Erasmus, engl. Naturforscher und didaktischer Dichter, geb. zu
Elton bei Newark
(Nottingham),
[* 3] studierte in
Cambridge und Edinburgh und ließ sich dann als
Arzt in Lichfield nieder. Er starb zu
Derby. Als Dichter trat er zuerst 1789 mit «Loves of the plants» hervor,
dem 1791 «The botanic garden» folgte. Er suchte darin Wissenschaft mit
Poesie zu verbinden und fand damit großen Beifall. Darwin besaß eine reiche
Einbildungskraft und schrieb glatte und wohlklingende
Verse, aber die gehäuften
Allegorien wirken ermüdend, und die glänzenden
Schilderungen lassen kalt. Auch wegen seines naturwissenschaftlichen
Systems, das er in «Zoonomia, or the laws of organic life»
(Lond. 1794 u. ö.; deutsch von
Brandis, 3 Bde., Hannov. 1795-99)
entwickelte, stand Darwin einige Zeit in Ansehen. Unter den übrigen Werken sind zu erwähnen: «Phytologia,
or the philosophy of agriculture and gardening» (Lond. 1800; deutsch von Hebenstreit, 2 Bde.,
Lpz. 1801) und das erst nach seinem
Tode erschienene Lehrgedicht «The temple of nature, or the origin
of society» (Lond. 1803). Seine «Poetical works»
erschienen 1807 in 3
Bänden. Seinen
Namen ehrte Rudge durch die
Aufstellung der Pflanzengattung Darwinia; sein Leben beschrieb
Miß Seward (Lond. 1804). -
Francis, Sohn von Charles Darwin, geb. in Down
(Kent), studierte in
Cambridge, wo er seit 1888 Professor
der
Botanik ist. Er unterstützte seinen
Vater bei der Herausgabe des Werkes «The power of movement in
plants» (1880; 2. Aufl. 1881), schrieb
Aufsätze über physiol.
Botanik und eine
Biographie seines
Vaters.
George Howard,
Bruder des vorigen, geb. 1845 in Docon
(Kent), zeichnete sich in
Cambridge durch seine mathem.
Begabung aus und ward 1868 zumFellow des Trinity College erwählt, studierte dann in
London
[* 4] die
Rechte,
kehrte aber bereits 1873 nach
Cambridge zurück und nahm 1870-71 an der Forschungsreise zur
Beobachtung der
Sonnenfinsternis
[* 5] in
Sicilien teil. Seit 1877 ist er als Forscher auf dem Gebiete der Physik.
Astronomie
[* 6] thätig. 1882 war er
Sir WilliamThomson
bei der Herausgabe einer neuen
Auflage von
«Thomson and Tait's natural philosophy» behilflich. 1883 ward ihm die Professur
für
Astronomie und experimentale Naturwissenschaft in
Cambridge übertragen. Er hat zahlreiche Beiträge für die Zeitschrift
«Nature» geliefert und hat sich in den letzten 10 Jahren sehr viel mit
der Berechnung und Feststellung der
Perioden beschäftigt, die sich bei den Meeresfluten, besonders im
Indischen Ocean, beobachten lassen. Seine in der
LondonerStatistischen Gesellschaft 1875 über «Consanguineous marriages» gehaltenen
Vortrage erschienen deutsch u. d. T. «Die
Ehen zwischen
Geschwisterkindern und ihre Folgen» übersetzt von
van der
Velde (Lpz.
1876). Auch sein 1878 veröffentlichter Vortrag «On the remote
history of the earth» erregte
Aufmerksamkeit.
Nach
der bis zu
Darwin ziemlich allgemein herrschenden
Annahme werden die Eigenschaften der
Tiere und
Pflanzen
von den Eltern auf die Nachkommen ihren Hauptzügen nach unverändert vererbt, und es beruht wesentlich auf dieser
Vererbung
der unsichere
Begriff der Art. Nach derLehre
[* 7]
Darwins
(Abstammungslehre, Descendenzlehre) ist das, was im
Tier- und
Pflanzenreiche als Art bezeichnet wird, durch verschiedene Generationen hindurch keine
Größe von unveränderlichem
Werte und Gepräge, sondern es ist zahlreichen Abänderungen in der Form und andern Eigenschaften unterworfen, es bildet
Varietäten.
Züchter sprechen von der Organisation eines
Tiers wie von einer ganz bildsamen Sache, die sie nach Gefallen
modeln können. Bei jeder
Aussaat desselben, einer einzigen
Pflanze entnommenen Samens zeigen sich einzelne junge Pflänzchen
mit mehr oder weniger stark abweichenden individuellen Eigentümlichkeiten. Benutzt man diese zur Weitersaat, immer nach
einer und derselben
Richtung auswählend und die unerwünschten Formen ausjätend, so steigert man die
gewünschte
Abart in jeder einzelnen Generation um einen wenn auch noch so geringen Betrag.
Mit Hilfe dieses Züchtungsprincips, welches hiernach zwei einander entgegengesetzte
Tendenzen: Variationsvermögen und
Erblichkeit
benutzt, ist in der Rindvieh-, Schaf- und Pferdezucht,
[* 8] indem die
Tiere bald auf Milchertrag, bald auf
Woll- oder Fleischertrag,
bald auf Zugkraft oder auf Schnelligkeit gezüchtet wurden, Staunenswertes geleistet. Die erzielten Rassenunterschiede
bei Schaf,
[* 9]
Hund,
Taube u. s. f. sind so groß, daß, wenn die
Tiere in der Wildnis gefunden würden, kein Naturforscher anstehen
würde, sie für verschiedene
Arten zu nehmen, ja sie in verschiedene Gattungen unterzubringen. Eine bestimmte Grenzlinie
zwischen individuellerAbweichung und geringer
Variation, zwischen dieser und erheblicher
Variation, zwischen
Unterart und Art besteht nicht:
Varietäten sind werdende
Arten.
In ähnlicher
Weise wie bei der künstlichen Züchtung wirken innere und äußere Einflüsse, von welchen das
Tier (oder die
Pflanze) beim Leben in der freien Natur betroffen wird; an die
Stelle der ausjätenden Menschenhand aber
tritt der Kampf ums
Dasein. Die hier bei den Nachkommen auftretenden kleinen
Abweichungen vom elterlichen
Typus können schädliche,
gleichgültige oder nützliche sein. Die mit erstern behafteten Nachkommen haben bei dem zwischen der
Fruchtbarkeit der
Tiere
und
Pflanzen und dem für ihre Existenz vorhandenen Raume bestehenden Mißverhältnisse, bei der Verfolgung
durch Feinde u. s. w. geringere Aussicht, die mit den nützlichen
Abweichungen behafteten haben größere Aussicht, die andern
zu überleben und sich fortzupflanzen.
Die überlebenden werden die ihnen nützlich gewordene
Abweichung in der Regel wieder auf ihre Nachkommen vererben, und diese
Abänderungen werden sich befestigen und steigern: hieraus entspringt in aufsteigender Linie nach und
nach die Entstehung neuer Formen,
Varietäten und
Arten. Die Natur begünstigt vorzugsweise die Fortpflanzung der mit jenen
nützlichen
Abweichungen versehenen Individuen auf Kosten der andern und häuft dieselben bei spätern Nachkommen zu immer
höherm Betrage an; dies ist die natürliche Züchtung. Der Kampf ums
Dasein ist ein durch das Zusammenwirken
verschiedenartigster äußerer Umstände unbegrenzt mannigfaltiger. Bei demselben
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mehr
wirkt auch die kleinste Eigentümlichkeit der in denselben verflochtenen Individuen; jede kleinste Abänderung stört das
Gleichgewicht
[* 11] der gegeneinander strebenden Kräfte, und die Organismen passen sich einander sowie den äußern Verhältnissen
fortwährend an, wiewohl bei der Länge der für die Umprägung erforderlichen Zeit die Thatsache dieser Umprägung sich nicht
ohne weiteres zu erkennen giebt. Nach sehr zahlreichen Generationen kann die Abweichung von der Urform
eine hundertfach und tausendfach gehäufte geworden und durch die anfänglich ganz unmerkliche Abänderung eine Abart, eine
wirkliche Art, ja eine neue Gattung, eine neue Ordnung oder Klasse von Organismen entstanden sein, mindestens liegt keine
natürliche Ursache und kein logischer Grund vor, anzunehmen, daß das Maß der langsamen Abänderung irgendwo
innerhalb der Existenzmöglichkeit der Grundsubstanz organischen Lebens, des Eiweißes, eine Grenze finde.
Eine wichtige Triebfeder für die Bildung neuer Formen liegt in der Art des Gebrauchs der einzelnen Organe. Diese letztern
werden durch den je nach den äußern Lebensbedingungen abgeänderten Gebrauch gleichfalls verändert,
weiter entwickelt, vervollkommnet; andere gehen durch Nichtgebrauch zurück und verkümmern. Vögel
[* 12] oceanischer, von nachstellenden
Feinden freier Inseln, welche nicht zu fliegen nötig haben, besitzen verkümmerte Flügel; schon bei der Hausente, die wenig
fliegt, sind die Flügelknochen leichter, die Beinknochen schwerer im Verhältnis zum ganzen Skelett
[* 13] als
bei der wilden Ente.
Tiere, die in ewiger Nacht leben, sind ohne Augen, bei Höhlenbewohnern sind sie verkleinert (Maulwurf), oder sie liegen unter
der Haut
[* 14] verborgen (z. B. beim Olm, Proteusanguineus Laur.).
Aus der Verschiedenheit des Gebrauchs erklärt Darwin die Verwandlung der vordern, überall mit wesentlich den nämlichen
Knochen
[* 15] ausgestatteten Gliedmaßen bald zum Grabfuße des Maulwurfs, zum Rennfuße des Pferdes, zur Ruderflosse,
zum Flügel, zur Hand,
[* 16] und m der That sind diese Homologien bei Annahme jedesmaliger Neuschöpfung der einzelnen Tiergattungen
schlechthin unbegreiflich, bei Annahme der Descendenztheorie völlig verständlich.
Die Schwimmblase, ein Hilfsapparat für die Bewegung der Fische,
[* 17] welche bereits bei den Lurchfischen acccssorisches
Atmungsorgan ist, modifiziert sich zur Lunge
[* 18] der höhern Wirbeltiere. (S. Funktionswechsel.) Und selbst für die zusammengesetztesten
Organe, z. B. für das Auge,
[* 19] behauptet Darwin die Möglichkeit der allmählichen Entwicklung aus unvollkommensten ersten Anfängen,
unter dem Einflüsse der natürlichen Zuchtwahl. Aber nicht nur die äußere Form, auch das, was man
als Seele zu bezeichnen pflegt, die intellektuellen Fähigkeiten und Instinkte der Tiere, werden nach Darwin durch Zuchtwahl
abgeändert, wie dies dem Tierzüchter sehr wohl bekannt ist. (S. Erblichkeit.)
Eine Abänderung des Tier- und Pflanzenkörpers, die in einer bestimmten Gegend, Lage, Gesellschaft u. s. f. nützlich ist,
kann unter andern Verhältnissen schädlich sein; nicht immer erweist sich eine höhere Entwicklung für
die Geschöpfe nützlich. So tritt auf gewissen Inseln die Zahl der geflügelten Insekten
[* 20] gegen die flügellosen auffällig
zurück: die geflügelten fallen, wenn sie zu fliegen wagen, in großer Zahl ins Meer und verkommen, diejenigen, welche keine
Flugorgane besitzen oder, falls sie deren haben, keinen Gebrauch von ihnen machen, können sich erhalten
und
vermehren. Die Flügel erscheinen hier
als ein schädliches Organ und wurden deshalb da, wo sie vorhanden waren, durch Nichtgebrauch nach und nach ausgemerzt, und
die Fauna zeigt schließlich vorzugsweise flügellose Tiere.
Eine besondere Form der Zuchtwahl ist die geschlechtliche (sexual selection). Bei denjenigen Tieren, deren
Männchen miteinander um die Weibchen kämpfen, bleiben die stärkern Männchen Sieger und ihnen fällt die Fortpflanzung
der Gattung zu; sie vererben ihre Stärke
[* 21] auf die männliche Nachkommenschaft. Hieraus erklärt Darwin die ansehnliche Größe
der Männchen bei vielen Tieren und ihre Ausstattung mit Schutz- und Trutzwaffen (Löwe mit Mähne, Stier
mit mächtigem Nacken, Hirsch
[* 22] mit Geweih, Eber mit Hauzahn, Hahn
[* 23] mit besporntem Fuß). Die Männchen vieler Tiere wirken auch
durch musikalische Leistung (Vögel, Frösche,
[* 24] Grillen u. s. w.), durch Farbenpracht (Vögel, Insekten), durch Gerüche (besonders
Säugetiere), durch Tänze (Vögel) u. s. w. auf die Sinne (Auge, Ohr,
[* 25] Geruch) und damit auf die Sinnlichkeit
der Weibchen, sodaß das in dieser Hinsicht am besten ausgestattete Männchen die meisten Chancen der Fortpflanzung und damit
für Vererbung seiner Eigenschaften hat.
Eine wichtige Stütze für seine Lehre findet Darwin in den Erscheinungen der Entwicklungsgeschichte. Vielfach durchläuft ein
und dasselbe Tier dieselben Entwicklungsstufen (Metamorphosen), welche nach Darwin die Tiergattungen bei
ihrer Entstehung aus tiefer stehenden Ordnungen und Klassen zu durchlaufen hatten. Der Frosch
[* 26] in seinem Bildungsgange von
der Kaulquappe mit Kiemenatmung und Ruderschwanz bis zum entwickelten Tiere mit Lungenatmung stellt fast die ganze Reihe der
definitiven Formen dar, welcke sich in der Ordnung der Batrachier überhaupt vorfinden, und es ist ein
Lehrsatz der Darwinianer, daß die Natur bei der Schaffung von Gattungen, Ordnungen, Klassen, denselben Gang
[* 27] einschlage, welchen
sie bei der Entwicklung des einzelnen Tiers aus seinem Ei
[* 28] verfolgt.
Embryonen sehr verschiedener Tierarten sind in den frühern Entwicklungsstadien einander gleich oder sehr ähnlich; Organe,
welche im reifen Zustande des Tiers sehr verschieden gebildet sind und ganz verschiedenen Leistungen dienen, sind in der embryonalen
Zeit einander völlig gleich. In derselben Weise, wie sie an demselben Individuum in seinen verschiedenen Entwicklungsepochen
sich verwandeln, so bei den Individuen verschiedener Generationen, und hierdurch vollzieht sich die Bildung der
verschiedenen Klassen.
Hierauf beruht das Biogenetische Grundgesetz (s. d.). Eine fernere Stütze findet Darwin in gewissen Erscheinungen der Vererbung
im Atavismus oder im Rückschlag, dem plötzlichen Wiederauftauchen von Eigentümlichkeiten fernster Ahnen, welche in der Descendenz
verschwunden waren, z. B. das Auftreten von Streifenbildungen am Rücken des Pferdes, doppelten Schulterstreifen, sowie Querbinden
an den Beinen des Esels, denen des Zebras ähnlich, als Erbteil eines gemeinsamen Stammvaters der Pferdesippe,
welcher gestreift war.
Untersucht man die organischen Reste sehr alter Versteinerungen führender Schichten, so findet man nur wenige und sehr einfache
Formen von Pflanzen und Tieren. Die TheorieDarwins nimmt an, daß aus solchen die höhern Formen mit allmählicher
Steigerung der Mannigfaltigkeit der Organisation entstanden sind. Diese allmähliche Entstehung und
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