wendung zum
Bleichen vegetabilischer
Stoffe verdankt, ist teils auf
Oxydations-, teils auf Substitutionsvorgänge zurückzuführen.
Chlor ist endlich allem pflanzlichen wie tierischen Leben feindlich; es vernichtet Ansteckungsstoffe, soweit sie organischen
Ursprungs sind, und wird daher als eins der wirksamsten Desinfektionsmittel gebraucht. (S.
Chlorräucherung.)
und
Chloralhydrat.
BeimStudium der bei der Einwirkung von
Chlor auf
Alkohol sich vollziehenden Prozesse entdeckte
Liebig 1832 einen öligen Körper und dessen krystallisierbare
Verbindung mit Wasser; erstern nannte er
Chloral, letztere
Chloralhydrat. Beide wurden von Dumas weiter studiert und ihre Zusammensetzung ermittelt. Die des Chlorals
ist C2HCl3O oder CCl3.CHO (Trichloraldehyd), die des
Chloralhydrats C2HCl3O oder CCl3.CH(OH)2.
Diese
Verbindungen hatten lange Zeit ausschließlich wissenschaftliches Interesse, bis 1869 Liebreich
die Entdeckung machte, daß wir in ihnen ein
Arzneimittel von großer Wichtigkeit besitzen (s. unten). Seitdem ist dieser
früher kaum gekannte Körper zu einem Gegenstände der
Industrie geworden und wird gegenwärtig täglich in großen Quantitäten
dargestellt. Bei der Fabrikation wird reines, d. h. gewaschenes und mittels Schwefelsäure
[* 2] getrocknetes Chlorgas in rektifizierten
Alkohol von 96 bis 97°Tr. so lange eingeleitet, bis dasselbe
unabsorbiert durch die Flüssigkeit geht.
Unter massenhafter
Entwicklung von Chlorwaserstoffsäure und unter
Bildung anderer Nebenprodukte ist schließlich der
Alkohol
in Chloral-Alkoholat verwandelt, wozu beimArbeiten mit größern Mengen von
Alkohol ein während 10-12
Tagen ununterbrochenes
Einleiten vonChlor erforderlich ist. Das Chloral-Alkoholat wird nun in einen Destillierapparat mit Rückflußkühler
gebracht, mit konzentrierter Schwefelsäure versetzt und zunächst anhaltend erwärmt, wobei noch viel Chlorwasserstoffsäure,
die in der Flüssigkeit gelöst war, entweicht, während das durch die Schwefelsäure abgeschiedene Chloral in den
Apparat
zurückfließt.
Ist alle Salzsäure entfernt, so wird derDampf
[* 3] in einen gewöhnlichen Kühler geleitet und bei der
Destillation
[* 4] des Chlorals die Wärme
[* 5] so reguliert, daß die
Temperatur der Flüssigkeit 100° C. nie übersteigt, hierbei geht die Gesamtmenge
des Chlorals über, während andere Produkte der Chlorierung als Destillationsrückstand verbleiben. Das so gewonnene Chloral
wird, um geringe Mengen von noch vorhandener Säure zu entfernen, mit gepulverter Kreide
[* 6] geschüttelt
und rektifiziert.
Das Chloral ist eine ölige farblose Flüssigkeit, von eigentümlich scharfem, durchdringendem
Geruch, kratzendem
Geschmack,
siedet bei 94° C., spec. Gewicht 1,502, mischbar und löslich in Wasser,
Alkohol, Petroleumäther,
Terpentinöl, Schwefelkohlenstoff,
fetten Ölen. Es verhält sich in seinen Reaktionen wie einAldehyd (s. d.); beimAufbewahren wandelt es
sich in eine feste polymere
Verbindung um; durch
Oxydation entsteht Trichloressigsäure, beim Erwärmen mit wässerigen Lösungen
von
Alkalien zerfällt es
in
Chloroform und in ameisensaures
Salz.
[* 7]
Mischt man 1
Molekül oder 100
Teile Chloral mit 1
Molekül oder 12,2
Teilen Wasser durch kräftiges Schütteln, so
tritt anfangs deutliche Wärmeentwicklung ein, beim Erkalten erstarrt das Ganze zu festem
Chloralhydrat. Gießt man die Mischung
vor dem Erstarren in flache Schalen, so bildet das
Chloralhydrat nach dem Erkalten Platten, die zerschlagen in den
Handel gebracht
werden. Die Erstarrung des
Chloralhydrats ist immer mit
Krystallisation verbunden, welche beginnt, sobald
die
Temperatur der Flüssigkeit etwa 35° C. beträgt.
Beachtet man diesen Zeitpunkt und gießt man den flüssig gebliebenen Anteil ab, sobald sich eine hinreichend starke Krystallschicht
gebildet hat, so gelingt es, schön ausgebildete
Krystalle zu erhalten. Das
Chloralhydrat schmilzt zwischen 56 und 58° C.,
bei höherer
Temperatur spaltet es sich in Chloral und Wasser, welche zusammen bei 94° übergehen. In der
Technik benutzt man
Chloralhydrat zur
Darstellung eines sehr reinen
Chloroforms. 1 Kg
Chloralhydrat kostet im
Großhandel 4-6 M.
In der
Medizin wird das
Chloralhydrat seiner beruhigenden und schlafbringenden Wirkung wegen gegen habituelle Schlaflosigkeit,
bei nervösen Aufregungszuständen,
Geisteskrankheiten, bei Säuferdelirien,
Eklampsie und
Tetanus vielfach
mit bestem Erfolge benutzt; gewöhnlich genügen 1-2
g, um einen tiefen, anscheinend normalen, von keinerlei
Beschwerden gefolgten
Schlaf zu erzeugen. Auf die
Haut
[* 8] wirkt das
Chloralhydrat ätzend und kann Blasenbildung zur Folge haben; äußerlich wird es
bei der
Diphtheritis, bei
Geschwüren,
Stinknase, Haarkrankheiten u. s. w. angewendet.
Fortgesetzter und unmäßiger Chloralgenuß kann zu chronischer
Chloralvergiftung
(Chloralismus) führen,
welche sich durch Verdauungsstörungen, Hauterkrankungen, Gelenkschmerzen,
Atemnot und zunehmende Körper- und
Geistesschwäche
kundgiebt, weshalb
vor der mißbräuchlichen Anwendung des
Chloralhydrats zu Schlummertränken, welche namentlich in England
und Nordamerika
[* 9] beliebt ist, nicht eindringlich genug gewarnt werden kann. Neuerdings hat man auchChloralamid
(s. d.) und
Chloralimid (s. d.) zu demselben Zweck angewendet. -
Vgl. Liebreich, Das
Chloralhydrat, ein neues Hypnotikum und
dessen Anwendung in der
Medizin (3. Aufl., Berl. 1871).
(Chloralformamid) entsteht durch
Addition bei der Einwirkung von
Chloral auf Formamid und hat folgende Zusammensetzung:
^[img]. Es bildet farblose, schwach bitter schmeckendeKrystalle, die sich in Wasser, leichter in
Alkohol
lösen, bei 115° C. schmelzen und beim Destillieren in
Chloralhydrat und Formamid zerfallen. Auch durch
Alkalien erfolgt diese
Spaltung, weshalb sich das Chloralamid im
Blute sehr bald in
Chloralhydrat und ameisensaures
Ammoniak zersetzt. In Einzelgaben von 2 bis 3 g
bewirkt das Chloralamid einen tiefen erquickenden Schlaf; vor dem
Chloralhydrat hat es den Vorzug voraus, daß
es die Herzthätigkeit und den Blutdruck nicht alteriert und die
Verdauung nicht schädigt. 1 kg Chloralamid kostet im
Großhandel 25 M.
(Vgl.
Chloralimid.)
ein neu eingeführtes hypnotisch wirkendes
Arzneimittel, welches das
Chloralamid (s. d.)
in seiner Wirksamkeit noch übertreffen soll.
Das Chloralimid besitzt die Formel: CCl3-CH=NH und
^[Artikel, die man unter E vermiht, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
erscheint in farb-, geruch- und geschmacklosen langen Krystallnadeln, die bei 166° C. schmelzen, unlöslich in Wasser, leichtlöslich
in Alkohol, Äther und Chloroform sind.