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dieser Variierung eine ganz erhebliche ist, so schwindet jede Sicherheit über das Maß, wie sehr die Vorahnen der Tiere und auch des Menschen von den jetzigen Formen abwichen, und die Möglichkeit einer Abstammung aller Geschöpfe von einer Urform muß zugegeben werden. Wenn aber die Entwicklungsgeschichte nachweist, daß die Natur selbst innerhalb des Mutterleibes die sog. zusammengesetzten Gewebe [* 2] (Knorpel, [* 3] Knochen, [* 4] Muskelgewebe) und die zusammengesetzten Organe nie «auf einen Ruck» machen kann, sondern eine ganze Reihe provisorischer Gewebe und embryonaler Bildungen erzeugt, die alle durchlaufen und wieder abgebrochen werden, bis endlich der fertige Organismus zu stande kommt, dann wird es sehr unwahrscheinlich, ja für den, welcher Entwicklungsvorgänge zu verfolgen gewohnt ist, undenkbar, daß außerhalb eines tierischen Organismus ein zusammengesetzter Tierleib entstanden sei, sich aus den chem. Elementen Fleisch, Knochen, Blut u. s. w. in einem einzigen Bildungsakte gebildet hätten und zu einem Tierkörper zusammengetreten seien.
Die Argumentation vieler Gegner Darwins, «da man die Entstehungsweise der ersten Zelle [* 5] nicht nachweisen könne, solle man lieber bei der alten Annahme der Einzelschöpfung aller Tier- und Pflanzenarten stehen bleiben», ist hiernach völlig unberechtigt; denn die äquivoke Entstehung eines einfachsten Organismus ist immerhin denkbar, die eines komplizierten Tierkörpers aber nach allen Konsequenzen unserer wissenschaftlichen Erfahrung schlechthin undenkbar.
Fehlen Beispiele von künstlicher Züchtung solcher Formen, die mit Bestimmtheit und ohne Streit als neue Species dastehen, ja neuer Gattungen, so ist unser künstliches Züchten und Experimentieren nicht nur was die Zeit, sondern namentlich auch was die Kraft [* 6] der Einwirkungen anlangt, nicht entfernt vergleichbar mit dem, was die Natur vermag und unter den ganz abweichenden kosmischen Einflüssen früherer Epochen vermochte. Fehlen in den paläontol. Sammlungen vielfach Zwischenformen, so wäre es nach der Lage aller Verhältnisse ein Wunder, wenn es anders wäre. Ein heftiger Angriff der Selektionstheorie (Wigand, «Der Darwinismus und die Naturforschung Newtons [* 7] und Cuviers», 3 Bde., Braunschw. 1874‒77) hat von seiten G. Jägers («In Sachen Darwins, insbesondere contra Wigand», Stuttg. 1874) eine eingehende Kritik und Widerlegung erfahren.
Neben den bereits aufgeführten sind folgende Schriften zu nennen: Lyell, Das Alter des Menschengeschlechts auf der Erde (2. Aufl., Lpz. 1874);
Wallace, Contributions to the theory of natural selection (Lond. 1870; deutsch von A. B. Meyer, Erlangen [* 8] 1870);
M.
Wagner, Die Darwinsche
Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen (Lpz. 1868);
Schleicher,
Die Darwinsche
Theorie und die
Sprachwissenschaft (3. Aufl., Weim. 1873).
Vorzügliche
Darstellungen der Darwinschen
Lehre
[* 9] sind
gegeben durch Oskar Schmidt (in der oben citierten
Schrift); durch F. Rolle,
Darwins
Lehre von der Entstehung
der
Arten (Frankf. 1863; 2. Ausg.,
Prag
[* 10] 1870) sowie durch Seidlitz, Die Darwinsche
Theorie, elf Vorlesungen über die Entstehung
der
Tiere und
Pflanzen (2. Aufl., Lpz. 1875). Die ethischen und religiösen Konsequenzen
des Darwinismus mit Zurückweisung theol.
Angriffe behandelt
Jäger in der
Schrift: Die Darwinsche
Theorie und ihre
Stellung zu
Moral und
Religion (Stuttg. 1869). Einen vermittelnden Standpunkt in
Bezug auf den Darwinismus
nimmt E. von
Hartmann ein in seiner
Schrift:
Wahrheit und
Irrtum im D. (Berl. 1875). Eine Widerlegung des Darwinismus und der analogen Forschungen
Lyells,
Huxleys u. a. versucht Maschi zu geben: Confutazione delle dottrine trasformistiche di
Huxley,
Darwin, Canestrini, Lyell etc. (Parma
[* 11] 1874). Ebenso stellt sich
Bastian vom anthropol. und ethnogr.
Standpunkte aus in schärfsten Gegensatz gegen den Darwinismus in seiner Schrift: Schöpfung oder Entstehung (Jena [* 12] 1875). Aus der großen Zahl der neuern, den Darwinismus betreffenden Schriften sind zu nennen: Cattie, Goethe, ein Gegner der Descendenztheorie (gegen Haeckel, Utrecht [* 13] 1877);
Weygold, Darwinismus, Religion, Sittlichkeit (gekrönte Preisschrift, Leid. 1878);
Haeckel, Gesammelte populäre Vorträge aus dem Gebiete der Entwicklungslehre (2 Hefte, Bonn [* 14] 1878‒79);
ders., Die Naturanschauung von Darwin, Goethe und Lamarck (Vortrag, Jena 1882);
Réfutation du Darwinisme ou de la variabilité des espèces et de la descendance de l'homme (Dijon [* 15] 1878);
Carestrini, La teoria di Darwin criticamente esposta (Mail. 1880);
Spitzer, Beiträge zur Descendenztheorie und zur Methodologie der Naturwissenschaft (Lpz. 1886);
Eimer, Die Entstehung der Arten (Bd. 1, Jena 1888);
Wallace, Darwinism, an exposition of the theory of natural selection (Lond. 1889; deutsch von Brauns, Braunschw. 1891);
Hamann, Entwicklungslehre und Darwinismus (Jena 1892);
Romanes, Darwin and after Darwin (Bd. 1, Lond. 1892; deutsch von Vetter, Lpz. 1892).
Eine Zusammenstellung der gesamten die Darwinsche
Lehre betreffenden Litteratur findet sich in dem
erwähnten Werke von Seidlitz.