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Renaissance willig aufgenommen, die zuerst nur (als Frührenaissance) zu einer willkürlichen Umkleidung des got. Bausystems benutzt wurden (Kirchen zu Heilbronn, [* 2] Marienberg i. S., Wolfenbüttel), [* 3] aber bald zu einer Ausgestaltung prot. Saalanlagen gelangten (Schloßkirchen zu Torgau, [* 4] Schmalkalden, [* 5] Gottorp, Celle, [* 6] Universitätskirche zu Würzburg) [* 7] oder sich in Versuchen einer zweckmäßigen andern Lösung ergingen (Doppelkirche zu Hanau, [* 8] Winkelkirche zu Freudenstadt).
Das Hauptinteresse der Renaissance wendete sich jedoch dem Profanbau (Schlösser, Rathäuser, Wohnhäuser [* 9] u. s. w.) zu, die in unerschöpflicher Fülle in ganz Deutschland [* 10] errichtet wurden. Im allgemeinen beginnt die Kunst mit vorwiegend ornamentalen Neigungen (Beispiele die Schlösser zu Torgau, Mergentheim, [* 11] Dresden, [* 12] Heiligenberg, Piastenschloß zu Brieg, [* 13] und die Rathäuser zu Bremen, [* 14] Köln, [* 15] Augsburg, [* 16] Regensburg), [* 17] steigert sich zu einem hochentfalteten Dekorativstil, dessen edelstes Beispiel der 1556-63 errichtete Otto-Heinrichsbau des Heidelberger Schlosses bildet, und endet in einer teils überschwenglichen, teils derben Formensprache, der Hochrenaissance, als deren Beispiel das Schloß zu Aschaffenburg [* 18] genannt werden kann.
Zwischendurch gehen jene Bauten, in welchen sich die direkte Einflußnahme ital. Künstler kundgiebt (Residenz zu Freising, [* 19] Schloß Stern und Belvedere zu Prag; [* 20] s. Taf. III, [* 1] Fig. 4). In ganz Deutschland zeigte sich eine außerordentliche Höhe des mittlern Könnens. Doch kam es zu keiner Konzentration der Kunst und zu keinem im höchsten Sinne monumentalen Werk. Der Renaissance bleibt ein gewisser bürgerlich gemütlicher, zwar vielgestaltiger, doch auch beschränkter Charakter eigen. Die höchste monumentale Entfaltung zeigt sich an den Jesuitenbauten, namentlich an der Michaelskirche zu München [* 21] und an der got. Formen aufnehmenden zu Köln. Dagegen wurde im Gebiet der Innendekoration, der handwerklichen Einzelarbeit, höchst Vollendetes geleistet sowohl in Vertäfelungen als in Metallarbeiten, dekorativen Malereien und Stuckwerken, ebenso wie die Steinmetzen in der Erfindung anmutigen Ornamentes unerschöpflich waren.
Gegen Ende des 16. Jahrh. neigte sich die Baukunst [* 22] schon einem entschiedenen Barockstile (s. Barock) zu, dessen Fortentwicklung durch den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges unterbrochen wurde. Ein Beispiel hierfür bietet der 1601-7 aufgeführte Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses (s. Taf. III, [* 1] Fig. 3). Die Zweiteilung Deutschlands [* 23] nach den konfessionellen Parteien machte sich, als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. die Bauthätigkeit wieder begann, entschieden geltend. Im Norden [* 24] und Nordosten unter dem Einflüsse der Niederländer und seit Aufhebung des Ediktes von Nantes [* 25] der Franzosen (s. Hugenottenstil), im Süden und Südosten unter dem der nordital.
Bauleute. Die letztern hatten schon im 16. Jahrh. in den österr. Landen (Graz, [* 26] Wien, [* 27] Salzburg) [* 28] festen Boden gefaßt und im Dom zu Salzburg ein mächtiges Werk ital. Hochrenaissance aufgeführt. Bis etwa 1680 und 1690 beherrschten die als Stuccatoren vorzugsweise thätigen Meister (s. die Familie Carlone) die Umbauten und Restaurierungen (Verzopfungen) älterer Kirchen, schufen aber auch andere selbständigere mächtige, derbformige, aber raumschöne Werke in einem stark manierierten, aber geschickt behandelten Stil (Theatinerkirche in München von Zuccale, Dom zu Passau [* 29] von Antonio Carlone, Kirche zu Fürstenfeld von Viscardi, frank. Bauten von Petrini, Jesuitenkirche zu Mannheim [* 30] von Alex. Bibiena, Hofkirche zu Dresden von G. Chiaveri).
In den letzten Jahrzehnten begannen wieder deutsche Künstler hervorzutreten: die Familie Dinzenhofer in Böhmen [* 31] und Franken (Nikolauskirche zu Prag von Kilian Ignaz, Dom zu Fulda [* 32] von Johannes Dinzenhofer), Joh. Bernh. Fischer von Erlach in Wien (Kirche des heil. Karl Borromäus; s. Taf. III, [* 1] Fig. 1), Prandauer in Osterreich (Stiftskirche zu Melk und Herzogenburg), Anton Gamp in Tirol, [* 33] Tum [* 34] und Bähr in Schwaben, die Brüder Asam und Effner in München. Eng verwandt mit diesen, doch vielfach von der belg. Baukunst beeinflußt sind auch die prot.
Barockmeister im Norden. Dort hatte der Hugenottenstil zwar gut geschulte, doch keine hervorragenden Kräfte geschaffen. Memhardt in Berlin, [* 35] Dury in Cassel, Froimont in Mannheim u. a. standen deutsche Meister von bescheidener Technik gegenüber, die namentlich in Thüringen und in den Reichsstädten noch im Sinne der Hochrenaissance arbeiteten. Beide Teile waren vorzugsweise bestrebt, für den prot. Kirchenbau entsprechende Formen zu finden. Baukünstlerische Thaten verrichtete zuerst Korb im Welfischen, Starke in Dresden (Palais im Großen Garten), [* 36] dann als überaus selbständige Erscheinung Andreas Schlüter (Königl. Schloß zu Berlin, s. Taf. III, [* 1] Fig. 5), an dem sich die Dresdener Barockschule, M. Deutsche [* 37] Pöppelmann und Georg Bähr anschlossen, ersterer der formale Vollender des deutschen Barockstiles (Zwinger zu Dresden; s. Taf. III, [* 1] Fig. 2), letzterer der des prot. Kirchengrundrisses (Frauenkirche). Neben diesen Gotteshäusern entstanden großartige Schloß- und Klosterbauten im Norden wie im Süden: Hildebrand baute das Palais Prinz Eugen in Wien, Prandauer die Klöster Melk und St. Florian, Decker die Schlösser zu Erlangen [* 38] und Pommersfelden, Balthasar Neumann in höchster Prachtentfaltung die Schlösser zu Bruchsal, Würzburg u. a.
Zu Anfang des 18. Jahrh. begann abermals ein Überfluten durch franz. Künstler (Jean de Bodt in Berlin und Dresden, Pigage im Pfälzischen, de Cotte [* 39] in Straßburg, [* 40] Longuelune in Dresden, Gontard in Berlin und Potsdam, [* 41] Cuvilliés in München, Retti in Ansbach [* 42] und Stuttgart), [* 43] denen sich nun auch, namentlich seit Friedrich d. Gr. sich ganz franz. Kunsteinflüssen hingab, die deutschen Baumeister anschlossen. Das nationale Barock hatte in Schlaun (Schloß zu Münster) [* 44] und Sonnin (Michaeliskirche zu Hamburg, [* 45] 1750-62) nach den beiden ihm eigenartigen Seiten seine letzten namhaften Vertreter, während sonst unter franz. Führung, jedoch in eigenartiger, derber und phantasiereicher Weise das Rokoko in Deutschland namentlich für die Inneneinrichtung der Schlösser Großartiges leistete (Knobelsdorff in Potsdam und Charlottenburg, [* 46] Cuvilliés und Effner in München, Neumann in Würzburg und Bruchsal, Knöfel in Dresden u. a.).
Dieses löste bald der Klassicismus ab, der seinen Hauptsitz in Berlin nahm. G. von Knobelsdorff (Opernhaus zu Berlin), Langhans, Unger, Gilly, Gentz vertreten ihn dort mit steigender Abklärung der Form, aber auch mit wachsendem Schematismus. Im westl. Deutschland waren im gleichen Sinn der jüngere Neumann, die Franzosen d'Irnard, in Cassel Jussow, in Stuttgart Thouret, in München K. von Fischer, in Karlsruhe [* 47] Weinbrenner ¶
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und Moller, in Hannover [* 51] Laves, in Mitteldeutschland Fr. W. von Erdmannsdorff, in Wien Nobile und Spranger thätig. Was sie erstrebt hatten, vollendeten Leo von Klenze in München und Karl Friedrich Schinkel in Berlin. Namentlich bei dem letztern kam aber ein durch die neuen Ausgrabungen und Ausmessungen der antiken Baureste und ein durch die Vorarbeiten der Engländer gewecktes hohes Verständnis für die Feinheiten des griech. Stiles und für die aus ihm sich entwickelnden tektonischen Gesetze hinzu, und der ebenfalls von England geweckte romantische Sinn, der zu verschiedenen Versuchen in got. Bauweise die Veranlassung gab.
Der Aufschwung des staatlichen Lebens nach den Freiheitskriegen gab ihren Werken auch eine erhöhte innere Bedeutung. Schinkels Anregung folgend, erhielt sich in Berlin lange eine klassicistische Schule, Hellenisten oder nach dem Hauptlehrbuch der Schule, Böttichers «Tektonik der Hellenen», Tektoniker genannt, als deren beste Vertreter A. Stüler, Albert Schadow, Strack, Hitzig und Gropius zu nennen sind, neben den noch heute wirkenden Baumeistern Adler, [* 52] Orth, Jakobsthal, Eggert u. a.
Durch Klenze und namentlich durch den neben ihm in München wirkenden Gärtner wurde die Baukunst der italienischen Renaissance zugeführt, die sie mit klassischem Geist zu durchdringen suchten. Es gelang dies nur in bescheidenem Maß. Erst Th. von Hansen in Wien brachte die hellenistische Renaissance zu hoher Entwicklung, ohne jedoch nach dieser Richtung hin Schule zu machen.
Die moderne Baukunst entwickelte sich aus zwei Strömungen. Zunächst aus dem romantischen Stil, welcher in Schinkel in Berlin, Gärtner, Ziebland, Ohlmüller in München, Eisenlohr und Hübsch in Baden, [* 53] ferner in Heideloff seine Vorläufer hatte, durch die großen Erneuerungsbauten an mittelalterlichen Domen seine Schulung erhielt (am Dom zu Köln: Statz, Zwirner, Fr. von Schmidt; am Dom zu Regensburg und Frankfurt [* 54] a. M.: Denzinger; am Münster zu Ulm: [* 55] Beyer; am St. Stephan zu Wien: Fr. von Schmidt; am Dom zu Prag: Mocker u. a.) und namentlich durch die hannov. Schule (an deren Spitze Hase) [* 56] sich zu hoher Leistung aufschwang. Ferner sind Otzen in Berlin, Möckel in Dresden und Mecklenburg [* 57] und Hauberrisser in München hervorragende Künstler dieser Richtung.
Die zweite Strömung ist die der Renaissance, an deren Spitze G. Semper zu stellen ist, sowohl hinsichtlich seiner Bauausführungen als seiner theoretischen Werke. Aber schon vor seinem Auftreten und unabhängig von ihm waren ähnliche Bestrebungen vielfach hervorgetreten. Gärtners und Klenzes Anregungen löste zwar in München ein verunglückter Versuch ab, einen modernen Stil zu erfinden, dagegen suchten Leins in Stuttgart, Nicolai in Dresden ähnliche Wege wie Semper, während neben ihnen Egle in Stuttgart, van der Nüll und Siccardsburg in Wien, Demmler in Schwerin in der franz. Renaissance Anregung fanden. Manche von diesen Künstlern haben nebenbei, besonders im Kirchenbau, auch got. Formen angewendet, wie denn auch Schmidt in Wien und Griesebach in Berlin eine Vermittelung mit der Renaissance von romantischer Seite aus erfolgreich anstrebten.
In der jüngern Schule haben sich die Gegensätze zwischen beiden Stilen, die einst lebhaft hervortraten, fast ganz ausgeglichen. Viel half hierzu die seit 1870 erwachende Begeisterung für die deutsche Renaissance des 16. Jahrh., als eines Mittelstiles zwischen Gotik und ital. Renaissance. Seit nun durch Lucae auch die Berliner [* 58] Schule zu freierer Formbildung hinüber geführt wurde, ist das Grundwesen der modernen Architektur, obgleich sie äußerlich in den Formen der verschiedenartigsten Stile (seit 1885 auch der Barock) erscheint, doch ein durchaus einheitliches.
Die Führung lag während der sechziger und siebziger Jahre in Wien, wo neben Hansen und Schmidt H. Ferstel in gotischen und mit Vorliebe in den Formen des Bramante arbeitete, Hasenauer einer dem Barock sich nähernden Hochrenaissance huldigte, der zur Monumentalität gesteigerte Wohnhausbau zahlreiche Kräfte in Bewegung setzte. Von Wien ging die Anregung an die österr. Landeshauptstädte, aber auch nach Berlin über, wo in Ende und Böckmann, Licht, [* 59] Kayser und von Großheim, von der Hude und Hennicke, Kyllmann und Heyden, Schwechten, Ebe und Benda und zahlreichen andern eine Künstlerschar sich herausbildete, die mit wachsender Virtuosität den größten Aufgaben zu genügen verstand, ohne daß einer in ihr eine leitende Stelle eingenommen hätte; gleiche Richtung strebten schon früher Gnauth in Stuttgart sowie die der Semperschen Schule nahe stehenden Bluntschli und Mylius, Sommer, Burnitz u. a. in Frankfurt a. M. an. In München war ihr Führer Neureuther, während A. Schmidt und Gedon einer scharf ausgeprägten Deutschrenaissance huldigen, Thiersch die Anregungen Gnauths fortentwickelt. In Dresden fand weniger Sempers eigene Thätigkeit als Nicolais Schule Boden (Giese und Weidner, Hauschild u. a.). In Karlsruhe geben Durm und Warth, in Hannover Stier, in Stuttgart Reinhardt und Dollinger den Renaissanceformen eine annähernd gleiche Fortbildung. Vielfach mischten diese sich mit den derben Gestaltungen der Kunst etwa von 1600, gingen auch zu einem Schlüterschen Barock über. Wallot in seinem Reichstagsgebäude zu Berlin nahm dagegen die ruhigern Formen der Hochrenaissance wieder auf und fand hierin vielfache Nachahmung.
Vgl. Geschichte der in Deutsche Kunst fünf Abteilungen: Dohme, Die Baukunst; Bode, Die Plastik; Janitschek, Die Malerei; Falke, Das Kunstgewerbe; Lützow, Kupferstich und Holzschnitt (Berl. 1885-91);
Lübke, Geschichte der Deutsche Kunst (Stuttg. 1890);
Kugler, Geschichte der Baukunst (ebd. 1856);
Schnaase, Geschichte der bildenden Künste (2. Aufl., 8 Bde., Düsseld. 1866-79);
Riegel, Deutsche Kunststudien (Hannov. 1868);
ders., Geschichte der Deutsche Kunst seit Carstens (Tl. 1, ebd. 1874-75);
Otte, Handbuch der kirchlichen Kunstarchäologie (2 Bde., 5. Aufl., Lpz. 1885);
ders., Geschichte der deutschen Baukunst (Bd. 1: «Roman. Baukunst», ebd. 1874);
von Reber, Kunstgeschichte des Mittelalters (ebd. 1886);
Möllinger, Die deutsch-roman. Architektur in ihrer organ.
Entwicklung bis zum Ausgang des 12. Jahrh. (ebd. 1886 fg.);
Lübke, Geschichte der Renaissance in Deutschland (2. Aufl., 2 Bde., Stuttg. 1882);
Gurlitt, Geschichte des Barockstils in Deutschland (ebd. 1889);
Reber, Geschichte der neuern Deutsche Kunst (ebd. 1876);
Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst, Bd. 2 u. 3 (Lpz. 1887-89).
Von höchstem Wert sind, nachdem Lotz, «Kunsttopographie Deutschlands» (2 Bde., Cassel 1862), ein allgemeines Inventar zu geben versucht hatte, die von den Regierungen betriebenen Inventarisierungen der Kunstschätze: Elsaß-Lothringen [* 60] (Straßb. 1876 fg.) von ¶