Kunst, die vom deutschenVolke seit dessen staatlicher Einigung aus verschiedenen
Stämmen zu einem nationalen
Reiche hervorgebrachte Kunst. Sie beginnt demnach mit der Regierung der sächs.
Kaiser im 10. Jahrh. und entfaltet sich nach langem Brachliegen unter diesen und ihren
Nachfolgern schnell und kräftig zu selbständiger
Größe. (Hierzu die
Tafeln: Deutsche Kunst I-VIII. - Taf. I-III:
Baukunst.
[* 65] Taf. IV-V:
Bildnerei. Taf. VI-VIII: Malerei.)
I. Die
Baukunst entwickelte sich aus der Altchristlichen Kunst (s. d.)
zunächst in den Werken
KaiserKarls d. Gr. Das
Münster
[* 66] zu
Aachen
[* 67] (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 4-6) zeigt die Übertragung der frühchristl.
Kuppelanlagen auf deutschen
Boden in höchster Vollendung. Verwandt sind die
Kirchen zu Ottmarsheim im Elsaß und zu
Essen.
[* 68] Aus diesen Anfängen entwickelte sich selbständig in
Deutschland
[* 69] der
RomanischeStil (s. d.) und zwar zunächst
an kleinern Klosterbauten des 10. Jahrh.; Reichenau am
Bodensee mit den
Kirchen zu Ober-, Unter- und Mittelzell, der
Krypta
von Konstanz
[* 70] und Füssen bilden den einen Ausgangspunkt,
Quedlinburg
[* 71] mit der dortigen Wipertikirche,
Gandersheim und
Gernrode
(961 erbaut) einen zweiten, Corvei und
Paderborn
[* 72] weitere.
Die Formen dieser Bauten sind streng und schwer, über Bedürfnis massiv, die antiken Anklänge wiegen
noch vor. Freier schon gestaltete sich die
Baukunst des 11. Jahrh. zunächst in Niedersachsen.
BischofBernward (s. d.) begann
seine großartige Bauthätigkeit mit der Michaelskirche zu Hildesheim
[* 73] (1033 geweiht), einer flachgedeckten
Basilika.
[* 74] Großartige
Basiliken schließen sich diesem
Bau an
(Dom zu Hildesheim, 1061 geweiht; Abteikirche zu
Gandersheim; Kaiserdom
zu Goslar,
[* 75] 1050 geweiht und 1817 abgebrochen: Schloßkirche zu
Quedlinburg, 1070-1129 u. a.). Doch führte man auch das
System
der reinen Säulenbasilika in fein abgewogenem
Aufbau nach dem Norden
[* 76] über (St. Moritzkirche zu Hildesheim, zweite Hälfte
des 11. Jahrh.; Klosterkirche zu Hersfeld,
[* 77] 1038-1144; die
Dome zu Minden,
[* 78]
Bremen,
[* 79]
Paderborn). Am Rhein,
namentlich im
Sprengel der hochstrebenden Erzbischöfe von Köln,
[* 80] suchte man den
Centralbau mit der
Basilika zu vereinen, indem
man zuerst bei Sta. Maria im
Kapitol zu Köln (1049 geweiht) an eine Vierung mit drei mächtigen halbkreisförmigen, abgeschlossenen
Kreuzflügeln als vierten ein basilikales Langhaus anlegte und somit eine großartige Raumentfaltung
auf
Grund eines hochentwickelten Wölbsystems erhielt. Die großen rheinischen und mainischen
Kirchen aber zeigen alle die
Basilikaform mit kräftigem Querschiff; so die gewaltigen
Dome von Mainz
[* 81]
¶
mehr
(1016 geweiht), Speyer
[* 83] (1030 gestiftet) und Worms
[* 84] (1036 geweiht), welche in späterer Zeit eingewölbt wurden, die Klosterkirchen
zu Limburg
[* 85] an der Hardt, die Dome zu Würzburg,
[* 86] Konstanz u. a.
Während allen diesen Bauten des 11. Jahrh. noch eine gewisse Befangenheit im Detail, wie in der Technik anhaftet, erlangte
der romanische Stil in Deutschland seine höchste Blüte
[* 87] im 12. Jahrh. in der Zeit der durch die Kreuzzüge
hervorgerufenen religiösen Begeisterung. Die Einwölbung der Basiliken wird nun zur Regel, das System des roman. Kirchenbaues
gelangt zu seiner vollendetsten Ausbildung, und zwar geschieht dies mit gewissen provinziellen Verschiedenheiten in fast
allen Teilen des damaligen Deutschland.
Die Führung übernehmen die Rheinlande, in welchen die großen Dome von Worms, Mainz und Speyer nun ihrer Vollendung entgegen
gingen, in Köln das dort an Sta. Maria im Kapitol ausgebildete System der halbkreisförmigen Endung der Querschiffe in St.
Aposteln und Groß St. Martin, aber auch die völlig entwickelte Centralanlage in dem ovalen Kuppelbau
von St. Gereon (1219-27) großartige Entfaltung erhielten. Die Zahl der stattlichen, namentlich auch im Detail und der Gruppierung
reichen Kirchen mehrt sich derart, daß es unmöglich wird, die Bauten hier einzeln aufzuführen.
Hervorzuheben ist jedoch der 1235 geweihte Dom zu Limburg a. d. Lahn mit 7 Türmen (s. Taf. I,
[* 82]
Fig. 7 u. 8).
Strenger und derber zeigen sich die Bauten Westfalens, sowohl hinsichtlich des Schmuckes als der malerischen Anordnung in Aufriß
und Grundriß. Die Dome zu Soest,
[* 88] Osnabrück,
[* 89] Münster und Paderborn, obgleich stattliche Bauwerke, erheben sich doch nicht zur
Wirkung der rhein. Anlagen. Interessant sind die sächs. Schöpfungen, die Klosterkirchen
zu Paulinzelle, Hamersleben, Wechselburg, Riddagshausen, die Dome zu Braunschweig
[* 90] (1194), Naumburg,
[* 91] Königslutter, Arnstadt,
[* 92] die
Godehardskirche zu Hildesheim (1133-72) u. a., in denen noch vielfach Säulen
[* 93] die Schiffe
[* 94] trennen, die Überdeckung eine flache,
erst später durch Gewölbe
[* 95] verdrängte ist.
Hier zeigen sich zuerst reichere Chorentwicklungen, die den Einfluß der burgundischen Bauschule und des
Cistercienserordens erkennen lassen, indem einerseits Kapellenkränze an die Chorumgänge gelegt (Hildesheim) erscheinen,
andererseits eine reichere Ausgestaltung der rechtwinkligen Chöre (Riddagshausen, Loccum, Altzelle) angeordnet wurde. In
Franken erhält der Stil seine üppigste Entfaltung: der Dom zu Bamberg
[* 96] mit doppelten Chören und vier stattlichen Türmen (s.
Taf. II,
[* 82]
Fig. 9), die Klosterkirchen zu Ebrach, Aschaffenburg,
[* 97] Seligenstadt, Bronnbach legen Zeugnis hierfür
ab. Der Oberrhein nimmt burgundische Anregungen (Emporen, offene Vorhallen) früher auf als der fernere Westen und bedient
sich der dort entfalteten technischen Meisterschaft mit praktischem Sinn für das Erreichbare und Notwendige in Abmessung
und Ausschmückung seiner Bauten.
Böhmen
[* 104] hat in vielen Beziehungen besondere Kunstformen, namentlich bei kleinen Anlagen eine unverkennbare Vorliebe
für Centralkirchen (Karner). Ebenso bildet die an Hausteinen arme norddeutsche Tiefebene ein getrenntes Gebiet, worin der
Backstein die Ornamentation bedingt. Die Dome zu Jerichow, Brandenburg,
[* 105] Salzwedel,
[* 106] Dobrilugk, Ratzeburg, Lübeck
[* 107] und die sich
ihnen anschließenden Kirchenbauten der baltischen Länder (Dom zu Riga, Kirche zu Üxküll u. a.) zeigen bei typischen Grundformen
vielfach eigenartige Detailbehandlung.
Die Kirche auf dem Harlunger Berg bei Brandenburg und die Michaelskirche zu Schleswig
[* 108] (beide zerstört) waren als Centralbauten
in stattlichen Abmessungen durchgeführt. So war in ganz Deutschland die kirchliche Kunst auf Grund altchristl. Anregungen zu
durchaus nationaler Entfaltung gelangt. Die reichste Ornamentik, die zierlichste Durchbildung der Säulenknaufe, der
Rundbogenfriese (s. Taf. I,
[* 82]
Fig. 1-3), der Thoranlagen und Giebelfelder
mit einem aus unerschöpflicher Phantasie hervorquellenden Gestaltungsdrange geben den Bauwerken einen steigenden Reiz.
Auch profane Aufgaben, namentlich großartige Klostersäle, Burgen
[* 109] und Pfalzen (Kaiserhaus zu Goslar; s. Tafel: Burgen II,
[* 82]
Fig.
1), Festungsanlagen und bürgerliche Wohnhäuser
[* 110] schuf sie in reichlicher Fülle und mit völliger Beherrschung
des architektonischen Systems, welches keineswegs in seiner Durchbildung abgeschlossen oder gar erschöpft war, als in der
Mitte des 12. Jahrh. das in der Umgegend von Paris
[* 111] erfundene System des GotischenStils (s. d.) eine allgemeine Wandlung des
Baues herbeiführte.
Zunächst wurde dieser nur teilweise aufgenommen (sog. Übergangsstil).
Schon am Kuppelbau von St. Gereon zu Köln (1219-27), am Dom zu Limburg (s. oben), an der Cistercienserkirche zu Heisterbach
tritt der Spitzbogen vereinzelt auf. Er wird zur bestimmenden Konstruktionsform zuerst in Deutschland am Dom zu Magdeburg
[* 112] (1207
begonnen), der schon jene der Gotik eigene Neigung zu schlanker Höhenentwicklung und in der Emporenanlage
burgundische Einflüsse zeigt.
Das gotische System tritt zuerst völlig klar an der merkwürdigen Centralanlage der Liebfrauenkirche zu Trier
[* 113] (1227-43) hervor,
bemächtigt sich des Kölner
[* 114] Grundrißsystems in der Elisabethkirche zu Marburg
[* 115] (1235-83), die zugleich die erste durchgebildete
Hallenkirche (s. d.) darstellt. Der Dom zu Wetzlar
[* 116] und andere hess. Bauten schließen sich unmittelbar
an sie an. Früh nahm der schon während der roman. Zeiten dem Westen sich zuneigende Oberrhein die Gotik auf, wo das Münster
zu Freiburg
[* 117] i. Br. (s. Taf. II,
[* 82]
Fig. 4,
sowie
[* 82]
Fig. 2 u. 3) und das Münster zu Straßburg (s. Taf. II,
[* 82]
Fig. 10) großartige Denkmale der neuen Richtung
sind, an denen die feinere und reichere Formensprache der gleichzeitigen franz. Gotik vollendete Ausbildung erhielt.
Straßburg wird durch die hohe Kunst seines Steinwerkes zum wichtigsten Sitz der got. Bauschule. Neben ihm erhielt sich Köln
seine Bedeutung, wo seit 1248 der Dom (s. die Tafel: Kölner Dom) in engem Anschluß an das Vorbild der
Kathedrale von Amiens
[* 118] durch Meister Gerhard von Rile entstand. Die Kirchen zu Altenberg, ferner die zu Xanten, Oppenheim und Wimpfen
im Thal
[* 119] zeigen den got. Stil alsbald in durchgebildetster Form. In Sachsen
[* 120] äußert sich am Dom zu Halberstadt
[* 121]
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