von Schleimhautdrüsen (der solitären Follikel, wie beim follikulären
Darmkatarrh, oder ganzer Drüsengruppen, wie der
Peyerschen
Drüsenhaufen beim
Typhus) oder durch brandige
Abstoßung diphtherischer Schleimhautpartien (bei der
Ruhr) oder durch Zerfall
von
Tuberkeln der
Darmschleimhaut, wie dies häufig in den letzten Stadien der
Lungenschwindsucht der Fall ist. Bei sorgfältiger
Behandlung und zweckmäßigem diätetischem Verhalten können die Darmgeschwüre heilen, ohne
nachteilige Folgen zu hinterlassen.
Tiefgreifende
Geschwüre verursachen indessen leicht die höchst gefährliche
Darmperforation, indem sie auch die äußere
seröse
Haut
[* 2] des
Darms durchbohren und damit den
Austritt von
Eiter, Flüssigkeit und Darminhalt in die Bauchhöhle veranlassen.
Am häufigsten wird die
Darmperforation beim
Unterleibstyphus und bei der
Entzündung des
Blinddarms und
seines wurmförmigen
Anhangs beobachtet.
Ihre Folge ist fast immer eine allgemeine, rasch tödliche
Bauchfellentzündung; eine
Naturheilung ist nur dann möglich, wenn vor dem
Durchbruch durch eine langsam verlaufende sog. adhäsive
Entzündung eine
Verwachsung der benachbarten Darmschlingen miteinander erfolgt war.
In der Regel freilich ist bei eingetretener
Perforation von Darmgeschwüren nur von operativen
Eingriffen
(der Ausführung des
Bauchschnitts und der
Resektion der perforierten Darmstelle mit nachfolgender
Darmnaht) Rettung zu erwarten,
ein Gebiet, auf welchem die moderne
Chirurgie geradezu bewundernswerte Erfolge aufzuweisen hat. Die spontane Vernarbung verheilender
Darmgeschwüre kann übrigens unter Umständen
Darmverengerung (s. d.) mit ihren lästigen und hartnäckigen
Beschwerden zur Folge haben.
(Enterorrhaphie), die operative
Vereinigung von Darmwunden vermittelst der Naht (s. d.). Hierbei genügt
es nicht, die Wundränder, wie bei Verletzungen der äußernHaut, durch Nähte einfach in Berührung
zu bringen, weil sie zu dünn sind, um hinreichende Berührungsflächen darzubieten; vielmehr sind stets die äußern serösen
Flächen des
Darms, welche sich durch große Neigung zur Verwachsung auszeichnen, in möglichst innige Berührung miteinander
zu bringen. Von den zahlreichen Methoden der Darmnaht kommen die von Lembert und Jobert
bez. ihre verschiedenartigen
Modifikationen am häufigsten zur Anwendung.
(Phthisis enterica, Enterophthisis,Phthisis s.
Tabes intestinalis) allgemeine Bezeichnung
für alle diejenigen chronischen
Affektionen des
Darms und der zugehörigen Gekrösdrüsen, welche durch anhaltende, schwer
stillbare
Durchfälle zu allgemeiner
Auszehrung führen. Hierher gehören vor allem die tuberkulösen
Geschwüre des
Dünndarms
(Darmtuberkulose), welche sich
am häufigsten im Verlaufe der chronischen
Lungentuberkulose einstellen, die tuberkulöse Verschwärung
der Gekrösdrüsen, welche als
Unterleibsskrofeln oder
Unterleibsdrüsenschwindsucht (Paedatrophia,
Tabes
mesaraica) häufig bei unzweckmäßig ernährten
Kindern vorkommt (s.
Pädatrophie), ferner die
Amyloidentartung der
Darmzotten,
die syphilitischen Verschwärungen der
Darmschleimhaut u. a. Das augenfälligste
Symptom der Darmschwindsucht ist ein chronischer, gewöhnlich
allen
Mitteln trotzender
Durchfall und eine stetig fortschreitende allgemeine
Abmagerung und
Blutarmut, welche
meist mit einem anhaltenden hektischen
Fieber verbunden sind; häufig sind auch schneidende oder bohrende
Schmerzen im
Unterleibe
vorhanden.
In den vorgeschrittenern Fällen ist der Ausgang wohl immer ein tödlicher. Die Behandlung muß vor allen Dingen
für eine leicht verdauliche, aber nahrhafte Diät sowie für eine zweckmäßige Bekämpfung des
Durchfalls sorgen
und fällt im übrigen mit der allgemeinen
Therapie der
Tuberkulose zusammen. (S.
Lungenschwindsucht.)
1)
Kreis
[* 5] in der hess.
ProvinzStarkenburg, hat 298,04 qkm, (1890) 91184 (44775 männl., 46409 weibl.) E., darunter 3813 Militärpersonen, 8656
Wohnhäuser,
[* 6] 2
Städte, 20 Landgemeinden.
– 2) Hauptstadt des Großherzogtums Hessen
[* 7] und der
ProvinzStarkenburg, Residenz des
Großherzogs, 27 km
südlich von
Frankfurt
[* 8] a. M., liegt 49° 52' nördl.
Br. und 8° 39' östl. L. von Greenwich, in 146,5 m Höhe und ist rings
von schönen Parkanlagen sowie Laub- und Nadelholzwaldungen umgeben, die sich im
S. an die schönen
Hochwälder der
Bergstraße
anschließen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt im
Frühling +9,6, im
Sommer +18,4, im Herbst +9,8
und im Winter +1,5° C., der durchschnittliche Luftdruck 747,4
mm.
Bevölkerung.
[* 10] Darmstadt hatte einschließlich der 1888 einverleibten Gemeinde
Bessungen (1885: 8174 E.) 1871: 39594, 1875: 44107,
1880: 48769, 1885: 51302, 1890: 55883 E., darunter 45712
Evangelische, 5097 Katholiken, 105
Deutschkatholiken, 1438 Israeliten,
i. eine Zunahme 1885–90 von 4581
Personen oder 8,9 Proz. oder jährlich 916
Personen;
ferner 3636 bewohnte
Gebäude, 11380 Familienhaushaltungen, 1070 einzeln
lebende
Personen und 72 Anstalten.
Die Zahl der
Geburten betrug (1891) 1567 (darunter 74 Totgeburten), der Sterbefälle 1104,
der
Eheschließungen 439. In Garnison liegen das Leibgarderegiment Nr.
115, Gardedragonerregiment Nr. 23, die Leib-, 2.
u. 5. Eskadron des Leibdragonerregiments Nr. 24, die Gardeunteroffiziercompagnie,
das Feldartillerieregiment Nr. 25 und Trainbataillon Nr. 25.
Darmstadt
* 12 Seite 54.815.
Anlage,
Straßen, Plätze,
Denkmäler. Darmstadt besteht aus der
Altstadt im O. mit engen und krummen
Straßen und der regelmäßig angelegten
Neustadt
[* 11] westlich davon; in den letzten Jahrzehnten sind im
NO. (Blumenthalviertel) und im SO. neue, mit schönen
Gebäuden
und Vorgärten gezierte Stadtteile entstanden. Hauptstraßen sind die Rhein-, Promenaden-, Hügelstraße, die Wilhelminen-,
Heinrich-,
Anna-, Saalbau- und Neckarstraße. Von den zahlreichen Plätzen seien genannt der schöne achteckige Luisenplatz
mit dem Bronzestandbilde (9 m) des
GroßherzogsLudwig Ⅰ., von
Schwanthaler modelliert, auf roter Sandsteinsäule
(43 m)
¶
mehr
mit Wendeltreppe im Innern, 1844 errichtet; der Paradeplatz mit dem Kriegerdenkmal für 1870/71), nach dem Modell des Bildhauers
Herzig, von Lenz in Nürnberg
[* 13] gegossen, nordöstlich daranstoßend der Hoftheaterplatz mit Sandsteinstandbildern des Landgrafen
Philipp des Großmütigen und seines SohnesGeorg Ⅰ. des Frommen, des Stifters der Hessen-Darmstädtischen Linie, von Scholl,
1854; der Mathildenplatz, der Wilhelminenplatz, der Marienplatz und der Bahnhofsplatz mit Fontäne und
der Büste des zu D. geborenen Chemikers Justus von Liebig. An der Ecke der Liebig- und Landwehrstraße befindet sich ein Brunnendenkmal
des AbgeordnetenAugust Metz;
[* 14] auf dem Friedhof stehen zahlreiche Denkmäler hervorragender Männer, so des Komponisten Flotow,
Kupferdruckers Felsing, Turnlehrers Spieß, Majors Kattrein u. a.
Kirchen. Nahe dem Markte die prot. Stadtkirche mit got. Chor und sehenswertem Renaissancegrabmal Georgs Ⅰ., am Wilhelminenplatz
die 1827 von Moller im Stile des röm. Pantheons erbaute kath. Kirche, mit 28 Säulen
[* 15] im Innern, die die Glaskuppel tragen, und
schönem Marmorsarkophag der Großherzogin Mathilde, von Widnmann; ferner die neue got.
Stadtkapelle, die frühgot. Martinskirche und eine neue Synagoge. Eine neue Kirche (Johanniskirche) ist (1892) im Bau begriffen.
Weltliche Bauten. Das großherzogl. Residenzschloß, zum Teil noch aus der Zeit der Grafen von Katzenelnbogen (15. Jahrh.) stammend,
wurde unter Landgraf Georg Ⅰ. umgebaut und nach seinem Tode (1596) mit schönen Portalen in Renaissance
versehen;
der Hauptteil stammt aus dem 18. Jahrh., das Glockenspiel des Turmes von 1671;
der Bau wurde 1833 vollendet. Im mittlern
Stockwerk befindet sich die Hofbibliothek (400000 Bände, 3300 Handschriften, Landkartensammlung und viele seltene Druckwerke)
und die 1890 neugeordneten Sammlungen von Altertümern, Mineralien,
[* 16] Konchylien und Petrefakten;
[* 17]
Nördlich vom Schlosse das Hoftheater, nach dem Brande (1871) neu gebaut und 1879 vollendet.
Am Markt steht das Rathaus, ein Renaissancebau von 1568, auf dem Wilhelminenplatz das neue Palais des Großherzogs, auf der
Rosenhöhe das des Prinzen Wilhelm, beide in ital. Renaissance, dem Bahnhof gegenüber die
Kunsthalle und die Banken für Handel und Industrie und für Süddeutschland, letztere beiden von Berdellé 1875 erbaut,
in der Hügelstraße das neueGebäude der Volksbank, in der Schützenstraße die städtische Sparkasse, in der Rheinstraße
das Stadthaus und das großartige Postgebäude;
ferner die Palais des Prinzen Alexander und des verstorbenen Prinzen Karl sowie
mehrere Kasernen, Klubhäuser und hervorragende Privatgebäude;
der Bau eines neuen Museums an Stelle des
abgebrochenen Zeughauses ist (1892) von den Landständen bewilligt;
ein neues großes Polytechnikum ist (1892) im Bau begriffen.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister (Morneweg), zwei unbesoldete Beigeordnete, 42 Stadtverordnete
und eine großherzogl. Polizeiverwaltung. Es besteht eine Schutzmannschaft (54), freiwillige Feuerwehr (250
Mann), ausgezeichnete Wasserleitung,
[* 20] Gasanstalt (1,7 Mill. cbm) und ein Elektricitätswerk mit 5000 Glühlampen. ^[]
Finanzen. Darmstadt hatte (1890/91) etwa 11,056 Mill. M. Vermögen und 8,879 Mill. M. Schulden. Die Einnahmen
betrugen (1888/89) 1,990, die Ausgaben 1,642 Mill. M.; für Schulen wurden 375600 M., für öffentliche Sicherheit 114000
M., für Armenpflege 82000 M. verwendet.
Behörden. Darmstadt ist Sitz der Behörden des großherzogl. Hofes, der Ministerien, der Oberrechnungskammer, des Oberkonsistoriums,
der Direktion der ProvinzStarkenburg, des Kreisamtes Darmstadt, der landwirtschaftlichen, Forst-, Kirchen- und Schulbehörden, eines
Oberlandesgerichts für das Großherzogtum Hessen (Landgerichte Darmstadt, Gießen,
[* 21] Mainz),
[* 22] Landgerichts mit 18 Amtsgerichten (Beerfelden,
Darmstadt Ⅰ, Darmstadt Ⅱ, Fürth,
[* 23] Gernsheim, Groß-Gerau, Groß-Umstadt, Hirschhorn, Höchst, Langen, Lorsch, Michelstadt,
Offenbach,
[* 24] Reinheim, Seligenstadt, Wald-Michelbach, Wimpfen, Zwingenberg) und Kammern für Handelssachen in Darmstadt und Offenbach,
zweier Amtsgerichte, einer Oberpostdirektion für das Großherzogtum Hessen mit Ausnahme des Amtsgerichtsbezirks Wimpfen mit 285 Verkehrsanstalten
und 2024,22 km oberirdischen Telegraphenlinien (7677,06 km Leitungen), einschließlich 781,56 km Fernsprechanlagen,
eines Hauptsteueramtes, Steuerkommissariats, Rentamtes, einer Reichsbanknebenstelle; ferner der Kommandos der 25. (großherzogl.
hess.) Division sowie der 49. und 50. Infanterie- und 25. Kavalleriebrigade. In Darmstadt haben
Preußen
[* 25] und Großbritannien
[* 26] Gesandtschaften.
Schul- und Bildungswesen. Die Technische Hochschule ist aus der frühern Gewerbeschule hervorgegangen; sie zählte (Wintersemester
1892/93) 24 Professoren, 28 andere Docenten, 497 Studierende und 111 Hospitanten; die einzelnen Zweige
der Hochschule sind: Hochbauabteilung, Ingenieurabteilung, Maschinenbauabteilung, chem.-technische Abteilung, mathem.-naturwissenschaftliche
Abteilung, elektrotechnische Abteilung. Das Pädagogische Seminar zur Ausbildung von Lehrern für Gymnasien und Realschulen
ist mit dem neuen Gymnasium verbunden.
Großherzogl. Ludwig-Georgs-Gymnasium, 1627 vom Landgrafen Georg Ⅱ. gestiftet (Direktor Dr. Becker, 32 Lehrer, 17 Klassen
mit 469 Schülern, 6 Vorschulklassen mit 177 Schülern), Neues Gymnasium, 1890 vom vorigen abgezweigt (Direktor Nodnagel, 14 Lehrer, 9 Klassen, 240 Schüler);
Realgymnasium, 1823 gegründet (Direktor Kühl, 32 Lehrer, 15 Klasssen ^[richtig: Klassen] mit 593 Schülern, 4 Vorschulklassen
mit 171 Schülern), Realschule, 1889 vom vorigen abgezweigt (Direktor Dr. Freiherr von Gall, 17 Lehrer, 13 Klassen, 425 Schüler), 3 höhere
Mädchenschulen, darunter die städtische Victoriaschule, Mädcheninstitut (Lehrerinnenseminar) St. Maria der Englischen Fräulein,
je eine Mittel- und zwei Stadtschulen für Knaben und Mädchen, mehrere Fortbildungsschulen, eine Handwerk-, Kunstgewerbe-
und Fachschule für Kaufleute.
Außer der oben unter den weltlichen Bauten erwähnten Bibliothek und Gemäldegalerie besteht noch ein
Kabinettsmuseum und eine Kabinettsbibliothek im alten großherzogl. Palais sowie mehrere
Privatsammlungen von Gemälden (z. B. die des Geh. Hofrats Schäfer). Hervorragend ist das Hoftheater (1800 Plätze), 1818/19
von dem kunstliebenden GroßherzogLudwig Ⅰ. gegründet, und die Hofkapelle.
¶