Czarnkow, Kreisstadt im
Kreis
[* 2] Czarnikau, an der
Netze, hat (1890) 4542 (2179 männl., 2363 weibl.) E., darunter 1663 Katholiken und 796 Israeliten,
Post zweiter
Klasse,
Telegraph,
[* 3] Landratsamt,
Amtsgericht (Landgericht Schneidemühl),
[* 4] Steueramt,
Katasteramt,
Bauamt; 2 evang., 1 kath.
Kirche,
Synagoge, Rektoratsschule, höhere Mädchenschule, Präparandenanstalt, je eine evang.,
kath. und israel.Volksschule, staatliche Fortbildungsschule,
Krankenhaus,
[* 5] Kreissparkasse, poln.
Volksbank;
Dampfsäge- und
Ölmühlen,
Wollspinnerei, Kalkbrennereien und Getreidehandel.
Dunajec (spr. tscharni dunahjetz),Markt in der österr.
Bezirkshauptmannschaft Neumarkt in Galizien, am
Schwarzen
Dunajec, wonach der Ort genannt ist, hat (1890) 2445, als Gemeinde 2469 poln. E., Post,
Bezirksgericht (15 Gemeinden, 27 Ortschaften, 16418 E.),
reiche Eisenerzlager.
In der Nähe der Borysumpf, aus dem zwei
Bäche, der eine zum Donau-, der andere
zum Weichselflußgebiet stießen.
(spr. tschar-), poln. Familie, die einige von Jagello,
andere von dem Enkel des litauischen Fürsten Gedemin, dem Fürsten zu Czerniechow und Siewier Korygjello ableiten, der in der
Schlacht bei Wilna
[* 6] 1390 fiel. Die Czartoryski sind wahrscheinlich schon im 14. Jahrh.
aus
Litauen in die russ. Landschaft übergesiedelt, die alte Feste Czartorysk am
Styr in
Volhynien wird als Mittelpunkt ihrer
Besitzungen angesehen. Urkundlich erscheinen sie in der ersten Hälfte des 15. Jahrh.
Alexander Feodorowicz Czartoryski trat 1569 der
Lubliner Union, die
Litauen mit
Polen vereinigte, bei; er wird zwar Fürst genannt, doch erlangte die Familie,
obgleich sie sich polonisierte,
bis in die Mitte des 18. Jahrh. keine hervorragende
Stellung, vornehmlich wohl, weil sie sich
zum griech.
Glauben bekannte. Mit
Georg Iwanowicz Czartoryski (gest. 1622) trat sie zu der kath.
Kirche über, verschwägerte sich mit den sehr reichen Familien Morsztyn und Doenhof und erwarb sich bald
das höchste Ansehen.
Nachdem die Czartoryski schon 1623 die deutsche Reichsfürstenwürde erhalten hatten, wurde ihnen 1785 das österr.
Indigenat und 1788 die Magnatenwürde von dem ungar. Landtage zuerteilt. Ursprünglich bestand
eine litauische und eine russische, angeblich mit den Ruriks (Linie Jaroslaw) verwandte Linie. Von den
zwei Hauptlinien erlosch die ältere, von Nowgorod, zur Zeit des poln. Königs Sigismund I.,
während sich die andere (zu Klewan) wiederum in zwei
Äste teilte, den zu Zukow und den zu Korzec, von welchen jedoch der
letztere mit dem Fürsten
Joseph Clemens Czartoryski, gest. im Mannsstamme erloschen ist.
Der Linie zu Zukow gehörte der Fürst
MichaelFriedrich Czartoryski an, geb. gest. als
Großkanzler von
Litauen, Mitbegründer der lange Zeit mächtigen und einflußreichen sog. Familie,
d. i. einer von den Verwandten
der Czartoryski gebildeten polit. Partei, die im Gegensatze gegen die
Potocki und
Radziwill heilsame
Reformen und
Beschränkung der Adelsfreiheiten in
Polen, freilich mit Hilfe
Rußlands, einzuführen bezweckte. (Vgl. Röpell,
Polen um die
Mitte des 18. Jahrh., Gotha
[* 7] 1876.) - Sein Neffe, Fürst
Adam Kasimir Czartoryski,
General von Podolien, geb.
durch
Geburt, Reichtum,
Geist und
Bildung ausgezeichnet, wurde nach dem
TodeAugusts III. als Kandidat für
PolensThron
[* 8] aufgestellt.
Allein durch den Einfluß der Kaiserin
Katharina II. erhielt
StanislausPoniatowski die
Krone.
Adam Kasimir Czartoryski trat nach der ersten
TeilungPolens wegen seiner Besitzungen in Galizien in österr. Dienste,
[* 9] wo er Feldmarschall wurde. Dessenungeachtet
nahm er an dem
Reichstage 1788-91 den eifrigsten Anteil und erhielt während dieser Zeit eine Sendung nach
Dresden,
[* 10] um den
Kurfürsten von
Sachsen
[* 11] zur
Annahme der
KronePolens zu bewegen. Hierauf suchte er in
Wien
[* 12] die Vermittelung und den Schutz des
Kaisers gegen dieAbsichtenRußlands. Da seine Bemühungen fruchtlos blieben und König
Stanislaus der von
Rußland begünstigten
Konföderation von
Targowiza beitrat, zog er sich auf seine
Güter zurück. Von Napoleon zum Marschall
des poln.
Reichstags ernannt, brachte er die
Konföderation von 1812 zu stande. Czartoryski lebte später zurückgezogen auf seinen
Gütern und starb zu Sieniawa in Galizien. Seine
Söhne waren
AdamGeorg, Fürst Czartoryski (s. d.) und
Konstantin, Fürst Czartoryski (s. d.). - Seine Gemahlin Isabella,
geborene Gräfin von Flemming, geb. in Warschau,
[* 13] vermählt machte sich
ebenso berühmt durch ihren
Patriotismus wie durch ihre Schönheit und ihren poet.
Geist, den sie als Schriftstellerin entfaltete. Sie lebte bis 1831 zu
Pulawy, dessen schöne Gärten zum
Teil ihr Werk sind
und wo sie
Volksschulen, Fabriken und in dem sog.
Tempel
[* 14] der Sibylle die berühmte Sammlung poln.
Altertümer begründete. Infolge
des Ausgangs der poln. Revolution von 1830 zog sie sich nach Wysock in Galizien,
einer Besitzung ihrer Tochter, der Herzogin von
Württemberg,
[* 15] zurück, wo sie starb. Diese ihre Tochter Maria,
geb. gest. zu
Paris,
[* 16] die sich 1784 mit dem
HerzogLudwig von
Württemberg vermählte, von dem sie aber 1792 geschieden
wurde, ist die Verfasserin des trefflichen poln.
Romans «Malvina» (Warsch. 1818).
(spr. tschar-),AdamGeorg, Fürst, ältester Sohn des Fürsten
Adam Kasimir (s. oben), geb.
erhielt eine häusliche Erziehung und vollendete seine
Bildung in Edinburgh und
London.
[* 17]
Schon im Freiheitskampfe Kosciuszkos
zeigte er sich tapfer. Nach der
TeilungPolens 1795 wurde er nebst seinem
BruderKonstantin als Geisel nach
Petersburg
[* 18] geschickt. Dort fühlte sich der junge
GroßfürstAlexander, dem Czartoryski als
Adjutant beigegeben war, durch dessen männlichen
und feurigen Charakter so mächtig angezogen, daß er eine vertraute Freundschaft mit ihm knüpfte. Czartoryski ward
Botschafter am sardin.
Hofe. Nachdem
Alexander den
Thron bestiegen, rief er Czartoryski sogleich in den
Kreis seiner Vertrauten zurück und ernannte ihn zum
Kurator aller Lehranstalten in
Polen. Am unterzeichnete Czartoryski, dem bei allen seinen
Plänen die Wiederherstellung
Polens
am
Herzen lag, weshalb er auch eine
Trennung der Teilungsmächte gern sah, im
NamenRußlands das
Bündnis
mit
Großbritannien.
[* 19] Er war auch im Feldzuge 1807 des
Kaisers beständiger Begleiter, zog sich aber, als nach dem
Tilsiter Frieden
der
Graf Rumjanzow Minister des
Auswärtigen geworden war, fast ganz von allen
Geschäften zurück.
Nach dem
Ausbruch des
Krieges von 1812 war er wieder in der Umgebung
Alexanders, den er auch 1814 nach
Paris
begleitete. Dann befand er sich auf dem
Wiener Kongreß und entwarf den
Plan zur konstitutionellen
Verfassung des unter russ.
Oberhoheit neu zu errichteten ^[korrekt: neu errichteten - oder: neu zu errichtenden] Königreichs
Polen. Dessenungeachtet
wurde Zajonczek zum
Statthalter inPolen, Czartoryski aber nur zum Woiwoden und Mitgliede des Administrationsrates
ernannt.
^[Artikel, die man unter Cz vermißt, sind unter
Tsch oder Č aufzusuchen.]
¶
mehr
1817 vermählte sich Czartoryski mit der Prinzessin AnnaSapieha. Dem ersten Reichstage wohnte er als Mitglied der Senatorenkammer bei
und sprach mit Freimütigkeit von den Vorteilen konstitutioneller Verfassungen. Bald sah er indes alle seine Hoffnungen schwinden.
Es wurden gegen die Unterrichtsanstalten Untersuchungen eingeleitet, die einen so gehässigen Verlauf nahmen, daß
Czartoryski sein Kuratoramt niederlegte. Seitdem lebte er den Wissenschaften auf seinem Stammsitze Pulawy.
Nach dem Ausbruche der poln. Revolution von 1830 war seine Thätigkeit wieder dem Dienste des Vaterlandes
gewidmet. Zum Präsidenten der Provisorischen Regierung ernannt, berief er den Reichstag auf den Am zum
Vorsitzenden der Nationalregierung berufen, brachte er über die Hälfte seines Vermögens dem Vaterlande
zum Opfer. Nach den Greuelthaten des 15. und als Krukowiecki zum Diktator gewählt wurde, legte Czartoryski seine Stelle
als Senatspräsident nieder und trat in das Korps des Generals Ramorino ein, mit dem er nach Österreich
[* 21] überging.
Darauf begab er sich nach Paris, fortwährend für seine heimatlosen Landsleute uneigennützig wirkend, doch als Aristokrat
und zukünftiger König von Polen von der demokratischen Partei der poln. Emigranten oft heftig angefeindet. Von der Amnestie
von 1831 wurde Czartoryski ausgeschlossen; auch unterlagen seine Güter im Königreich Polen der Konfiskation. Infolge
des poln. Aufstandes von 1846 verfielen außerdem seine galiz. Besitzungen der Sequestration seitens
Österreichs, die aber im Frühjahr 1848 wieder aufgeschoben wurde. Im März 1848 forderte er von Paris aus in einer franz.
Proklamation die VertreterDeutschlands
[* 22] auf, sich mit den VertreternFrankreichs zu vereinigen, um die Herstellung Polens
zu verlangen. Czartoryski starb zu Montfermeil bei Paris. -
Vgl. Mazade, Alexandre Ier et le prince Czartoryski Correspondance
particulière et conversations 1801-23 (Par. 1865);
ders., Mémoires du prince Adam Czartoryski et sa correspondance avec l’empereur
Alexandre Ier (2 Bde., ebd. 1887).
1) Witold, geb. trat in span. Dienste und starb zu
Algier;
2) Wladislaw, geb. vermählt in erster Ehe mit der verstorbenen Prinzessin Marie Amparo, Tochter der
Königin Marie Christine von Spanien,
[* 23] und in zweiter Ehe (seit mit Margarete Adelaide,
[* 24] Prinzessin
von Orléans,
[* 25] Tochter des Herzogs von Nemours, gegenwärtig das Haupt seiner Familie und der aristokratischen Partei der poln.
Emigranten, wohnt abwechselnd in Paris und auf seinen Gütern in Galizien und hat in Krakau
[* 26] eine große poln. Bibliothek und
ein poln. Museum gegründet;
(spr. tschar-),Konstantin, Fürst, Bruder des vorigen, geb. in Pulawy, wurde in Petersburg russ.
Gardeoffizier und Adjutant des GroßfürstenKonstantin, trat zur Zeit des Herzogtums Warschau 1809 in das poln.
Heer und errichtete auf eigene Kosten ein Regiment. Dann nahm er an dem Feldzuge Napoleons gegen Rußland teil und zeichnete
sich in der Schlacht bei Moskau
[* 27] aus. 1816 trat er in Petersburg wieder auf kurze Zeit in das russ. Heer und ward kaiserl. Generaladjutant.
Bald aber zog er sich ganz vom öffentlichen Leben zurück und ließ sich 1828 in Wien nieder; er
legte
eine wertvolle Gemäldesammlung an und starb in Wien.
Seine aus zweiter Ehe stammenden beiden jüngsten Söhne, Konstantin, geb. und Georg, geb. beschäftigten
sich mit litterar. und musikalischen Studien und gaben gemeinsam einige Schriften über Musik und Theater
[* 28] heraus. Sie besitzen in Galizien große Güter und verfolgen daselbst liberale und national-föderale Tendenzen. Der erstere
wurde vom Kaiser zum Mitgliede des österr. Herrenhauses ernannt und war Vicepräsident desselben, der zweite war Abgeordneter
auf dem galiz. Landtage und einer der Führer der poln.
klerikalen Partei. Er starb in Wien.
Der aus C.s erster Ehe entsprossene älteste Sohn, Adam Czartoryski, geb. in Warschau, erhielt in Frankreich seine Erziehung,
kämpfte 1831 in dem poln. Aufstande. Er war Besitzer der Herrschaften Jutroschin und Dubin in der ProvinzPosen,
[* 29] zeichnete sich durch Wohlthätigkeit aus und gewährte vielen jungen Polen und Deutschen die Mittel zu ihrer Ausbildung. Er
starb auf seinem Gute Rokossowo, Kreis Gostyn.
Des letztern ältester Sohn, Roman Czartoryski, geb. war 1870-73 Abgeordneter im preuß.
Landtage, 1871-81 Mitglied des DeutschenReichstags, nahm an den polit. Bewegungen lebhaften Anteil und
war eine Zeit lang Vorsitzender der poln. Fraktion. Er starb zu Jabkonow in Galizien.