattet worden. Die histor. Novelle hat Konr. Ferd. Meyer mit Geist und glänzender Gestaltungskraft herausgearbeitet; auch Ludwig Laistner fühlt sich im Mittelalter besonders wohl. Während uns Sacher-Masoch, Vacano, Lindau und zumal die zahlreichen Autoren von Kriminalgeschichten mit Vorliebe in die schwüle Atmosphäre moderner Großstadtsitten hineinführen, betont Jul. Stinde die fast kleinstädtisch behaglichen Seiten Berliner Familienlebens und weiß Heinr. Seidel mitten in Spreebabel sich einen Poetenwinkel stillvergnügter, natursinniger Genügsamkeit zurechtzumachen.
Dieselbe Neigung zur Weltflucht kennzeichnet den hochbegabten, im Grunde melancholischen Humoristen Wilh. Raabe (geb. 1831); der derbere Humor Fr. Th. Vischers schreckt in dem Romane «Auch Einer» auch vor den grellsten tragischen Farben nicht zurück. Als glücklicher, humorvoller Novellist von vielseitigen Vorzügen, vortrefflich in der Naturschilderung, in der histor. Färbung, in der heitern Auffassung des Kleinstadtlebens hat sich neuerdings Hans Hoffmann erwiesen.
Das Epos tritt dagegen ganz zurück, kaum minder die Lyrik. Jul. Wolffs äußerlich stilgemäße epische Erzählungen sind noch ein Nachklang des romantischen Epos in der Art des Scheffelschen Trompeters, wie Scheffels muntere Lieder in Baumbachs graziöser, aber nicht eben mannigfacher Spielmannspoesie fortwirken; origineller, ein leidenschaftlich und sinnlich vertiefter Nachklang Heines, ist Grisebachs Liedercyklus «Der neue Tannhäuser» (1869). Das Drama hat immer noch einige Jambendichter höhern Stils aufzuweisen, wie den eifrigen H. Kruse, Adolf Wilbrandt, Fitger, den Festspieldichter Hans Herrig u. a.; nachhaltiger drang nur Ernst von Wildenbruch (geb. 1845) durch. Ernste Volksstücke schrieb Anzengruber u. a., heitere l'Arronge, geistreiche Lustspiele Wilh. Jordan, moderne Sittenprobleme behandelte Rich. Voß; große Bühnenerfolge hatten Moser, Schönthan, Kadelburg, Blumenthal mit Lustspielen, Lindau mit Konversationsstücken und einigen ernsten Dramen.
Die jüngste Generation unserer Dichter huldigt unter dem starken Einfluß franz., skandinav. und russ. Vorbilder (Zola; Ibsen, Strindberg; Dostojewski, Tolstoi) mit kampfesmutigem Feuereifer einer scharf naturalistischen Richtung, die doch durch symbolistische Neigungen bei ihren bedeutendern Vertretern allmählich sich von selbst korrigiert. Noch haben sich unter unsern Jüngsten nicht viele aus der Periode trüber künstlerischer und socialer Gärung herausgearbeitet.
Immerhin hat sich Hermann Sudermann als bedeutender Romanschriftsteller («Frau Sorge», 1887) und erfolgreicher Bühnendichter bewährt; auf den Dramatiker Gerhart Hauptmann, der zwar hinreißender dramat. Kraft noch entbehrt, aber für die Zeichnung von Personen und Situationen, für die Kunst, Stimmung zu schaffen, treffliche Gaben mitbringt, setzen viele große Erwartungen; die Lyrik von Detlev von Liliencron, Arno Holz u. a. zeigt Frische und Klang. Auch der Novellisten Wolfgang Kirchbach und M. G. Conrad, des Romanschriftstellers Max Kretzer, des Tragikers Max Halbe sei gedacht. Die häßlichen Auswüchse, die gerade in Zeiten eines einseitigen Naturalismus sich lärmend und anspruchsvoll vorzudrängen pflegen, dürfen doch nicht verkennen lassen, daß die Dichtung unserer Tage ein frisches Leben besitzt.
Von den zahlreichen Hilfsmitteln für das Studium der Geschichte der Deutsche Litteratur seien hervorgehoben:
1) Gesamtdarstellungen. Das grundlegende Werk von Gervinus, «Geschichte der deutschen Dichtung» (5 Bde., Lpz. 1835-40; 5. Ausg., hg. von Bartsch, ebd. 1871-74),
ist trotz der oft einseitigen ästhetischen Beurteilung wegen seiner geistvollen und selbständigen Darstellung und Gruppierung noch heute unveraltet. Die gelehrten Arbeiten von Koberstein («Grundriß zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur», Lpz. 1827; 5. Aufl., 5 Bde., hg. von Bartsch, ebd. 1872-74),
von Wackernagel («Geschichte der Deutsche Litteratur», Basel 1848; 2. Aufl., 2 Bde., hg. von Martin, ebd. 1879-94),
von Goedeke («Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung», 3 Bde., Hannov. und Dresd. 1856-81; 2. Aufl., bis 1894 5 Bde., Dresd. 1884 fg.) legen mehr Wert aus gründliche Sammlung und Verarbeitung des Materials als auf fesselnde Darstellung, bilden aber die Grundlage jeder litterarhistor. Forschung. In Vilmars trefflich geschriebener «Geschichte der deutschen Nationallitteratur» (Marb. 1845; 23. Aufl. 1890) tritt der ausgesprochen protestantisch kirchliche, in Lindemanns «Geschichte der Deutsche Litteratur»
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(Freiburg 1866; 6. Aufl., hg. von Seeber, ebd. 1889) der kath. Standpunkt des Verfassers stark hervor. Kurz' «Geschichte der Deutsche Litteratur» (4 Bde., Lpz. 1851-69: 7. Aufl. 1876) fügt in die Darstellung Biographien und Proben ein. Die zugleich wissenschaftlich wie schriftstellerisch ausgezeichnetste «Geschichte der Deutsche Litteratur» stammt von Wilh. Scherer (Berl. 1883; 6. Aufl., ebd. 1891). In Kürschners «Deutscher Nationallitteratur» wird die ältere Litteratur von Golther, die neuere von Borinski dargestellt. Verbreitet, aber ohne selbständigen Wert, sind die Schulbücher von Kluge («Geschichte der deutschen Nationallitteratur», 24. Aufl., Altenb. 1893) und Koch (in der «Sammlung Göschen», Stuttg. 1893),
die illustrierten Darstellungen von König («Deutsche Litteraturgeschichte», Bielef. 1879; 23. Aufl. 1893) und von Leixner («Illustrierte Geschichte des deutschen Schrifttums», 2 Bde., 2. Aufl., Lpz. 1893). Könnecke bearbeitete einen «Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur» (Marb. 1885-86).
2) Einzelne Perioden. Die ältesten Spuren unserer Dichtung untersuchte R. M. Meyer («Die altgerman. Poesie», Berl. 1889). Über die Deutsche Litteratur des Mittelalters handelten Uhland («Geschichte der altdeutschen Poesie», Bd. 1 u. 2 seiner «Schriften zur Geschichte der Dichtung und Sage», Stuttg. 1865-66),
populär Khull («Geschichte der altdeutschen Dichtung», Graz 1886); Kelle stellte die «Geschichte der Deutsche Litteratur von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 11. Jahrh.» (Berl. 1892) dar, Scherer die «Geschichte der deutschen Dichtung im 11. und 12. Jahrh.» (Straßb. 1875); die althochdeutsche Litteratur skizzierte Kögel, die mittelhochdeutsche Vogt, die mittelniederdeutsche Jellinghaus in Pauls «Grundriß der german. Philologie», Bd. 2 (Straßb. 1892). Hagen schilderte «Deutschlands litterar. und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter (3 Bde.», Frankf. a. M. 1843). Die Anfänge der neuern Litteratur bespricht Lemcke («Geschichte der deutschen Dichtung neuerer Zeit. Erster [einziger] Band: Von Opitz bis Klopstock», Lpz. 1871). Dem 18. Jahrh. gilt Hillebrand, «Die deutsche Nationallitteratur seit dem Anfange des 18. Jahrh.» (3 Bde., Gotha 1845-47; 3. Aufl. 1875),
Biedermann, «Deutschland im 18. Jahrh.» (4 Bde., Lpz. 1875-80),
vor allem das treffliche Werk Hettners, «Litteraturgeschichte des 18. Jahrh.» (3 Tle. in 6 Bdn., Braunschw. 1856-72; 3. u. 4. Aufl. 1879-93). Julian Schmidts «Geschichte der Deutsche Litteratur von Leibniz bis auf unsere Zeit» ist in der Neubearbeitung erst bis zum 4. Bande (Berl. 1886-90) vorgeschritten, sodaß seine «Geschichte der Deutsche Litteratur im 19. Jahrh.» (2 Bde., Lpz. 1853; 5. Aufl., 3 Bde., 1866-67) daneben noch zu brauchen ist. Die Litteratur unseres Jahrhunderts behandelt mit Belesenheit, aber ohne geschichtliche Vertiefung, Rud. von Gottschall, «Deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrh.» (4 Bde., 6. Aufl., Bresl. 1892); geistreich, aber unzuverlässig Georg Brandes, «Die Litteratur des 19. Jahrh. in ihren Hauptströmungen» (aus dem Dänischen, Lpz. 1883 fg., darin Bd. 2: «Die romantische Schule in Deutschland», 1887; Bd. 6: «Das junge Deutschland», 1891),
knapp und übersichtlich Ad. Stern, «Die deutsche Nationallitteratur vom Tode Goethes bis zur Gegenwart» (2. Aufl., Marb. 1890),
flüchtig P. Heinze und Rud. Götte, «Geschichte der Deutsche Litteratur von Goethes Tode bis zur Gegenwart» (Dresd. 1890) und Fr. Kirchner, «Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrh.» (Heidelb. 1893); vortrefflich sind die litterar. Abschnitte in H. von Treitschkes «Deutscher Geschichte im 19. Jahrh.» (4 Bde., 3. u. 4. Aufl., Lpz. 1886-90); eine ausgezeichnete Monographie widmete Rudolf Haym der «Romantischen Schule» (Berl. 1870): Prölß' Buch über «Das junge Deutschland» (Stuttg. 1892) ist sehr einseitig gehalten.
3) Einzelne Länder. Während specielle Litteraturdarstellungen für Österreich, Bayern u. s. w. ohne Wert sind, ist Bächtolds «Geschichte der Deutsche Litteratur in der Schweiz» (Frauenf. 1892) rühmend hervorzuheben; dazu die ältere Arbeit von Mörikofer, «Die schweiz. Litteratur des 18. Jahrh.» (Lpz. 1861).
4) Einzelne Gattungen. Für das Drama vgl. Prölß, «Geschichte des neuern Dramas» (3 Bde. in 5 Abteil., Lpz. 1880-83);
Creizenach, «Geschichte des neuern Dramas» (Bd. 1, Halle 1893);
Litzmann, «Das deutsche Drama in den litterar. Bewegungen der Gegenwart» (Hamb. 1894);
für den Roman Bobertag, «Geschichte des Romans und der ihm verwandten Dichtungsgattungen in Deutschland» (2 Bde., Bresl. 1876-84),
Mielke, «Der deutsche Roman des 19. Jahrh.» (Braunschw. 1890).
5) Zeitschriften. Für altdeutsche Litteratur sind besonders wichtig die «Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Litteratur» (begründet von M. Haupt, jetzt hg. von E. Schröder und G. Roethe, 38 Bde., Lpz. 1841 fg., Berl. 1856 fg.),
die «Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Litteratur» (begründet von H. Paul und W. Braune, jetzt hg. von E. Sievers, 18 Bde., Halle 1874 fg.),
die «Germania» (begründet von F. Pfeiffer, 37 Bde., Stuttg. und Wien 1856 fg.),
die «Zeitschrift für deutsche Philologie» (begründet von J. Zacher, jetzt hg. von H. Gering und Osk. Erdmann, 26 Bde., Halle 1869); für neuere Deutsche Litteratur das «Weimarische Jahrbuch für deutsche Sprache, Litteratur und Kunst», hg. von Hoffmann von Fallersleben und O. Schade (6 Bde., Hannov. 1854-57),
das «Archiv für Litteraturgeschichte», hg. von Gosche und Schnorr von Carolsfeld (15 Bde., Lpz. 1870-87),
die «Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte», hg. von Seuffert (6 Bde., Weim. 1888 fg.),
neuerdings «Euphorion» (hg. von A. Sauer, Bamb. 1894); nur mit Goethe beschäftigt sich das «Goethe-Jahrbuch», hg. von Geiger (Bd. 1-15, Frankf. 1880 fg.),
nur mit Grillparzer das «Grillparzer-Jahrbuch» (Bd. 1-3, Wien 1890 fg.). «Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte», hg. von M. Herrmann, Szamatólski, Elias, erscheinen seit Herbst 1892 in Stuttgart.
6) Sammlungen. Von den zahllosen Anthologien sei hier nur Wackernagels «Deutsches Lesebuch» (5 Bde., 3.-5. Aufl., Bas. 1873 fg.) erwähnt; für die älteste Zeit ferner «Denkmäler deutscher Poesie und Prosa aus dem 8.-12. Jahrh.», hg. von Müllenhoff und Scherer (3. Aufl., 2 Bde., Berl. 1892). Eine weitschichtig angelegte, von verschiedenen Gelehrten bearbeitete Sammlung der bedeutendern Werke unserer gesamten Litteratur bildet die von Jos. Kürschner herausgegebene «Deutsche Nationallitteratur» (Stuttg. ohne Jahr, bis 1894 über 800 Lfgn.). Die «Bibliothek des litterar. Vereins in Stuttgart» (Tüb. und Stuttg. 1843 fg.) bringt in ihren (bis 1894) 199 Bänden viele wichtige mittel- und neuhochdeutsche Textpublikationen. Mittelhochdeutsche Werke sind gesammelt (mit Anmerkungen) in den «Deutschen Klassikern des Mittelalters», hg. von Pfeiffer und Bartsch (12 Bde., Lpz. 1870-91),
den «Deutschen Dichtungen des Mittelalters», hg. von Bartsch (7 Bde., ebd. 1872-88),
der
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«Germanistischen Handbibliothek», begründet von Zacher (8 Bde., Halle 1869‒91),
der «Altdeutschen Textbibliothek», hg. von Paul (10 Bde., ebd. 1882 fg.) u. a. «Elsäss. Litteraturdenkmäler» gaben E. Martin und E. Schmidt heraus (5 Bde., Straßb. 1878 fg.),
eine «Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz» Bächtold und Vetter (6 Bde. und Ergänzungsband, Frauenf. 1877‒92); von den «Älteren tirolischen Dichtern» (Innsbr. 1874 fg.) sind 3, von den «Niederdeutschen Denkmälern», hg. vom Verein für niederdeutsche Sprachforschung, sind 5 (Brem. 1876 fg.),
von den «Drucken des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung» 3 Bde. (Norden 1886 fg.) erschienen. «Deutsche Dichter des 16. Jahrh.» (18 Bde., Lpz. 1868‒85) und «Deutsche Dichter des 17. Jahrh.» (15 Bde., ebd. 1869‒85) gaben Goedeke und Tittmann heraus. Die «Neudrucke deutscher Litteraturwerke des 16. und 17. Jahrh.», hg. von Braune (Halle 1876 fg.),
haben bis 1894 124, die «Deutschen Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrh.», begründet von Seuffert, jetzt hg. von Sauer (Heilbr. 1881 fg., dann Stuttg. 1890 fg.),
bis 1894 48 Nummern erreicht; die «Berliner Neudrucke», hg. von Geiger und Ellinger (Berl. 1888 fg.),
sind 1894 bei der 3. Serie, die «Wiener Neudrucke» (Wien 1883 fg.) beim 11. Hefte angelangt. Zu diesen wissenschaftlichen Sammlungen treten zahlreiche Klassiker- und Volksbibliotheken, die die Werke unserer Litteratur billig verbreiten; die größte Sammlung dieser Art ist die Reclamsche Universalbibllothek (bis 1894 über 3200 Nummern).